Bundessozialgericht, Urteil vom 20.03.2018, Az. B 2 U 13/16 R

2. Senat | REWIS RS 2018, 12068

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Gesetzliche Unfallversicherung - Versicherungs- und Beitragspflicht - Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege oder des Gesundheitswesens - Wie-Unternehmer - keine selbständige Tätigkeit - sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - keine Regelung der Versicherungspflicht im Beitragsbescheid - Begründungselement - Offenlassen des Vorliegens eines Verwaltungsakts - Geltendmachungsverzicht beider Parteien im Revisionsverfahren - sozialgerichtliches Verfahren


Leitsatz

Ein Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft, die auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege oder des Gesundheitswesens tätig ist, ist nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 14. September 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagte ihn in die "Unternehmerversicherung" aufgenommen und zur Zahlung von Beiträgen für die Jahre 2009 bis 2012 herangezogen hat.

2

Der Kläger ist Vorsitzender des Vorstandes einer Aktiengesellschaft ([X.]), deren Tätigkeitsbereich die Förderung der Altenpflege und des öffentlichen Gesundheitswesens ist. Am 30.12.2013 schrieb die Beklagte an den Kläger unter dem Betreff "Ihre Unternehmerpflichtversicherung Bestätigung der Zugehörigkeit zur [X.]" und führte aus, ihre Zuständigkeit ergebe sich aus der Art der ausgeübten Tätigkeit. Für den Kläger persönlich bestehe mit Wirkung vom 1.1.2008 eine "Unternehmerpflichtversicherung". Die Beklagte veranlagte den Kläger sodann als pflichtversicherten Unternehmer für die Zeiträume 1.1.2007 bis 31.12.2012 sowie 1.1.2013 bis 31.12.2018 und forderte von ihm die Zahlung von Beiträgen für das [X.] iHv 239,89 Euro, für das [X.] iHv 243,26 Euro, für das [X.] iHv 245,50 Euro und für das [X.] iHv 246,62 Euro (Bescheide vom 30.12.2013). Der Kläger erhob Widerspruch, mit dem er ausführte, er sei weder als Selbstständiger noch unentgeltlich iS des § 2 Abs 1 [X.] tätig. Er sei zwar berechtigt, einen Antrag auf eine freiwillige Versicherung zu stellen, stelle diesen Antrag jedoch ausdrücklich nicht. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück, weil der Kläger als unternehmerähnlich tätige Person eine selbstständige Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 [X.] ausübe (Widerspruchsbescheid vom 13.5.2014).

3

Das [X.] hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 18.6.2015). Zur Begründung hat es [X.] ausgeführt, der Kläger sei als Vorstandsmitglied einer [X.] kein Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 [X.]B VII bzw [X.] iS des § 2 Abs 2 [X.]B VII, sodass die [X.] deshalb nicht gemäß § 150 Abs 1 S 1 [X.]B VII für ihn Beiträge zu entrichten habe. Er selbst habe jedoch ebenfalls keine Beiträge zu entrichten, denn er sei nicht nach § 2 Abs 1 [X.] pflichtversichert, weil er nicht selbstständig tätig sei. Die Vorschrift des § 2 Abs 1 [X.] stelle lediglich die selbstständig Tätigen unter Versicherungsschutz. Die "wie ein Unternehmer" tätigen Selbstständigen seien aber gerade nicht selbstständig tätig und gehörten daher bereits dem Wortlaut der Vorschrift nach nicht zum Kreis der Pflichtversicherten. Aus Systematik und Wortlaut des § 2 [X.]B VII ergebe sich, dass "wie ein Unternehmer" selbstständig Tätige den selbstständig Tätigen nur dann gleichgestellt sein sollten, wenn dies im Gesetz ausdrücklich geregelt werde. Aus § 6 Abs 1 Nr 2 [X.]B VII, nach dem sich Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbstständig tätig seien, auf Antrag freiwillig in der gesetzlichen Unfallversicherung versichern könnten, folge, dass diese Personen ohne entsprechende ausdrückliche gesetzliche Regelung generell versicherungsfrei seien.

