Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.02.2020, Az. 2 WRB 1/19

2. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2020, 3802

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Gegenstand

Zugang einer Wehrbeschwerde durch Abgabe beim Offizier vom Wachdienst


Leitsatz

Disziplinarvorgesetzte müssen durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass schriftliche Beschwerden bis zum Ablauf der Beschwerdefrist um 24 Uhr eingelegt werden können. Andernfalls kann die Berufung auf den Fristablauf treuwidrig sein und gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des früheren Soldaten wird der Beschluss des [X.] vom 13. November 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] Süd zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

1

Die Rechtsbeschwerde betrifft Fragen des fristwahrenden Zugangs einer Wehrbeschwerde.

2

Der Beschwerdeführer, ein Oberleutnant der Reserve, wendet sich gegen eine [X.] in Höhe von 3 900 €. Ihm wird vorgeworfen, dass er seine gewerbliche Nebentätigkeit in einem nicht genehmigten Umfang ausgedehnt habe. Die Disziplinarverfügung wurde ihm vom stellvertretenden Kommandeur seiner Flugstaffel am 29. März 2018 ausgehändigt. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom Montag, den 30. April 2018, erhob er Beschwerde. Da die Übermittlung der Beschwerde per Telefax mehrfach fehlschlug, begab sich ein Rechtsanwalt der Kanzlei am selben Tag zu der Kaserne in [X.] und übergab das [X.] in einem an den Kommodore des Geschwaders adressierten Briefumschlag um 18:15 Uhr. Der Offizier vom Wachdienst quittierte den Empfang und trug ihn in das [X.] ein. Anschließend versuchte er, den [X.] oder anderen Beschäftigten des Stabes zu übergeben. Da er dort aber niemanden mehr antraf, wurde der Brief vorerst in der Wache verwahrt. Erst nach Ablauf des Feiertags, 1. Mai 2018, wurde er im Vorzimmer des Kommodores abgegeben und mit dem Eingangsstempel "2. Mai 2018" versehen.

3

Mit [X.] vom 17. Juli 2018 wies der Kommodore die Beschwerde als unzulässig zurück. Die Monatsfrist habe am 29. März 2018 zu laufen begonnen, die Beschwerde sei aber erst am 2. Mai 2018 bei der zuständigen Stelle eingegangen. Aus dem [X.] sei ersichtlich, dass beabsichtigt gewesen sei, die Beschwerde am letzten [X.] per Telefax einzulegen. Ein derartiges Fax sei aber weder beim Kommodore des Geschwaders noch beim Kapitän der Staffel eingegangen. Im Übrigen sei die Disziplinarmaßnahme auch in der Sache nicht zu beanstanden.

4

Hiergegen legte der Antragsteller am 30. Juli 2018 weitere Beschwerde beim [X.] ein und trug vor, die Kanzlei habe am Montag, dem 30. April 2018, den ganzen Tag über erfolglos versucht, ein Telefaxgerät in der Kaserne zu erreichen. Auch Telefonanrufe seien an diesem Brückentag ohne Erfolg geblieben. Daher habe die Kanzlei das [X.] persönlich am 30. April 2018 dem vor Ort tätigen Offizier vom Wachdienst ausgehändigt, der den Empfang schriftlich bestätigt und zugesagt habe, das [X.] sofort im Bereich des Kommodores abzugeben.

