Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.10.2018, Az. 28 W (pat) 24/17

28. Senat | REWIS RS 2018, 2370

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren – "Ecomax" – zum Fehlen einer schriftlichen Vollmacht des Inlandsvertreter – bösgläubige Markenanmeldung – teilweise Löschung – Kostenentscheidung – Tragung der Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahrens durch den Inhaber der angegriffenen Marke – keine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke [X.] 2015 052 819

(hier: Löschungsverfahren [X.]/16 Lösch)

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 26. Oktober 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. [X.], des [X.] [X.] und des [X.] Dr. Söchtig

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 14. Februar 2017 aufgehoben, soweit die Löschung der Eintragung der Marke [X.] 30 2015 052 819 für „[X.]“ angeordnet worden ist.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

[X.]ie Wortmarke [X.] 2015 052 819

2

[X.]

3

ist am 11. September 2015 beim [X.] angemeldet und am 19. Oktober 2015 in das dort geführte Markenregister eingetragen worden.

4

Mit Schriftsatz vom 5. November 2015 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke einen Teilverzicht erklärt, so dass die Marke nunmehr noch für die nachfolgend genannten Waren eingetragen ist:

5

Klasse 12:

6

Räder; Reifen; Gleisketten; Fahrzeugreifen; Runderneuerte Reifen; Schlauchreifen; Reifen für Kraftfahrzeuge; Reifen für Landfahrzeuge; Reifen für Fahrzeugräder; luftgefüllte Reifen; Reifen [Pneus]; Reifen für Motorräder; Reifen für Lastkraftwagen; Reifen für Busse.

7

Mit Formblatt vom 1. April 2016 - eingegangen beim [X.] am 4. April 2016 - hat die [X.] die vollständige Löschung der Eintragung der Marke [X.] 30 2015 052 819 beantragt, da diese [X.] angemeldet worden sei.

8

[X.]ur Begründung hat sie ausgeführt, die [X.] gehöre der internationalen Unternehmensgruppe [X.] an, die weltweit unter verschiede- nen Marken Automobilreifen und Automobilbatterien vertreibe. [X.]ie [X.] betreibe das „Infinity“-Geschäft und sei damit auch für den Verkauf der Reifen der [X.] zuständig. [X.]ie Funktion des Senior Officers der A-…Gruppe habe [X.] (nachfolgend: [X.]) ausgeübt, der damit u. a. für ihr europaweites Tagesgeschäft verantwortlich gewesen sei. [X.]udem besitze er eine 25 %-Beteiligung an der an der Spitze der [X.]- …Gruppe stehenden [X.] Limited. [X.] sei darüber hinaus der Eigentümer und Geschäftsführer der Inhaberin der angegriffenen Marke. Seit [X.] 2013 sei er in erbitterte Auseinandersetzungen mit den Mehrheitsgesellschaftern der [X.]-Gruppe involviert. Auf Grund seiner Eigenschaft als ihr Geschäftsführer habe [X.] gewusst, dass sie das in Rede stehende [X.]eichen bereits umfangreich u. a. in der [X.] für den Vertrieb von Kraftfahrzeugreifen benutzt habe. [X.]ie Kenntnis ihres Geschäftsführers müsse sich die Inhaberin der angegriffenen Marke zurechnen lassen. [X.]udem habe das ebenfalls von [X.] kontrollierte Unternehmen [X.]… Limited im [X.] insgesamt … Kunden und Geschäftspartner der [X.]-Gruppe an- geschrieben und mitgeteilt, ihr die Nutzung des [X.]eichens „[X.]“ auch gerichtlich untersagen lassen zu wollen. [X.]ie [X.]… Limited habe eine Lizenz an der Unionsmarke „[X.]“ erworben, die ebenfalls der Inhaberin der angegriffenen Marke gehöre. [X.]es Weiteren habe [X.] im Oktober 2014 versucht, die Internetdomain „a…“, bei der es sich um die wichtigste Internetdomain eines Tochterunternehmens der [X.]-Gruppe handele, auf sich zu übertra- gen, was jedoch gescheitert sei. Schließlich habe [X.] eine Vielzahl von Unionsmarken, die identisch oder ähnlich mit Marken der [X.] seien, für die Inhaberin der angegriffenen Marke angemeldet.

