Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 31.07.2013, Az. 4 B 8/13

4. Senat | REWIS RS 2013, 3751

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Gegenstand

Stundenhotel mit in Stundenblöcken gestaffelter Nutzungsdauer in einem allgemeinen Wohngebiet


Gründe

1

Die [X.]eschwerde ist nicht begründet. Aus dem [X.]eschwerdevorbringen lassen sich keine Gründe entnehmen, die gemäß § 132 Abs. 2 VwGO zur Zulassung der Revision führen.

2

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung gemäß § 132 Abs. 2 [X.] VwGO, die ihr die Klägerin beimisst.

3

1.1 Die Frage,

ob ein sog. Stundenhotel in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet allgemein bauplanungsrechtlich zulässig ist,

rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, denn sie lässt sich ohne Weiteres auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts und der Rechtsprechung des [X.] verneinen. Nach § 4 Abs. 2 [X.] sind in allgemeinen Wohngebieten Wohngebäude ([X.]), die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und [X.] sowie nicht störenden Handwerksbetriebe (Nr. 2) und Anlagen für kirchliche, kulturelle, [X.], gesundheitliche und sportliche Zwecke (Nr. 3) allgemein zulässig. Eine gewerbliche Zimmervermietung in Form eines Stundenhotels fällt unzweifelhaft nicht hierunter, insbesondere handelt es sich um keine Wohnnutzung, weil diese u.a. durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises geprägt ist ([X.]eschluss vom 25. März 1996 - [X.]VerwG 4 [X.] 302.95 - [X.] 406.12 § 3 [X.] [X.]2 = [X.] 1996, 228 = [X.] 1996, 676), an der es bei einem Stundenhotel offensichtlich fehlt.

4

1.2 Auch die weiteren Fragen,

ob es sich bei einem Stundenhotel um einen [X.]etrieb des [X.], der § 4 Abs. 3 [X.] [X.] unterfällt, handelt und

ob ein [X.]eherbergungsbetrieb nur dann vorliegt, wenn mindestens einzelne Übernachtungen gebucht werden können und der [X.]etrieb primär auf die [X.]ereitstellung von Übernachtungsmöglichkeiten ausgerichtet ist,

führen nicht zur Zulassung der Revision.

5

Der [X.]egriff "[X.]etrieb des [X.]", der u.a. in § 4 Abs. 3 [X.] [X.] verwendet wird, ist in der [X.] nicht näher umschrieben (Urteil vom 29. April 1992 - [X.]VerwG 4 [X.] 43.89 - [X.]VerwGE 90, 140). Entwickelt worden ist die [X.]egriffsbestimmung aus der Abgrenzung zur Wohnnutzung und zu anderen planungsrechtlichen Nutzungsformen wie beispielsweise die Heimunterbringung ([X.]eschluss vom 25. März 2004 - [X.]VerwG 4 [X.] 15.04 - [X.]). Danach ist für einen [X.]eherbergungsbetrieb kennzeichnend, dass Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können ([X.]eschluss vom 8. Mai 1989 - [X.]VerwG 4 [X.] 78.89 - [X.] 406.11 § 31 [X.][X.]auG/[X.]auG[X.] Nr. 27). Typisches Erscheinungsbild eines [X.]eherbergungsbetriebs ist der Pensions- und Hotelbetrieb. Ungeachtet der möglichen Variationsbreite solcher [X.]etriebe etwa im Hinblick auf den Nutzungszeitraum zeichnet sich ein [X.]eherbergungsbetrieb durch die Überlassung von Übernachtungsmöglichkeiten aus (Urteil vom 29. April 1992 a.a.[X.]). Eine gewerbliche Zimmervermietung, die nicht auf eine Nutzung der Räumlichkeiten zum Zwecke der Übernachtung angelegt ist, erfüllt nicht die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen des [X.]eherbergungsbegriffs.

6

1.3 Die Frage, ob es sich bei einer gewerblichen Zimmervermietung in Form eines Stundenhotels um einen in einem (faktischen) allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 [X.] ausnahmsweise zulässigen sonstigen nicht störenden Gewerbebetrieb handelt, lässt sich ebenfalls - soweit sie grundsätzlicher Klärung zugänglich ist - auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats ohne Weiteres beantworten.

