Bundessozialgericht, Urteil vom 24.07.2012, Az. B 2 U 23/11 R

2. Senat | REWIS RS 2012, 4328

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. Januar 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung, dass sein Bandscheibenvorfall im Bereich L 3/4 seiner Lendenwirbelsäule (LWS) ein weiterer Gesundheitserstschaden seines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 19.12.2006 ist.

2

Der 1958 geborene Kläger leidet etwa seit seinem 20. Lebensjahr an [X.]. Wegen Beschwerden im Bereich der LWS gab er 1992 seine Tätigkeit als Gießereiarbeiter auf. Nach einer Umschulung zum Feinmechaniker nahm er im Jahr 2002 wegen eines chronisch rezidivierenden [X.] und Zervikalsyndroms mit pseudoradikulärer Symptomatik an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme teil. Im [X.] daran wurde er wegen der Wirbelsäulenbeschwerden regelmäßig ambulant behandelt. Bei einer im Februar 2005 durchgeführten Computertomographie der LWS war eine sichere Bandscheibenvorwölbung nicht zu erkennen.

3

Der Kläger war zuletzt in der Qualitätssicherung der [X.] beschäftigt. Am 19.12.2006 rutschte er in der zweiten Schicht mit dem linken Fuß von einer ca 30 bis 40 cm hohen Stufe ab, arbeitete trotz Schmerzen aber zunächst bis zum [X.] weiter. Der an diesem Tag aufgesuchte Durchgangsarzt diagnostizierte eine Distorsion der LWS und des linken Beckens. Bei einer am 22.12.2006 durchgeführten Computertomographie zeigte sich ein frischer lateraler Bandscheibenvorfall im Segment L 3/4 mit einer Kompression der Nervenwurzel. Dieser Bandscheibenvorfall wurde im Januar 2007 mikrochirurgisch beseitigt.

4

Die Beklagte stellte einen Arbeitsunfall vom 19.12.2006 mit den als Unfallfolge bezeichneten Erstschäden "Zerrung der LWS und des linken Beckens" fest. Die Feststellung der "Unfallfolgen" krankhafter Veränderungen der LWS sowie des [X.] lehnte sie hingegen ab. Der Unfall sei nur geeignet gewesen, eine Zerrung zu verursachen. Die weiteren Gesundheitsbeeinträchtigungen seien das Ergebnis eines Verschleißprozesses und nicht traumatisch bedingt (Bescheid vom 19.3.2007; Widerspruchsbescheid vom 21.8.2007).

5

Das [X.] hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 20.8.2009).

