Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.01.2020, Az. X ZR 65/18

10. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1186

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Gegenstand

Europäisches Patent: Vorteilhafte Dosierung nach Dosis-Wirkungs-Beziehungs-Studie als naheliegender Stad der Technik


Leitsatz

Tadalafil

Hatte der Fachmann am Prioritätstag Anlass, zu irgendeinem, gegebenenfalls auch späteren Zeitpunkt vollständige Studien zur Dosis-Wirkungs-Beziehung eines bestimmten Wirkstoffs anzustellen, ist eine Dosierung, die sich aufgrund einer solchen Studie als vorteilhaft erweist, durch den Stand der Technik nahegelegt.

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 3. Senats ([X.]) des [X.] vom 24. Oktober 2017 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des unter Inanspruchnahme der Priorität einer [X.] Anmeldung vom 30. April 1999 am 26. April 2000 angemeldeten und mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1 173 181 ([X.]), das einen Inhibitor von cyclischer Guanosin-3‘,5‘-monophosphat-spezifischer Phosphodiesterase Typ 5 (PDE5-Inhibitor) und seine Verwendung in einer pharmazeutischen Einheitsdosisform betrifft.

2

Patentanspruch 1, auf den die Patentansprüche 2 bis 9 zurückbezogen sind, und Patentanspruch 10, auf den die Patentansprüche 11 bis 17 zurückbezogen sind, haben nach Durchführung eines Beschränkungsverfahrens vor dem [X.] in der [X.] folgende Fassung erhalten [Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind hervorgehoben]:

"1. A pharmaceutical unit dosage composition comprising 1 to 20 5 mg of a compound having the structural formula:

Abbildung

said unit dosage form suitable for oral administration up to a maximum total dose of 20 5 mg per day.

13 10. Use of a unit dose containing 1 to 20 5 mg of a compound having the structure

Abbildung

for the manufacture of a medicament for administration up to a maximum total dose of 20 5 mg of said compound per day in a method of treating sexual dysfunction in a patient in need thereof."

3

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand des [X.] sei nicht patentfähig. Zudem sehen sie die [X.] hinsichtlich der Behandlung einer Störung der sexuellen Erregung bei Frauen als nicht ausführbar an. Die Klägerin zu 1 hat darüber hinaus angeführt, der Gegenstand des [X.] gehe über den Inhalt der [X.] hinaus und dessen Schutzbereich sei erweitert worden. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und mit vier Hilfsanträgen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.

4

Mit ihrer Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent zuletzt in erster Linie in der Fassung des erstinstanzlichen [X.] (zweitinstanzlicher Hauptantrag) sowie hilfsweise mit dem erstinstanzlichen Hauptantrag (zweitinstanzlicher Hilfsantrag I), mit den Patentansprüchen 3 und 7 und den darauf bezogenen Unteransprüchen in der Fassung des zweitinstanzlichen Hauptantrags (zweitinstanzliche Hilfsanträge I a und [X.]) sowie den erstinstanzlichen Hilfsanträgen 3 und 4 (zweitinstanzliche [X.] und [X.]). Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

6

I. Das Streitpatent betrifft einen Inhibitor für [X.] Guanosin-3‘,5‘-monophosphat-spezifische Phosphodiesterase Typ 5 (PDE5) und seine Verwendung in einer pharmazeutischen Einheitsdosisform.

7

1. Nach den Ausführungen in der [X.] können [X.] aufgrund ihrer biochemischen, physiologischen und klinischen Wirkungen zur Behandlung von [X.] eingesetzt werden, bei denen die Modulation der Glattmuskel-, Nieren-, Hämostase-, entzündlichen oder endokrinen Funktion erwünscht sei. Aufgrund seines Vorkommens im [X.] und im [X.] sei PDE5 ein attraktives Ziel (Target) bei der Behandlung sexueller Dysfunktion (Abs. 3).

8

Ein bekannter PDE5-Inhibitor sei der Wirkstoff Sildenafil, der in Tablettenform mit Dosiseinheiten von 25, 50 und 100 mg unter dem Handelsnamen Viagra vertrieben werde. Dessen IC50 (Konzentration, bei der in vitro eine Hemmung von 50 % der vorhandenen [X.] beobachtet wird, vgl. Abs. 18) werde in [X.] mit 3 oder 3,9 [X.] angegeben (Abs. 4).

9

Sildenafil habe jedoch einen relativen Mangel an Selektivität für PDE5, worauf Beeinträchtigungen des [X.] zurückzuführen seien. Zudem könne es zu [X.] kommen. Bei Patienten mit solchen Beeinträchtigungen sei die Verwendung von Sildenafil beschränkt. Bei Patienten, die organische Nitrate nähmen, sei sie sogar streng kontraindiziert. Ungeachtet der Verfügbarkeit von Sildenafil bestehe daher ein Bedürfnis, verbesserte pharmazeutische Produkte zu finden, die zur Behandlung sexueller Dysfunktion nützlich seien (Abs. 5 und 6).

In der US-Patentschrift 5 859 006 ([X.]) seien bestimmte tetra[X.] Derivate offenbart, die potente Inhibitoren von PDE oder PDE5 seien. Die IC50 dieser Verbindungen liege im Bereich von 1[X.] bis 10 µM. Die Einheitsdosisformen enthielten 0,2 bis 400 mg aktive Verbindung. Signifikante Nebenwirkungen seien nicht offenbart. Die internationale Anmeldung WO 97/03675 ([X.] [[X.]/[X.]]) offenbare die Verwendung tetra[X.]r Derivate bei der Behandlung von Impotenz (Abs. 7).

2. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem, einen weiteren PDE5-Inhibitor zur wirksamen Behandlung sexueller Dysfunktion zur Verfügung zu stellen, der möglichst geringe Nebenwirkungen hat.

Nach der Rechtsprechung des [X.]s haben Vorteile, die sich erst durch die Erfindung als erreichbar herausgestellt haben, bei der Bestimmung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems ebenso außer Betracht zu bleiben wie Elemente, die zur technischen Lösung gehören ([X.], Urteil vom 11. November 2014 - [X.], [X.], 356 Rn. 9 - [X.]). Das der Erfindung zugrundeliegende technische Problem ist vielmehr so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich die Frage, welche Anregungen der Fachmann durch den Stand der Technik erhielt, allein bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit stellt ([X.], Urteil vom 13. Januar 2015 - [X.], [X.], 352 Rn. 17 - Quetiapin).

Von daher liegt das der Erfindung des Streitpatents zugrundeliegende Problem entgegen der Ansicht der [X.]n nicht darin, einen Wirkstoff für die Behandlung sexueller Dysfunktion bereitzustellen, der wie Sildenafil oral wirksam ist, jedoch nicht dessen störende Nebenwirkungen hat, da damit Vorteile der patentgemäßen Lösung berücksichtigt werden.

Aber auch dem Patentgericht, das das der Erfindung zugrundeliegende Problem in der Bereitstellung von Dosierungen von [X.] für eine effektive Therapie bei sexueller Dysfunktion gesehen hat, kann nicht beigetreten werden, da die Wahl von [X.] ebenfalls bereits ein Element der technischen Lösung ist und daher bei der Aufgabenstellung außer Betracht bleiben muss.

3. Das technische Problem soll nach Patentanspruch 1 in der Fassung des zuletzt gestellten [X.] durch eine pharmazeutische Einheitsdosiszusammensetzung erreicht werden, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Änderungen gegenüber Fassung nach dem Beschränkungsverfahren vor dem [X.] sind hervorgehoben):

1. Pharmazeutische Einheitsdosiszusammensetzung

(Pharmaceutical unit dosage composition),

2. die eine Verbindung umfasst mit der Strukturformel

(comprising a compound having the structural formula),

Abbildung

3. die 1 bis 5 mg dieser Verbindung umfasst

(comprising 1 to 5 mg of this compound),

4. wobei die Einheitsdosisform geeignet ist zur täglichen oralen Verabreichung

(said unit dosage form suitable for daily oral administration)

5. von bis zu einer maximalen Gesamtdosis von 5 mg pro Tag

(up to a maximum total dose of 5 mg per day).

4. Wie das Patentgericht von den Parteien unbeanstandet und zutreffend entschieden hat, handelt es sich bei dem Fachmann um ein Team, dem ein Pharmakologe, ein Mediziner mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Therapie sexueller Funktionsstörungen und ein pharmazeutischer Technologe angehören.

5. Aus Sicht eines solchen Fachmanns wird durch Patentanspruch 1 in der Fassung des zuletzt gestellten [X.] eine pharmazeutische Einheitsdosiszusammensetzung, die 1 bis 5 mg [X.] umfasst, zur täglichen oralen Verabreichung von bis zu einer maximalen Gesamtdosis von 5 mg pro Tag geschützt.

Dabei ist mit dem Patentgericht die tägliche orale Verabreichung von einer Verabreichung bei Bedarf ("on demand") zu unterscheiden.

Während die Dosierung bei Bedarf in der Beschreibung als intermittierende Verabreichung der Verbindung (I) vor erwarteter sexueller Aktivität definiert wird (Abs. 74), ist unter einer täglichen oralen Verabreichung eine von erwarteter sexueller Aktivität unabhängig erfolgende orale Verabreichung in [X.] zu verstehen.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Ob der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des erstinstanzlichen [X.] unzulässig erweitert sei, ob die Beschränkung im Verfahren vor dem [X.] zu einer unzulässigen Erweiterung des Schutzbereichs geführt habe und ob die Erfindung so offenbart sei, dass der Fachmann sie ausführen könne, bedürfe keiner Entscheidung. Der geschützte Gegenstand beruhe jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

[X.]/[X.] und die Anmeldung [X.]/19978 ([X.]) beträfen eine [X.] umfassende pharmazeutische Zusammensetzung zur Behandlung sexueller Dysfunktion, die oral in Form von Tabletten oder Kapseln mit einem Wirkstoffgehalt von 0,2 bis 400 mg für eine tägliche Maximaldosis von 0,5 bis 800 mg verabreicht werde. Diese breiten Dosisbereiche ließen erkennen, dass sie das Ergebnis von Sicherheits- und [X.] seien, die typischerweise im Rahmen der Untersuchungen zur Pharmakodynamik während der klinischen Prüfungen der [X.] durchgeführt würden. Die therapeutisch wirksame tägliche orale Maximaldosis von [X.] sowie Angaben zur Dosierung in der Zusammensetzung seien diesen Entgegenhaltungen daher nicht zu entnehmen. Angesichts dessen werde der Fachmann gezielte Dosisfindungsstudien durchführen. Er werde versuchen, die angestrebte Wirkung zu erreichen und Nebenwirkungen möglichst zu vermeiden. Dabei sei es fachüblich, mit sehr niedrig gewählten Anfangsdosen zu beginnen und bei Verträglichkeit die Dosis zu steigern.

