Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.05.2017, Az. XII ZB 337/15

12. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10401

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AUSLÄNDISCHES RECHT AMTSERMITTLUNG FREIBEWEIS REVISION

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Gegenstand

Personenstandsverfahren: Ermittlung ausländischen Rechts durch den Tatrichter; Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht


Leitsatz

Der deutsche Tatrichter hat ausländisches Recht (hier: ecuadorianisches Recht in Bezug auf den Ehenamen) im Wege des Freibeweises zu ermitteln. In welcher Weise er sich die notwendigen Kenntnisse verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Das Rechtsbeschwerdegericht überprüft insoweit nur, ob der Tatrichter sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere die sich anbietenden Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hinreichend ausgeschöpft hat (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 26. April 2017, XII ZB 177/16 und BGH Beschluss vom 4. Juli 2013, V ZB 197/12, NJW 2013, 3656).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 9. Juli 2015 wird auf Kosten der Antragsteller zurückgewiesen.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die Antragsteller (Beteiligte zu 1 und 2) schlossen im Januar 2014 die Ehe. Die Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) ist [X.] Staatsangehörige, der Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) besitzt die [X.] und die [X.] Staatsangehörigkeit.

2

Die Ehegatten hatten bei Eheschließung zunächst auf Anraten der Standesbeamtin von einer Erklärung zur Namensführung in der Ehe abgesehen. Nunmehr begehren sie, dass die Ehefrau ihrem Geburtsnamen ([X.]) verbunden mit der Präposition "de" den Nachnamen des Ehemanns (M.) nach [X.]m Recht anfügen könne, und die Anweisung an das Standesamt (Beteiligter zu 4), eine entsprechende Erklärung entgegenzunehmen.

3

Das Amtsgericht hat das Standesamt antragsgemäß angewiesen, die von den Ehegatten gewünschte Namensführung der Ehefrau entgegenzunehmen. Das Beschwerdegericht hat auf die Beschwerde der Standesamtsaufsicht (Beteiligte zu 3) den Antrag der Ehegatten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der sie die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses erreichen wollen.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

5

1. Nach Auffassung des [X.] konnte der empfangszuständige Standesbeamte die Beurkundung der Erklärung zur Namensführung ablehnen, weil die gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten die geltend gemachte Rechtsfolge nicht zuließen. Die Erklärung enthalte zunächst schlüssig die Wahl des [X.]n Rechts. Diese sei hier zulässig und habe grundsätzlich beurkundet werden können und müssen. Die Rechtswahl habe jedoch nur dem erklärten Ziel gedient, dass die Ehefrau den gewünschten Familiennamen "[X.] de M." bilden könne. Die Erklärung sei mithin dahin auszulegen, dass das [X.] Recht nur für den Fall gewählt werden solle, dass es den Erwerb des Namens "[X.] de M." zulasse. Diese Bedingung sei indessen nicht erfüllt.

6

Die gewünschte Namensführung stelle nach [X.]m Recht keinen Namen dar, den die Ehefrau rechtlich erwerben könne. Die in Art. 82 des [X.]n Gesetzes über Zivilregister, Identifikation und Registrierung vom 21. April 1976 ([X.]) geregelte Möglichkeit, dass die verheiratete Frau ihrem Familiennamen jenen ihres Ehemanns unter Vorschaltung der Präposition "de" beifügen könne, stelle keine Änderung des Familiennamens, sondern eine bloße Gebrauchsbefugnis dar. Das ergebe eine Auslegung des ausländischen Gesetzes auf der Grundlage der Auskünfte der Botschaft von [X.] und stimme mit zahlreichen Rechtsordnungen des [X.] Rechtskreises, [X.] und [X.] überein, die zwischen dem rechtlichen Namen, der in ein Register eingetragen werde, und einem Gebrauchsnamen, der im gesellschaftlichen Bereich geführt werden könne, unterschieden. Der Gebrauchsname sei typisch für Rechtsordnungen mit rechtlich getrennter Namensführung der Ehegatten. Die eheliche Verbundenheit werde dadurch dokumentiert, dass ein Ehegatte den Namen des anderen im Alltag gebrauche.

7

Dass es sich bei der Namensführung nach Art. 82 [X.] nicht um einen materiellrechtlichen Namenserwerb, sondern um die Befugnis zum Gebrauch eines fremden Namens handele, ergebe sich auch aus der Regelung in Art. 77 [X.], nach der Vor- und Familienname nach der Geburtsurkunde einer Person feststünden und bei öffentlichen und privaten Urkunden von rechtlicher Bedeutung gebraucht werden müssten. Die Geburtsurkunde werde nach einer Heirat weder geändert noch durch eine andere für die Namensführung maßgebliche Urkunde ersetzt. Nach Auskunft der Botschaft [X.]s habe eine Frau, die sich für die Führung eines solchen zusammengesetzten Namens entscheide, auch keinen Anspruch auf Ausstellung von Ausweispapieren auf diesen Namen. Das sei ein hinreichendes Indiz dafür, dass der (zusammengesetzte) Name, mit dem man sich nicht legitimieren könne, der Ehefrau nicht materiellrechtlich als eigener zustehen solle.

