Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.07.2020, Az. 1 B 29/20

1. Senat | REWIS RS 2020, 11385

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Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des [X.] vom 3. April 2020 wird verworfen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die [X.]eschwerde, mit der eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht wird, ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

2

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen [X.]edeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 1. April 2014 - 1 [X.] 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 [X.] 7.15 - juris).

3

Für die Zulassung der Revision reicht, anders als für die Zulassung der [X.]erufung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO/§ 78 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ([X.]VerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 - [X.]VerwGE 70, 24 <26>), eine Tatsachenfrage grundsätzlicher [X.]edeutung nicht aus. Die Klärungsbedürftigkeit muss vielmehr in [X.]ezug auf den anzuwendenden rechtlichen Maßstab, nicht die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung bestehen; auch der Umstand, dass das Ergebnis der zur Feststellung und Würdigung des [X.] berufenen Instanzgerichte für eine Vielzahl von Verfahren von [X.]edeutung ist, lässt für sich allein nach geltendem Revisionszulassungsrecht eine Zulassung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu. Der Gesetzgeber hat insoweit auch für das gerichtliche Asylverfahren an den allgemeinen Grundsätzen des [X.] festgehalten und für das [X.]undesverwaltungsgericht keine [X.]efugnis eröffnet, Tatsachen(würdigungs)fragen grundsätzlicher [X.]edeutung in "[X.]", wie sie etwa das [X.] Prozessrecht kennt, zu treffen. Nach der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts ([X.]VerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 14.10 - [X.]VerwGE 140, 319 Rn. 28 - zur Feststellung einer extremen Gefahrenlage) haben sich allerdings die [X.]erufungsgerichte nach § 108 VwGO (erkennbar) mit abweichenden Tatsachen- und Lagebeurteilungen anderer Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe auseinanderzusetzen.

4

2. Nach diesen Grundsätzen ist eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache schon nicht dargelegt.

5

a) Die [X.]eschwerde hält zunächst für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob für den Personenkreis, dem in [X.]ulgarien subsidiärer Schutz erteilt worden ist, grundsätzlich [X.] nach § 60 Abs. 5 VwGO zusteht, wenn es sich dabei um verletzbare Personen handelt,"

und macht geltend, die Klägerin zu 1. sei aufgrund ihres Alters nicht mehr ohne Weiteres in der Lage, ohne Sprachkenntnisse auf dem [X.] Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, sie auf die Einnahme des [X.] zu 2. (ihres [X.]) angewiesen sei, die dieser aber nicht in dem erforderlichen Umfange generieren könne, und macht insoweit dringenden Aufklärungsbedarf geltend.

6

Mit diesem und dem weiteren Vorbringen wird eine grundsätzliche [X.]edeutung nicht dargelegt. Von einer grundsätzlichen [X.]edeutung ist regelmäßig auszugehen, wenn eine bundesrechtliche Rechtsfrage in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte uneinheitlich beantwortet wird und es an einer Klärung des für die materiellrechtliche Subsumtion sowie die Tatsachenfeststellung und -würdigung heranzuziehenden rechtlichen Maßstabes durch das [X.]undesverwaltungsgericht fehlt. Das [X.]eschwerdevorbringen tritt aber den tatsächlichen Feststellungen und [X.]ewertungen der Verfolgungs- und Versorgungslage in [X.]ulgarien durch das [X.]erufungsgericht entgegen, zielt mithin auf der tatrichterlichen Würdigung vorbehaltene Tatsachenfragen. Verfahrensfehler werden insoweit weder ausdrücklich noch sinngemäß geltend gemacht. Insbesondere ist nicht vorgetragen, die mit der [X.]eschwerdeschrift zur Deckung des geltend gemachten "dringenden Aufklärungsbedarfs" für erforderlich erachtete [X.]eweiserhebung sei bereits im [X.]erufungsverfahren beantragt worden.

7

b) Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher [X.]edeutung wird auch insoweit nicht dargelegt, als die Klärungsbedürftigkeit der Frage geltend gemacht wird,

"ob im vorliegenden Fall das Asylbegehren der Kläger als unzulässig eingestuft werden dürfte",

und dazu unter Hinweis auf einen [X.]eschluss des Gerichtshofs der [X.] ([X.], [X.]eschluss vom 13. November 2019 - [X.]/17 u.a. [[X.]:[X.]:C:2019:964], [X.] u.a.) vorgetragen, der Antrag der Kläger habe nicht als unzulässig gewertet werden dürfen, "da den Klägern trotz unter Schutzstellung in [X.]ulgarien Menschenrechtsverletzungen drohen".

8

Auch mit diesem Vorbringen wendet sich die [X.]eschwerde gegen die tatrichterliche Würdigung des [X.]erufungsgerichts, unter [X.]erücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.], Urteile vom 19. März 2019 - [X.]/17 u.a. [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] u.a. - und - [X.]/17 [[X.]:[X.]:2019:218], [X.] -; [X.]eschluss vom 13. November 2019 - [X.]/17 -) und der dazu ergangenen Folgerechtsprechung verschiedener Obergerichte drohe "den Klägern bei Rückkehr nach [X.]ulgarien (weiterhin) nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gegen Art. 3 [X.] bzw. Art. 4 GRC verstoßende [X.]ehandlung" ([X.]A S. 11), was dann im Einzelnen unter Auswertung der Erkenntnislage und obergerichtlicher Rechtsprechung zur Lage in [X.]ulgarien anerkannter Schutzberechtigter begründet wird ([X.]A S. 11 bis 29). Dies legt keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen zu den durch den Gerichtshof der [X.] (ebd.) geklärten Voraussetzungen einer Unzulässigkeitsentscheidung wegen bereits erfolgter Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat oder der Notwendigkeit eines neuerlichen Asylverfahrens in unionsrechtskonformer Einschränkung des § 29 Absatz 1 Nr. 2 [X.] (dazu u.a. [X.]VerwG, Urteile vom 21. April 2020 - 1 C 4.19 - und vom 17. Juni 2020 - 1 C 35.19 -) dar. Auch insoweit wendet sich die [X.]eschwerde lediglich gegen die den Tatsachengerichten vorbehaltene Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung und macht Verfahrensfehler des [X.]erufungsgerichts weder ausdrücklich noch sinngemäß geltend; bei dem Hinweis auf eine vor dem Hintergrund der [X.] aus Sicht der [X.]eschwerde "auf reinen Vermutungen" gründende [X.]egründung wird die [X.]eschlussbegründung zudem unvollständig wiedergegeben.

9

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Meta

1 B 29/20

06.07.2020

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.07.2020, Az. 1 B 29/20 (REWIS RS 2020, 11385)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11385

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