Bezogen auf [X.] werde sich der Fachmann ausgehend von [X.]/[X.] auch an Sildenafil orientieren. Aus der Veröffentlichung von [X.] et al ([X.], 1997, 80, Suppl. 2, Abstract 356, Tabelle [[X.]]) seien klinische Tests mit Sildenafil bekannt gewesen, die bereits bei einer täglichen oralen Dosierung von 5 mg eine gute Wirkung gezeigt hätten. Danach stelle das Auffinden einer täglichen maximalen Gesamtdosis von 5 mg [X.] eine dem Aufgabenbereich des Fachmanns zuzurechnende, übliche Maßnahme dar.

Für den Fachmann habe auch eine angemessene Erfolgserwartung hinsichtlich der streitpatentgemäßen Dosierung bestanden. Der Umstand, dass für Sildenafil bereits eine gute Wirkung bei einer Dosierung von 5 mg beschrieben worden sei, habe den Fachmann dazu motiviert, Dosierungen in diesem Bereich zu berücksichtigen. Darin sei er durch den [X.]-Wert bestärkt worden, der ein wichtiger Hinweis auf die Wirksamkeit eines Wirkstoffs sei und bei Sildenafil um mindestens 33 % über dem von [X.] liege.

Zwar sei der IC50-Wert bei [X.] nur in vitro gemessen worden. Dennoch handle es sich dabei um einen in der Fachwelt anerkannten Wert zur Beurteilung der therapeutischen Wirksamkeit. Zudem sei es bekannt gewesen, dass die PDE5-Hemmung die biochemische Grundlage für die therapeutische Behandlung von sexueller Dysfunktion darstelle.

In [X.]/[X.] seien demgegenüber zwar nur Beispiele mit 50 mg [X.] offenbart. Das habe aber aus fachlicher Sicht nicht dagegen gesprochen, niedrigere Konzentrationen zu berücksichtigen. Bei den Beispielen handle es sich lediglich um prinzipielle [X.] und nicht um das Ergebnis von Dosisfindungsversuchen, die erst Gegenstand der klinischen Prüfung in [X.]I seien. Zudem nähmen die Beispiele nicht für sich in Anspruch, eine besonders geeignete Dosierung für den Wirkstoff anzugeben.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des erstinstanzlichen [X.] gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus. Dort sei die tägliche Verabreichung von [X.] allein in den Beispielen 5 und 6 erwähnt. Diese beträfen lediglich eine Dosis von 10 mg und 5 bis 20 mg. Die tägliche Verabreichung einer Dosis von 1 bis 5 mg werde demgegenüber nicht offenbart. Soweit in Beispiel 7 eine Dosis von 2 mg [X.] beschrieben sei, erfolge diese nur bei Bedarf, also in Erwartung einer sexuellen Aktivität.

[X.]. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Berufung jedenfalls im Ergebnis stand.

1. Entgegen der von Klägerseite geäußerten Auffassung fehlt es für die zuletzt angegebene Reihenfolge der Anträge, mit denen die [X.] das Streitpatent verteidigt, nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Die Änderung der [X.] ist auch nicht wegen Verspätung unzulässig.

a) Im Patentnichtigkeitsverfahren steht es dem [X.]n grundsätzlich frei, das Patent in geänderter Fassung zu verteidigen.

Unter dem Gesichtspunkt des [X.] obliegt es hierbei grundsätzlich der Entscheidung der [X.]n, welche Änderungen sie vornehmen will und in welcher Reihenfolge sie mehrere Hilfsanträge stellen will. Im Allgemeinen wird sie zwar an einem möglichst weiten Gegenstand interessiert sein. Je nach der Konstellation des Einzelfalls mag aus ihrer Sicht aber eine engere Fassung attraktiver sein, deren Zulässigkeit aber nicht sicher ist. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, wenn die [X.] in erster Linie eine engere und nur hilfsweise eine im Vergleich dazu weitere Fassung verteidigt.

b) § 117 [X.] und § 531 Abs. 2 ZPO stehen der Umstellung der [X.] schon deshalb nicht entgegen, weil die [X.] alle zweitinstanzlich gestellten Anträge bereits in erster Instanz gestellt und das Patentgericht die Klage abgewiesen hat.

Das Patentgericht hat über alle erstinstanzlich gestellten Anträge entschieden. Angesichts dessen stellen diese Anträge in zweiter Instanz auch dann keine neuen Verteidigungsmittel dar, wenn sie in geänderter Reihenfolge gestellt werden.

2. Ob der mit dem zweitinstanzlichen Hauptantrag verteidigte Gegenstand über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgeht, wie vom Patentgericht im Hinblick auf den Gegenstand des erstinstanzlichen [X.] entschieden, bedarf ebenso wenig einer Entscheidung wie die Frage, ob darin eine unzulässige Schutzbereichserweiterung liegt.

3. Der mit dem zweitinstanzlichen Hauptantrag verteidigte Gegenstand beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist damit nicht patentfähig.

a) Für den Fachmann, der mit der Aufgabe befasst war, einen weiteren PDE5-Inhibitor zur wirksamen Behandlung sexueller Dysfunktion mit möglichst geringen Nebenwirkungen zur Verfügung zu stellen, war [X.]/[X.] als Ausgangspunkt seiner Überlegungen von großem Interesse, da sich diese mit der Verwendung tetra[X.]r Derivate als selektive Inhibitoren von PDE bzw. PDE5 zur Behandlung erektiler Dysfunktion befasst.

aa) [X.] schlägt insoweit eine Vielzahl von Verbindungen vor, wobei jedoch zwei spezifische Verbindungen ([X.]) als besonders geeignet hervorgehoben werden ([X.]/[X.] S. 5 [X.] 23 ff.). Allein diese beiden Verbindungen sind auch Gegenstand der Ausführungsbeispiele und des Anspruchs 2 der Entgegenhaltung. Eine davon (Compound A) ist [X.] (6R,12aR)-2,3,6,7,12,12a-Hexahydro-2-methyl-6-(3,4-methylendioxyphenyl)-pyrazino[2',1':6,1]pyrido[3,4-b]indol-1,4-dion).