6

Das [X.] hat die Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen abgeändert und einen "operierten Bandscheibenvorfall L 3/4 als weitere Unfallfolge" festgestellt (Urteil vom 27.1.2011). Das Begehren sei wegen der Bandscheibenoperation auf die Feststellung des operierten Bandscheibenvorfalls als Unfallfolge gerichtet. Für diesen Bandscheibenvorfall sei das Abrutschen von der Stufe eine naturwissenschaftliche Ursache. Auf eine traumatische Schädigung der Bandscheibe L 3/4 durch das Unfallereignis deuteten wesentliche Indizien hin. Im unmittelbaren [X.] an den Vorfall hätten sich zunehmende Schmerzen in der LWS mit Ausstrahlung und Sensibilitätsstörungen im linken Oberschenkel entwickelt. Der am dritten Tag nach dem Unfallereignis nachgewiesene Bandscheibenvorfall sei als frisch beschrieben worden. Neben diesem zeitlichen Zusammenhang bestehe auch ein örtlicher Zusammenhang des Bandscheibenvorfalls mit dem Abrutschen, denn selbst die Beklagte habe eine Zerrung der LWS festgestellt. Den gegen den naturwissenschaftlichen Zusammenhang sprechenden Umständen komme keine durchgreifende Bedeutung zu. Die beim Kläger gegebenen Bandscheibendegenerationen relativierten grundsätzlich nicht die auf eine akute traumatische Schädigung hinweisenden Zeichen. Das Unfallereignis sei auch geeignet gewesen, den Bandscheibenvorfall hervorzurufen. An der notwendigen Geeignetheit fehle es nur dann, wenn der geschädigte Körperteil überhaupt nicht betroffen gewesen sei. Der Unfall habe aufgrund seiner relevanten biomechanischen Belastung aber zu einer Stauchung der LWS geführt. Des Nachweises von Begleitverletzungen des Bandapparates oder der umgebenden Wirbelkörper bedürfe es nicht, weil ein Bandscheibenvorfall regelmäßig degenerativer Natur sei. Die gegenteilige, ggf den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft wiedergebende Auffassung in [X.]/[X.]/[X.], Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, berücksichtige nicht die zweistufige Kausalitätsprüfung und könne schon aus Rechtsgründen nicht zu Grunde gelegt werden. Abgesehen davon ließen sich minimale Begleitverletzungen nicht immer computertomographisch abbilden. Das Unfallereignis sei nach den gutachtlichen Feststellungen von [X.] auch die rechtlich wesentliche Ursache. Von den fortgeschrittenen Verschleißerscheinungen sei nicht das [X.] 3/4 betroffen gewesen. Die zurückliegenden Rückenbeschwerden hätten vor dem Unfall nicht zu gravierenden sozialmedizinischen Einschränkungen geführt. Ein Bandscheibenvorfall sei bei der im Februar 2005 durchgeführten Computertomographie gerade nicht festgestellt worden. Selbst wenn aber die degenerativen Prozesse als mitursächlich angesehen würden, wäre die Wahrscheinlichkeit eines unfallunabhängigen Bandscheibenvorfalls um ein Vielfaches geringer als ein unfallbedingter Bandscheibenvorfall. Der Kläger habe aufgrund seines Lebensalters 28 Jahre Zeit gehabt, einen symptomatischen Bandscheibenvorfall zu entwickeln. Auch sei das Unfallgeschehen in Kombination mit dem erheblichen Körpergewicht von 100 Kilogramm kein alltägliches Ereignis.

7

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII und einen Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsermittlung. Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Bandscheibenvorfall liege nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor. Ausweislich der bildgebenden Diagnostik fehle es an nach herrschender unfallmedizinischer Lehrmeinung notwendigen Begleitverletzungen der ligamentären oder knöchernen Strukturen. Das [X.] habe sich allein auf die Feststellungen des Sachverständigen [X.] gestützt, ohne sich mit dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand inhaltlich auseinanderzusetzen. Der vom Berufungsgericht aufgestellte Grundsatz, dass es an der Geeignetheit eines Unfallgeschehens nur dann fehle, wenn der geschädigte Körperteil nicht betroffen sei, widerspreche der Rechtsprechung des BSG.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 27. Januar 2011 aufzuheben und die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 20. August 2009 zurückzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet.

1. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des [X.] kann das [X.] nicht abschließend darüber befinden, ob die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, die die Verbandszuständigkeit der Beklagten begründet und eine Einwirkung auf die LWS des [X.] wesentlich mit verursacht hat (dazu unter 3.), dadurch auch eine objektive und zudem rechtlich wesentliche Mitursache des Bandscheibenvorfalls auf der Höhe des [X.] geworden ist. Nur dann wäre dieser ein [X.] des anerkannten Arbeitsunfalls.

Das [X.] hat nicht festgestellt, ob dieser Schaden nach Maßgabe des derzeit anerkannten Standes der medizinischen Wissenschaft durch die verrichtungsbedingte und deshalb versicherte Einwirkung unmittelbar objektiv mit verursacht wurde (dazu unter 4.). Seine Ansicht, dies könne durch "eine wertende Entscheidung", die "ohnehin dem juristischen Betrachter vorbehalten" sei, im Rahmen der rechtlichen "Wesentlichkeitsbeurteilung" ersetzt werden, stimmt nicht mit dem Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache für eine bestimmte Wirkung überein (dazu unter 3. und 5.).

2. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision dagegen, dass das [X.] auf die Berufung des [X.] das die Klage abweisende Urteil des [X.] vom 20.8.2009 aufgehoben, die angefochtenen Bescheide abgeändert und als "weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 19.12.2006" einen "Operierten Bandscheibenvorfall [X.]" festgestellt hat. Der Erfolg ihrer Rechtsmittel hängt davon ab, ob die zulässige Kombination der zulässigen Anfechtungs- mit der zulässigen Feststellungsklage des [X.] begründet ist. Das wäre dann der Fall, wenn die Beklagte durch ihren negativ feststellenden Verwaltungsakt einen Anspruch des [X.] auf die Feststellung eines [X.] als [X.] zu Unrecht abgelehnt hätte. Dann wäre dieser durch Feststellungsurteil als weiterer Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls festzustellen gewesen. Andernfalls hätte ihre Revision durchgreifenden Erfolg.

Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] zwischen den Beteiligten klargestellt werden konnte, richtete sich das Begehren des [X.] von Anfang an nicht auf die Feststellung seines Bandscheibenvorfalls als eine (unmittelbare) Unfallfolge. Ihm kam es vielmehr stets auf die Feststellung dieses Gesundheitsschadens als weiteren Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls an. Eine unmittelbare Unfallfolge kann sich hingegen nur infolge eines [X.]s einstellen, der selbst als Tatbestandsvoraussetzung des Unfallbegriffs iS des § 8 Abs 1 Satz 2 [X.] dem Begriff des Arbeitsunfalls unterfällt. Der Bandscheibenvorfall war zudem ersichtlich keine Wirkung eines bereits anerkannten Erstschadens. Bei sachgerechter Auslegung war auch die angefochtene negative Feststellung der Beklagten auf die Ablehnung der Anerkennung eines Erstschadens gerichtet.

3. Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] ist nicht abschließend beurteilbar, aber möglich, dass dem Kläger der erhobene Feststellungsanspruch gegen die Beklagte zusteht. Jeder Versicherte hat nämlich das Recht, vom zuständigen Unfallversicherungsträger gemäß § 102 [X.] die Feststellung aller Erstschäden ([X.] oder Tod) eines Arbeitsunfalls iS von § 8 Abs 1 [X.] zu verlangen, wenn ein solcher eingetreten ist (vgl [X.] vom [X.] zur Veröffentlichung in [X.]-2700 § 8 [X.] vorgesehen, Juris Rd[X.]5 sowie [X.] [X.] U 17/10 R - [X.]-2700 § 11 [X.] Rd[X.]5 f).

a) Der Anspruch scheitert nicht daran, dass die Beklagte eine insoweit unanfechtbar gewordene Feststellung getroffen hätte, der Kläger habe infolge seiner versicherten Tätigkeit an der Druckgießmaschine einen Arbeitsunfall mit folgenden [X.] erlitten: "Zerrung der Lendenwirbelsäule und des linken Beckens." Denn zugleich hat die Beklagte in diesem Verwaltungsakt ausdrücklich unter Ziffer 3 verfügt, dass krankhafte Veränderungen der LWS sowie der Bandscheibenvorfall in den Segmenten [X.] weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung "Folgen des Arbeitsunfalls" sind.

Werden die Erstschäden anfangs nur unvollständig anerkannt, hat der Versicherte Anspruch auf eine vollständige Feststellung aller objektiv vom Arbeitsunfall umfassten [X.]. Entscheidet der Versicherungsträgerbei seiner Feststellung eines Arbeitsunfalls, wie hier, dass der Versicherte keinen Anspruch auf Feststellung bestimmter weiterer Erstschäden habe, oder stellt er die [X.] ausdrücklich abschließend (positiv oder negativ) fest, ist dagegen der Widerspruch gegeben (nach Fristablauf allein §§ 44 f SGB X). Da hier um einen weiteren, von der Beklagten ausdrücklich abgelehnten [X.] gestritten wird, erfasst die rechtliche Bindungswirkung des den Arbeitsunfall feststellenden Verwaltungsakts den hier rechtshängigen Streitgegenstand nicht.

b) Die Feststellungen des [X.] lassen erkennen, dass der Kläger möglicherweise einen Anspruch auf Feststellung des umstrittenen [X.]s hat. Denn danach hat er eine versicherte Tätigkeit als Beschäftigter verrichtet und infolge dessen ein Unfallereignis erlitten (dazu sogleich).

