Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.07.2012, Az. IV ZR 286/10

4. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4816

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Gegenstand

Abschluss einer Lebensversicherung als Anlagegeschäft: Aufklärungspflichten des Versicherers; Aufklärungspflichtverletzungen hinsichtlich Rendite-Glättungsverfahren und Quersubventionierungen


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 30. November 2010 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der [X.], einem [X.] Lebensversicherer, Schadensersatz wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten bei Abschluss einer Lebensversicherung.

2

Die Beklagte bietet eine Kapitallebensversicherung "Wealthmaster Noble" an, bei der mit einer Einmalzahlung Anteile an einem "Pool mit garantiertem Wertzuwachs" erworben werden. Die Beklagte "garantiert" den Anlegern, dass der Wert des einzelnen Poolanteils nicht fallen kann. Der [X.] des Anlegers ist das Produkt aus der Anzahl der ihm zugewiesenen Poolanteile und dem Anteilswert. Das den verschiedenen Pools der [X.] zugrunde liegende Gesamtvermögen wird von der [X.] als Teil ihres [X.] am Aktienmarkt investiert. Im Rahmen des sogenannten Glättungsverfahrens ("[X.]") überführt sie einen Teil der durch die Investitionen der Vermögenswerte erzielten Rendite in Rückstellungen und gibt nur den verbleibenden Teil während der Vertragslaufzeit in Form des garantierten Wertzuwachses und gegebenenfalls durch - nicht garantierte - Fälligkeitsboni an die Anleger weiter. An den gebildeten Reserven können die Anleger auch am Ende der Vertragslaufzeit durch einen Fälligkeitsbonus beteiligt werden, der dem Wert der Anteile hinzugerechnet wird.

3

Diese Lebensversicherung war im Streitfall Teil eines [X.]s, das als weitere Bestandteile die Darlehensfinanzierung der Einmalzahlung und die Investition in einen Investmentfonds beinhaltete. In [X.] wurde dieses [X.] unter anderem über die [X.] als sogenannte "Masterdistributorin" und von dieser beauftragte [X.] vertrieben.

4

Geworben durch einen dieser [X.] schloss auch die Klägerin bei der [X.] einen Lebensversicherungsvertrag "Wealthmaster Noble" mit Versicherungsbeginn zum 21. Juni 2001 und einer Laufzeit von 36 Jahren ab und zahlte einen Einmalbetrag in Höhe von 244.000 DM, mit dem sie Anteile am "Euro-Pool 2000EINS", einem "Pool mit garantiertem Wertzuwachs" erwarb. Der Versicherungsschein sieht auf Seite 2 eine "sonstige Auszahlung" in Höhe von 164.359 DM am 1. Juni 2011 vor. Zur Finanzierung des Einmalbetrags und der für das [X.] anfallenden Bearbeitungsgebühr von 6.000 DM nahm die Klägerin einen Kredit in Höhe von 200.000 DM auf, dessen Laufzeit auf maximal 10 Jahre begrenzt war. Den Restbetrag in Höhe von 50.000 DM brachte sie aus Eigenmitteln auf. Ihre Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag trat sie zur Sicherheit an die inzwischen insolvente [X.] ab. Daneben investierte die Klägerin in einen Fondssparplan mit einer monatlichen Sparrate von 200 DM, der neben der "sonstigen Auszahlung" bei Endfälligkeit zur Tilgung des Darlehens verwendet werden sollte. Die jeweils zum Jahresende fälligen Zinszahlungen für das Darlehen erbrachte die Klägerin anfangs aus Eigenmitteln, in den Jahren 2006 und 2007 durch Entnahmen aus der Lebensversicherung.

5

Der Versicherungsschein enthält auf Seite 1 den folgenden Hinweis:

"Dieser Versicherungsschein besteht aus 3 Seiten, die in Verbindung mit [X.], [X.]., zu lesen sind."

6

Die Klägerin erhielt von der [X.] jährliche Mitteilungen über die aktuellen [X.]e und den deklarierten Wertzuwachs. Dieser betrug für das [X.] 3,5% und für das [X.] 3%.