5

Das [X.] wies die weitere Beschwerde mit Beschluss vom 13. November 2018 zurück. Die Erstbeschwerde sei nicht fristgemäß eingegangen und deshalb zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden. Zwar habe ein Mitarbeiter der Kanzlei des Verteidigers das Schreiben noch am 30. April 2018 dem vor Ort eingesetzten Offizier vom Wachdienst übergeben. Damit sei es jedoch noch nicht in den Empfangsbereich des zuständigen Kommodores gelangt. Der Zugang eines Schriftstücks beim Offizier vom Wachdienst sei dem [X.] nicht zuzurechnen, weil dieser nicht als sein "verlängerter Arm" diene. Der Offizier vom Wachdienst sei auch keine Hilfsperson eines [X.], der im Rahmen einer arbeitsteiligen Aufgabenerfüllung für diesen tätig werde. Die Frist sei auch nicht unverschuldet verstrichen. Ein unabwendbarer Zufall sei insbesondere nicht darin zu sehen, dass die am 30. April 2018 entgegengenommene Beschwerde nicht noch am selben Tag an den Kommodore oder dessen Empfangsbereich geleitet worden sei. Der Offizier vom Wachdienst habe zwar versucht, das Schriftstück nach dessen Eingang dort abzugeben. Er habe jedoch niemanden mehr erreicht. Das Schreiben sei zu einer Zeit abgegeben worden, zu der eine Weiterleitung an den Adressaten am selben Arbeitstag nicht mehr habe erwartet werden können. Eine entsprechende Zusage habe es nicht gegeben. Ein unabwendbarer Zufall sei auch nicht darin zu sehen, dass die Übermittlung per Fax am 30. April 2018 erfolglos geblieben sei. Wie sich aus dem [X.] ergebe, seien keine Telefaxnummern des Geschwaders angewählt worden. Die Empfangsgeräte seien am 30. April 2018 auch nicht abgeschaltet gewesen.

6

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen. In der fristgerecht eingegangenen Begründung beruft sich der Antragsteller erneut darauf, dass der Offizier vom Wachdienst das [X.] am letzten [X.] gegen Quittung entgegengenommen habe.

7

Das [X.] erwidert, dass der Offizier vom Wachdienst typischerweise Sicherungsaufgaben habe und nicht für die Post empfangsermächtigt sei. Nach Nr. 109 der [X.] [X.]/21 "Der Wachdienst in der [X.]" sei der Wachdienst von anderen Diensten, insbesondere [X.], Standort- und Sonderdiensten, abzugrenzen und kein Ersatz für diese Dienste. Der zuständige Kommodore habe das Schreiben damit erst nach Fristablauf erhalten. Der [X.]disziplinaranwalt hat sich dieser Argumentation angeschlossen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das [X.] hat die weitere Beschwerde zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen, dass die gegen die Disziplinarverfügung vom 29. März 2018 gerichtete Erstbeschwerde bereits nicht fristgemäß eingelegt worden sei. Es hätte stattdessen in der Sache entscheiden müssen.

9

1. Die Einreichung der Erstbeschwerde durch Abgabe des Schreibens am 30. April 2018 wahrte die Monatsfrist des § 6 Abs. 1 [X.] (a). Sie gelangte damit zwar noch nicht in den Empfangsbereich der für die Beschwerdeentscheidung zuständigen Stelle (b). Eine Empfangsberechtigung des Offiziers vom Wachdienst kann mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen auch nicht aufgrund einer [X.] oder Anscheinsvollmacht angenommen werden (c). Der Kommodore des Geschwaders muss sich den Zugang bei seinem Offizier vom Wachdienst aber nach dem Grundsatz von [X.] und Glauben (§ 242 [X.]) sowie dem Grundsatz des fairen Verfahrens zurechnen lassen (d).

a) Gemäß § 6 Abs. 1 [X.] darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf einer Nacht und muss innerhalb eines Monats eingelegt werden, nachdem der Beschwerdeführer von dem [X.] Kenntnis erhalten hat. Kenntnis vom [X.] hat der Antragsteller dadurch erhalten, dass ihm die Disziplinarverfügung vom 29. März 2018 am selben Tag durch Aushändigung einer Abschrift dienstlich bekannt gegeben wurde (§ 37 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 3 [X.]). Dass er die Unterschrift verweigerte, steht der Bekanntgabe nicht entgegen. Für die Bekanntgabe kommt es nicht auf eine solche Unterschrift, sondern auf den tatsächlichen Erhalt an. Die Frist für die Einlegung der Beschwerde begann am Tag nach diesem Ereignis, also am 30. März 2018, zu laufen und endete an sich am 29. April 2018 (§ 31 Abs. 1 VwVfG [X.]. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 [X.]). Da es sich dabei um einen Sonntag handelte, lief sie am 30. April 2018 um 24 Uhr ab (§ 31 Abs. 3 VwVfG). An diesem Tag und damit innerhalb der Monatsfrist reichte ein Anwalt die Beschwerde in Form eines Schriftstücks bei dem wachhabenden Offizier der Kaserne gegen Quittierung des Empfangs ein.