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 [X.] sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 (oder 8 Abs 2) [X.] begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 Satz 2).

Daher muss eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis, das "infolge", also ua nach dieser Verrichtung eingetreten sein muss, den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Nur dies begründet seine Versichertenstellung in und seinen Versicherungsschutz aus der jeweiligen Versicherung.

Diese (versicherte) Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis), kurz gesagt: eine Einwirkung, objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese (versicherte) Einwirkung muss einen [X.] oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).

Die den Versicherungsschutz in der jeweiligen Versicherung begründende "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" müssen (vom [X.] im Überzeugungsgrad des [X.]) festgestellt sein.

aa) § 8 Abs 1 Satz 1 [X.] setzt voraus, dass der Verletzte eine "den Versicherungsschutz" begründende "Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)" verrichtet hat und dass der Unfall (iS von Satz 2 aaO) "infolge" dieser versicherten Tätigkeit eingetreten ist.

Diese gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen umschreiben den Rechtsgrund, aufgrund dessen der wegen einer Verrichtung einer versicherten Tätigkeit durch den Verletzten verbandszuständige Unfallversicherungsträger überhaupt versicherungsrechtlich für die Schäden, Nachteile und Bedarfe des verunfallten Verletzten einstehen soll. Er soll nur verpflichtet sein, soweit der Versicherungsschutz durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit in der jeweiligen Versicherung begründet ist. Er soll deshalb (grundsätzlich) nur einstehen müssen für Gesundheitsschäden (oder Tod und ggf wirtschaftliche Folgen etc), die "infolge" der versicherten Verrichtung eingetreten sind und ein Risiko realisieren, gegen das die jeweils begründete Versicherung schützen soll. [X.] sind somit auf der ersten Stufe die ([X.]) Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung des Verletzten für den Schaden und auf der darauf aufbauenden zweiten Stufe dessen rechtliche Erfassung vom Schutzzweck der begründeten Versicherung.

bb) Die Zurechnung setzt somit erstens voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten [X.]) objektiv mitverursacht hat. Denn für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Verrichtung keine [X.] war, ist schlechthin kein Versicherungsschutz begründet, hat also der Versicherungsträger nicht einzustehen. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von [X.] beobachtbar ([X.] vom [X.] - [X.] U 14/10 R - [X.]-2700 § 8 [X.] Rd[X.] 22) und (subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist (innere Tatsache). Als (objektives) Handeln des Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über [X.] oder Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder iS von § 11 [X.], der für die zweite Stufe andere Zurechnungsgründe als die "Wesentlichkeit" regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie ua zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zu den Bedarfen reichen, derentwegen das [X.] Leistungsrechte vorsieht.

Erst dann, wenn die "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" festgestellt sind, kann und darf (auf der ersten Stufe der Zurechnung) über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung (objektive Verursachung) zwischen der Verrichtung und der Einwirkung (mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit) entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und ggf mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten [X.]) eine [X.] der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper des Versicherten war.

cc) Zweitens muss der (letztlich) durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll.

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage (so schon [X.] - [X.] U 1/05 R - [X.], 196 = [X.]-2700 § 8 [X.]7), ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, "wesentlich", war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung (etc) muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden.

Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des [X.] nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der [X.] gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl hierzu [X.] vom [X.] - zur Veröffentlichung in [X.]-2700 § 2 [X.] vorgesehen - Rd[X.] ff - Lebendnierenspende).

Bei der folgenden Subsumtion muss vorab entschieden werden, ob die versicherte Verrichtung durch ihren auf der ersten Stufe festgestellten Verursachungsbeitrag überhaupt ein Risiko verwirklicht hat, das in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fällt. Nur wenn dies, wie zumeist, zu bejahen ist, kommt es darauf an, ob ggf konkret festgestellte unversicherte Mitursachen, die selbst die Zurechnung zum Unfallversicherungsträger nie begründen können, gleichwohl die Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten [X.] das gesamte Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass die Wirkung insgesamt trotz des Mitwirkungsanteils der versicherten Verrichtung nicht mehr unter den Schutzbereich der jeweiligen Versicherung fällt. Bei dieser Subsumtion sind alle auf der ersten Stufe im Einzelfall konkret festgestellten versicherten und unversicherten [X.] mit ihren ggf festgestellten Mitwirkungsanteilen in einer rechtlichen Gesamtabwägung nach Maßgabe des jeweilig festgestellten Schutzzwecks des [X.] zu bewerten.

Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als "wesentliche Ursache" (vgl schon [X.] vom [X.], [X.], 930 <[X.] 2585> = [X.] 1912, 212; GS [X.] vom [X.], [X.], 411 <2690>; vgl [X.] vom 29.11.2011 - [X.] U 26/10 R -; [X.] [X.] U 17/10 R - [X.], 274 = [X.]-2700 § 11 [X.]; [X.] vom 17.2.2009 - [X.] U 18/07 R - [X.]-2700 § 8 [X.] 31; [X.] - [X.] U 1/05 R - [X.], 196 = [X.]-2700 § 8 [X.]7; [X.] vom 12.4.2005 - [X.] U 11/04 R - [X.], 262 = [X.]-2700 § 8 [X.]4, Rd[X.]7).

dd) In gleicher Weise muss zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls ggf die versicherte Einwirkung den Erstschaden (ggf den Tod) a) objektiv und b) rechtlich wesentlich verursacht haben. Dabei kommt es schon wegen der Einheit des jeweiligen Versicherungsfalls stets auch darauf an, dass die [X.] auf ein- und dieselbe versicherte und den Versicherungsschutz bei dem Unfallversicherungsträger begründende Verrichtung zurückzuführen ist.

ee) Diese Voraussetzungen müssen für jeden einzelnen [X.] erfüllt sein. "[X.]" ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden (oder den Tod), die "infolge" ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten.

c) Nach den Feststellungen des [X.] liegt eine versicherte Verrichtung des [X.] vor, die eine Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat.

aa) Der Kläger hat durch seine Tätigkeit an der Druckgießmaschine während der zweiten Arbeitsschicht den Tatbestand der versicherten Tätigkeit als "Beschäftigter" iS des § 2 Abs 1 [X.] [X.] erfüllt (zu den Voraussetzungen dieses Tatbestandes näher [X.] vom 15.5.2012 - [X.] U 8/11 R - zur Veröffentlichung in [X.] und [X.]-2700 § 2 [X.] 20 vorgesehen). Denn er hat dadurch eine Hauptpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis mit der [X.] erfüllt, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] auch in tatsächlicher Hinsicht abschließend außer Streit gestellt werden konnte. Er war daher in der [X.] grundsätzlich gegen alle Gefahren unfallversichert, die sich "infolge" der versicherten Tätigkeit an der Druckgießmaschine verwirklichten.

bb) Das [X.] hat ferner bindend festgestellt, dass es infolge des [X.] von einer Stufe an der Maschine in Höhe von 30 bis 40 cm und den Aufprall auf dem Boden zu einer Einwirkung auf das Becken und die LWS gekommen ist. Unter "Einwirkung" (als Kurzbezeichnung für das von außen kommende, zeitlich begrenzt einwirkende Unfallereignis) ist die durch einen solchen Vorgang ausgelöste Änderung des physiologischen Körperzustandes zu verstehen, die von dem (möglicherweise zeitnah danach eintretenden) [X.] zu unterscheiden ist. Das [X.] hat zur Natur der körperlichen Veränderung festgestellt, dass nach dem 19.12.2006 mehrere Ärzte eine "Zerrung" bzw Distorsion der LWS und des linken Beckens diagnostiziert haben. Nach dem Gesamtzusammenhang des Urteils des [X.] hat es sich diese Diagnose zu eigen gemacht. Eine solche LWS-Distorsion genügt jedenfalls dem (weiten) Einwirkungsbegriff.

cc) Das [X.] hat durch die Bezugnahme auf "die Unfallanzeige der Arbeitgeberin" vom [X.] auch noch festgestellt, dass die versicherte Tätigkeit an der Maschine mit dem Rutschen von einer 30-40 cm hohen Stufe und dem Auftreffen des linken Fußes auf dem Boden bei einem Körpergewicht des [X.] von mehr als 100 kg diese Einwirkung auf die LWS objektiv mitverursacht hat.