8

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

9

a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass das Standesamt die Entgegennahme einer Namenserklärung nach § 41 PStG ablehnen muss, die materiellrechtlich nicht zulässig und daher unwirksam ist (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Juli 2016 - [X.] - FamRZ 2016, 1761 zur Ausstellung einer Bescheinigung über Erklärungen zur Namensführung nach § 46 Nr. 1 PStV).

b) Nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB können Ehegatten bei oder nach der Eheschließung gegenüber dem Standesamt ihren künftig zu führenden Namen nach dem Recht eines Staates wählen, dem einer der Ehegatten angehört. Das [X.] Ehenamensstatut steht ihnen aufgrund der entsprechenden Staatsangehörigkeit des Ehemanns offen. Weil die Wahl des [X.] ungeachtet des Art. 5 Abs. 1 EGBGB möglich ist, ist nicht von Bedeutung, dass der Ehemann außerdem die [X.] Staatsangehörigkeit besitzt, selbst wenn es sich dabei um dessen effektive Staatsangehörigkeit handeln sollte.

c) Das Beschwerdegericht hat die Regelungen des [X.]n Gesetzes über Zivilregister, Identifikation und Registrierung vom 21. April 1976 ([X.]) dahin ausgelegt, dass es sich bei der Möglichkeit der Ehefrau, den Namen des Mannes verbunden mit der Präposition "de" ihrem Namen anzufügen, nicht um einen materiellrechtlichen Namenserwerb handelt, der durch die Wahl des [X.]n Rechts begründet werden kann. Es hat die in Art. 82 [X.] der Ehefrau ermöglichte Namensführung lediglich als eine Regelung zum Gebrauchsnamen angesehen, der vom rechtlichen Namen nach [X.]m Recht zu unterscheiden sei. Der rechtliche Name ergebe sich nach Art. 77 [X.] aus der Geburtsurkunde und werde durch die Eheschließung nicht berührt.

Die dagegen von der Rechtsbeschwerde erhobenen [X.] sind unbegründet.

aa) Auf eine Verletzung ausländischen Rechts kann die Rechtsbeschwerde nach dem FamFG nicht gestützt werden. Nur eine unzureichende oder fehlerhafte Ermittlung des ausländischen Rechts kann mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden (vgl. Senatsbeschluss vom 26. April 2017 - [X.] 177/16 - zur [X.] bestimmt; [X.], 14 = NJW 2013, 3656 Rn. 15 ff., 25; vgl. auch Senatsbeschluss [X.], 372 = FamRZ 2015, 479 Rn. 20; [X.], 74).

bb) Der [X.] Tatrichter hat ausländisches Recht im Wege des [X.] zu ermitteln. In welcher Weise er sich die notwendigen Kenntnisse verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Das Rechtsbeschwerdegericht überprüft insoweit nur, ob der Tatrichter sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere die sich anbietenden Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hinreichend ausgeschöpft hat. An die Ermittlungspflicht sind dabei umso höhere Anforderungen zu stellen, je komplexer und je fremder im Vergleich zum [X.]n das anzuwendende Recht ist. Bei Anwendung einer dem [X.]n Recht verwandten Rechtsordnung und bei klaren Rechtsnormen sind die Anforderungen geringer (vgl. Senatsbeschluss vom 26. April 2017 - [X.] 177/16 - zur [X.] bestimmt; [X.] Beschluss vom 4. Juli 2013 - [X.] 197/12 - NJW 2013, 3656 Rn. 14 ff. und Urteil vom 13. Dezember 2005 - [X.] - NJW 2006, 762 Rn. 33 mwN).

cc) Das Beschwerdegericht hat seine Feststellung auf eine von der [X.]n Botschaft erteilte Rechtsauskunft gestützt. Zusätzlich hat es sich auf wissenschaftliche Quellen zu den Eigenheiten von Rechtsordnungen des [X.] Rechtskreises berufen, insbesondere des [X.] Rechts, das mit dem [X.]n Recht Gemeinsamkeiten aufweist. Die - wenn auch kurz gefasste - Auskunft der [X.]n Botschaft als für Personenstandsangelegenheiten zuständiger Stelle ist zum Nachweis des Auslandsrechts besonders geeignet. Der Einholung eines vertiefenden Rechtsgutachtens bedurfte es wegen der überschaubaren und ersichtlich auch nicht außergewöhnlichen Fragestellung nicht. Die Rechtsbeschwerde hat nichts für eine abweichende Rechtspraxis oder dafür vorgebracht, dass es sich um eine umstrittene oder ungeklärte Rechtsfrage handelte. Vielmehr handelt es sich um eine bei jeder Eheschließung nach dem Recht [X.]s potenziell auftretende Frage, die in der dortigen Rechtspraxis offenbar nicht zweifelhaft ist. Die Rechtsbeschwerde beschränkt sich insoweit auf die schon in den Instanzen vorgebrachten Behauptungen, die sich indessen nicht bestätigt haben und dem Beschwerdegericht auch keine Veranlassung für weitere Ermittlungen geben mussten (zu Gebrauchsnamen vgl. auch [X.], 65, 71 f.; [X.] 2010, 259, 260).

d) Da die begehrte Namensführung nach [X.]m Recht nicht zu einer materiellrechtlichen Änderung des Familiennamens führt, ist sie somit weder in ein [X.]s noch in ein [X.]s Personenstandsregister einzutragen.

Dose     

      

[X.]     

      

Günter

      

Guhling     

      

Krüger     

      

Meta

XII ZB 337/15

24.05.2017

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 9. Juli 2015, Az: 1 W 513/15

Art 10 Abs 2 BGBEG, § 293 ZPO, § 26 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.05.2017, Az. XII ZB 337/15 (REWIS RS 2017, 10401)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10401

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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