Bundessozialgericht, Urteil vom 23.07.2014, Az. B 8 SO 12/13 R

8. Senat | REWIS RS 2014, 3867

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialhilfe - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Anspruch auf Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 für im Haushalt der Eltern lebende erwachsene Leistungsberechtigte


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 19. März 2013 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] sind höhere Leistungen der [X.]rundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ([X.]rundsicherungsleistungen) nach dem [X.] - ([X.]) für die [X.] vom 1.6.2011 bis zum [X.].

2

Die 1985 geborene Klägerin ist schwerbehindert ([X.]rad der Behinderung von 100; Merkzeichen "B", "[X.]" und "[X.]"). Sie wohnte im streitbefangenen [X.]raum gemeinsam mit ihrer als Betreuerin bestellten Mutter und ihrem Bruder in einer Wohnung. Sie war in einer Werkstatt für behinderte Menschen ([X.]) tätig und erzielte dort Einkünfte in unterschiedlicher [X.]öhe. Seit dem 1.3.2013 lebt sie in einer stationären Einrichtung.

3

Die Beklagte bewilligte der Klägerin für die [X.] vom 1.1. bis 30.11.2011 Leistungen der [X.]rundsicherung nach dem [X.] in [X.]öhe von insgesamt 534,47 Euro monatlich, wobei sie einen Regelbedarf in [X.]öhe von 359 Euro sowie einen behinderungsbedingten Mehrbedarf in [X.]öhe von 61,03 Euro monatlich zugrunde legte. Für die [X.] ab dem 1.6.2011 hob sie die entsprechende Bewilligung teilweise auf und gewährte nur noch Leistungen in [X.]öhe von 461,94 Euro; sie berücksichtigte dabei (neben den unverändert gebliebenen Leistungen für Unterkunft und [X.]eizung) einen Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 3 in [X.]öhe von 291 Euro sowie einen Mehrbedarf für schwerbehinderte Menschen mit dem Merkzeichen "[X.]" in [X.]öhe von 49,47 Euro (Bescheid vom 20.5.2011; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Für die anschließende [X.] vom 1.12.2011 bis 30.11.2012 gewährte sie [X.]rundsicherungsleistungen monatlich in derselben [X.]öhe und passte diese Leistungen zum 1.1.2012 wegen der Erhöhung des Regelbedarfs an (Bescheide vom 20.10.2011 und vom 23.12.2011; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Schließlich bewilligte sie für Dezember 2012 [X.]rundsicherungsleistungen in [X.]öhe von 472,14 Euro und ab dem 1.1.2013 in [X.]öhe von 481,18 Euro (Bescheide vom 7.11.2012 und vom 10.12.2012; Widerspruchsbescheid vom 28.1.2013).

4

Die Klagen gegen diese Bescheide, die das [X.] (S[X.]) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, blieben im Ergebnis ohne Erfolg (Urteil vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das S[X.] ausgeführt, dass die Beklagte der Klägerin im streitgegenständlichen [X.]raum zutreffend nur einen Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 3 gewährt habe. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass die Klägerin keinen eigenen [X.]aushalt führe. Sie werde entweder in der [X.], in der sie arbeite, oder von ihrer Mutter zu [X.]ause betreut. Es habe daher keine Veranlassung bestanden zu ermitteln, ob die Klägerin einen eigenen [X.]aushalt führe. Weder die [X.]öhe des Regelbedarfs nach der Regelbedarfsstufe 3 noch die Tatsache, dass Empfänger von [X.]rundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - [X.]rundsicherung für Arbeitsuchende - (S[X.]B II) ab Vollendung des 25. Lebensjahrs den vollen Regelbedarf erhielten, sei verfassungsrechtlich zu beanstanden. Denn die unterschiedliche [X.]öhe des Regelbedarfs beruhe auf [X.] zwischen S[X.]B II und [X.].

5

Mit der Sprungrevision rügt die Klägerin, dass die Regelbedarfsstufe 3 verfassungswidrig sei. Der [X.]esetzgeber habe unzutreffend im Rahmen einer Pauschalierung eine [X.]aushaltsersparnis von [X.] angenommen, ohne dies ermittelt zu haben. Im Übrigen verstoße die [X.]öhe der Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 3 gegen den allgemeinen [X.]leichbehandlungsgrundsatz, weil S[X.]B-II-Leistungsempfänger ab Vollendung des 25. Lebensjahrs Anspruch auf den vollen Regelbedarf hätten.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des S[X.] und den Bescheid der Beklagten vom 20.5.2011 in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufzuheben, sowie die Bescheide der Beklagten vom 20.10.2011, 23.12.2011, 7.11.2012 und 10.12.2012 in der [X.]estalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide vom [X.] und vom 28.1.2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, höhere Leistungen der [X.]rundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die [X.] vom 1.6.2011 bis [X.] zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Sprungrevision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 [X.] iVm Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <[X.][X.]>).