7

Die den [X.]augebieten der §§ 2 bis 9 [X.] allgemein (regelhaft) zugewiesenen Nutzungsarten sind ebenso wie die Vorhaben, die ausnahmsweise zugelassen werden können, unzulässig, wenn sie den jeweiligen Gebietscharakter gefährden und deshalb gebietsunverträglich sind. Das ist der Fall, wenn das Vorhaben - im vorliegenden Fall bezogen auf den Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebiets - aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt (Urteil vom 21. März 2002 - [X.]VerwG 4 [X.] 1.02 - [X.]VerwGE 116, 155 <157 ff.>; [X.]eschluss vom 28. Februar 2008 - [X.]VerwG 4 [X.] 60.07 - [X.] 406.12 § 4 [X.] [X.]9). Relevant für die [X.]eurteilung der Gebietsunverträglichkeit sind alle mit der Zulassung des [X.]etriebes nach seinem Gegenstand, seiner Struktur und Arbeitsweise typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung wie insbesondere die Art und Weise der [X.]etriebsvorgänge, der Umfang, die Häufigkeit und die Zeitpunkte dieser Vorgänge, der damit verbundene An- und Abfahrtsverkehr sowie der Einzugsbereich des [X.]etriebes.

8

Ein Stundenhotel, das - wie hier - nach dem [X.]etriebskonzept durchgängig Tag und Nacht mit zeitlich in [X.] gestaffelter Nutzungsdauer zur Verfügung steht, verträgt sich nicht mit der Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets. Das allgemeine Wohngebiet dient gemäß § 4 Abs. 1 [X.] vorwiegend dem Wohnen. Das prägt seinen Gebietscharakter (Urteil vom 1. November 1974 - [X.]VerwG 4 [X.] 38.71 - [X.]VerwGE 47, 144 <150>). Atypisch sind Nutzungen, die den Gebietscharakter einer solchen "kollektiven Wohngemeinschaft" stören (Urteil vom 21. März 2002 a.a.[X.] <160>). Ein Stundenhotel der geplanten Art stört in einem Wohngebiet. Der häufig wechselnde Publikumsverkehr führt zu einer [X.]eeinträchtigung der [X.], die das allgemeine Wohngebiet prägt. Dabei erscheint es fernliegend und wird auch von der Klägerin nicht geltend gemacht, dass die [X.]esucher der Einrichtung aus der unmittelbaren, fußläufig erreichbaren Umgebung stammen. Eine solche Einrichtung lässt vielmehr [X.]esucher aus einem großen, möglicherweise übergemeindlichen Einzugsbereich erwarten. Damit verbunden ist ein verstärkter Zu- und Abgangsverkehr mit Kraftfahrzeugen. Die im allgemeinen Wohngebiet - unter den Voraussetzungen des § 13 [X.] - zulässige [X.]erufsausübung der freiberuflich Tätigen kann zwar ebenfalls mit einem erheblichen Zu- und Abgangsverkehr verbunden sein ([X.]eschluss vom 9. Oktober 1990 - [X.]VerwG 4 [X.] 121.90 - [X.] 406.12 § 4 [X.] Nr. 5). Dieser Verkehr findet aber in der Regel nur tagsüber statt. Im vorliegenden Fall beschränkt sich die durch das Vorhaben ausgelöste erhöhte Verkehrsbelastung dagegen nicht auf die allgemein üblichen Geschäftszeiten. Dabei ist unerheblich, wie häufig ein Wechsel der [X.]elegung in den in besonderer Weise auf das Ruhebedürfnis der [X.]ewohner ausgerichteten Abend- und Nachstunden stattfindet. Entscheidend ist, dass angesichts des grundsätzlich möglichen dreistündlichen Wechsels ein Tag- und Nachtbetrieb mit hoher [X.]esucherfrequenz eingerichtet wird. Erweist sich das Vorhaben danach bereits aufgrund des vorhabenbedingten Verkehrsaufkommens als gebietsunverträglich, bedarf es mangels Entscheidungserheblichkeit keiner Vertiefung der Grundsatzrügen, mit denen sich die Klägerin gegen die Annahme des [X.] wendet, das Vorhaben habe negative "milieubedingten" Auswirkungen und sei deswegen gebietsunverträglich. Das gleiche gilt für die weiter von der Klägerin für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob ein Stundenhotel in der vorliegenden Form einen sonstigen nichtstörenden Gewerbebetrieb im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 [X.] darstellt.