4

Das L[X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 14.9.2016). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei als Vorstandsvorsitzender der [X.] in der gesetzlichen Unfallversicherung als selbstständig Tätiger nach § 2 Abs 1 [X.] versichert. Jedoch habe nicht er, sondern die [X.] als Unternehmerin iS des § 150 Abs 1 S 1 [X.]B VII die Beiträge zu zahlen. Die Voraussetzungen des § 168 Abs 1 [X.]B VII seien nicht erfüllt, weil ein Beitragsbescheid an den Beitragspflichtigen zu richten sei, eine eigene Beitragspflicht des [X.] jedoch nicht bestehe. Der Kläger sei nicht Unternehmer iS des § 150 Abs 1 S 2 [X.]B VII, denn nicht ihm, sondern der [X.] gereiche das Ergebnis der Tätigkeit unmittelbar zum Vor- oder Nachteil. § 150 Abs 1 S 2 [X.]B VII sei auch nicht im Hinblick auf die Regelung des § 150 Abs 2 S 2 [X.]B VII entsprechend anwendbar, weil keine Regelungslücke bestehe. Freiwillig Versicherte nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 [X.]B VII seien mit Pflichtversicherten nach § 2 Abs 1 [X.] nicht vergleichbar, weil die Pflichtversicherung nicht von einem freien Entschluss abhänge.

5

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 150 Abs 1 [X.]B VII und des § 75 Abs 2 [X.]G. Der Kläger sei gemäß § 2 Abs 1 [X.] pflichtversichert und habe für seine Pflichtversicherung selbst Beiträge zu zahlen. Soweit eine Norm über die Beitragspflicht der unternehmerähnlich selbstständig Tätigen fehle, sei § 150 Abs 1 S 2 [X.]B VII entsprechend anwendbar, weil eine Regelungslücke bzw ein gesetzgeberisches Versehen bestehe. Das L[X.] hätte von seiner Rechtsansicht her die [X.] beiladen müssen, weil es davon ausgegangen sei, dass die [X.] als Arbeitgeber der eigentliche Beitragsschuldner sei. Eine Entscheidung des Gerichts könne aber der [X.] und dem Kläger gegenüber nur einheitlich ergehen iS des § 75 Abs 2 [X.]G. Denn habe der Kläger selbst keine Beiträge gemäß § 150 Abs 1 S 2 [X.]B VII zu zahlen, bestehe nach § 150 Abs 1 S 1 [X.]B VII die Beitragspflicht der [X.] als Unternehmerin.

6

Die Beklagte beantragt,

                 

die Urteile des [X.] vom 14. September 2016 und des [X.] vom 18. Juni 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,

                 

die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das Urteil des L[X.] im Ergebnis für zutreffend. Als Vorstandsmitglied der [X.] sei er weder Selbstständiger noch Beschäftigter. Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbstständig tätig seien, seien nicht Unternehmer iS des § 136 Abs 3 Nr 1 [X.]B VII und nicht versicherungspflichtig nach § 2 Abs 1 [X.]. Aus der fehlenden Versicherungspflicht folge, dass keine Beitragspflicht bestehe.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der [X.] ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das [X.] entschieden, dass die [X.] und Beitragsbescheide vom 30.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] aufzuheben sind, weil sie rechtswidrig sind. Der Kläger ist nicht zur Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung verpflichtet, weil er nicht Mitglied der [X.] ist. Er ist nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs 1 [X.] versichert.

1. Die in dem Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfenden Sachentscheidungsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere war die Berufung des [X.] ohne Zulassung gemäß § 143 [X.]G statthaft. Gegenstand der Berufung waren die [X.] und Beitragsbescheide vom 30.12.2013, die die Beitragserhebung für mehr als ein Jahr betrafen (§ 144 Abs 1 S 1 [X.] 1 iVm S 2 [X.]G).

Im Revisionsverfahren ist über die Rechtmäßigkeit der Veranlagungsbescheide sowie der Beitragsbescheide für die Jahre 2009 bis 2012 vom 30.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] zu entscheiden. Entgegen der Auffassung des [X.] regeln diese Bescheide allerdings nicht die Versicherungspflicht des [X.], sondern setzen sie voraus. Zur Bestimmung des objektiven Regelungsgehaltes eines Verwaltungsaktes kommt es darauf an, wie Adressaten und [X.] ihn nach [X.] und Glauben verstehen mussten bzw durften. Unklarheiten gehen zulasten der Behörde (vgl B[X.] vom 3.4.2014 - [X.] U 25/12 R - [X.], 256 = [X.]-2700 § 136 [X.], Rd[X.] 15 mwN). Der Wortlaut der [X.] und Beitragsbescheide spricht gegen eine Regelung der Versicherungspflicht des [X.] iS des § 31 [X.]B X. Die Veranlagungsbescheide benennen die Veranlagung zur Gefahrklasse entsprechend den jeweils geltenden im Einzelnen benannten Gefahrtarifen als Grundlage der Beitragsberechnung. In den Beitragsbescheiden werden nur die Berechnungselemente und die Beitragshöhe benannt. Soweit in den Bescheiden auf die Unternehmerversicherung des [X.] verwiesen wird, treffen sie keine Regelung über die Versicherungspflicht des [X.], sondern führen diese lediglich als Grund für die Veranlagung und Beitragserhebung an.