7

Ihr Schadensersatzbegehren hat die Klägerin auf die Behauptung gestützt, dass sie vom Vermittler fehlerhaft aufgeklärt worden sei. Er habe nicht nur den Prospekt über die Lebensversicherung der [X.], sondern auch Aufstellungen über in der Vergangenheit erzielte Renditen sowie die Wertübersichten mit unterschiedlichen Renditeprognosen vorgelegt, in denen unter anderem die vorgesehene Darlehenstilgung mit Hilfe der Versicherungsleistung enthalten gewesen sei. Er habe die Anlage als risikolos dargestellt und behauptet, sie könnte mit einer Mindestverzinsung von 9,5% jährlich sicher rechnen. Außerdem sei sie unter anderem über das Glättungsverfahren und die poolübergreifende [X.] nicht aufgeklärt worden. Das Verhalten des [X.]s sei der [X.] zuzurechnen, da sie den Vertrieb ihrer Lebensversicherungen in [X.] vollständig auf [X.] und [X.] ausgelagert habe. Die Klägerin verlangt, so gestellt zu werden als hätte sie den Lebensversicherungsvertrag nicht geschlossen, und fordert als Schadensersatz die Erstattung der von ihr für den Vertragsschluss erbrachten Aufwendungen (insbesondere Eigenkapital für Einmalbetrag, Bearbeitungsgebühr und Darlehenszinsen sowie Zahlungen in den Fondssparplan) und Freistellung von ihren Darlehensverbindlichkeiten.

8

Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin wegen der Sicherungsabtretung an die Bank in Abrede gestellt. Ein etwaiges Verschulden des Vermittlers sei ihr nicht zuzurechnen, da das [X.] durch unabhängige Makler vertrieben worden sei. Von der Fremdfinanzierung habe sie keine Kenntnis gehabt. Schadensersatzansprüche der Klägerin seien jedenfalls verjährt, da der Klägerin spätestens im [X.] aufgrund der jährlichen Zusendung der Kontoauszüge bekannt gewesen sei, dass die für ihr Anlagekonzept erforderliche Rendite nicht erzielt werde.  

9

Das [X.] hat der Klage ganz überwiegend stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie nach persönlicher Anhörung der Klägerin und Vernehmung des Vermittlers als Zeugen abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin, die eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die Klägerin zwar aktivlegitimiert sei, weil die Sicherungsabtretung an die Bank die hier geltend gemachten vorvertraglichen Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss nicht umfasse. Eine Pflichtverletzung des Vermittlers sei aber nicht bewiesen. Weder die Angaben des Zeugen noch die der Klägerin hätten das Gericht davon überzeugen können, dass der Vermittler der Klägerin unzutreffende Renditen versprochen oder sie sonst unzureichend aufgeklärt habe.

Ansprüche der Klägerin aus culpa in contrahendo wären im Übrigen auch verjährt. Die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB) hätten bei der Klägerin jedenfalls im Jahr 2003 vorgelegen, da ihr die Anspruchsvoraussetzungen zumindest grob fahrlässig unbekannt geblieben seien. Aufgrund der in den Jahren 2002 und 2003 erhaltenen Kontoauszüge und den darin deklarierten Wertzuwächsen hätte sie misstrauisch werden und weitere Erkundigungen einholen sowie die Prospekt- und Vertragsunterlagen gründlich studieren müssen. Ansprüche seien damit Ende 2006 verjährt, da die Klage erst im [X.] erhoben worden sei.

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte - die in jeder Lage des Verfahrens, auch noch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen ist ([X.], Urteile vom 1. März 2011 - [X.], [X.]Z 188, 373 Rn. 9; vom 9. März 2010 - [X.], [X.]Z 184, 365 Rn. 17; vom 28. November 2002 - [X.], [X.]Z 153, 82, 85) - gegeben. Sie folgt sowohl aus Art. 9 Abs. 1 Buchst. b als auch aus Art. 16 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c EuGVVO.