Das [X.] hat zwar keine näheren Feststellungen zur Ursache des [X.] und zu anderen Mitursachen (ua Beschaffenheit der Treppe bzw Stufe, Materialfehler, äußere Ursache) und auch nicht dazu getroffen, ob es gerade bei dem Begehen der Stufen um die Ausübung der Kontrolltätigkeit an der Maschine ging oder ob der Kläger unmittelbar bei der Kontrolltätigkeit abgerutscht ist. Dennoch ist die Feststellung des [X.] rechtlich nicht zu beanstanden, dass die versicherte Tätigkeit in der Qualitätskontrolle an der Druckgießmaschine als Grundvoraussetzung des Unfallhergangs eine mitwirkende Ursache für die Einwirkung war. Wie zudem vor dem [X.] zur Gehörsgewährung eingeführt und von den Beteiligten bestätigt wurde, entspricht es dem heutigen [X.]en Stand der Erfahrung, dass ein solcher Ablauf eines Sturzes/[X.] mit der Wirkung eines starken Aufpralls des linken Fußes bei einem 100 kg schweren Menschen Ursache ua einer Verstauchung der LWS sein kann und nach den konkreten Umständen des Falles hier auch war. Weitere Mitursachen wurden vom [X.] nicht festgestellt und von der Beklagten nicht behauptet.

dd) Das [X.] hat sinngemäß auch die rechtliche Beurteilung geäußert, dass das versicherte Handeln des [X.] eine mit der Erfüllung dieser Pflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis verbundene Gefahr für seine Gesundheit verwirklicht hat. Das trifft bundesrechtlich zu. Denn die [X.] soll grundsätzlich in allen Lebens- und Gesundheitsgefahren schützen, die sich aus dem Handeln zur Erfüllung von Pflichten oder zur Wahrnehmung unternehmensbezogener Rechte aus dem Beschäftigungsverhältnis unter Eingliederung in einen vom Unternehmer bestimmten Gefahrenbereich ergeben. Der Kläger hat infolge der ihm aufgetragenen Aufgaben an der Druckgießmaschine mit entsprechenden Treppenstufen Gesundheitsgefahren eingehen müssen, die sich in der Einwirkung realisiert haben. Damit fällt bei der gebotenen rechtlichen Gesamtabwägung die durch die versicherte Verrichtung mit bewirkte Einwirkung auf die LWS unter den Schutzbereich der hier begründeten [X.]. Weitere Mitursachen der Einwirkung sind nicht festgestellt.

ee) Das [X.] hat schließlich auch bindend festgestellt, dass der vom Kläger als [X.] geltend gemachte Bandscheibenvorfall [X.] vorliegt.

d) Damit sind die Voraussetzungen für den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung dieses Vorfalls [X.] als weiteren [X.] des anerkannten Arbeitsunfalls mit der Ausnahme erfüllt, dass das [X.] noch nicht entscheiden kann, ob das Arbeiten an der Druckgießmaschine mit der durch sie rechtlich wesentlich mitverursachten Einwirkung auf die LWS des [X.] auch rechtserhebliche (Mit-)[X.] dieses Bandscheibenvorfalls war.

4. Das [X.] hat zwar ausgeführt, die versicherte Einwirkung und letztlich die versicherte Tätigkeit an der Druckgießmaschine hätten auch den Bandscheibenvorfall objektiv und wesentlich verursacht. Dies ist jedoch für das [X.] nicht bindend. Es darf dies seiner Entscheidung nicht zugrunde legen.

a) Dies folgt für die Rechtsfrage der unfallversicherungsrechtlichen Wesentlichkeit schon daraus, dass es hier allein um Rechtsanwendung, also um die rechtliche Subsumtion der auf der ersten Stufe der Zurechnung festgestellten Tatsachen unter den Schutzbereich der für die konkrete Beschäftigung begründeten [X.] geht. Hier muss das Revisionsgericht in vollem Umfang die Beachtung des Bundesrechts überprüfen. Das [X.] hat hierbei den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache unzutreffend angewandt (dazu unter 5.).

b) Auf der ersten Stufe der Zurechnung hat das [X.] keine das [X.] bindenden tatsächlichen Feststellungen zur objektiven Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Einwirkung/versicherte Verrichtung getroffen.