Ob die Beklagte in dem nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen weiteren Schreiben vom 30.12.2013 die Versicherungspflicht des [X.] verbindlich festgestellt und der Kläger diese Regelung im Klageverfahren angefochten hat, konnte der [X.] dahinstehen lassen. Die Vorinstanzen haben über eine Klage gegen den möglicherweise in diesem Schreiben enthaltenen Verwaltungsakt nicht entschieden und der Kläger hat im Revisionsverfahren keine Entscheidung hierüber begehrt. Vielmehr haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] erklärt, dass sie wechselseitig keine Rechte aus diesem Schreiben ableiten werden.

2. Die [X.] und Beitragsbescheide der [X.] vom 30.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] sind rechtswidrig, wobei dahinstehen kann, ob der Kläger vor Erlass der Bescheide gemäß § 24 [X.]B X hinreichend angehört wurde, denn eine materiell-rechtliche Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung bestand für ihn ohnehin nicht. Der Kläger ist nicht nach § 150 Abs 1 S 1 [X.] als Unternehmer beitragspflichtig, weil er kein Unternehmer ist (hierzu unter a). Der Kläger ist auch nicht selbst beitragspflichtig gemäß § 150 Abs 1 S 2 [X.], weil er nicht nach § 3 Abs 1 [X.] in Verbindung mit einer Satzungsbestimmung der [X.] versichert war bzw er sich nicht nach § 6 Abs 1 [X.] freiwillig versichert hat. Er ist auch kein nach § 2 [X.] versicherter Unternehmer, denn er war nicht gemäß § 2 Abs 1 [X.] als Person, die selbstständig oder unentgeltlich im Gesundheitswesen oder in der [X.] tätig ist, pflichtversichert (hierzu unter b). Auch eine Beitragspflicht in entsprechender Anwendung des § 150 Abs 1 S 2 [X.] scheidet aus (hierzu unter c).

a) Gemäß § 150 Abs 1 S 1 [X.] sind beitragspflichtig die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Unternehmer ist gemäß § 136 Abs 3 [X.] derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Zu dem Personenkreis der Unternehmer iS des § 150 Abs 1 S 1 [X.] gehört der Kläger nicht. Er war nach den nicht mit zulässigen und begründeten und damit den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) als Vorstandsvorsitzender einer AG tätig. Unternehmer einer juristischen Person ist jedoch diese selbst, nicht aber das sie vertretende Organ (vgl zB B[X.] vom 25.10.1989 - 2 RU 12/89 - [X.] 8998).

Vorstandsmitglieder einer AG sind in Tätigkeiten für das Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, auch wenn sie nicht am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt sind und gegen Entgelt aufgrund eines Dienstvertrages tätig werden, keine Beschäftigten iS des § 2 Abs 1 [X.], sondern werden wie selbstständige Unternehmer tätig (vgl B[X.] vom 14.12.1999 - [X.] U 38/98 R - [X.], 214 = [X.]-2200 § 539 [X.] zu § 539 Abs 1 [X.] <[X.]>). Dennoch sind diese wie Unternehmer tätigen Vorstandsmitglieder aber keine Unternehmer iS des § 136 Abs 3 [X.] (vgl auch B[X.] vom 1.2.1996 - 2 RU 7/95 - [X.]-2200 § 723 [X.]) und deshalb auch nicht selbst beitragspflichtige Unternehmer iS des § 150 Abs 1 S 1 [X.].

b) Die Voraussetzungen einer Beitragspflicht des [X.] nach § 150 Abs 1 S 2 [X.] sind ebenfalls nicht erfüllt. Nach § 150 Abs 1 S 2 [X.] sind selbst beitragspflichtig auch die nach § 3 Abs 1 [X.] und § 6 Abs 1 [X.] Versicherten sowie die nach § 2 [X.] versicherten Unternehmer. Der Kläger ist kein Unternehmer, der nach § 3 Abs 1 [X.] aufgrund einer Regelung in der Satzung der [X.] pflichtversichert ist. Ebenfalls hat er sich nicht nach § 6 Abs 1 S 1 [X.] [X.] freiwillig versichert, einen solchen freiwilligen Beitritt vielmehr ausdrücklich abgelehnt.