9

[X.]ie Inhaberin der angegriffenen Marke hat der Löschung rechtzeitig widersprochen und ist dem Löschungsantrag auch inhaltlich entgegengetreten. [X.]ie Anmeldung der angegriffenen Marke sei nicht in [X.]er Absicht erfolgt. [X.]ie von der [X.] vorgetragenen Umsätze mit Reifen der vermeintlichen „Serie „[X.]“ und die hierfür getätigten [X.] habe sie nicht belegt. Mangels entsprechender Weisungen oder Regelungen in seinem Arbeitsvertrag sei es [X.] als Geschäftsführer unbenommen geblieben, Markenanmeldungen für ein Unternehmen vorzunehmen, welches nicht zur [X.]- Unternehmensgruppe gehöre. Außerdem bestehe die Absicht, die angegriffene  Marke zu benutzen. So habe die Inhaberin der angegriffenen Marke ausweislich des Lizenzvertrags vom 1. Juli 2015 dem Unternehmen [X.]… eine einfache Lizenz erteilt, welches beabsichtige, die angegriffene Marke zukünftig zu nutzen.

[X.]as [X.], Markenabteilung 3.4, hat mit Beschluss vom 14. Februar 2017 die vollständige Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke angeordnet, da deren Anmeldung in [X.]er Art und Weise erfolgt sei (§ 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.]). Ferner hat es der Inhaberin der angegriffenen Marke die Kosten des Verfahrens auferlegt und den Gegenstandswert auf € 50.000,- festgesetzt. [X.]ur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Inhaberin der angegriffenen Marke habe deren Eintragung zu dem [X.]weck veranlasst, sie zweckfremd als Mittel des [X.] einzusetzen. [X.]ie [X.] habe überzeugend dargetan, dass sie zum [X.]eitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke im September 2015 über einen schutzwürdigen Besitzstand an dem verfahrensgegenständlichen [X.]eichen „[X.]“ in der [X.] verfügt habe, da sie mit solchermaßen gekennzeichneten Waren, nämlich Reifen, erhebliche Umsätze erzielt habe. Eigene Recherchen hätten dies bestätigt. [X.]ie Inhaberin der angegriffenen Marke, welche sich die Kenntnis ihres Geschäftsführers zurechnen lassen müsse, habe von diesem schutzwürdigen Besitzstand der [X.] positive Kenntnis gehabt. [X.]arüber hinaus habe die Inhaberin der angegriffenen Marke bereits in den Jahren 2013 und 2014, als ihr Geschäftsführer [X.] noch für die [X.] tätig war, mit dem angegriffenen [X.]eichen identische Unionsmarken angemeldet. Es sei jedoch üblich, dass ein leitender Angestellter eines Unternehmens von diesem benutzte [X.]eichen auch für dieses Unternehmen registerrechtlich schützen lasse. Ansonsten verstoße er gegen die ihm obliegende Treuepflicht, die einem allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz entspreche, der auch in den Rechtsordnungen anderer Länder verankert sei. [X.]ies gelte auch – wie vorliegend – für von dem Unternehmen benutzte [X.]eichen, die erst nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis von ehemaligen Mitarbeitern angemeldet würden. In die vorzunehmende Gesamtschau sei schließlich die von [X.] versuchte [X.]e Aneignung der Internetdomain einer Tochtergesellschaft der [X.]- Unternehmensgruppe einzubeziehen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke vom 20. März 2017, mit der sie beantragt,

den Beschluss des [X.]es vom 14. Februar 2017 aufzuheben.

[X.]ie [X.] hat im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt. Weder sie noch die Inhaberin der angegriffenen Marke haben sich zur Sache weiter geäußert.

Während des Beschwerdeverfahrens haben die Vertreter der Inhaberin der angegriffenen Marke ihr Mandat niedergelegt. Weder im Amtsverfahren noch im Beschwerdeverfahren haben sie eine schriftliche Vollmacht eingereicht. Ein neuer Vertreter hat sich für die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht bestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

[X.]ie Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist lediglich insoweit begründet, als das [X.] in seinem Beschluss vom 14. Februar 2017 die Löschung der Eintragung der Marke [X.] 30 2015 052 819 wegen Bösgläubigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] für die in [X.]iffer 1. des Tenors genannten Waren angeordnet hat.