b) Mit dieser Einreichung wurde die Beschwerde nicht bei einer für den Empfang zuständigen Stelle eingelegt. Der Beschwerdeführer hat sie nicht an seinen Staffelkapitän als [X.] (§ 5 Abs. 1 Satz 1 [X.]) adressiert, sondern an den Kommodore des Geschwaders als für die Entscheidung über die Beschwerde zuständige Stelle (§ 5 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Der Kommodore als weiterer Disziplinarvorgesetzter hat die Beschwerde am 30. April 2018 aber nicht erhalten. Für den fristgerechten Eingang einer schriftlichen Beschwerde genügt es zwar, dass sie vor Ablauf der Beschwerdefrist in den Empfangsbereich und damit in die Verfügungsgewalt des für die Beschwerde zuständigen Disziplinarvorgesetzten gelangt (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Juli 2008 - 1 [X.] 1.08 - [X.] 450.1 § 17 [X.] Nr. 73 Rn. 21 ff.). Es ist auch nicht erforderlich, dass der Dienststellenleiter von der Beschwerde persönlich Kenntnis nimmt. Vielmehr genügt es, wenn die Beschwerde beispielsweise durch Abgabe beim Kompaniefeldwebel in die Verfügungsgewalt der Dienststelle gelangt ([X.], Beschluss vom 27. Februar 2003 - 1 [X.] 39.02 - [X.]E 118, 21 <24>). Entscheidend ist, dass die betreffende Person nach innerdienstlicher Weisung oder Übung zur Entgegennahme von Schreiben für die Dienststelle befugt sein muss und sich damit - wie etwa ein S1-Offizier auf [X.] - gleichsam als "verlängerter Arm" des Vorgesetzten in Rechtsbehelfsangelegenheiten darstellt ([X.], Beschluss vom 15. Juli 2008 - 1 [X.] 1.08 - [X.] 450.1 § 17 [X.] Nr. 73 Rn. 21 f.). Wird durch Organisationsverfügung einer höheren militärischen Dienststelle für den Bereich einer Kaserne eine Zentrale Post- und Kurierstelle eingerichtet, kann auch über diesen "verlängerten Arm" mit Rechtswirkung für den [X.] eine Beschwerde fristwahrend eingelegt werden ([X.], Beschluss vom 19. Juli 2018 - 1 [X.] 30.17 - [X.] 450.1 § 5 [X.] Nr. 3 Rn. 33).

Der Offizier vom Wachdienst war hier aber nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.]s nicht zur Entgegennahme von Beschwerden berechtigt. Einer entsprechenden Ermächtigung stand zwar nicht entgegen, dass der Offizier vom Wachdienst für die Zeit des [X.] eine besondere Vorgesetztenstellung nach § 3 [X.] innehatte, besondere Eingriffsrechte erhielt, aus dem regulären Befehlsstrang herausgelöst und unmittelbar dem Kasernenkommandanten unterstellt war (vgl. Nr. 216 [X.]/21). Denn der Offizier des [X.] und der Kasernenkommandant waren hier dem Kommodore des Geschwaders als weiterem Vorgesetzten unterstellt. Der Kommodore als Führer des Geschwaders war also nicht gehindert, den Offizier vom Wachdienst allgemein für bestimmte Zeiten oder im Einzelfall für bestimmte Fälle zur Entgegennahme von Briefen oder Beschwerden zu ermächtigen. Dem stand auch die allgemeine organisatorische Anweisung in Nr. 109 [X.]/21 nicht entgegen, wonach der Wachdienst von [X.], Standort- und Sonderdiensten klar abzugrenzen ist und für diese kein Ersatz darstellt. Denn dies schließt die Übernahme von wachdienstfremden Aufgaben in Zeiten der Unerreichbarkeit der ansonsten vorhandenen [X.] oder Postdienste nicht kategorisch aus. Darüber kann im Rahmen der allgemein in der [X.] geltenden Auftragstaktik vor Ort flexibel entschieden werden. Im vorliegenden Fall fehlte es jedoch an einer ausdrücklichen Ermächtigung des Offiziers vom Wachdienst zur Entgegennahme und Quittierung von fristwahrenden Schreiben.

