Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.04.2017, Az. II R 30/15

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners ([X.]). Das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen wurde im [X.]pril 2010 eröffnet. [X.] ist [X.]lleinerbe der im Oktober 2010 verstorbenen Erblasserin. Er nahm die Erbschaft im Mai 2012 an.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --F[X.]--) setzte mit [X.] vom 14. Juni 2012 die Erbschaftsteuer in Höhe von 23.490 € gegen den Kläger als Insolvenzverwalter fest und forderte ihn zur Zahlung auf. Zugleich meldete das F[X.] die Erbschaftsteuer zur Insolvenztabelle an.

Der Kläger legte gegen den [X.] Einspruch ein. Er begehrte neben dem [X.]bzug eines Freibetrags von 20.000 € die Berücksichtigung weiterer Nachlassverbindlichkeiten. Das F[X.] erließ am 1. [X.]ugust 2012 einen geänderten [X.], in welchem es dem Einspruch im Hinblick auf den begehrten Freibetrag abhalf und die Erbschaftsteuer auf 17.490 € herabsetzte. Der [X.] erging wegen weiterer Nachlassverbindlichkeiten und Erbfallkosten vorläufig nach § 165 [X.]bs. 1 der [X.]bgabenordnung ([X.]). Dieser [X.] wurde dem Kläger als Vertreter des [X.] bekannt gegeben. Die zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung verminderte das F[X.] entsprechend auf 17.490 €.

[X.]m 10. Juli 2014 erließ das F[X.] einen weiteren [X.]. Darin setzte es die Erbschaftsteuer unverändert auf 17.490 € fest, erklärte den [X.] jedoch für endgültig. Dieser [X.] erging wiederum gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter.

Der Kläger legte gegen diesen [X.] Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, bei der Erbschaftsteuer handele es sich um eine Insolvenzforderung und nicht um eine Masseverbindlichkeit. Sie dürfe daher nicht gegen ihn als Insolvenzverwalter festgesetzt werden.

Das F[X.] wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 25. [X.]ugust 2014 als unbegründet zurück. Seiner [X.]uffassung nach sind [X.], die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind, Masseforderungen i.S. des § 55 der Insolvenzordnung ([X.]) und durch Steuerbescheide mit Leistungsgebot gegen den Insolvenzverwalter geltend zu machen. Entsprechendes gelte für die Erbschaftsteuer bei einem Erbanfall nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage mit der Begründung statt, bei der Erbschaftsteuer handele es sich um eine Insolvenzforderung i.S. des § 38 [X.], die nur durch [X.]nmeldung zur Insolvenztabelle geltend gemacht werden könne. Der gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter erlassene Steuerbescheid sei daher unwirksam. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2015, 1020, veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das F[X.] die fehlerhafte [X.]nwendung des § 351 [X.]bs. 1 [X.] sowie der §§ 38 und 55 [X.].

Das F[X.] beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

1. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis können gegen den Insolvenzverwalter nur festgesetzt werden, wenn sie Masseverbindlichkeiten und keine Insolvenzforderungen sind.

a) Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens dürfen Steuerbescheide, die Insolvenzforderungen betreffen, nicht mehr ergehen. Das folgt aus dem in § 251 Abs. 2 Satz 1 [X.] normierten Grundsatz, wonach Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, die Insolvenzforderungen sind, nach Insolvenzeröffnung nur nach den Vorschriften der [X.] geltend gemacht werden dürfen (Urteile des [X.] --BFH-- vom 18. Dezember 2002 I R 33/01, [X.], 392, [X.] 2003, 630, unter [X.], und vom 10. Dezember 2008 I R 41/07, [X.], 719, unter [X.]). Diese Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind zur Insolvenztabelle anzumelden und --im Falle des [X.] durch [X.] nach § 251 Abs. 3 [X.] gegenüber dem Insolvenzverwalter festzustellen (vgl. BFH-Urteile in [X.], 392, [X.] 2003, 630, unter [X.]; in [X.], 719, unter [X.], und vom 20. Januar 2016 II R 34/14, [X.], 389, [X.] 2016, 482, Rz 23 f.). Ein förmlicher Steuerbescheid über einen Steueranspruch, der eine Insolvenzforderung betrifft, ist unwirksam (vgl. BFH-Urteil in [X.], 392, [X.] 2003, 630, unter [X.], m.w.N.).