[X.]egenstand des Verfahrens sind nach Verbindung der Klagen (§ 113 [X.][X.]) durch das [X.] jedenfalls der Bescheid vom 20.5.2011 in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheids - nach Landesrecht ohne Beteiligung sozial erfahrener Dritter - vom [X.] (§ 95 [X.][X.]), die Bescheide vom 20.10.2011 und vom 23.12.2011 - letzterer gemäß § 86 [X.][X.] als [X.]egenstand des Widerspruchsverfahrens - in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] und schließlich die Bescheide vom 7.11.2012 und 10.12.2012 - letzterer ebenfalls nach § 86 [X.][X.] als [X.]egenstand des Widerspruchsverfahrens - in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheids vom 28.1.2013. Ob weitere Bescheide [X.]egenstand des Verfahrens geworden sind, kann der Senat abschließend nicht beurteilen. Das [X.] wird dies zu überprüfen haben; insoweit hat es nur mitgeteilt, dass die Klägerin wechselndes Einkommen erzielt hat, was den Erlass weiterer Bescheide nahelegt. [X.]egen alle diese Bescheide wendet sich die Klägerin zutreffend mit der kombinieren Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 [X.][X.]), auch wenn sich die Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 20.5.2011 an § 48 Abs 1 [X.] - ([X.]B X) misst. Denn sie macht insoweit nicht nur geltend, es sei mit Inkrafttreten der Neuregelungen durch das [X.]esetz zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] ([X.] 453; [X.]/[X.]B II/[X.]B XII-Änd[X.]) zum 1.1.2011 (vgl Art 14 Abs 1 [X.]/[X.]B II/[X.]B XII-Änd[X.]) keine Änderung zu ihren Lasten eingetreten, sondern es bestehe auch für die [X.] vom 1.6. bis zum 30.11.2011 Anspruch auf höhere Leistungen wegen der Erhöhung der Regelbedarfe für Alleinstehende um 5 Euro und damit des Mehrbedarfs für schwerbehinderte Leistungsberechtigte mit Merkzeichen "[X.]". Dieses Ziel kann sie nicht allein mit der Anfechtung der Bescheide erreichen. Entgegen der Ansicht des [X.] hat die Klägerin jedoch den Streitgegenstand in der Sache nicht beschränkt, sodass über die gesamten [X.]rundsicherungsleistungen zu befinden ist.

Ob mit den zum 1.1.2011 in [X.] getretenen [X.]esetzesänderungen in den rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des ursprünglichen (begünstigenden) Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, wie dies § 48 Abs 1 Satz 1 [X.]B X für die (teilweise) Aufhebung der Bewilligung für den [X.]raum vom 1.6. bis zum 30.11.2011 voraussetzt, und ob diese in Bezug auf die Höhe der bewilligten Leistungen nach den Vorschriften des [X.]B XII (ggf ausschließlich) begünstigenden oder belastenden Charakter haben, also einen Anspruch der Klägerin auf höhere Leistungen gegen die örtlich und sachlich zuständige Beklagte begründen, kann abschließend nicht entschieden werden, weil ausreichende Feststellungen des [X.] zur Anspruchshöhe fehlen. Eine abschließende Entscheidung kann für den streitbefangenen [X.]raum vom 1.12.2011 bis zum [X.] ebenso wenig getroffen werden. Insoweit finden die Vorschriften des [X.]B XII allerdings ohne Rücksicht auf § 48 [X.]B X Anwendung. [X.]emäß § 19 Abs 2 [X.]B XII iVm § 41 Abs 1 und 3 [X.]B XII (jeweils idF des [X.]/[X.]B II/[X.]B XII-Änd[X.]) erhalten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, auf Antrag Leistungen der [X.]rundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, wenn sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 [X.]B XII bestreiten können. Die Anspruchsvoraussetzungen für solche Leistungen dem [X.]runde nach erfüllte die Klägerin, weil sie nach den Feststellungen des [X.] neben dem Einkommen aus der Tätigkeit in einer [X.] kein weiteres Einkommen bezog und vermögenslos war.