Vor diesem Hintergrund hatte der Fachmann Anlass, [X.] als mögliche Alternative zu Sildenafil für die Behandlung sexueller Dysfunktion in Erwägung zu ziehen.

bb) Dass [X.]/[X.] keine Präferenz für eine der beiden als besonders geeignet hervorgehobenen Verbindungen erkennen lässt, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Angesichts der begrenzten Anzahl der damit aufgezeigten Möglichkeiten hatte der Fachmann einen Grund, beide einer näheren Betrachtung zu unterziehen.

Dies gilt selbst dann, wenn es Anhaltspunkte dafür gegeben haben sollte, die in [X.]/[X.] offenbarte Verbindung B als erste heranzuziehen. Kommen für den Fachmann mehrere Alternativen in Betracht, können mehrere von ihnen naheliegend sein. Hierbei ist unerheblich, welche dieser Lösungsalternativen der Fachmann als erste in Betracht gezogen hätte ([X.], Urteil vom 16. Februar 2016 - [X.], [X.], 1023 Rn. 36 - Anrufroutingverfahren; Urteil vom 16. September 2019 - [X.], BeckRS 2019, 27168 Rn. 44 - Kathetervorrichtung).

b) Entgegen der Auffassung der Berufung bestand für den Fachmann auf Grundlage der [X.]/[X.] hinreichende Erfolgsaussicht, klinische Studien mit [X.] durchzuführen.

aa) Dabei kann dahinstehen, ob der in [X.]/[X.] für die orale Verabreichung von [X.] angegebene breite [X.] von 0,5 bis 800 mg ([X.]/[X.] S. 5 Abs. 1) die vom Patentgericht gezogene Schlussfolgerung zulässt, dass diese Angaben auf Sicherheits- und [X.] beruhen, wie sie typischerweise während der klinischen Prüfungen der [X.] erfolgen. Selbst wenn dies zu verneinen wäre, wurde der Fachmann durch die [X.]/[X.] jedenfalls dazu angeregt, [X.] zunächst für klinische Studien dieser Phase in Betracht zu ziehen, in der regelmäßig vor allem die Sicherheit und Verträglichkeit des Medikaments untersucht werden. Die positiven Ergebnisse einer solchen Studie gaben ihm anschließend Anlass für klinische Studien der [X.] und [X.], in denen regelmäßig auch die Wirksamkeit und die [X.] getestet werden (vgl. Jaehde, u.a., Lehrbuch der Klinischen Pharmazie, 1988 [X.]4 ff. [[X.] und [X.]a]; [X.]/[X.], Einführung in die Arzneimitteltherapie, 2. Aufl., 1985 [X.]42 f. [[X.]]; Leitlinie für die klinische Prüfung der [X.] ([X.]) von 1997 "[X.] - E8", unter 3.1.3 [HLNK18]).

bb) Die für die Durchführung klinischer Studien der [X.] erforderliche angemessene Erfolgserwartung (vgl. dazu allgemein [X.], Urteil vom 16. April 2019 - [X.], [X.], 1032 - Fulvestrant) ergab sich zum einen aus dem für [X.] durch in-vitro-Versuche nachgewiesenen IC50-Wert von 2 [X.] ([X.]/[X.] S. 17 [X.] 5 ff., Tabelle 1).

In der [X.]/[X.] wird ausdrücklich ausgeführt, dass dieser Wert die Erwartung begründet, dass [X.] als PDE5-Inhibitor effektiv zur Behandlung erektiler Dysfunktion geeignet sein könnte ([X.]/[X.] S. 17 [X.] 25 ff.: "[X.] demonstrates the ability of the subject compounds of the invention to inhibit cGMP PDE, and hence their utility in the treatment of erectile dysfunction substantially as hereinbefore described.").

Das gilt erst Recht vor dem Hintergrund, dass der IC50-Wert für Sildenafil als einzigem bis dahin bekannten PDE5-Inhibitor mit 3,9 +/- 0,9 [X.] bzw. 3,0 bis 3,6 [X.] angegeben wurde ([X.] et al., Sildenafil: An orally active type 5 cyclic [X.], [X.] 1996, 47, 50, [X.]alte, Tabelle 2: "0,0039 µM" = 3,9 [X.] [[X.]]; [X.] et al., Sildenafil (Viagra50 ([X.]), PDE5 … 3,6 [platelet] - 3,0 [corpus cavernosum]" [[X.]]), und damit mindestens 33 % über dem IC50-Wert von [X.] liegt.