2. Ob der Klägerin die geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsschluss zustehen, kann der Senat nicht abschließend prüfen, da das Berufungsgericht weitere Feststellungen treffen muss.

a) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht. Es ist zu dem Ergebnis gekommen, der geltend gemachte Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen werde von der Sicherungsabtretung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag an die Kreditgeberin nicht erfasst. Diese Auslegung der Abtretungsvereinbarung ist nicht zu beanstanden.

Dabei geht der Senat davon aus, dass es sich bei der Abtretungsvereinbarung um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des hier anwendbaren (Art. 229 § 5 EGBGB) § 1 [X.] handelt, die über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus Verwendung gefunden haben, so dass ihre Auslegung der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. [X.], Urteil vom 8. Juni 2011 - [X.], NJW 2011, 2643 unter [X.] m.w.N.). Zwar hat das Berufungsgericht zur rechtlichen Einordnung als Allgemeine Geschäftsbedingung keine Feststellungen getroffen. Die Abtretungsvereinbarung wurde jedoch erkennbar unter Verwendung eines standardisierten Formulars der Kreditgeberin erstellt, in das lediglich die Vertragsparteien sowie die konkrete Bezeichnung der Versicherungsgesellschaft und des Kreditvertrages eingefügt wurden.

Die Klausel ist daher nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen ist (st. Rspr., [X.], Urteil vom 30. März 2010 - [X.], NJW 2010, 2041 Rn. 20). Zur Bestimmung des Umfangs einer Sicherungsabtretung sind dabei neben dem Wortlaut der abgegebenen Erklärungen die Parteiinteressen und der Zweck des Rechtsgeschäfts zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 13. Juni 2007 - IV ZR 330/05, NJW 2007, 2320 Rn. 22). Nach dem Wortlaut der Abtretungsvereinbarung sind "sämtliche Ansprüche und Rechte, die (der Klägerin) aufgrund des Versicherungsvertrages gegen die genannte Versicherungsgesellschaft zustehen oder noch zustehen werden" erfasst; mit übertragen ist ausdrücklich das Recht auf Kündigung des Versicherungsvertrages und auf Entgegennahme des [X.]. Schadensersatzansprüche sind hingegen nicht erwähnt. Die Formulierung lässt darauf schließen, dass die Parteien eine Abtretung sämtlicher Rechte im Blick hatten, die sich aus dem Lebensversicherungsvertrag ergeben. Die Klägerin verlangt hingegen, so gestellt zu werden als hätte sie den Lebensversicherungsvertrag nicht geschlossen. Dieser auf Rückabwicklung des Vertrages gerichtete Anspruch hat eine andere Ursache und ein anderes Ziel als Ansprüche, deren Rechtsgrund in der Durchführung oder [X.] liegt, und ist daher vom Wortlaut der Abtretungsvereinbarung nicht erfasst (so auch zu vergleichbar formulierten Sicherungsabtretungen in anderen Verfahren gegen die Beklagte: [X.] - 20 U 249/11 n.v. = [X.]/12; [X.] - 8 U 151/11, juris, Rn. 55; [X.] - 7 U 133/10, juris Rn. 127; [X.] - 12 U 173/10, juris Rn. 52; [X.] - 25 U 2195/09 n.v. = [X.]). Auch unter Berücksichtigung der Parteiinteressen ergibt sich aus der Vereinbarung nicht, dass die Klägerin und die Kreditgeberin Schadensersatzansprüche aus vorvertraglicher Pflichtverletzung auf Ersatz des negativen Interesses mitübertragen wollten. Diese Ansprüche gehen über den Anspruch auf Freistellung von den Verbindlichkeiten gegenüber der [X.] und damit auch über den [X.] hinaus, erfassen insbesondere die Eigenaufwendungen der Klägerin für den Einmalbetrag, die Bearbeitungsgebühr und den Fondssparplan. An der Erstattung dieser Aufwendungen hat allein die Klägerin ein rechtliches Interesse.

b) Auf der Grundlage des revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalts hat die Beklagte im Rahmen der Vertragsverhandlungen ihre Aufklärungspflichten verletzt.