9

2. Die Divergenzrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genügt nicht den [X.] gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Klägerin zeigt keinen Rechtssatzwiderspruch auf, insbesondere enthält das in [X.]ezug genommene Urteil des Senats vom 29. April 1992 (a.a.[X.]) keine Aussage zur Frage der Übernachtungsmöglichkeit als Tatbestandsmerkmal eines [X.]eherbergungsbetriebs. Die Klägerin macht lediglich geltend, das Oberverwaltungsgericht habe den [X.]egriff "zum vorübergehenden Aufenthalt" zu eng ausgelegt.

3. Die Verfahrensrügen gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO haben ebenfalls keinen Erfolg.

3.1 Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe keine Aufklärung betrieben, sondern lediglich eine überwiegende Nutzung [X.] durch Prostituierte unterstellt, scheitert an der mangelnden Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Das Oberverwaltungsgericht hat die mangelnde Gebietsverträglichkeit selbständig tragend ("auch deshalb") mit dem erhöhten Kraftfahrzeugaufkommen begründet.

3.2 Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe überraschend aus dem Zuschlag ab 21 Uhr auf eine erhöhte Frequentierung in den späten Abendstunden geschlossen, genügt ebenfalls nicht, um einen Verfahrensfehler darzulegen.

Die richterliche Hinweispflicht konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und zielt damit auch auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen ([X.]eschluss vom 4. Juli 2007 - [X.]VerwG 7 [X.] 18.07 - juris Rn. 5; Urteil vom 11. November 1970 - [X.]VerwG 6 [X.] 49.68 - [X.]VerwGE 36, 264 <266 f.>). Auch darf ein Gericht Umstände, auf deren Vorliegen es nach seiner Rechtsauffassung für die Entscheidung ankommt, nicht ungeprüft behaupten ([X.]eschluss vom 14. Juni 2011 - [X.]VerwG 8 [X.] 74.10 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 61 Rn. 5). Im [X.]erufungsverfahren besteht eine Hinweispflicht insbesondere dann, wenn Gesichtspunkte den Ausschlag geben, die weder im Verwaltungsverfahren noch im ersten Rechtszug erörtert worden sind ([X.]eschluss vom 29. Februar 2000 - [X.]VerwG 4 [X.] 13.00 - [X.] 310 § 104 VwGO Nr. 29).

Das Oberverwaltungsgericht musste keine mündliche Verhandlung anberaumen, um Gelegenheit zur Erörterung zu geben, sondern durfte auf der Grundlage der von den [X.]eteiligten abgegebenen Erklärungen, dass auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werde, im Wege schriftlicher Entscheidung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO entscheiden. Das Urteil stellt keine Überraschungsentscheidung dar. Die Frage der [X.]elegung war weder überraschend noch löste sie eine besondere Hinweispflicht aus. Die Klägerin zeigt nicht auf, dass es sich bei dem Zuschlag um einen aus Sicht des [X.] entscheidungserheblichen Gesichtspunkt handelt. Das Oberverwaltungsgericht hat den Zuschlag lediglich als einen Anhaltspunkt im Hinblick auf den Zeitpunkt der [X.]elegung [X.] (ab 21 Uhr) herangezogen. Entscheidend war für das Gericht "vor allem", dass bei der hier maßgeblichen typisierenden [X.]etrachtungsweise - schon aufgrund der allgemeinen Umstände wie beispielsweise die [X.]erufstätigkeit am Tage - Stundenhotels regelmäßig in den Abend- und Nachtstunden verstärkt frequentiert werden. Dass der [X.]etrieb der Klägerin [X.]esonderheiten aufweist, die dieser Annahme entgegenstehen, trägt die Klägerin nicht vor. Auch hat sie darauf verzichtet zu erläutern, aus welchen Gründen sie sich gehindert gesehen hat, schriftsätzliche Angaben zur (durchschnittlichen) [X.]elegung des Stundenhotels zu machen. Nach der Entscheidung des [X.] konnte die Klägerin auch ohne Hinweis erkennen, dass - unabhängig von der Frage der Nutzung durch Prostituierte - die Frage der Störung der Wohnnutzung durch die überwiegend von außerhalb des Gebiets anreisenden Nutzer und den dadurch verursachten An- und Abfahrtsverkehr zu beantworten war.

Meta

4 B 8/13

31.07.2013

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 29. Oktober 2012, Az: 2 A 619/12, Urteil

§ 4 Abs 1 BauNVO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 31.07.2013, Az. 4 B 8/13 (REWIS RS 2013, 3751)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3751

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