1. [X.]ie Beschwerde ist nicht wegen Fehlens eines Inlandsvertreters gemäß § 96 Abs. 1 [X.] unzulässig (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Auflage, § 96, Rdnr. 33).

[X.]ie anwaltlichen Verfahrensvertreter der Inhaberin der angegriffenen Marke sind auch ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmacht als wirksam bestellte Inlandsvertreter gemäß § 96 Abs. 1 [X.] zu betrachten. Sie haben für sie bereits die Anmeldung des Streitzeichens vorgenommen (vgl. auch Feld 4 des Anmeldeformulars: „Vertreter des Anmelders“), anschließend das amtliche Löschungsverfahren betreut und schließlich Beschwerde gegen die Entscheidung der [X.] erhoben. Es bestehen für den Senat nach Sachlage keinerlei Anzeichen dafür, dass die für die Inhaberin der angegriffenen Marke handelnden Rechtsanwälte nicht als Inlandsvertreter bevollmächtigt waren. Ihre Bestellung als Inlandsvertreter musste nicht zwingend durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nachgewiesen werden. [X.]enn § 96 Abs. 1 [X.] trifft für die Vorlage einer Vollmachtsurkunde keine Regelung, die als lex specialis der allgemeinen Vorschrift des § 81 Abs. 6 Satz 2 [X.] vorgeht (vgl. zu den entsprechenden Regelungen im Patentrecht [X.]E 54, 276; a. [X.], Beschluss vom 8. Oktober 2014, 29 W (pat) 542/12 – Pokerzeit). Auch wenn die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht der Regelfall darstellen sollte (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, a. a. O., § 96, Rdnr. 18), so kann – wie hier – auf Grund anderer Umstände vom Vorliegen einer wirksamen Bevollmächtigung ausgegangen werden.

[X.]ie Vertreter der Inhaberin der angegriffenen Marke haben gegenüber dem [X.] durch Schriftsatz vom 3. August 2017 erklärt, diese nicht länger zu vertreten. Allerdings hat die Inhaberin der angegriffenen Marke keinen anderen Inlandsvertreter bestellt. [X.]aher sind ihre bisherigen Vertreter gemäß § 96 Abs. 4 [X.] im Interesse der Erleichterung des Rechtsverkehrs mit Verfahrensbeteiligten ohne Sitz oder Niederlassung in [X.] weiterhin als Inlandsvertreter legitimiert.

2. [X.]er Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Inhaberin der angegriffenen Marke ihren hierauf gerichteten Antrag mit Schriftsatz vom 12. März 2018 zurückgenommen hat und die [X.]urchführung einer mündlichen Verhandlung auch nicht aus Gründen der Sachdienlichkeit geboten war (§ 69 Nr. 1 und 3 [X.]).

3. [X.]er Senat sieht davon ab, die Sache wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels an das [X.] gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 [X.] zurückzuverweisen. [X.]ie Markenabteilung hatte zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts eigene Recherchen über den Umfang der Benutzung des [X.]eichens „[X.]“ durch die [X.] in [X.] angestellt. [X.]ie Rechercheergebnisse hat sie den Beteiligten zusammen mit dem angefochtenen Beschluss vom 14. Februar 2017, in dem sie sich auf die ermittelten [X.]okumente bezieht, zur Kenntnis gegeben (vgl. Seite 6 des Beschlusses vom 14. Februar 2017 mit den Anlagen 1 bis 3). Gemäß § 59 Abs. 2 [X.] hätte die Markenabteilung, die diese Unterlagen für entscheidungserheblich hielt, der Inhaberin der angegriffenen Marke vor der Entscheidung über den Löschungsantrag Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. [X.]ieser Verfahrensmangel wurde aber durch die Möglichkeit einer Stellungnahme im Rahmen des Beschwerdeverfahrens - auch wenn die Beschwerdeführerin hiervon keinen Gebrauch gemacht hat - geheilt. Unter diesen Umständen hält es der Senat auch aus Gründen der Verfahrensökonomie für angezeigt, in der Sache selbst zu entscheiden.