aa) Der Abschluss der streitgegenständlichen kapitalbildenden Lebensversicherung stellt sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als Anlagegeschäft dar. Gegenüber der Renditeerwartung war die Versicherung des Todesfallrisikos von untergeordneter Bedeutung. Dies zeigt sich schon daran, dass die garantierte Todesfallleistung nur "101,00% des Rücknahmewertes von Einheiten/Anteilen" beträgt. Die Beklagte war daher nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Aufklärung bei [X.] verpflichtet, die Klägerin bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen über alle Umstände verständlich und vollständig zu informieren, die für ihren Anlageentschluss von besonderer Bedeutung waren. Das gilt insbesondere für die mit der angebotenen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken (vgl. [X.], Urteile vom 9. Juli 1998 - [X.], aaO unter I 1; vom 21. März 2005 - II ZR 140/03, [X.], 833 unter [X.]; vom 17. Februar 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 910 Rn. 9).

bb) Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht eine Verletzung dieser Aufklärungspflichten im Rahmen der Vertragsverhandlungen nicht abschließend verneinen dürfen.

(1) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist allerdings die Feststellung des Berufungsgerichts, dass das Versprechen einer konkreten Mindestrendite durch den Vermittler und die Werbung mit zweistelligen [X.] durch Übergabe der Aufstellung der Ablaufleistungen in den Jahren 1957-1999 (Anlage [X.]) nicht bewiesen sei. Das Berufungsgericht hat seine fehlende Überzeugung aus der Parteianhörung und der Vernehmung des Vermittlers zum Inhalt des Beratungsgesprächs und den von beiden hierzu gemachten Äußerungen hergeleitet. Die Beweiswürdigung lässt insoweit Rechtsfehler nicht erkennen.

(2) Eine Pflichtverletzung der Beklagten liegt jedoch auf Grundlage des revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalts in einer unzureichenden Aufklärung über die Verwaltung der Beiträge. Mit diesen von der Klägerin dargelegten [X.]n hat sich das Berufungsgericht nicht befasst.

(a) Wie die Revision zu Recht geltend macht, hat die Klägerin beanstandet, die Beklagte habe sie über die Funktionsweise und die Bedeutung des Glättungsverfahrens ("[X.]") und die Verwendung der gebildeten Reserven nicht aufgeklärt. Die [X.] im Rahmen des Glättungsverfahrens führe dazu, dass hohe Renditen nicht zu erzielen seien. Sie sei auch nicht darüber informiert worden, dass die Beklagte langfristige Reserven bilde und ihre Aktionäre hieran beteilige.

Unstreitig gibt die Beklagte im Rahmen des Glättungsverfahrens nur einen Teil der mit den Einmalzahlungen erzielten Rendite über den deklarierten Wertzuwachs an die Anleger weiter und überführt den anderen Teil in Rücklagen, die einer Stützung von Auszahlungen und deklarierten Wertzuwächsen bei negativer Entwicklung an den Aktienmärkten dienen sollen. Der Umfang der [X.] unterliegt der Ermessensentscheidung der Beklagten. An den gebildeten Reserven können die Anleger durch die - nicht garantierten - [X.] beteiligt werden, die auf die am Ende der Vertragslaufzeit verbliebenen Anteile, gegebenenfalls auch auf beantragte regelmäßige Auszahlungen geleistet werden.