Der sich daraus ergebenden Erfolgserwartung steht nicht entgegen, dass der in der [X.]/[X.] angegebene IC50-Wert auf in-vitro-Versuchen beruht. Es ist zwar grundsätzlich nicht auszuschließen, dass spätere in-vivo-Untersuchungen andere IC50-Werte ergeben (vgl. die sachverständigen Äußerungen im [X.] vor dem High Court of Justice of England and Wales: Dr. [X.] B. Saoud vom 16. Mai 2016 Rn. 4.1.2 [[X.]]; [X.] vom 14. April 2017 Rn. 5.28 [[X.]]. Die Frage, ob sich solche Abweichungen ergeben, kann aber nur nach Durchführung von in-vivo-Untersuchungen beantwortet werden. Für die Auswahl von dafür geeigneten Kandidaten bilden die Ergebnisse von in-vitro-Untersuchungen einen geeigneten Anhaltspunkt. Von daher kommt es auch nicht darauf an, dass die in der [X.]/[X.] angegebenen, auf in-vitro-Versuchen beruhenden [X.]-Werte für [X.] nicht unter identischen analytischen Bedingungen gemessen wurden wie die auf in-vivo-Untersuchungen zurückzuführenden IC50-Werte für Sildenafil (vgl. [X.], [X.], selectivity and consequences of nonselectivity of PDE inhibition, [X.] 2004, 11, [X.]., letzter Abs., letzter vollständiger Satz [HLNK55]).

cc) Zur angemessenen Erfolgserwartung trug weiterhin bei, dass in der [X.]/[X.] auf die hohe Selektivität der darin offenbarten Verbindungen - und damit auch von [X.] - für [X.] hingewiesen wird, wie sich aus [X.] ergeben habe ([X.]/[X.], [X.], [X.] 24 übergehend auf S. 17 [X.] 1f.).

dd) Dies wurde, wie das Patentgericht zu Recht ausgeführt hat, durch den Umstand verstärkt, dass [X.]/[X.] für den Fachmann bereits verschiedene [X.] bereithielt, also bereits konkrete Wege zur möglichen Verabreichung aufzeigte.

ee) Zur angemessenen Erfolgserwartung trug schließlich auch der erhebliche finanzielle Erfolg von Sildenafil bei (vgl. [X.], [X.], Health Affairs 2000, 147, 148 [[X.]]), der es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten als sehr attraktiv erscheinen ließ, einen weiteren PDE5-Inhibitor mit möglichst verbesserten Eigenschaften zur Verfügung zu stellen.

c) Nach Durchführung von klinischen Prüfungen zur Verträglichkeit von [X.] in [X.] der klinischen Prüfungen musste sich der Fachmann mit der Konzeptionierung der klinischen Prüfungen zur Wirksamkeit und [X.]en in [X.][X.]efassen. Entgegen der Auffassung der Berufung hatte der Fachmann ausgehend von [X.]/[X.] insoweit Anlass, neben der oralen Verabreichung nach Bedarf ("on demand") auch die bedarfsunabhängige tägliche orale Verabreichung von [X.] in Betracht zu ziehen.

aa) Die [X.] weist zwar zutreffend darauf hin, dass Sildenafil als seinerzeit einzig verfügbarer PDE5-Inhibitor in den klinischen Prüfungen der [X.]I allein nach Bedarf verabreicht wurde ([X.], Abs. 1; NIK9, [X.] et al., Oral Sildenafil in the Treatment of Erectile Dysfunction, [X.] 1998, 1397, [X.], Abs. 1: "[X.]"; [X.], 47, 49, [X.], letzter Abs.). Entgegen der [X.]n führte dies den Fachmann aber nicht dazu, auch bei [X.] für die klinischen Prüfungen der [X.]I allein eine bedarfsabhängige Verabreichung in Erwägung zu ziehen.

Denn dem Fachmann war zugleich bekannt, dass die bedarfsabhängige Verabreichung ihren Grund darin hat, dass Sildenafil nicht nur sehr schnell vom menschlichen Organismus aufgenommen wird und seine höchste Konzentration im Plasma etwa eine Stunde nach der Verabreichung erreicht, sondern auch darin, dass die Halbwertzeit nur bei 3 bis 5 Stunden liegt ([X.], 47, 50, Abs. 3).

Bestimmte der Fachmann vor diesem Hintergrund zu Beginn der [X.]I routinemäßig die Halbwertzeit von [X.], stellte er fest, dass diese bei ca. 17,5 Stunden liegt und damit die Wirkung von [X.] wesentlich länger beim Patienten andauert als die von Sildenafil (vgl. [X.], [X.] in [2017] [X.] 1955 Rn. 289 (Pat) - [X.] [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], [X.]. in [2017] [X.] 1671 Rn. 113 - [X.] [X.]/[X.]; sachverständige Stellungnahme [X.] vom 9. Januar 2020, [X.] letzter Abs. [[X.]]). Das gab dem Fachmann Anlass, neben einer oralen Verabreichung nach Bedarf in den klinischen Untersuchungen der [X.]I (ggfls. unter Berücksichtigung von Schlafzeiten) auch die bedarfsunabhängige tägliche orale Verabreichung von [X.] in Betracht zu ziehen.

bb) In diesem Ansatz wurde er dadurch bestärkt, dass der aus der [X.]/[X.] bekannte niedrige IC50-Wert von [X.], den der Fachmann ggfls. noch einmal durch eigene in-vitro-Untersuchungen vor Durchführung der vergleichsweise aufwändigen klinischen Untersuchungen in [X.]I überprüft hätte (vgl. [X.], [X.] und [X.], [X.]., a.a.[X.]), es als möglich erscheinen ließ, dass bei einer bedarfsunabhängigen Verabreichung auch eine niedrige Dosierung von [X.] bei geringen Nebenwirkungen noch hinreichend wirksam ist.

cc) Gegen die Einbeziehung auch der bedarfsunabhängigen Verabreichung von [X.] sprach nicht entscheidend, dass die klinischen Untersuchungen der [X.]I dadurch umfangreicher und damit auch kostenintensiver wurden. Dem stand auf der anderen Seite die hinsichtlich der vorgenannten Gesichtspunkten begründete Aussicht auf einen PDE5-Inhibitor als Alternative zu dem wirtschaftlich sehr erfolgreichen Sildenafil entgegen.

d) Ausgehend von [X.]/[X.] war der Fachmann zudem veranlasst, in den durchzuführenden klinischen Untersuchungen auch die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer bedarfsunabhängigen täglichen oralen Verabreichung von [X.] in einer Dosierung von 5 mg zu testen, womit für ihn der Gegenstand von Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag naheliegend war.

aa) Ein Grund zur Durchführung solcher klinischer Untersuchungen ergab sich allerdings noch nicht aus dem in [X.]/[X.] als allgemein in Betracht kommend offenbarten [X.] von 0,5 bis 800 mg.