Die Höhe der Ansprüche auf [X.]rundsicherungsleistungen für die [X.] ab dem 1.1.2011 richtet sich nach § 42 Nr 1 [X.]B XII (in der Normfassung des [X.]/[X.]B II/[X.]B XII-Änd[X.] und ab 1.1.2013 des [X.]esetzes zur Änderung des [X.]B XII vom 20.12.2012 - [X.] 2783), wobei sich eine Verminderung des Regelbedarfs aus Anlass der Neuregelung wegen der Übergangsrege-lung in § 137 [X.]B XII vor dem 1.4.2011 nicht zu Lasten der Betroffenen auswirken kann. Da-nach umfassen die [X.]rundsicherungsleistungen unter anderem die Regelsätze nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 [X.]B XII; daneben ist § 27a Abs 3 und [X.] und 2 [X.]B XII (in der Normfassung des [X.]/[X.]B II/[X.]B XII-Änd[X.]) anzuwenden. Zur Deckung des Regelbedarfs sind danach monatliche Regelsätze zu gewähren (§ 27a Abs 3 Satz 1 [X.]B XII). [X.]emäß der Anlage zu § 28 [X.]B XII erhält seit dem 1.1.2011 Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 in Höhe von 364 Euro eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt; dies gilt auch dann, wenn in diesem Haushalt eine oder mehrere weitere erwachsene Personen leben, die der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen sind. Leistungen der Regelbedarfsstufe 2 in Höhe von 328 Euro (mithin 90 vH der Regelbedarfsstufe 1) werden demgegenüber gewährt für jeweils zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Ehegatten, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher [X.]emeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen. Die Regelbedarfsstufe 3, die Leistungen in Höhe von 291 Euro (80 vH der Regelbedarfsstufe 1) vorsieht, gilt für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher [X.]emeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt. Für Kinder und Jugendliche sind - abhängig von ihrem Alter - die weiteren Regelbedarfsstufen 4 bis 6 gebildet.

Von der jeweils maßgeblichen Regelbedarfsstufe leitet sich auch die Höhe des Mehrbedarfs nach § 42 Nr 2 [X.]B XII iVm § 30 Abs 1 Nr 2 [X.]B XII (in der Normfassung des [X.]/[X.]B II/[X.]B XII-Änd[X.]) - Merkzeichen "[X.]" - ab, der der Klägerin zustand, sofern nicht - wofür bislang keine Anhaltspunkte vorliegen - ein abweichender Bedarf bestand. Entgegen der Auffassung der [X.] wird der notwendige Regelbedarf der Klägerin, die mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in einem Haushalt lebt, nicht von vornherein mit der Regelbedarfsstufe 3 beschrieben. Dies legt schon der Wortlaut der Anlage zu § 28 [X.]B XII nahe; aus der Systematik des [X.]esetzes und seinem Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Vorschriften folgt diese Auslegung vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art 1 Abs 1 [X.]rundgesetz ([X.][X.]) iVm Art 20 Abs 1 [X.][X.] und Art 3 Abs 1 und Abs 3 Satz 2 [X.][X.] zwingend, wie der Senat in seiner Entscheidung vom 23.7.2014 (B 8 [X.] 14/13 R) ausführlich dargestellt hat; zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf verwiesen.

Leben erwachsene nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte zusammen mit ihren Eltern in einem Haushalt, gilt [X.]leiches, selbst wenn diese Konstellation nach der Begründung der entsprechenden Regelungen im Bericht des [X.] angeblich der Hauptanwendungsfall für die Regelbedarfsstufe 3 ist (vgl BT-Drucks 17/4095, [X.] f und [X.] f). Es muss indes typisierend bei familienhaftem Zusammenleben von behinderten und nicht behinderten Menschen, gerade auch beim Zusammenleben von Eltern mit ihren behinderten erwachsenen Kindern, davon ausgegangen werden, dass die hilfebedürftige Person der Regelbedarfsstufe 1 (gemeinsamer eigener, kein fremder Haushalt) unterfällt, ergänzt durch die gesetzliche Vermutungsregelung des § 39 Satz 1 1. Halbsatz [X.]B XII ([X.], aaO). Denn die zu fordernde Beteiligung an der Haushaltsführung muss sich auch hier an den jeweiligen individuellen Fähigkeiten des behinderten Menschen orientieren.