Entgegen der Auffassung der [X.] ist der Kläger auch kein nach § 2 [X.] versicherter Unternehmer iS des § 150 Abs 1 S 2 [X.]. Der Kläger ist bereits kein Unternehmer, sondern als Vorstand einer AG lediglich wie ein Unternehmer tätig. Er ist entgegen der Auffassung des [X.] und der [X.] auch nicht nach § 2 Abs 1 [X.] versichert. Nach der hier allein als [X.] in Betracht kommenden Vorschrift des § 2 Abs 1 [X.] sind in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert Personen, die selbstständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der [X.] tätig sind. Der Kläger gehört nicht zu diesem Personenkreis. Er ist nicht unentgeltlich, sondern als Vorstandsvorsitzender einer AG, deren Tätigkeitsbereich die Förderung der Altenpflege und des öffentlichen Gesundheitswesens durch den Betrieb von Einrichtungen der Altenhilfe sowie der Erbringung ambulanter Pflegeleistungen ist, im Gesundheitswesen bzw in der [X.] aufgrund eines Dienstvertrages tätig. Er ist damit zwar "wie ein Unternehmer", jedoch nicht selbstständig iS des § 2 Abs 1 [X.] tätig. Selbstständig tätig sind in Abgrenzung zu abhängig Beschäftigten Unternehmer, denen das Ergebnis des Unternehmens, für das sie tätig sind, unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht (vgl § 136 Abs 3 [X.]; hierzu etwa B[X.] vom 31.1.2012 - [X.] U 3/11 R - [X.]-2700 § 2 [X.] Rd[X.] 17 - selbstständige Tagesmutter iS des § 2 Abs 1 [X.]). Der Kläger ist aufgrund eines Dienstvertrages mit festem Gehalt tätig, ihm gereicht das wirtschaftliche Ergebnis seiner AG gerade nicht unmittelbar zum Vorteil.

Entgegen der Rechtsansicht der [X.] kann der Kläger auch nicht als "wie ein Unternehmer Tätiger" entsprechend unter den [X.] des § 2 Abs 1 [X.] subsumiert werden. Dies folgt zum einen schon aus dem Wortlaut des § 2 Abs 1 [X.], der ausdrücklich nur auf Personen abstellt, die "selbstständig" oder "unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich" tätig sind. Die Entstehungsgeschichte des § 2 Abs 1 [X.] bestätigt vielmehr, dass der Personenkreis der lediglich wie Unternehmer Tätigen gerade nicht zu den nach § 2 Abs 1 [X.] versicherten selbstständig tätigen Personen gehören sollte. Den Gesetzesmaterialien zu § 2 Abs 1 [X.] ist zu entnehmen, dass mit dieser Vorschrift der Regelungsgehalt des § 539 Abs 1 [X.] [X.] übernommen und klargestellt werden sollte, dass ergänzend zu § 2 Abs 1 [X.] nur die selbstständig oder unentgeltlich Tätigen von § 2 Abs 1 [X.] erfasst werden, weil die Beschäftigten bereits nach § 2 Abs 1 [X.] versichert sind (vgl Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum [X.], BT-Drucks 13/2204 [X.]). Dass neben den unentgeltlich Tätigen und den als Unternehmer Selbstständigen die lediglich "wie Unternehmer" Tätigen von der Norm mit erfasst werden sollten, kann hieraus nicht geschlossen werden. Der Personenkreis der "wie ein Unternehmer Tätigen" ist in der gesetzlichen Unfallversicherung sowohl nach den Regelungen der früheren [X.] als auch nach den nunmehr geltenden Vorschriften des [X.] nicht den selbstständigen Unternehmern gleichgestellt worden.

