Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.05.2022, Az. 25 W (pat) 47/21

25. Senat | REWIS RS 2022, 8769

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Nichtigkeitsverfahren - „Kosmetiksalon Babette, Bar Babette, Bar in der Karl-Marx-Allee 36“ – bösgläubige Markenanmeldung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2017 206 857

(hier: Nichtigkeitsverfahren S 14/19 Lösch)

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] am 19. Mai 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Kortbein, der Richterin [X.] und der Richterin [X.] beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4. des [X.] vom 18. März 2021 aufgehoben, soweit der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit und Löschung der Eintragung der Marke 30 2017 206 857 zurückgewiesen worden ist und Kosten nicht auferlegt worden sind.

2. Die Eintragung der Marke 30 2017 206 857 wird für nichtig erklärt und ihre Löschung angeordnet.

3. Die Kosten des [X.] vor dem [X.] sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Inhaber der angegriffenen Marke.

Gründe

I.

1

Die am 28. Februar 2017 angemeldete Wortmarke

2

[X.], [X.], [X.] in der …-Allee

3

ist am 15. März 2017 unter der Nummer 30 2017 206 857 für folgende Dienstleistung in das beim [X.] geführte Register eingetragen worden:

4

Klasse 43:

5

Betrieb einer [X.].

6

Mit am 28. Januar 2019 eingegangenem Formblatt und Schreiben hat die Löschungsantragstellerin beantragt, die Eintragung der Marke 30 2017 206 857 gemäß § 50 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 2, [X.] und Nr. 14 [X.] für nichtig zu erklären und zu löschen sowie dem Inhaber der angegriffenen Marke die Kosten des [X.] aufzuerlegen. Der Antrag wurde dem Inhaber der angegriffenen Marke mittels Übergabeeinschreiben vom 21. Mai 2019 zugestellt, der daraufhin mit per Telefax eingereichtem Schriftsatz vom 10. Juli 2019, eingegangen beim [X.] am gleichen Tag, dem Antrag auf Nichtigerklärung und Löschung widersprochen hat.

7

[X.] [X.]s hat mit Beschluss vom 18. März 2021 die Anträge auf Erklärung der Nichtigkeit und Löschung der Eintragung der Marke 30 2017 206 857 sowie auf Kostenauferlegung zurückgewiesen und den Gegenstandswert auf 50.000,- Euro festgesetzt.

8

Zur Begründung ist ausgeführt, die Eintragung der angegriffenen Marke sei weder wegen deren Funktion als geografische Herkunftsangabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] noch wegen [X.] gemäß § 8 Abs. 2 [X.] [X.] oder wegen Bösgläubigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 14 [X.] zu löschen. Zwar könne auch die Bezeichnung eines bekannten Gebäudes als geografische Herkunftsangabe fungieren, soweit sie selbst als Hinweis auf die Herstellungs- bzw. Vertriebsstätte der einschlägigen Waren bzw. auf den Ort der Erbringung der beanspruchten Dienstleistungen ernsthaft in Betracht komme. Auch beinhalte die Marke „[X.], [X.], [X.] in der [X.]“ mit dem [X.] „[X.]“ eine geografische Angabe. Dieser sei jedoch nur ein Teil der Gesamtmarke. Die Verbindung der Ortsangabe „[X.]“ mit den Elementen „[X.]“ und „[X.]“ führe von der bloßen beschreibenden Sachangabe weg. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass das in der [X.] beheimatete Gebäude als „[X.]“ bezeichnet werde und unter dieser Bezeichnung in der Denkmalliste [X.] geführt werde. Denn allein der Umstand, dass ein Gebäude denkmalgeschützt sei, begründe noch nicht seine Bekanntheit, die seiner Bezeichnung die Funktion einer geografischen Herkunftsangabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zukommen lassen könne.

9

Eine markenrechtlich relevante [X.] könne zwar von dem [X.] „[X.]“ insoweit ausgehen, als die Verkehrskreise dem Irrtum erliegen könnten, die angebotene Dienstleistung würde an diesem geografischen Ort erbracht, während dies tatsächlich nicht mehr der Fall sei. Jedoch hätte auch das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 [X.] [X.] bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke vorliegen müssen. Damals sei die Dienstleistung allerdings noch an der angegebenen Adresse erbracht worden, so dass die angegriffene Marke nicht täuschend gewesen sei.