Im Vorfeld des Vertragsschlusses hätte es einer Aufklärung über die Besonderheiten des so beschriebenen Glättungsverfahrens und über die Verwendung der Reserven bedurft. Dass die Beklagte unter Berücksichtigung der [X.] und einer Prognose der zukünftigen Wertentwicklung entscheidet, in welcher Höhe die Gesamtrendite in langfristige Reserven fließt, dass also die Anleger gegebenenfalls nur zu einem geringen Anteil hieran beteiligt werden, ist für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung. In den [X.] findet sich entgegen der Auffassung der Beklagten keine Erläuterung des Glättungsverfahrens. Unter Nr. 2.9.2 b) wird im letzten Satz lediglich darauf hingewiesen, dass es "unter besonders schlechten Investmentbedingungen … zu einem sehr niedrigen deklarierten Wertzuwachs kommen (kann), um die Interessen der Anleger zu schützen". Ähnlich nichtssagend ist Nr. 5.2.3 Abs. 3 der Verbraucherinformation. Hiernach kann "unter besonders schlechten Investmentbedingungen (…) der deklarierte Wertzuwachs besonders niedrig sein, um den Pool zu schützen. [X.]     hat jedoch seit 1824 noch nie eine Bonuszahlung ausgelassen - selbst durch Weltkriege und [X.] hindurch". Auch aus dieser Formulierung kann der Versicherungsnehmer die Funktionsweise und die Bedeutung des Glättungsverfahrens für die Entwicklung des Vertragswertes nicht ersehen.

(b) Auch über die poolübergreifende [X.] wurde die Klägerin nicht aufgeklärt. Sie beanstandet, dass die Beklagte für alle Versicherungsnehmer gemeinsame Rücklagen bilde, so dass es zu einer Quersubventionierung zwischen den Pools komme. Diese Behauptung wird von der Beklagten nicht bestritten; sie verweist lediglich darauf, dass zur Erfüllung der Garantieansprüche der Anleger primär auf die für die einzelnen Pools gebildeten Reserven, sekundär auf die Gesamtreserven im [X.] zurückgegriffen werde.

Bei dieser poolübergreifenden [X.] handelt es sich ebenfalls um einen für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstand, über den die Beklagte hätte aufklären müssen. Die Behauptung der Beklagten, in den Jahren 2007 und 2008 sei nur in geringem Umfang (0,25% und ca. 0,6%) auf die Gesamtreserven zurückgegriffen worden, ist bereits deshalb unerheblich, da Obergrenzen für den Rückgriff nicht festgelegt sind. Die [X.] enthalten zu der [X.] keine Erläuterung. Unter Ziff. 2 heißt es lediglich:

"2.1 [X.]     unterhält oder veranlasst die Unterhaltung einer Reihe deutlich abgegrenzter interner Investmentfonds und Pools mit garantiertem Wertzuwachs, die jeweils durch ein getrenntes Konto oder eine getrennte Aufstellung innerhalb des [X.] von [X.]     vertreten sind. Jeder interne Investmentfonds/Pool ist in Einheiten/Anteile unterteilt.

(…)

2.6 Die Unterteilung der Fonds/Pools in Einheiten/Anteile und die Zuteilung geschehen lediglich zum Zweck der Berechnung von Leistungen, die unter bestimmten von [X.]     ausgestellten Verträgen zahlbar sind. Die Vermögenswerte der Fonds/Pools gehören immer [X.]     , während der Versicherungsnehmer  unter dem Vorbehalt der [X.]  einen Anspruch auf den Wert der zugeteilten Einheiten/Anteile besitzt."

Dass für alle Pools der Beklagten (auch) gemeinsame Reserven gebildet werden mit der Folge, dass die mit der Einmalzahlung der Klägerin erwirtschaftete Rendite auch zur Gewährleistung von Garantieansprüchen aller anderen Versicherungsnehmer verwendet werden kann, ergibt sich hieraus nicht mit der erforderlichen Klarheit. Vielmehr wird durch die Formulierung unter Nr. 2.1 der Eindruck erweckt, dass eine Quersubventionierung ausgeschlossen ist. Auch hierin liegt eine [X.] der Beklagten.

c) Das Urteil erweist sich auch nicht wegen der vom Berufungsgericht angenommenen Verjährung als richtig. Nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalt steht dem Schadensersatzanspruch der Klägerin die Verjährungseinrede nicht entgegen.