4. [X.]ie Marke [X.] 30 2015 052 819 wurde für die eingetragenen Waren mit Ausnahme der in [X.]iffer 1. des Tenors genannten gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] [X.] angemeldet, so dass ihre Eintragung nach § 50 Abs. 1 [X.] nur teilweise zu löschen ist.

a) Von einer [X.]en Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] ist dann auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig, insbesondere im Sinne wettbewerbsrechtlicher Unlauterkeit, erfolgt ([X.], 380, Rdnr. 16 - Glückspilz; GRUR 2004, 510, 511 - [X.]). [X.]er [X.] soll Anmeldungen von Marken erfassen, die von vornherein nicht dazu bestimmt sind, im Interesse eines lauteren [X.] Waren und [X.]ienstleistungen als solche eines bestimmten Unternehmens zu individualisieren, sondern [X.]ritte im Wettbewerb zu behindern (Hacker, Markenrecht, 4. Auflage, Rdnr. 166, 168).

Eine [X.]e Markenanmeldung kann demnach vorliegen, wenn der Anmelder weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares [X.]eichen für dieselben oder ähnliche Waren oder [X.]ienstleistungen benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, und besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als sittenwidrig erscheinen lassen ([X.] GRUR 2009, 763, 763, Rdnr. 43 ff. - [X.]/[X.]; [X.], a. a. O., Rdnr. 17 - Glückspilz; GRUR 2009, 780 ff. - [X.]; [X.], 917, Rdnr. 23 ff. - [X.]). So kann unabhängig von einem bestehenden Besitzstand [X.]ritter eine Markenanmeldung [X.] sein, wenn sie von vornherein in der ersichtlichen Absicht vorgenommen wird, [X.] an der Benutzung eines Kennzeichens zu hindern ([X.] [X.], 621, Rdnr. 21 - AKA[X.]MIKS; a. a. O. - Ivadal). [X.]abei ist die maßgebliche Grenze zur Bösgläubigkeit dann überschritten, wenn das Verhalten des [X.] bei objektiver Würdigung aller Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung eines Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen [X.] gerichtet ist ([X.] GRUR 2005, 581, 582 - [X.]). Eine derartige Behinderungsabsicht drängt sich insbesondere dann auf, wenn der [X.] die Benutzungsabsicht des [X.] deshalb kennt oder kennen muss, weil er ursprünglich mit dem [X.] zusammengearbeitet hat und nunmehr in einer Konkurrenzsituation zu ihm steht ([X.]. a. a. O., Rdnr. 23 ff. - [X.]).

[X.]abei dürfen die Anforderungen an die Feststellung der Behinderungsabsicht nicht überspannt werden. Maßgeblich ist, ob sich die Behinderungsabsicht nach der Lebenserfahrung aufdrängt. [X.]ass der [X.]eitpunkt der Markenanmeldung für die Beurteilung der Bösgläubigkeit maßgeblich ist, schließt eine Berücksichtigung des Verhaltens des Anmelders vor und nach der Markenanmeldung nicht aus. Aus diesem Verhalten und aus den vor sowie nach der Anmeldung liegenden Begleitumständen können Rückschlüsse auf die Absichten des Anmelders gezogen werden ([X.], a. a. O., Rdnr. 14 - GLÜCKSPIL[X.]; [X.]/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8, Rdnr. 957).

b) Rechtsfehlerfrei hat das [X.] in seinem angegriffenen Beschluss festgestellt, dass vorliegend die Fallgruppe des zweckfremden Einsatzes einer Marke als Mittel des [X.] einschlägig ist, denn es ist davon auszugehen, dass die Inhaberin der angegriffenen Marke diese in der Absicht angemeldet hat, die [X.] in wettbewerbswidriger Weise an der Benutzung des [X.]eichens „[X.]“ zu hindern:

(1) [X.]ie [X.] hat bereits Jahre vor dem und zum [X.]eitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke am 11. September 2015 das [X.]eichen „[X.]“ für ([X.] in der [X.] benutzt.