Sie sei auch nicht [X.] im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 14 [X.] angemeldet worden. Dafür, dass der Inhaber der angegriffenen Marke diese in markenrechtlich nicht gerechtfertigter Behinderungsabsicht ohne eigenen Benutzungswillen angemeldet hätte, lägen keine Anhaltspunkte vor. Vielmehr habe er unter Verwendung der Marke eine [X.] betrieben und führe diese nun – wenn auch an einem neuen Standort – fort. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Marke in Kenntnis des schutzwürdigen Besitzstandes eines Vorbenutzers ohne sachlichen Grund mit dem Ziel, den Besitzstand des Vorbesitzers zu stören oder den Gebrauch der vorbenutzten Bezeichnung durch den Vorbenutzer zu sperren, angemeldet worden wäre. Denn hierfür fehle es an einer ausreichenden Darlegung eines wirtschaftlich wertvollen und rechtlich schutzwürdigen [X.] im gesamten Gebiet der [X.]. Vielmehr sei davon auszugehen, dass sowohl der Gebäudename als auch die geschäftliche Bezeichnung allenfalls in [X.] bekannt seien und damit lediglich einen räumlich auf [X.] beschränkten Schutz genössen. Ein böswilliger Eingriff in einen Besitzstand mit räumlich begrenztem Schutz rechtfertige jedoch grundsätzlich nicht die Löschung der Eintragung einer Marke, die Schutz für das gesamte Gebiet der [X.] beanspruche. Schließlich sei auch nicht mit der notwendigen Sicherheit festzustellen, dass die Anmeldung der Marke für einen zweckfremden Einsatz als Mittel des [X.] erfolgt sei. Der Inhaber der angegriffenen Marke habe zwar zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung gewusst, dass der Pachtvertrag mit der Eigentümerin des Gebäudes „[X.]“ auslaufen würde und er nicht länger an der bekannten Adresse eine [X.] betreiben könne. Allein in der Anmeldung der Bezeichnung „[X.], [X.], [X.] in der [X.]“ als Marke könne jedoch keine Bösgläubigkeit gesehen werden. Vielmehr habe der Inhaber der angegriffenen Marke fast zehn Jahre in der [X.] im Gebäude „[X.]“ eine [X.] unter dem Namen „[X.]“ betrieben und infolgedessen einen Kundenstamm aufgebaut. Es sei davon auszugehen, dass er diesen bei der Neueröffnung seines Lokals an einem anderen Standort habe mitnehmen wollen, was durch die Nutzung des bisherigen Namens erleichtert werden sollte. Die Markenanmeldung sei daher zur Förderung der eigenen [X.]situation erfolgt und nicht in erster Linie mit der Absicht, die wettbewerbliche Entfaltung Dritter zu beeinträchtigen.

Hiergegen wendet sich die Löschungsantragstellerin mit ihrer Beschwerde, die sie insbesondere damit begründet, dass die Marke unmittelbar nach der Mitteilung, der Pachtvertrag werde nicht verlängert, angemeldet worden sei. Dies mache deutlich, dass es dem Markeninhaber allein darum ging, die Verpächterin unter Druck zu setzen. Ein Benutzungswille an der Marke in ihrer eingetragenen Form habe nicht vorgelegen.

Im Verfahren vor dem [X.] hat sich die Löschungsantragstellerin darauf berufen, dass sie als Pächterin des denkmalgeschützten Gebäudes „[X.]“ in der [X.] in [X.] von der Gebäudeeigentümerin bevollmächtigt sei, gegen die unrechtmäßige Nutzung der Bezeichnung durch Dritte vorzugehen.

Die Löschungsantragstellerin beantragt sinngemäß,

1. den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.]s vom 18. März 2021 aufzuheben, soweit der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit und Löschung der Eintragung der Marke 30 2017 206 857 zurückgewiesen worden ist und Kosten nicht auferlegt worden sind,

2. die Eintragung der Marke 30 2017 206 857 für nichtig zu erklären und zu löschen sowie

3. dem Inhaber der angegriffenen Marke die Kosten des Nichtigkeits- und des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Auf den gerichtlichen Hinweis vom 16. Dezember 2021, mit dem die Beteiligten darüber unterrichtet worden sind, dass sich die Anmeldung der streitbefangenen Marke aus vorläufiger Sicht des Senats als [X.] darstellt, hat der Inhaber der angegriffenen Marke ausgeführt, dass die tatsächlichen Umstände rein faktisch einer Bösgläubigkeit entgegenstünden. So habe das Gebäude nie den Namen „[X.]“ getragen. Nur durch die Tätigkeit des Inhabers der angegriffenen Marke sei das dort ansässige Geschäft unter diesem Namen bekannt geworden. Die Eigentümerin des Gebäudes sowie die Löschungsantragstellerin als dem Inhaber der angegriffenen Marke nachfolgende Pächterin hätten nie ein Recht auf die Bezeichnung gehabt. Die ungewöhnliche Form der Marke beruhe allein darauf, dass die Anmeldung ohne anwaltliche Beratung erfolgt sei. Der Inhaber der angegriffenen Marke habe diese nicht angemeldet, um sie bis zum Auslaufen des Pachtvertrages zu nutzen, sondern um sie anschließend an einem anderen Standort - und zwar ohne den Adresszusatz – zu verwenden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung, die Schriftsätze der Beteiligten, den Hinweis des Senats vom 16. Dezember 2021 sowie auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Löschungsantragstellerin hat in der Sache Erfolg.