aa) Eine Anwendung des § 12 Abs. 1 [X.] a.F. unter dem Gesichtspunkt, dass der Ersatzanspruch aus vorvertraglichem Verschulden wirtschaftlich an die Stelle des vertraglichen Erfüllungsanspruchs getreten ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. Dezember 2009 - [X.]/08, [X.], 373 Rn. 12; vom 21. Januar 2004 - [X.], [X.], 361 unter [X.]), kommt hier nicht in Betracht. Die Klägerin verlangt, so gestellt zu werden, als hätte sie den Lebensversicherungsvertrag nicht geschlossen. Der auf eine Rückabwicklung des Vertrages gerichtete Schadensersatzanspruch verjährt nach den allgemeinen verjährungsrechtlichen Regelungen der §§ 195 ff. BGB (Senatsurteil vom 15. Februar 2012 - [X.], [X.], 601 Rn. 29), also innerhalb einer Frist von drei Jahren (§ 195 BGB n.F. i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB).

bb) Die Verjährung beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat.

(1) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist objektiv mit dem Abschluss des [X.] entstanden. Zwar ist der für den Verjährungsbeginn maßgebliche Eintritt eines Schadens regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn es zu einer konkreten Verschlechterung der Vermögenslage des Gläubigers gekommen ist, während der Eintritt einer risikobehafteten Situation dafür nicht ausreicht. Jedoch kann der auf einer [X.] beruhende Erwerb einer für den [X.] nachteiligen, weil seinen konkreten Anlagezielen und Vermögensinteressen nicht entsprechenden Kapitalanlage bereits für sich genommen einen Schaden darstellen und ihn daher - unabhängig von der ursprünglichen Werthaltigkeit der Anlage - dazu berechtigen, im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung zu verlangen; der Anspruch entsteht hierbei schon mit dem (unwiderruflichen und vollzogenen) Erwerb der Anlage (Senatsurteil vom 15. Februar 2012 aaO Rn. 31; [X.], Urteile vom 22. Juli 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1623 Rn. 10; vom 8. Juli 2010 - [X.], [X.]Z 186, 152 Rn. 24; vom 10. November 2009 - [X.], [X.]Z 183, 112 Rn. 46 und vom 8. März 2005 aaO [X.]), hier also im Jahr 2001.

(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten hatte die Klägerin jedoch weder bei Abschluss des Vertrages noch im Jahr 2003 Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen. Hierzu gehört bei unzureichender Aufklärung auch die Kenntnis der Umstände, aus denen sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt ([X.], Urteile vom 28. Mai 2002 - [X.], [X.], 511 unter [X.]; vom 3. Juni 2008 - [X.], [X.], 2576 Rn. 27; jeweils m.w.N.). Wird ein Schadensersatzanspruch auf verschiedene [X.] gestützt, ist die Verjährung getrennt für jede einzelne Pflichtverletzung zu prüfen. Das gilt auch, wenn die [X.] in denselben Schaden, z.B. den Erwerb einer Kapitalanlage, münden ([X.], Urteil vom 24. März 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 842 Rn. 14).

Aus den der Klägerin in den Jahren 2002 und 2003 übersandten [X.] ergibt sich jedenfalls keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von den Pflichtverletzungen, die aus einer unterlassenen Aufklärung über die Verwaltung der Beiträge resultieren. Auch bei nochmaliger Überprüfung der ihr übergebenen Unterlagen hätte die Klägerin weder die Funktion und die Bedeutung des Glättungsverfahrens noch die einheitliche [X.] im [X.] für die verschiedenen "Pools mit garantiertem Wertzuwachs" der Beklagten ersehen können. Dass hierin einer der Gründe für den niedrigen Wertzuwachs der Poolanteile liegen könnte, konnte sich ihr auch aufgrund der Komplexität der Lebensversicherung "Wealthmaster Noble" nicht erschließen.

III. [X.] ist nicht entscheidungsreif, da das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen zum Bestehen eines Schadensersatzanspruchs wegen einer [X.] und gegebenenfalls zur Schadenhöhe treffen muss.

[X.]                                             Wendt                                               Felsch

                         Lehmann                                      Dr. Brockmöller

Meta

IV ZR 286/10

11.07.2012

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 30. November 2010, Az: 9 U 75/09

VVG, § 311 Abs 2 BGB, ALB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.07.2012, Az. IV ZR 286/10 (REWIS RS 2012, 4816)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4816

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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