[X.]ies ergibt sich zum einen aus den Recherchen des [X.]s, deren Ergebnisse als Anlagen 1 bis 3 dem Beschluss vom 14. Februar 2017 beigefügt sind.

[X.]um anderen hat die [X.] durch Vorlage zahlreicher Rechnungskopien dargetan, in den Jahren 2013 bis 2014 mit [X.]-Reifen Umsätze im Inland in Höhe von insgesamt $ …,- erzielt zu haben (vgl. Anlage L 16 sowie ergänzend Anlage L 1). [X.]arüber hinaus hat sie belegt, in den Jahren 2012 und 2014 jeweils mit Ständen auf der internationalen Reifenmesse in [X.] vertreten gewesen zu sein und dort ihre „[X.]-Reifenserie“ beworben zu haben (vgl. Anlagen L 3, [X.], [X.] sowie [X.]). In diesem [X.]usammenhang hat sie Aufwendungen im oberen fünfstelligen Bereich getätigt (vgl. Anlagen [X.] und [X.]). Unter Berücksichtigung der weiteren Messeauftritte der [X.] in [X.], [X.], [X.] und [X.] in den Jahren 2012 und 2013 (vgl. Anlagen L 3, [X.], [X.] und L 8) erscheinen auch die mit Anlage L 1 vorgelegten Umsätze in [X.], in [X.] und in der [X.] in den Jahren 2013 bis 2015 in Höhe von insgesamt knapp $ …,- plausibel. [X.]ies spricht für eine europaweite Marktpräsenz, die auch die [X.] umfasst.

(2) Weiterhin ist davon auszugehen, dass die Inhaberin der angegriffenen Marke positive Kenntnis von der Vorbenutzung des [X.]eichens „[X.]“ durch die [X.] gehabt hat. Jene hat nicht in Abrede gestellt, dass ihr Inhaber und Geschäftsführer [X.] auf Grund seiner bereits vor dem [X.]eitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke ausgeübten langjährigen Tätigkeit als Geschäftsführer der [X.] von dem Vertrieb ihrer Reifen unter dem verfahrensgegenständlichen [X.]eichen wusste. [X.]ies ergibt sich auch aus der im Rahmen der [X.]er Reifenmesse im Jahr 2012 abgegebenen Stellungnahme von [X.] zur Einführung der [X.]-Reifen (vgl. Anlage L 5). [X.]iese „qualifizierte Kenntnis“ ihres Geschäftsführers muss sich die Inhaberin der angegriffenen Marke zurechnen lassen (vgl. hierzu [X.] GRUR Int. 2014, 172 - [X.] ./. [X.] [SALINI]).

(3) [X.]ie mit der Anmeldung der angegriffenen Marke bezweckte Behinderung der [X.] ist zudem als wettbewerbswidrig anzusehen. Hierfür spricht insbesondere, dass [X.] ursprünglich für die [X.] als Geschäftsführer gearbeitet und bereits parallel zu dieser Tätigkeit die Anmeldung gleichlautender Unionsmarken sowie nach seinem Ausscheiden bei der [X.] die Anmeldung der angegriffenen Marke für die Beschwerdeführerin als Wettbewerberin veranlasst hat. [X.]ie „[X.]“-Unionsmarken 012350674 und 012757373 sind am 28. November 2013 bzw. am 3. April 2014 angemeldet worden. Auf Grund Rücknahme der erstgenannten Anmeldung kam allerdings lediglich die zweite am 24. Juli 2014 zur Eintragung (vgl. Anlage L 22).