1. Der nach § 53 Abs. 1 und 2 [X.] zulässige Antrag auf Nichtigerklärung vom 28. Januar 2019 wurde dem Inhaber der angegriffenen Marke mit Übergabeeinschreiben vom 21. Mai 2019 zugestellt. Er hat der Löschung mit am 10. Juli 2019 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Datum, mithin innerhalb der 2-Monatsfrist des § 53 Abs. 4 [X.] widersprochen. Deshalb war das Nichtigkeitsverfahren durchzuführen.

2. Der Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 18. März 2021 ist in der Hauptsache aufzuheben sowie die Eintragung der angegriffenen Marke 30 2017 206 857 für nichtig zu erklären und zu löschen, weil deren Anmeldung [X.] war und sie damit entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 14 [X.] eingetragen worden ist (§ 50 Abs. 1 [X.]).

a) Von Bösgläubigkeit ist auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt ist (vgl. [X.], 380 Rn. 16 – Glückspilz; GRUR 2016, 482 Rn. 16 – [X.]; [X.], 780 ff. – [X.]). Die rechtliche Beurteilung, ob eine Marke [X.] angemeldet worden ist, hat dabei umfassend und unter Berücksichtigung aller im Einzelfall erheblichen Faktoren zu erfolgen (vgl. [X.] [X.], 763 Rn. 37, 51 bis 53 – [X.]/[X.]; [X.] – [X.]). Ein Anmelder handelt dabei nicht allein deshalb unlauter, weil er weiß, dass ein anderer dasselbe Zeichen für dieselben Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben (vgl. [X.] GRUR Int. 2013, 792 Rn. 37 – [X.]). Ein Vorbenutzungsrecht in diesem Sinne ist dem Markenrecht fremd. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten des Anmelders als wettbewerbswidrig erscheinen lassen. Ausgehend hiervon kann ein [X.]er Markenerwerb nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] insbesondere darin liegen, dass der Anmelder in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes eines Vorbenutzers ohne rechtfertigenden Grund die gleiche oder eine verwechselbar ähnliche Marke für gleiche oder ähnliche Waren und/oder Dienstleistungen anmeldet mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den weiteren Gebrauch der Marke zu sperren (vgl. [X.], 1034 – [X.]; [X.], 1032, 1034 – [X.] 2000; [X.], 621 Rn. 21 – [X.]). Darüber hinaus kann der Erwerb eines formalen Markenrechts, unabhängig vom Bestehen eines schutzwürdigen Besitzstandes eines [X.], auch dann [X.] sein, wenn sich die Anmeldung der Marke unter anderen Gesichtspunkten als wettbewerbs- oder sittenwidrig darstellt. Das wettbewerblich Verwerfliche kann insbesondere darin gesehen werden, dass ein [X.] die mit der Eintragung der Marke verbundene – an sich unbedenkliche – Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des [X.] einsetzt (vgl. BGH [X.], 917 Rn. 20 – [X.]; [X.], Rn. 21 – [X.]). Ein Verhalten überschreitet die Schwelle der Bösgläubigkeit erst dann, wenn seine Wirkungen über eine als bloße Folge des [X.] hinausgehen und es bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen [X.] gerichtet ist (vgl. [X.], Rn. 28 – [X.]; a. a. [X.], Rn. 23 – [X.]; a. a. [X.], Rn. 32 – [X.]). Für eine Behinderungsabsicht kann dabei vor allem sprechen, dass zwischen [X.] und Drittem eine ersichtliche [X.]situation besteht und die Verhinderung oder auch nur Erschwerung der Benutzung der Marke durch den [X.] erkennbar zumindest ein wesentliches Motiv der Anmeldung darstellt, wobei es sich nicht um den einzigen Beweggrund handeln muss (vgl. [X.], 74, 77 – [X.]; a. a. [X.] – [X.]; a. a. [X.] – [X.] 2000; a. a. [X.] – [X.]; a. a. [X.] – [X.]; [X.], 1032, 1034 – [X.]). Für die Beurteilung der Bösgläubigkeit ist der Zeitpunkt der Markenanmeldung maßgeblich (vgl. [X.], Rn. 14 – Glückspilz; a. a. [X.], Rn. 14 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 15 – [X.] werden Fakten). Dies schließt jedoch eine Berücksichtigung des Verhaltens des Anmelders vor und nach der Markenanmeldung nicht aus, denn aus diesem Verhalten können sich Anhaltspunkte für oder gegen eine zum Anmeldezeitpunkt vorliegende Behinderungsabsicht ergeben (vgl. [X.], Rn. 14 – Glückspilz; [X.], Beschluss vom 15. November 2017, 29 W (pat) 16/14 – [X.]; [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 13. Auflage, § 8 Rn. 1043).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze geht der Senat von einer [X.] angemeldeten Marke aus:

(1) Die Bösgläubigkeit wird insbesondere aus dem Umstand ersichtlich, dass der Inhaber der angegriffenen Marke nicht nur die Etablissementbezeichnung „[X.]“ oder „[X.]“, sondern beide Bezeichnungsalternativen – in einer Art Aufzählung – gefolgt von der konkreten Adresse „[X.]“ angemeldet hat. Schon die Art der Zeichenbildung (Wortmarke, mehrere Namen, durch Kommata getrennt, Adressangabe) erscheint relativ ungewöhnlich als Marke für einen [X.]betrieb. In der Regel werden derartige Einrichtungen nur namensmäßig gekennzeichnet, [X.] finden sich allenfalls in Logos. Dies vermittelt den Eindruck, dass hier ganz bewusst beabsichtigt war, alle Bezeichnungen, die für das Gebäude an der „[X.]“ und den darin befindlichen Gewerbebetrieb  stehen sowie zumindest lokal bekannt geworden sind, einschließlich des konkreten Standorts, durch eine Markeneintragung zu monopolisieren, um die der Gebäudeeigentümerin und der dem Inhaber der angegriffenen Marke nachfolgenden Pächterin alle in Betracht kommenden Benennungsmöglichkeiten zu entziehen.

(2) Der Senat kann demgegenüber keine Anhaltspunkte für ein berechtigtes Eigeninteresse des Inhabers der angegriffenen Marke erkennen. Insbesondere ist ein eigener Benutzungswille als mögliche Rechtfertigung für die mit ihr einhergehende Sperrwirkung nicht festzustellen.

Zwar ist grundsätzlich von der Vermutung eines generellen Benutzungswillens eines [X.]s auszugehen, wobei der Wille entweder darauf ausgerichtet sein kann, die Marke selbst zu benutzen, oder sie der Benutzung durch einen [X.] zuzuführen. Diese Vermutung kann jedoch durch das Gesamtverhalten des Anmelders widerlegt werden (vgl. [X.], 242 Rn. 38 – [X.]; [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 1052 f).

Nach Auffassung des Senats sprechen die Umstände des vorliegenden Falls gegen einen rechtfertigenden Benutzungswillen:

Eine sinnvolle Nutzung der Marke „[X.], [X.], [X.] in der [X.]“ durch den Inhaber der angegriffenen Marke wäre angesichts der darin enthaltenen Standortangabe nur in der Phase zwischen Markenanmeldung und Auslaufen des Pachtvertrags, in der er seinen Geschäftsbetrieb noch an der im Zeichen genannten Adresse betrieben hat, möglich gewesen. Dass er in diesem Zeitraum gar nicht vorhatte, die Marke zu benutzen, räumt er im Schriftsatz vom 14. Februar 2022 ausdrücklich ein. Vielmehr gibt er an, dass er die Marke nach Beendigung des Pachtverhältnisses für die Fortführung des Betriebs an anderer Stelle nutzen wolle. Tatsächlich betreibt der Inhaber der angegriffenen Marke nach beiderseitigem Vortrag seit seinem Auszug aus dem Geschäftslokal in der [X.] in [X.] eine vergleichbare gastronomische Einrichtung, die neben „[X.]“ oder „[X.]“ auch als „[X.]“ firmiert. Diese befindet sich jedoch im [X.] [X.]. Als Kennzeichnung für eine dort befindliche Lokalität eignet sich die streitgegenständliche Marke „[X.], [X.], [X.] in der [X.]“ aber nicht. Denn eine Marke mit einer unzutreffenden Adressbezeichnung wäre irreführend. Allenfalls Adressbezeichnungen, die so bekannt sind, dass sie nicht mehr ausschließlich als geografische Standortbestimmung wahrgenommen werden, sondern einem gewissen Flair umschreiben oder für den Betrieb als solchen stehen, können u. U. rein namensmäßig auch an einem anderen Ort Verwendung finden (z. [X.], [X.], 10 [X.] o. ä.). Dafür liegen aber in Bezug auf die vorliegend beanspruchte Adresse „[X.]“ keine Anhaltspunkte vor.