b) Insolvenzforderungen sind Forderungen, die zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren (vgl. § 38 [X.]). Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem [X.]punkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerliche Entstehung der Forderung und deren Fälligkeit kommt es dagegen nicht an (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 IV R 23/11, [X.], 233, [X.] 2013, 759, Rz 18).

c) Masseverbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.]; BFH-Urteil in [X.], 233, [X.] 2013, 759, Rz 18). Die Einordnung einer Forderung als Masseverbindlichkeit dient der ordnungsgemäßen Verfahrensabwicklung und Verteilung der Insolvenzmasse (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 2. Februar 2006 IX ZR 46/05, Neue Juristische [X.] Zivilrecht 2006, 989). Dies rechtfertigt die Vorwegbefriedigung der [X.] nach § 53 [X.] (vgl. [X.] in MünchKomm[X.], 3. Aufl. 2013, § 55 [X.] Rz 1).

2. Erbt der Insolvenzschuldner nach Insolvenzeröffnung, ist die auf den Erwerb entfallende Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit gegen den Insolvenzverwalter festzusetzen.

a) Ist der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Verfahrens Erbe geworden, fällt der Nachlass zunächst vorläufig in die Insolvenzmasse ([X.] vom 11. Mai 2006 IX ZR 42/05, [X.], 352, unter [X.]a). Die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft steht nicht dem Insolvenzverwalter, sondern ausschließlich dem Schuldner zu (§ 83 Abs. 1 [X.]). Hat der Insolvenzschuldner die Erbschaft ausdrücklich angenommen oder gilt die Erbschaft nach Ablauf der [X.] als angenommen, kann er sie nach § 1943 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]) nicht mehr ausschlagen; es tritt hinsichtlich der Erbschaft Vollerwerb ein ([X.] in MünchKomm[X.], a.a.[X.], § 83 Rz 3; vgl. [X.]/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Aufl., § 1942 Rz 2). Ab diesem [X.]punkt ist der Nachlass endgültig Bestandteil der Insolvenzmasse ([X.] in [X.], 352, unter [X.]a, m.w.N.). Die [X.] und die Eigengläubiger des Erben ([X.]) sind aus der Insolvenzmasse zu befriedigen, sofern nicht eine Trennung der Vermögensmassen durch Insolvenzverwalter, Erben oder [X.] herbeigeführt wird, namentlich durch Beantragung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens, §§ 1975 ff. [X.] (vgl. [X.] in [X.], 352, unter [X.]a).

b) Die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund [X.] geschuldete Erbschaftsteuer ist eine Nachlassverbindlichkeit. Sie erfüllt alle Voraussetzungen einer Erbfallschuld, denn sie entsteht allein aus Anlass des Erbfalls und ohne Zutun des Erben (BFH-Urteil in [X.], 389, [X.] 2016, 482, Rz 12, m.w.N.). Unerheblich ist, dass die Erbschaftsteuer gegen den Erben persönlich und nicht gegen den Nachlass als solchen festgesetzt wird. Dadurch unterscheidet sich die Erbschaftsteuer nicht von anderen Erbfallschulden wie z.B. Beerdigungskosten, die in der Person des Erben entstehen und die im Falle der Nachlassinsolvenz ebenfalls als Nachlassinsolvenzforderungen geltend zu machen sind (vgl. BFH-Urteil in [X.], 389, [X.] 2016, 482, Rz 12, und Urteil des [X.] vom 20. Oktober 2006  10 U 33/06, [X.]schrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2007, 381).

c) Die Erbschaftsteuer auf Erwerbe des Insolvenzschuldners nach Insolvenzeröffnung ist keine Insolvenzforderung, weil der Grund für ihr Entstehen erst durch den Erbanfall und damit nach Insolvenzeröffnung eingetreten ist.

d) Sie ist vielmehr Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Dies folgt zwar nicht aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 [X.], denn die Erbschaftsteuer wird nicht durch eine Handlung des Insolvenzverwalters ausgelöst. Sie wird jedoch i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 [X.] in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet.