c) Auch eine Ermächtigung des Offiziers vom Wachdienst nach den Grundsätzen der [X.] und Anscheinsvollmacht ist auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen des [X.]s nicht nachweisbar. Eine Duldungsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach [X.] und Glauben dahin versteht und auch verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (vgl. [X.], Urteil vom 11. Mai 2011 - [X.] - [X.]Z 189, 346 Rn. 15). Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, es aber bei [X.] hätte erkennen und verhindern können und der andere Teil annehmen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln des Vertreters. Voraussetzung ist dabei, dass das Verhalten des angeblich Vertretenen von einer gewissen Häufigkeit und Dauer ist (vgl. [X.], Urteil vom 11. Mai 2011 - [X.] - [X.]Z 189, 346 Rn. 16). Im vorliegenden Fall spricht zwar manches dafür, dass die Entgegennahme von [X.] nach dem allgemeinen Dienstschluss durch den Wachdienst schon wiederholt vorgekommen ist. Es sind jedoch weder für eine stillschweigende Billigung noch für eine rechtsscheinbegründende Häufigkeit und Dauer dieser Praxis tatsächliche Feststellungen vorhanden.

d) Einer weiteren Aufklärung dieser Tatsachen bedarf es jedoch nicht, weil sich der Kommodore die Entgegennahme und Quittierung des Beschwerdeschreibens durch den Offizier vom Wachdienst jedenfalls nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von [X.] und Glauben zurechnen lassen muss. Nach § 242 [X.] kann sich der Adressat einer empfangsbedürftigen Willenserklärung nicht auf deren verspäteten Zugang berufen, wenn er die Verzögerung wegen einer in seinem Verantwortungsbereich liegenden Ursache selbst zu vertreten hat. Wer mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen rechnen muss, hat geeignete Vorkehrungen zu treffen, damit die Erklärungen ihn rechtzeitig erreichen können. Verletzt der Empfänger diese Obliegenheit, kann er sich nach [X.] und Glauben nicht auf einen dadurch bewirkten Fristablauf berufen. Dies gilt jedenfalls, wenn der Erklärende aus seiner Sicht alles Erforderliche und ihm Zumutbare getan hat, damit seine Erklärung den Adressaten erreichen konnte (vgl. [X.], Urteil vom 26. November 1997 - [X.] - [X.]Z 137, 205 <209>; [X.], in: [X.], [X.], 79. Aufl. 2020, § 130 Rn. 18; [X.]/Olzen, in: [X.], [X.], Stand April 2018, § 242 Rn. 453 f.).

Diese Grundsätze gelten auch im Wehrbeschwerderecht. Der zuständige Disziplinarvorgesetzte muss durch eine geeignete Organisation sicherstellen, dass der einzelne Soldat sein Beschwerderecht nach § 6 [X.] (hier [X.]. § 42 [X.]) während der gesamten Monatsfrist und insbesondere noch am letzten Tag ausüben kann. Da der Soldat berechtigt ist, sich in jeder Lage des Verfahrens durch einen Verteidiger vertreten zu lassen, muss auch dem Verteidiger grundsätzlich die Möglichkeit zur Einlegung schriftlicher Beschwerden eröffnet werden. Wenn der zuständige Disziplinarvorgesetzte oder sein Stab nicht mehr im Dienst ist, muss er durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass schriftliche Beschwerden noch bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingelegt werden können.