Soweit der Inhaber der angegriffenen Marke angibt, er habe bereits im Anmeldezeitpunkt vorgehabt, sie ohne den Adresszusatz zu nutzen, mag dies einen Willen zur Benutzung der Etablissementbezeichnungen „[X.]“ oder „[X.]“ begründen, nicht aber der streitbefangenen Marke in ihrer Gesamtheit.

Sofern der Inhaber der angegriffenen Marke (auch) beabsichtigt haben sollte, die Marke an die Eigentümerin des Gebäudes in der …-Alle oder einen Nachfolgepächter zu veräußern oder zur Nutzung zu überlassen, wäre sie damit zwar einer (nicht täuschenden) Verwendung durch Dritte zugeführt worden. Allerdings wäre auch eine solche Absicht rechtsmissbräuchlich, da sie von vornherein darauf ausgerichtet wäre, einen bestimmten [X.] zum Erwerb oder zur Nutzung zu nötigen (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 1067).

(3) Gravierendes Indiz für die Bösgläubigkeit des Inhabers der angegriffenen Marke im Anmeldezeitpunkt ist aus Sicht des Senats der Umstand, dass ihm am Nachmittag des 28. Februar 2017 per E-Mail von der Hausverwaltung mitgeteilt worden ist, dass sein Pachtvertrag betreffend das Gebäude [X.] nicht verlängert werde. Am gleichen Tag hat er über die elektronische Dokumentenannahme des [X.]s die Markenanmeldung eingereicht. Ohne den Verdienst des Inhabers der angegriffenen Marke an der lokalen Bekannt- und Beliebtheit des von ihm bis Ende September 2018 betriebenen Etablissements in Abrede stellen zu wollen, rechtfertigt dieser nicht, die auch schon vor seiner Pacht für das Gebäude verwendete Bezeichnung „[X.]“, insbesondere in der vorliegenden Kombination mit dessen Anschrift, für sich zu monopolisieren und damit zugleich für die Eigentümerin sowie die nachfolgenden Pächter zu sperren. Dies stellt sich als zweckfremder Einsatz des formalen Markenrechts dar, der unabhängig von einem etwaigen Eingriff in einen fremden Besitzstand wettbewerbswidrig ist, so dass die Frage, inwieweit die Gebäudeeigentümerin und Verpächterin über einen ausreichend überregional schutzwürdigen Besitzstand verfügt, dahingestellt bleiben kann.

c) Ebenso kann offenbleiben, inwieweit der Markeneintragung auch die weiteren von der Löschungsantragstellerin geltend gemachten Schutzhindernisse entgegenstehen.

3. Angesichts des [X.] erlangten [X.] sind gemäß ständiger Rechtsprechung die Kosten des Verfahrens, d. h. die Kosten des [X.] vor dem [X.] gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 [X.] sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] aus Billigkeitsgründen dem Inhaber der angegriffenen Marke aufzuerlegen (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 63 Rn. 7 und § 71 Rn. 19 m. w. N.).

4. Über die Beschwerde konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, nachdem ein Antrag auf Durchführung einer solchen von keinem Beteiligten gestellt worden ist und sie nach Einschätzung des Senats auch nicht sachdienlich war (§ 69 Nr. 1 und Nr. 3 [X.]).

Meta

25 W (pat) 47/21

19.05.2022

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 14 MarkenG, § 50 Abs 1 MarkenG, § 53 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.05.2022, Az. 25 W (pat) 47/21 (REWIS RS 2022, 8769)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8769

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

25 W (pat) 29/20 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdesache – Nichtigkeitsverfahren - "Щедро (Bildmarke)" – eintragungsfähig – keine Bösgläubigkeit – Erweiterung des Löschungsbegehrens …


25 W (pat) 114/14 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "KÖ BOGEN ZUKUNFT FÜR DÜSSELDORF (Wort-Bild-Marke)" – keine bösgläubige Markenanmeldung - …


28 W (pat) 33/17 (Bundespatentgericht)


25 W (pat) 92/14 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "Toxic twins (Wort-Bild-Marke)" – keine bösgläubige Markenanmeldung


28 W (pat) 24/17 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren – "Ecomax" – zum Fehlen einer schriftlichen Vollmacht des Inlandsvertreter – bösgläubige …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

29 W (pat) 16/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.