§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 [X.] erfordert keine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters. Die Vorschrift kann vielmehr auch eine [X.] entstehende Steuerschuld erfassen (BFH-Urteil vom 3. August 2016 X R 25/14, [X.], 317, Rz 29). So ist beispielsweise die [X.], die dadurch begründet wird, dass der [X.]er einer Personengesellschaft aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen aus der [X.] ausscheidet und sich dabei ein Veräußerungsgewinn ergibt, eine Masseverbindlichkeit, obwohl der Insolvenzverwalter insoweit nicht tätig wird. Entscheidend ist, dass die Beteiligung an der Personengesellschaft im [X.]punkt der Insolvenzeröffnung noch Teil der Insolvenzmasse ist und das anschließend angefallene [X.] in die Insolvenzmasse fällt (BFH-Urteil in [X.], 317, Rz 29).

Gleiches gilt für die Erbschaftsteuer, die deshalb entsteht, weil der Insolvenzschuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Erbe wird. Entscheidend ist auch in diesem Zusammenhang, dass der Nachlass in die Insolvenzmasse fällt. Unerheblich ist, dass dies ebenso wie die Entstehung der Steuer ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters geschieht und nach § 83 Abs. 1 Satz 1 [X.] die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft nur dem Insolvenzschuldner, nicht aber dem Insolvenzverwalter zusteht.

Die Erbschaftsteuer beruht nicht auf der Annahme der Erbschaft durch den Insolvenzschuldner, sondern entsteht [X.] nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 des [X.] (ErbStG) i.V.m. § 1922 [X.], und zwar bereits im [X.]punkt des Todes des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).

e) Die Rechtsauffassung des [X.], wonach die [X.] und die Eigengläubiger des Erben ([X.]) aus der um den Nachlass erweiterten Insolvenzmasse zu befriedigen sind (vgl. [X.] in [X.], 352, unter [X.]a), steht der Annahme, dass die Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit gegen den Insolvenzverwalter geltend zu machen ist, nicht entgegen. Der [X.] hat nicht entschieden, dass die [X.] stets nur wie Insolvenzgläubiger zu befriedigen sind. Dies war auch nicht erforderlich, weil der Erbfall dort bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten war.

3. Da das [X.] von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid vom 10. Juli 2014 ist rechtmäßig. Darin hat das [X.] die Erbschaftsteuer zutreffend als Masseverbindlichkeit gegen den Kläger als Insolvenzverwalter festgesetzt. Die Rechtmäßigkeit dieses Bescheids wird nicht dadurch berührt, dass das [X.] --vorsichtshalber aber unzutreffend-- die Erbschaftsteuer zugleich als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle angemeldet hat. Auf die Beantwortung der Frage, ob der Kläger bereits in seiner Anfechtungsmöglichkeit nach § 351 Abs. 1 [X.] beschränkt gewesen ist, kommt es danach nicht an.

Die Erbschaftsteuer ist auch der Höhe nach zutreffend festgesetzt worden. Insbesondere kann der Kläger --wie er selbst einräumt-- keine Einwendungen gegen die Höhe des gesondert festgestellten [X.] erheben. Der Grundbesitzwert wurde gegenüber der amtlich bestellten Nachlasspflegerin als gesetzlicher Vertreterin der zunächst unbekannten Erben wirksam festgestellt (vgl. [X.] vom 21. Dezember 2004 II B 110/04, [X.] 2005, 704). Dem steht nicht entgegen, dass über das Vermögen des [X.] zu diesem [X.]punkt bereits das Insolvenzverfahren eröffnet war. Da die Erbenstellung des Insolvenzschuldners seinerzeit noch nicht feststand, konnte der Feststellungsbescheid nur gegenüber der Nachlasspflegerin ergehen. Dem Insolvenzverfahren kam insoweit noch keine Bedeutung zu.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.