Wie bereits das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, ist dieser [X.] so weit, dass er aus fachlicher Sicht kein therapeutisch wirksames [X.] beschreiben kann. Diese Beurteilung deckt sich mit derjenigen der Sachverständigen [X.] und [X.] in dem Verfahren vor dem High Court of England and Wales ([X.] Rn. 10.2 und [X.] Rn. 4.2). Sie steht ferner in Einklang mit den weiteren Ausführungen in [X.]/[X.], wonach in der Praxis der Arzt das tatsächliche [X.] entsprechend dem Alter, dem Gewicht und der Reaktion des individuellen Patienten bestimmen werde ([X.]/[X.] S. 5 Abs. 1).

bb) Für den Fachmann ergab sich aus der [X.]/[X.] andererseits auch nicht die Anregung, sich allein an dem in Zusammenhang mit allen [X.]n genannten Wert von 50 mg zu orientieren.

Wie bereits das Patentgericht ausgeführt hat, handelt es sich insoweit lediglich um Beispiele dafür, wie der Wirkstoff [X.] prinzipiell formuliert werden kann. Demgegenüber deutet nichts darauf hin, dass der angegebene Wert bereits das Ergebnis von Dosisfindungsversuchen mit mehreren unterschiedlichen Dosierungen ist, wie sie in [X.]I üblicherweise stattfinden.

Gerade weil keine konkreten Angaben über Unterschiede zwischen verschiedenen Dosierungen verfügbar waren, hatte der Fachmann Anlass, die für [X.]I und in modifizierter Form auch für [X.]II typischen Studien zu [X.] und Nebenwirkungs-Beziehungen durchzuführen.

cc) Ob der Fachmann hierbei, wie das Patentgericht ausgeführt hat, Anlass hatte, auf [X.] zurückzugreifen, die bei klinischen Untersuchungen von Sildenafil zur Anwendung gekommen waren, kann dahingestellt bleiben.

Gegen die Auswahl der Dosierungen von 5, 25, 50 und 100 mg, wie sie in der in [X.] offenbarten frühen klinischen Studie zu Sildenafil genannt werden ([X.], Abstract 356; vgl. auch die Auswahl der Dosierungen von 10, 25 und 50 mg in einer weiteren frühen Studie in [X.], [X.], unter "Clinical efficacy" und Figur 4), könnte sprechen, dass Sildenafil in späteren klinischen Studien nur noch in den drei höheren Dosierungen untersucht wurde und mit diesen höheren Dosierungen eine deutlich höhere Wirksamkeit einherging ([X.] et al., Oral Sildenafil in the Treatment of Erectile Dysfunction, [X.] 1998, 1397, 1399 [X.] unter "[X.]" und Tabelle 2; sachverständige Stellungnahme Prof. [X.], [X.], 4. und 5.). Der in in-vitro-Versuchen ermittelte höhere IC50-Wert von [X.] begründete zwar eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass dieser Wirkstoff auch in geringerer Dosierung das angestrebte Maß an Wirkung zeigt. Dennoch ergab sich daraus nicht ohne weiteres, dass die Abweichung von dem für Sildenafil festgestellten IC50-Wert von rund 33 % hinreichenden Anlass dazu gab, die niedrigste Dosierung für [X.] um 80 % niedriger anzusetzen als die in den späteren Versuchen herangezogenen niedrigste Dosierung von Sildenafil.

dd) Anlass, eine Dosierung von 5 mg in Betracht zu ziehen, ergab sich für den Fachmann jedoch jedenfalls aus dem Umstand, dass [X.] bei täglicher Verabreichung ein [X.] ausweist, das mindestens bis zu einem Bereich von 10 mg reicht (ebenso: [X.], [X.], aaO Rn. 343 iv; [X.], [X.]., aaO Rn. 140 f., [X.], [X.]., aaO Rn. 169 f.; [X.] in [X.] Supreme Court ([2019] [X.]SC 15 Rn. 84 ff. - [X.] [X.] v ICOS Corporation [HLNK41 = NIK10]).

(1) Wird unter Berücksichtigung auch der [X.] in den späteren klinischen Studien zu Sildenafil (NIK9, 1397 [X.]; 199 [X.], Tabelle 1) davon ausgegangen, dass der Fachmann zur Ermittlung des [X.] von [X.] eine erste klinische Untersuchung in [X.]I mit Dosierungen von 25, 50 und 100 mg des Wirkstoffs durchgeführt hätte oder damit jedenfalls in einer zweiten klinischen Untersuchung fortgefahren wäre, hätte sich daraus die Erkenntnis ergeben, dass ein Wirkplateau im Bereich zwischen 25 und 100 mg besteht und zwar unabhängig davon, ob die Verabreichung nach Bedarf oder bedarfsunabhängig erfolgt war.

(2) Dies hätte den Fachmann nach guter fachlicher Übung dazu veranlasst, in weiteren klinischen Untersuchungen herauszufinden, wo der Beginn des [X.] und damit ein günstiges Verhältnis zwischen der verabreichten Menge an [X.] und seiner Wirkung als PDE5-Inhibitor unter Berücksichtigung von unerwünschten Nebenwirkungen liegt.