Dies wird bestätigt durch die vom Gesetzgeber vorgenommenen Änderungen der § 539 Abs 1 [X.] 5 [X.] und § 545 Abs 1 [X.] durch das [X.] ([X.]) vom 25.7.1991 ([X.] 1606), deren Regelungsgehalt später in § 2 Abs 1 [X.] 5 Buchst c [X.] und § 6 Abs 1 [X.] [X.] übernommen wurde, worauf schon das [X.] zutreffend hingewiesen hat. Durch § 539 Abs 1 [X.] 5 [X.] und § 2 Abs 1 [X.] 5 Buchst c [X.] sind Personen, die in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie ein Unternehmer selbstständig tätig sind, in die Pflichtversicherung der landwirtschaftlichen Unternehmer einbezogen worden. Der Gesetzgeber hat dabei die Formulierung "wie Unternehmer selbständig tätig" ausdrücklich auf den Regelungsgehalt des § 539 Abs 1 [X.] 5 [X.] - heute § 2 Abs 1 [X.] 5 Buchst c [X.] - beschränkt. Dem Personenkreis der in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie ein Unternehmer selbstständig Tätigen ist nach § 545 Abs 1 [X.] [X.] - heute § 6 Abs 1 [X.] [X.] - hingegen lediglich die Möglichkeit eröffnet worden, sich freiwillig in der gesetzlichen Unfallversicherung zu versichern. Dieser Regelungen hätte es nicht bedurft, wenn Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bereits nach § 539 Abs 1 [X.] 5 [X.] aF und § 545 Abs 1 [X.] aF auch für die wie Unternehmer Tätigen bestanden hätte, weil sie den Unternehmern gleichgestellt gewesen wären. Dies war jedoch gerade nicht der Fall (vgl B[X.] vom 1.2.1996 - 2 RU 7/95 - [X.]-2200 § 723 [X.]).

Durch das [X.] sollte nur den in einem landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform der Kapital- oder Personenhandelsgesellschaft regelmäßig wie ein Unternehmer selbstständig Tätigen der Zugang zur Pflichtversicherung ermöglicht werden. Den übrigen in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie ein Unternehmer selbstständig Tätigen wurde lediglich die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung eröffnet (vgl auch BT-Drucks 12/405 S 153 Zu [X.]). Eine besondere Schutzbedürftigkeit, der durch eine Pflichtversicherung Rechnung zu tragen ist, hat der Gesetzgeber mithin nur bei den in landwirtschaftlichen Unternehmen Tätigen im Hinblick auf die bestehenden Strukturen der Landwirtschaft im Beitrittsgebiet erkannt. Weitere Versicherungstatbestände für wie Unternehmer Tätige hat er nicht vorgesehen und diese auch nicht generell mit selbstständigen Unternehmern gleichgestellt. So hat er auch keine Möglichkeit geschaffen, diesen Personenkreis gemäß § 3 [X.] durch Satzung in die Pflichtversicherung einzubeziehen. Vielmehr hat er für diese Gruppe allein die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung nach § 545 [X.] - jetzt § 6 Abs 1 [X.] [X.] - eröffnet, die der Kläger hier ausdrücklich ablehnt.

Der [X.] entnimmt dem Gesamtzusammenhang und dem Wortlaut der Regelungen in § 2 Abs 1 [X.] (im Gegensatz gerade zur Formulierung in § 2 Abs 1 [X.] 5 Buchst c [X.]) und § 6 Abs 1 [X.] [X.] sowie den Gesetzesmaterialien zum [X.] den eindeutigen Willen des Gesetzgebers, dass für die Gruppe der in Kapitalunternehmen "wie Unternehmer Tätigen" lediglich die Möglichkeit bestehen soll, der gesetzlichen Unfallversicherung freiwillig beizutreten. Sollte es der Gesetzgeber für erforderlich halten, diesen Personenkreis, zu dem der Kläger, aber auch zB als Geschäftsführer und Alleingesellschafter einer GmbH wie ein Unternehmer Tätige gehören, in die Pflichtversicherung der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen, wie dies für in landwirtschaftlichen Unternehmen Tätige in § 2 Abs 1 [X.] 5 Buchst c [X.] erfolgt ist, bedürfte es hierfür einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Denn hält der Gesetzgeber aus Gründen der Schutzbedürftigkeit eine Zwangsmitgliedschaft dieser Personengruppe für erforderlich, so müsste hierfür - etwa durch eine Ergänzung bzw Klarstellung des Wortlauts des § 2 Abs 1 [X.] - eine für den damit verbundenen Eingriff in die durch Art 2 Abs 1 GG geschützte Handlungsfreiheit ausreichende Rechtsgrundlage erst geschaffen werden.