Selbst wenn [X.] die der Anmeldung zu Grunde liegende Markenidee selbst entwickelt oder maßgeblich daran mitgewirkt haben sollte, so ist dennoch zu berücksichtigen, dass sie im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit und zur Kennzeichnung von Produkten der [X.] entstanden ist. Auch kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob eine ausdrückliche Regelung zur Eintragung von [X.]eichen im Geschäftsführervertrag der [X.] mit [X.] bestand und die Anmeldung der verfahrensgegenständlichen Marke nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer der [X.] erfolgt ist. [X.]utreffend hat das [X.] ausgeführt, dass es sich bei der Treuepflicht eines Geschäftsführers um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz handelt. In der [X.] Rechtsordnung hat er beispielsweise in § 43 GmbHG seinen Niederschlag gefunden. [X.]emzufolge hat der Geschäftsführer u. a. die Verpflichtung, Schaden von der Gesellschaft abzuwenden und sich keine persönlichen Vorteile zu Lasten der Ressourcen oder der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zukommen zu lassen (vgl. [X.] Kommentar GmbHG, 2. Auflage, 2016, § 35, Rdnr. 86). [X.]ie [X.] hat ferner dargetan, dass ihr damaliger Geschäftsführer [X.] auch nach dem seinem Arbeitsvertrag zu Grunde liegenden Recht der [X.] dazu verpflichtet war, Interessenkonflikte mit seinem Arbeitgeber zu vermeiden (vgl. Anlage L 30 sowie Art. 108 des „[X.]“ in Anlage L 31). Eine solche Treuepflicht besteht regelmäßig auch nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis weiter fort.

Hinzu kommt, dass ein ernsthafter Wille der Beschwerdeführerin zur Benutzung der angegriffenen Marke nicht erkennbar ist. Eigene Produkte hat sie unter der gegenständlichen Marke bisher noch nicht auf den Markt gebracht. [X.]ies gilt gleichermaßen für ihre Lizenznehmerin, das Unternehmen [X.]…  Limited, zu deren Geschäftsführern ebenfalls [X.] gehört (vgl. Anlage L 24). So haben weder die Inhaberin der angegriffenen Marke noch deren Lizenznehmerin, die mit Vertrag vom 1. Juli 2015 eine EU-weite, einfache und kostenlose Lizenz u. a. an der Marke [X.] 012757373 erworben hat (vgl. Anlage [X.]), Bemühungen unternommen, die Unionsmarke wie auch die verfahrensgegenständlichen Marke nach ihrer Eintragung für die beanspruchten Waren zu verwenden.

Von der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zudem nicht bestritten, dass erst am 19. Januar 2014 die Internetdomain „w…“ zur Registrierung gelangt ist als auch die [X.]-Reifen betreffende Unterseite „h…“ nach dem 23. März 2016 er stellt wurde und zumindest bis September 2016 noch nicht verfügbar war (vgl. [X.]). [X.]er Inhaberin der angegriffenen Marke ist zwar dahingehend zuzustimmen, dass sowohl eine nationale wie auch eine Unionsmarke einer fünfjährigen Benutzungsschonfrist unterliegen (§§ 43, 49 [X.]; Art. 18 [X.]V). [X.]ennoch lassen die [X.]eitpunkte der vorgenannten Aktivitäten der Inhaberin der angegriffenen Marke bzw. ihrer Lizenznehmerin darauf schließen, dass sie lediglich als Reaktion auf die Anträge auf Löschung der Eintragung sowohl der Unionsmarke als auch der vorliegend verfahrensgegenständlichen Marke hin erfolgt sind, um den Eindruck einer vermeintlichen Absicht zur Benutzung der entsprechenden Marken hervorzurufen.

Obwohl es regelmäßig nicht zu beanstanden ist, dass ein Markeninhaber seine Markenrechte verteidigt, so fällt hier doch auf, dass die Inhaberin der angegriffenen Marke noch während der genannten zwei Löschungsverfahren u. a. unter Berufung auf ihre Unionsmarke „[X.]“ insgesamt 52 Abmahnungen an Geschäftspartner, Wirtschaftsprüfer und Banken der Muttergesellschaft der [X.] versandt hat. [X.]ie Versendung einer solch großen [X.]ahl von Abmahnschreiben - während Verfahren zur Löschung der Eintragung der ihnen zu Grunde liegenden Marken anhängig sind - lässt ebenfalls indiziell auf eine Bösgläubigkeit der Markeninhaberin schließen, zumal die ins Feld geführten Marken zumindest damals noch nicht benutzt worden sind (vgl. hierzu auch „[X.]“, Teil [X.], Abschnitt 2, 3.3.2.1).