Nach den [X.]-Richtlinie [X.] ist die Bewertung der [X.] nicht nur ein integraler Bestandteil der Arzneimittelwirkung. Vielmehr wird auch empfohlen, weitere Studien durchzuführen, um die niedrigste wirksame Dosierung zu ermitteln ([X.] Harmonised [X.] "Dose-Response Information to Support Drug Registration - [X.]", S. 3 Abs. 4 unter "[X.] an Integral Part of Drug Development"; S. 4, Abs. 3 unter "[X.]"; S. 6, Abs. 6 [HLNK19]). Entsprechend führt der Sachverständige der [X.]n Prof. F.  aus, dass die vollständige Charakterisierung der [X.]en und die Ermittlung der minimalen wirksamen Dosis oft sinnvolle Bestandteile des erforderlichen klinischen Prüfprogramms zur Erlangung der Arzneimittelzulassung seien ([X.], S. 3 Abs. 4 unter Zusammenfassende Schlussfolgerung).

(3) Es mag zwar sein, dass der Fachmann nach den klinischen Untersuchungen zu 25, 50 und 100 mg zunächst lediglich eine weitere Dosierung von 10 mg [X.] in die weiteren Untersuchungen einbezogen und sich daraus für ihn ergeben hätte, dass bei Verabreichung von [X.] nach Bedarf ein erheblicher Wirkungsabfall zwischen Dosierungen von 10 und 25 mg besteht. Insoweit wird auf ein Diagramm in der Replik der [X.]n verwiesen, in dem der Verlauf der Wirkungskurven in Abhängigkeit der Dosierungen basierend auf entsprechenden Angaben in der [X.] (Abs. 81 f.) wiedergegeben wird (Replik, S. 37).

Es bedarf auch keiner abschließenden Entscheidung, ob der Fachmann ungeachtet dieses [X.] (etwa sahen bei der [X.] 3 von den Patienten, die Dosierungen von 25 mg [X.] genommen hatten, noch 83,7 % die Penetrationsfähigkeit als fast immer oder immer für gegeben an, während dies bei den Patienten, die Dosierungen von 10 mg genommen hatten, nur noch bei 48,8 % der Fall war, vgl. [X.] Rn. 81) die absoluten Wirkungswerte bei den Patienten, die nur 10 mg [X.] genommen hatten, als immer noch interessant angesehen hat und bereits deshalb motiviert war, die klinischen Untersuchungen auch mit einer Verabreichung nach Bedarf von 5 mg des Wirkstoffs fortzusetzen, wie von den Klägerinnen geltend gemacht wird.

Denn unabhängig von der Beantwortung dieser Frage hätte der genannte Wirkungsabfall bei Verabreichung von [X.] nach Bedarf den Fachmann jedenfalls nicht von weiteren Untersuchungen zur [X.] bei bedarfsunabhängiger Verabreichung von [X.] von weniger als 10 mg abgehalten. Denn zumindest bei dieser Art der Verabreichung ist ein Wirkungsabfall zwischen Dosierungen von 10 und 25 mg nicht festzustellen (vgl. gutachterliche Stellungnahme Prof. Dr. Porst, [X.], Abs. 6 [[X.]]), weshalb der Fachmann - den Empfehlungen der [X.]-Richtlinie [X.] folgend - weiterhin gehalten war, [X.] bei bedarfsunabhängiger Verabreichung in einer Dosierung von 5 mg zu testen, um die untere Grenze des [X.]s zu ermitteln.

(4) Für die Entscheidung des Streitfalls ist es nicht erheblich, ob die vollständige Charakterisierung der [X.]en zwingend bereits im klinischen Prüfprogramm zur Erlangung der Arzneimittelzulassung geboten war (verneinend insoweit Prof. [X.], [X.], S. 3 Abs. 4) oder ob der Fachmann angesichts des großen wirtschaftlichen Anreizes Anlass hatte, solche Studien erst nach Markteinführung durchzuführen (vgl. die sachverständige Äußerung von Dr. [X.] B. Saoud vom 16. Mai 2016 Rn. 3.19; [X.] Harmonised [X.] "[X.] - E8" Rn. 3.1.3.2 Abs. 3 [HLNK18]).

Selbst wenn letzteres zu bejahen wäre, kommt es für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit allein darauf an, ob es für den Fachmann bereits am [X.] einen Anlass gab, zu irgendeinem, gegebenenfalls auch späteren Zeitpunkt vollständige Studien zu [X.] anzustellen. Ein solcher folgt im Streitfall, wie ausgeführt, aus dem Umstand, dass solche Studien - gegebenenfalls auch erst nach Markteinführung - entsprechend den Empfehlungen der [X.]-Richtlinie [X.] guter Übung entsprechen.

(5) Dass eine Wirksamkeit mit geringeren Nebenwirkungen als Sildenafil schon bei einer täglichen oralen Verabreichung von 5 mg für den Fachmann möglicherweise überraschend war, führt, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, vor dem aufgezeigten Hintergrund ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist eine technische Lehre, die eine von einem bestimmten Ausgangspunkt aus eher nicht zu erwartende Wirkung zeitigt, dem Fachmann dennoch nahegelegt, wenn sie sich aus einer anderen Perspektive als naheliegende Lösung ergibt. Die überraschende Wirkung ist in solchen Konstellationen als bloßer Bonuseffekt anzusehen, der nicht zur Bejahung der erfinderischen Tätigkeit führen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa [X.], Urteil vom 15. April 2010 - [X.], [X.], 607 Rn. 80 - Fettsäurezusammensetzung; Urteil vom 17. September 2019 - [X.] Rn. 68 - Dexmedetomidin).

