Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.07.2019, Az. 5 StR 130/19

5. Strafsenat | REWIS RS 2019, 5380

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Gegenstand

Einziehung: Aus der Tat erlangter Vermögenswert; mehrere Tatbeteiligte; spätere Aufgabe der Mitverfügungsgewalt


Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 19. November 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) in den Strafaussprüchen für die Taten des schweren Bandendiebstahls gemäß II.1 bis 14 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafausspruch und

b) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in 14 Fällen, davon in 13 Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es 5.000 Euro als „Wertersatz“ eingezogen. Die gegen die Einziehungsentscheidung gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, führt jedoch zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) auch zu der aus dem Tenor ersichtlichen Aufhebung des Strafausspruchs.

2

1. Das [X.] hat festgestellt:

3

Der Angeklagte war zu den [X.] Mitglied einer international organisierten [X.] Bande, die in [X.] hochwertige Kraftwagen entwendete und nach [X.] verbrachte. Gemäß der [X.] reisten jeweils mindestens zwei Bandenmitglieder in der Nacht nach [X.] ein und suchten in nicht weit von der Autobahn entfernten „guten“ Wohngegenden nach wertvollen Kraftfahrzeugen, die frei auf nicht umzäunten Hausgrundstücken standen und über das „[X.]“ verfügten. Ein Bandenmitglied scannte mit einem Funkstreckenverlängerer die Hauswand, um das Signal eines im [X.] aufzunehmen und zu „verlängern“. Währenddessen stand ein anderes Bandenmitglied an der Tür des ins Auge gefassten [X.], um das Signal mit einem technischen Gerät „aufzufangen“, damit die Tür zu öffnen und den Motor zu starten. Ein als Fahrer fungierendes Bandenmitglied steuerte das Auto mit Hilfe eines voreingestellten mobilen Navigationsgeräts vom Tatort zur Verwertung in [X.].

4

In 13 der verfahrensgegenständlichen 14 Taten des schweren Bandendiebstahls war dem nicht über eine Fahrerlaubnis verfügenden Angeklagten zumindest die Funktion des Fahrers zugewiesen. Im Zeitraum vom 15. Juni bis 20. November 2017 verbrachte er elf Kraftwagen im Wert zwischen 21.632 Euro und 150.000 Euro nach [X.], von denen jedoch einer aus ungeklärten Gründen vor der Übergabe verbrannte. In den weiteren Fällen erlitt er mit einem [X.] (Zeitwert etwa 75.000 Euro) kurz vor der [X.] Grenze einen Unfall, bei dem das Auto liegenblieb, bzw. ließ er einen gestohlenen [X.] (Wert 80.000 Euro) auf seiner Flucht vor der Polizei in [X.] zurück.

5

In den zehn Fällen erfolgreicher Übergabe in [X.] erhielt der Angeklagte als Entlohnung einen „Anteil an der Beute“ von jeweils 500 Euro, mithin insgesamt 5.000 Euro.

6

2. Das [X.] hat die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe des „[X.]“ des Angeklagten von 5.000 € angeordnet. Nur insoweit habe der Angeklagte „etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB erlangt. Hingegen scheide eine Einziehung des Wertes der entwendeten Kraftwagen aus. Zwar habe er Mitverfügungsgewalt über die Fahrzeuge gehabt. Jedoch habe sich diese auf die vorgegebenen Strecken bis zum Übergabeort beschränkt. Dieser kurzzeitige und vorübergehende Zustand genüge nicht, um einen „Vermögenszufluss“ beim Angeklagten annehmen zu können.

7

3. Die Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

8

a) Gemäß ständiger Rechtsprechung des [X.] ist ein Vermögenswert im Rechtssinne aus der Tat erlangt, wenn er dem Beteiligten in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann (vgl. [X.], Urteile vom 30. Mai 2008 – 1 [X.], [X.]St 52, 227, 246; vom 28. Oktober 2010 – 4 [X.], [X.]St 56, 39, 45 f.; vom 24. Mai 2018 – 5 [X.] und 624/17, jeweils mwN). Bei mehreren Beteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Das ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf diesen nehmen können (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juli 2018 – 5 StR 645/17, NStZ-RR 2018, 278, 279 mwN). Eine spätere Aufgabe der Mitverfügungsgewalt ist unerheblich (vgl. [X.] Urteil vom 2. Juli 2015 – 3 [X.], [X.], 310, 311).

9

b) Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte die Kraftwagen im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB durch die jeweiligen Taten erlangt. Er hatte während der Überführungsfahrten die faktische Herrschaft über und damit ungehinderten Zugriff auf die Fahrzeuge. Angesichts der alleine vom Angeklagten durchgeführten Transporte, der Fahrstrecken von oftmals mehreren hundert Kilometern und der daraus resultierenden langen Fahrzeiten waren ihm diese Autos auch nicht nur kurzfristig und „transitorisch“ überlassen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. August 2018 – 2 [X.], [X.], 20, 21).

c) Da die für die Einziehungsentscheidung relevanten Fahrzeugwerte bislang nicht durch eine Beweiswürdigung belegt sind (vgl. unten 4.a), hebt der [X.] die entsprechenden Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO).

d) Für die neue Hauptverhandlung weist der [X.] darauf hin, dass bei Einziehung der jeweiligen Fahrzeugwerte die an den Angeklagten ausgekehrten [X.] aus der [X.] nicht zusätzlich eingezogen werden dürfen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. August 2018 − 2 [X.], aaO).

4. Die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene Beschränkung des Rechtsmittels auf die Einziehungsentscheidung ist unwirksam. Denn zwischen dieser und dem nicht rechtsfehlerfrei getroffenen Strafausspruch besteht ein untrennbarer Zusammenhang.

a) Das [X.] hat die Bemessung der für die Taten des schweren Bandendiebstahls verhängten Strafen wesentlich am Wert der entwendeten Kraftwagen ausgerichtet ([X.]). Den Urteilsgründen lässt sich jedoch nicht entnehmen, auf welche Weise es den insoweit maßgebenden Zeitwert ermittelt hat und ob – wofür etwa die vielfach in [X.] aufgeführten Werte sprechen könnten – etwa die jeweiligen Kaufpreise übernommen wurden. Auch zum Alter und zum Zustand der Autos verhält sich das Urteil nicht. Der [X.] kann daher nicht ausschließen, dass das [X.] zu hohe Kraftfahrzeugwerte zugrunde gelegt und in der Folge zu hohe Strafen verhängt hat.

b) Es würde den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Feststellungen verletzen, wenn womöglich für die Strafbemessung andere Kraftfahrzeugwerte angesetzt würden als für die Einziehung. Die für die genannten Taten verhängten Strafen sowie die Gesamtstrafe waren deshalb mit den zugehörigen Feststellungen zugunsten des Angeklagten auch (vgl. den [X.]sbeschluss vom heutigen Tage in dieser Sache) auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufzuheben (§ 301 StPO).

[X.]     

      

König     

      

[X.]

      

[X.]     

      

Köhler     

      

Meta

5 StR 130/19

17.07.2019

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 17. Juli 2019, Az: 5 StR 130/19, Beschluss

§ 73 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.07.2019, Az. 5 StR 130/19 (REWIS RS 2019, 5380)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5380


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 5 StR 130/19

Bundesgerichtshof, 5 StR 130/19, 17.07.2019.


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