Das entsprechende Leitbild normiert § 1626 Abs 2 Satz 1 Bürgerliches [X.]esetzbuch (B[X.]B) für die Pflege und Erziehung des (minderjährigen) Kindes, wonach Eltern dabei die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen. [X.]egenüber einer (nach heutigen Maßstäben entwicklungsgefährdenden) Inanspruchnahme elterlicher Befugnisse, als die die elterliche Sorge noch vor wenigen Jahrzehnten verstanden wurde, stellt sich § 1626 Abs 2 Satz 1 B[X.]B als bewusste Selbstbeschränkung der Eltern zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung ihres Kindes dar (vgl etwa [X.] in [X.] zum B[X.]B, 6. Aufl 2012, § 1626 B[X.]B RdNr 61 mwN). Dieses gesetzgeberische Verständnis von Elternverantwortung findet zwar wegen der Volljährigkeit der Leistungsbezieherin unmittelbar auf die zur Entscheidung stehende Konstellation keine Anwendung; es entspricht gleichwohl typisierend dem Bild eines familienhaften Zusammenlebens auch mit behinderten erwachsenen Kindern, und zwar insbesondere dann, wenn es - wie hier - bei der Aufenthaltsbestimmung und den Wohnungsangelegenheiten unter Betreuung der Mutter steht. Denn auch das Handeln des Betreuers ist am Wohl des Betreuten auszurichten und nach dessen Fähigkeiten entsprechend seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten; die Ziele der Rehabilitation behinderter Menschen sind dabei besonders in den Blick zu nehmen (vgl § 1901 Abs 2 und Abs 4 B[X.]B).

Dem Bestreben, das Kind über seine Volljährigkeit hinaus möglichst weitgehend mit dem Ziel der größtmöglichen Selbständigkeit zumindest in Teilbereichen des Lebens zu fördern, stünde die Annahme entgegen, anknüpfend an die Schwere einer dauerhaften körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigung, damit an die Auswirkungen einer Behinderung, würde einem Kind im elterlichen Haushalt per se eine geringere Selbständigkeit als zB in einer ambulant betreuten Wohngruppe zukommen. Ein solches Verständnis liefe neben dem Verbot der Benachteiligung von behinderten Menschen aus Art 3 Abs 3 [X.][X.] und dem Diskriminierungsverbot auch der Verpflichtung des Staates aus Art 23 Abs 3 des [X.] über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (UN-Behindertenrechtskonvention , [X.]esetz vom 21.12.2008 - [X.]I 1419 -, in der [X.] in [X.] seit [X.] - [X.]I 812) zuwider, wonach die Vertragsstaaten gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen gleiche Rechte in Bezug auf das Familienleben haben. Ein "fremder Haushalt" kann mithin nur vorliegen, wenn bei dem behinderten Menschen entgegen der gesetzlichen Vermutung keinerlei eigenständige oder nur eine gänzlich unwesentliche Beteiligung an der Haushaltsführung vorläge. Die materielle Beweislast liegt insoweit bei der [X.]; allerdings bedürfte es zu diesem neuen rechtlichen [X.]esichtspunkt noch eines qualifizierten Vortrags, damit das [X.] überhaupt in weitere Ermittlungen eintreten kann.

Soweit in der [X.]esetzesbegründung ausgeführt wird, dass (jedenfalls) weit überwiegend "haushaltsführende" Eltern im Haushalt mit ihren erwachsenen nicht erwerbsfähigen Kindern die Kosten der Haushaltsführung allein tragen (BT-Drucks 17/4095, [X.] f), ist dies ohne Bedeutung. Auf die Frage, wer die Kosten der Haushaltsführung trägt, kommt es bei der Zuordnung der Leistungsberechtigten zur Regelbedarfsstufe 1 gerade nicht an ([X.], aaO).

Das [X.] wird über die Leistungshöhe insgesamt und ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 8 SO 12/13 R

23.07.2014

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Magdeburg, 19. März 2013, Az: S 16 SO 114/11, Urteil

§ 41 Abs 1 S 1 SGB 12, § 42 Nr 1 SGB 12, § 42 Nr 2 SGB 12, § 27a Abs 3 S 1 SGB 12, § 30 Abs 1 Nr 2 SGB 12, § 39 S 1 Halbs 1 SGB 12, Anlage SGB 12, § 8 Abs 1 Nr 1 RBEG, § 8 Abs 1 Nr 3 RBEG, § 1626 Abs 2 S 1 BGB, Art 3 Abs 3 S 2 GG, Art 23 Abs 3 UNBehRÜbk

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.07.2014, Az. B 8 SO 12/13 R (REWIS RS 2014, 3867)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3867

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