Dies folgt auch aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Nach diesem verfassungsrechtlichen Grundsatz darf der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden ([X.], Beschluss vom 8. Dezember 2009 - 2 BvR 758/07 - [X.]E 125, 104 <137>). Die Gerichte sind verpflichtet, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um den Rechtssuchenden eine volle Ausnutzung der Rechtsmittelfrist zu ermöglichen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3. Oktober 1979 - 1 BvR 726/78 - [X.]E 52, 203 <209> und vom 4. Mai 1977 - 2 BvR 616/75 - [X.]E 44, 302 <306>). Dasselbe gilt auch für Verwaltungsbehörden, gegen deren Bescheide fristgebundene Rechtsmittel zulässig sind ([X.], Urteil vom 13. März 1962 - 1 C 158.60 - [X.] 310 § 60 VwGO Nr. 17). Wird eine [X.] nachweislich vor 24 Uhr am letzten [X.] in einen zur Entgegennahme von [X.] bestimmten Briefkasten der zuständigen Behörde eingeworfen, so ist die Frist gewahrt, auch wenn der Einwurf nicht in einen sogenannten Nachtbriefkasten erfolgte ([X.], Urteil vom 12. Februar 1964 - 4 C 95.63 - [X.]E 18, 51 <52>). Da auch eine wehrdienstgerichtliche Entscheidung über eine [X.] nicht ohne vorherige Erhebung der Beschwerde ergehen kann, gelten diese in der Rechtsschutzgarantie und im Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 [X.]) wurzelnden Organisationspflichten auch im Wehrbeschwerdeverfahren. Dementsprechend muss auch ein Disziplinarvorgesetzter die schriftliche Beschwerdeeinlegung bis zum letzten Tag und zur letzten Stunde der Beschwerdefrist des § 6 Abs. 1 [X.] ermöglichen.

Daran fehlt es hier. Geht man davon aus, dass der Offizier vom Wachdienst nicht zur Entgegennahme der Beschwerde berechtigt war, so waren keine ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen für die in § 6 [X.] vorgesehene schriftliche Beschwerdeeinlegung für die letzten Stunden der Frist getroffen. Es war niemand bestellt, einen schriftlichen Rechtsbehelf entgegenzunehmen. Ob die Möglichkeit bestanden hätte, die Beschwerde per Telefax einzulegen, ist ohne Relevanz, weil § 6 Abs. 1 [X.] eine schriftliche Einlegung in Briefform zulässt und auch dafür die notwendigen Vorkehrungen zu treffen sind. Außerdem ist weder festgestellt noch ersichtlich, dass die Kaserne über einen Briefkasten verfügt hätte. Selbst wenn ein Briefkasten vorhanden gewesen wäre, würde dies am Ergebnis nichts ändern, weil der Offizier vom Wachdienst den Rechtssuchenden durch sein Verhalten dann schuldhaft von einer fristwahrenden Einlegung in den Briefkasten abgehalten hätte. Auch dieses Verhalten eines ihm unterstellten Soldaten hätte sich der Kommodore als zuständiger Disziplinarvorgesetzter zurechnen lassen müssen, so dass er sich auch in diesem Fall nach [X.] und Glauben nicht auf den Fristablauf berufen dürfte.

2. Da die Erstbeschwerde nach § 242 [X.] als fristgerecht zugegangen gilt, beruht die anderslautende Entscheidung des [X.]s auf einer unzutreffenden Auslegung von Bundesrecht (§ 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.]. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Sie erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.]. § 144 Abs. 4 VwGO). Da für eine Entscheidung in der Sache durch den Senat keine Tatsachenfeststellungen vorliegen, ist das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 22a Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 [X.]).

Meta

2 WRB 1/19

27.02.2020

Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WRB

vorgehend Truppendienstgericht Süd, 13. November 2018, Az: S 1 BLc 2/18 und S 1 RL 1/18, Beschluss

§ 5 Abs 1 WBO, § 6 Abs 1 WBO, § 242 BGB, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 6 Abs 1 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.02.2020, Az. 2 WRB 1/19 (REWIS RS 2020, 3802)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3802

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2 BvR 758/07

VIII ZR 289/09

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