Von daher kommt es auch nicht darauf an, ob die tägliche bedarfsunabhängige orale Verabreichung von [X.] in einer geringen Dosierung von 5 mg aus ärztlicher Sicht einen erheblichen Wechsel ("einen klaren Paradigmenwechsel") im Vergleich zu der seinerzeit etablierten [X.] mit Sildenafil in höheren Dosierungen von 25, 50 oder 100 mg darstellte (vgl. sachverständige Stellungnahme Prof. [X.] vom 5. November 2019, [X.], Abs. 2 [HLNK42]).

Zu einer insoweit im Wesentlichen gleichen Beurteilung sind der [X.] und der [X.] Supreme Court ([X.] Rn. 84 ff.; [X.], [X.]. Rn. 146 ff.; [X.], [X.]. Rn. 169 ff.; [X.], [X.]. Rn. 180) sowie der [X.] [X.] gekommen (Urteil vom 27. August 2019 - 200.244.921/01 Rn. 4.16 f. [NiK11]).

Den abweichenden Auffassungen des [X.] Marktgerichts (Urteil vom 15. Juni 2018 - [X.]-17 [HLNK53]), des [X.] See- und Handelsgerichts (Urteil vom 25. März 2019 - 131/19 [[X.]]) und des Präsidenten des [X.] Amts für gewerblichen Rechtsschutz (Beschluss vom 26. Juli 2018 - PV 2001-3879 [[X.]]) vermag der [X.] nicht beizutreten. In diesen Entscheidungen wird die erfinderische Tätigkeit im Wesentlichen mit der Erwägung bejaht, für den Fachmann habe sich nicht die Erwartung ergeben, dass [X.] bereits bei einer Dosierung von 5 mg die in Rede stehenden günstigen Eigenschaften aufweist. Dieser Gesichtspunkt ist aus den oben genannten Gründen für die rechtliche Bewertung gerade nicht ausschlaggebend.

e) Die mit Patentanspruch 10 geschützte Verwendung einer Einheitsdosis mit 1 bis 5 mg [X.] war für den Fachmann aus den genannten Gründen ebenfalls naheliegend. Dies gilt unabhängig davon, ob sich für Sildenafil allein eine bedarfsorientierte Verabreichung anbot.

f) Ein eigenständiger erfinderischer Gehalt der auf die Ansprüche 1 und 10 zurückbezogenen Patentansprüche ist, mit Ausnahme der Patentansprüche 3 und 7, auf die nachfolgend noch gesondert eingegangen wird, weder geltend gemacht worden, noch sonst ersichtlich.

4. Der mit Hilfsantrag I verteidigte Gegenstand ist weiter als der mit dem Hauptantrag verteidigte und deshalb erst recht nicht patentfähig.

5. Soweit die [X.]n weiterhin hilfsweise die Patentansprüche 3 und 7 in der Fassung des [X.] ([X.] und [X.]) verteidigt, fehlt es ebenfalls an der Patentfähigkeit.

a) Patentanspruch 3 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 in der Fassung des [X.] dadurch, dass dieser ausschließlich 5 mg der Verbindung in Einheitsdosisform umfasst. Wie sich aus den Ausführungen zum Hauptantrag ergibt, erschloss sich dem Fachmann auch ein derart beschränkter Gegenstand in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

b) Gleiches gilt im Hinblick auf Patentanspruch 7, der gegenüber Patentanspruch 1 in der Fassung des [X.] das weitere Merkmal aufweist, dass die Dosisform zur Verwendung beim Behandeln einer sexuellen Dysfunktion dient. Eine solche Verwendung wurde dem Fachmann in der [X.]/[X.] offenbart.

6. Der mit [X.] verteidigte Gegenstand ergab sich für den Fachmann ebenfalls in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

a) Er unterscheidet sich von Hilfsantrag I dadurch, dass Merkmal 4 wie folgt geändert wird und Merkmal 6 hinzutritt:

4. Die Einheitsdosisform ist geeignet zur oralen Verabreichung (said unit dosage form is suitable for oral administration).

6. zur Verwendung bei der Behandlung sexueller Dysfunktion (for use in treating a sexual dysfunction).

b) Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, führt die Weglassung der Formulierung "die Einheitsform ist geeignet" in Merkmal 4 nicht zu einer relevanten Änderung des Gegenstands. Merkmal 6 ist aus [X.]/[X.] bekannt, so dass der mit Hilfsantrag I[X.]eanspruchte Gegenstand aus den im Zusammenhang mit dem Hauptantrag genannten Gründen ebenfalls nahegelegt war.

7. Auch die Beurteilung des mit Hilfsantrag [X.] verteidigten Gegenstands führt zum gleichen Ergebnis.

a) Er unterscheidet sich von [X.] dadurch, dass Merkmal 4 wie folgt lautet:

4. zur täglichen oralen Verabreichung
   for daily oral administration.

b) Das damit zusätzlich vorgesehene Merkmal der täglichen Verabreichung war dem Fachmann aus den bereits im Zusammenhang mit dem Hauptantrag dargelegten Gründen nahegelegt.

IV. [X.] beruht auf § 121 Abs. 2 [X.] sowie § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Grabinski     

      

Deichfuß

      

Rombach     

      

Rensen     

      

Meta

X ZR 65/18

21.01.2020

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 24. Oktober 2017, Az: 3 Ni 22/15

Art 56 EuPatÜbk

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.01.2020, Az. X ZR 65/18 (REWIS RS 2020, 1186)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 681-682 REWIS RS 2020, 1186

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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