c) Eine Beitragspflicht des Unternehmens des [X.] oder des [X.] persönlich folgt entgegen der Auffassung der [X.] auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 150 Abs 1 S 1 und 2 [X.] "im Lichte des § 150 Abs 2 S 2 [X.]". Die für eine analoge Anwendung erforderliche "unbewusste" Regelungslücke des Gesetzgebers besteht nicht. Vielmehr geht der Gesetzgeber in § 150 Abs 1 [X.] insofern von einem schlüssigen Regelungskonzept aus. Hinsichtlich der versicherten Beschäftigten einer juristischen Person regelt § 150 Abs 1 S 1 [X.] die Beitragspflicht so, dass die juristische Person als Unternehmerin zur Zahlung der Beiträge verpflichtet ist. Nach § 150 Abs 1 S 2 [X.] wäre der Kläger selbst beitragspflichtig, wenn er sich freiwillig gemäß § 6 Abs 1 [X.] [X.] versichert hätte oder ein nach § 2 [X.] versicherter Unternehmer wäre. Da nach dem Wortlaut und Sinn und Zweck des § 2 Abs 1 [X.] der Kläger - wie ausgeführt - keiner Versicherungspflicht unterliegt, bedurfte es insoweit keiner gesonderten Regelung einer Beitragspflicht. Der Gesetzgeber stellt für die Personengruppe des [X.] den Unfallversicherungsschutz in dessen Entscheidungsfreiheit (§ 6 Abs 1 [X.] [X.]). Angesichts der typisiert unterstellten geringen Schutzbedürftigkeit der Personengruppe des [X.] besteht insofern auch keine Notwendigkeit zu einer entsprechenden Anwendung der Norm des § 150 Abs 1 [X.] aus übergeordneten, verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten. Der [X.] weist allerdings darauf hin, dass der Kläger damit aber auch im Falle eines Unfalls im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht.

4. Der [X.] konnte auch abschließend in der Sache entscheiden, obwohl die AG nicht beigeladen worden ist. Das Verfahren vor dem [X.] leidet entgegen der Ansicht der [X.] nicht an einem im Revisionsverfahren fortwirkenden Verfahrensmangel aufgrund eines Verstoßes gegen § 75 Abs 2 Alt 1 [X.]G, der in der Revisionsinstanz nicht beseitigt werden könnte (vgl § 168 S 1 [X.]G). Gemäß § 75 Abs 2 Alt 1 [X.]G sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, zu dem Verfahren beizuladen. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung ist stets dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über das strittige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingegriffen wird (B[X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - B[X.]E 97, 242 = [X.]-4200 § 20 [X.] 1, Rd[X.]). Der [X.] konnte dahinstehen lassen, ob hier eine notwendige Beiladung gemäß § 75 Abs 2 [X.]G durch das [X.] hätte erfolgen müssen, was aufgrund dessen Rechtsansicht zur Beitragspflicht der AG möglicherweise geboten gewesen wäre. Die AG ist jedoch - wie oben ausgeführt - unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt Beitragsschuldnerin gemäß § 150 Abs 1 [X.], weil der Kläger nicht ihr Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 [X.] war und auch eine Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 [X.] ausscheidet. Einer Aufhebung und Zurückverweisung wegen einer unterlassenen notwendigen Beiladung bedarf es nicht, wenn sich im Revisionsverfahren ergibt, dass die zu treffende Entscheidung aus Sicht des [X.] den potenziell [X.] in keiner Weise benachteiligt (vgl B[X.] vom 24.10.2013 - [X.] R 35/12 R - [X.]-2600 § 118 [X.] 12). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 [X.]G. Der Kläger führt den Rechtsstreit in seiner Eigenschaft als von der [X.] zur Beitragszahlung in Anspruch genommener Versicherter iS des § 183 S 1 [X.]G. Er ist kein Unternehmer, der nicht kostenprivilegiert iS des § 183 [X.]G wäre (vgl dazu zB B[X.] vom 5.3.2018 - [X.] U 353/07 B - [X.]/2008 und vom 17.5.2011 - [X.] U 18/10 R - B[X.]E 108, 194 = [X.]-2700 § 6 [X.], Rd[X.]3). Der Kläger wurde von der [X.] auch nicht als Unternehmer, sondern lediglich als nach § 2 Abs 1 [X.] wie ein Unternehmer tätiger Versicherter zur Beitragszahlung herangezogen.

Meta

B 2 U 13/16 R

20.03.2018

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Halle (Saale), 18. Juni 2015, Az: S 33 U 78/14

§ 2 Abs 1 Nr 9 SGB 7, § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7, § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst c SGB 7, § 150 Abs 1 S 1 SGB 7, § 150 Abs 1 S 2 SGB 7, § 136 Abs 3 Nr 1 SGB 7, § 31 SGB 10, § 539 Abs 1 Nr 1 RVO, § 75 Abs 2 Alt 1 SGG, § 168 S 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 20.03.2018, Az. B 2 U 13/16 R (REWIS RS 2018, 12068)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12068

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