Schließlich ist der (gescheiterte) Versuch des Geschäftsführers der Inhaberin der angegriffenen Marke im Jahr 2014, die wichtigste [X.]omain eines Tochterunternehmens der Muttergesellschaft der [X.] auf sich zu übertragen, ein weiteres Indiz für die [X.]widrigkeit. Bereits in der hierzu ergangenen Entscheidung der [X.] ist festgestellt worden, dass die beabsichtigte Übertragung der [X.]omain in [X.]er Absicht erfolgt ist und lediglich dazu dienen sollte, die geschäftliche Tätigkeit der [X.]omaininhaberin sowie deren Muttergesellschaft zu stören (vgl. Anlage L 15, Seite 10).

c) Unter Berücksichtigung sämtlicher vorstehend erörterter Indizien kann im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung (vgl. hierzu [X.]/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8, Rdnr. 937) das Vorliegen einer [X.]en Markenanmeldung durch die Inhaberin der angegriffenen Marke gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] nicht ernsthaft bezweifelt werden, was die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke für alle Waren rechtfertigt, die in einem Identitäts- oder [X.] zu den von der [X.] tatsächlich benutzten (Fahrzeug-)Reifen stehen. Hierbei handelt es sich im Einzelnen um folgende Waren:

Räder; Reifen; Fahrzeugreifen; Runderneuerte Reifen; Schlauchreifen; Reifen für Kraftfahrzeuge; Reifen für Landfahrzeuge; Reifen für Fahrzeugräder; luftgefüllte Reifen; Reifen [Pneus]; Reifen für Motorräder; Reifen für Lastkraftwagen; Reifen für Busse.

[X.]emgegenüber sind (Fahrzeug-)Reifen und die weiterhin für die angegriffene Marke eingetragenen „Gleisketten“ mangels ausreichender sachlicher Berührungspunkte nicht identisch oder ähnlich. Sie haben einen völlig anderen Aufbau. Bei einer Gleiskette handelt es sich um eine zum Antrieb und zur Lenkung von [X.] geschlossene Kette, die modulare Glieder aufweist (vgl. „www.wikipedia.org“, Suchbegriff: „Gleiskette“). [X.]emgegenüber sind Reifen rund ausgeformt und nicht unterteilt.

5. [X.]ie Anordnung der Kostentragung durch die Inhaberin der angegriffenen Marke in dem Beschluss vom 14. Februar 2017 begegnet keinen rechtlichen Bedenken. [X.]ie Kosten des Verfahrens vor dem [X.] können gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 [X.] einem Beteiligten auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Ein solcher Fall ist regelmäßig bei einer [X.]en Markenanmeldung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] gegeben (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, a. a. O., § 63, Rdnr. 7, und § 71, Rdnr. 16). [X.]ies gilt auch dann, wenn - wie vorliegend - lediglich ein Teil der mit dem Löschungsantrag angegriffenen Waren wegen Bösgläubigkeit zu löschen ist. [X.]ie Markeninhaberin hat durch ihr Verhalten zu dem Löschungsverfahren Anlass gegeben und hätte bereits im Vorfeld durch einen Teilverzicht die angefallenen Kosten vermeiden können.

[X.]er Senat sieht allerdings davon ab, der Inhaberin der angegriffenen Marke auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] aufzuerlegen. [X.]ie Anordnung der vollständigen Löschung der Eintragung der Marke [X.] 30 2015 052 819 durch den Beschluss vom 14. Februar 2017 war zu weitgehend, so dass die Inhaberin der angegriffenen Marke nur durch die Erhebung der Beschwerde einen Teil ihres Markenrechts erhalten konnte.

6. [X.]ie Festsetzung des [X.] gemäß § 63 Abs. 3 [X.] i. V. m. § 23 Abs. 3 Satz 2, § 33 Abs. 1 RVG durch die Markenabteilung in Höhe von € 50.000,- ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Auch der Senat geht auf Grund der Rechtsprechung des [X.] (GRUR 2006, 704 - Markenwert) von einem Regelwert des [X.] in Höhe von € 50.000,- aus (vgl. ergänzend [X.], Beschluss vom 26. Februar 2008, 27 W (pat) 57/07 - [X.]). Umstände, die einen höheren oder niedrigeren Betrag nahelegen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Meta

28 W (pat) 24/17

26.10.2018

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.10.2018, Az. 28 W (pat) 24/17 (REWIS RS 2018, 2370)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2370

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