Allerdings hat das [X.] ausdrücklich festgestellt, dass die (versicherte) Einwirkung auf die LWS des [X.] naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment [X.] gewesen ist.

aa) Grundsätzlich ist das Revisionsgericht an eine solche Tatsachenfeststellung, zu der auch der konkrete objektive Kausalzusammenhang im Einzelfall gehört, gebunden (§ 163 SGG). Hier tritt diese Bindung jedoch nicht ein, weil das [X.] zum einen von einem unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven ("wissenschaftlich-philosophischen") Kausalität ausgegangen ist. Zum anderen hat es damit die Grenzen der Befugnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten. Es hat seinem Urteil einen nicht existierenden Erfahrungssatz zugrunde gelegt und deshalb davon abgesehen aufzuklären, ob es einen nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannten Erfahrungssatz gibt, nach dem isolierte Bandscheibenvorfälle durch Unfalleinwirkungen nur verursacht werden können, wenn ein unfallbedingter [X.] vorliegt.

bb) Das [X.] hat seine Kausalitätsbeurteilung auch auf folgenden nicht existierenden Erfahrungssatz gestützt: Liegen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall örtlich-zeitlich in Rede steht, ist ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

Daran ist das [X.] nicht gebunden. Ein solcher Erfahrungssatz ist nicht [X.] oder dem [X.]. Die Revisionsführerin bestreitet seine Existenz. Das [X.] hat nicht mitgeteilt, woher es diese Erkenntnis gewonnen hat. Soweit die Formulierung auch als generelle weitere "Beweiserleichterung" bei der richterlichen Überzeugungsbildung zum Grad der (juristischen) Wahrscheinlichkeit gemeint sein könnte, wäre sie bundesrechtswidrig. Denn der juristische Überzeugungsgrad der Wahrscheinlichkeit knüpft an die Würdigung der Einzelfallumstände nach Maßgabe der im jeweiligen Lebensbereich vorhandenen aktuell anerkannten wissenschaftlichen Erfahrung, hilfsweise der sonstigen einschlägigen Fachkunde, und deren ggf vorhandene Unsicherheiten an. Er erlaubt es aber nicht, an dem vorhandenen Erfahrungswissen durch "juristische Betrachtungen" vorbeizugehen.

c) Das [X.] hat auch im Übrigen einen unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven Verursachung (der "philosophisch-wissenschaftlichen Kausalität") zugrunde gelegt.

Objektive Verursachung bedeutet einen nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand der einschlägigen Erfahrung (insbesondere der Wissenschaft, hilfsweise der sonstigen Fachkunde) geprüften und festgestellten Wirkungszusammenhang zwischen einer bestimmten [X.] und ihrer Wirkung. Dabei gibt es keine Ursache ohne Wirkung und keine Wirkung ohne Ursache.

Die versicherte Verrichtung muss also eine [X.] (ggf neben anderen [X.]) der Einwirkung, die Einwirkung eine [X.] (ggf neben anderen [X.]) des [X.]s sein. Ob die Verrichtung [X.] der Einwirkung (etc) war, ist eine Frage, die nur auf der Grundlage von Erfahrung über Kausalbeziehungen beantwortet werden kann.

Auch der Satz der Bedingungstheorie, ein tatsächlicher Umstand sei "notwendige Bedingung" (nicht: Ursache) eines anderen Umstandes, wenn der erste nicht "hinweggedacht" werden könne, ohne dass der zweite (der "Erfolg") entfiele ("conditio sine qua non"), ist kein logischer Schluss. Er verlangt eine hypothetische, dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich fremde, alternative Zusammenhangserwägung ohne Berücksichtigung eines in Wirklichkeit vorhandenen Umstandes und mit Unterstellung eines in Wirklichkeit nicht erfolgten [X.]. Darüber hinaus verweist er auf Erfahrungswissen über den Zusammenhang von Bedingungen.

Die Erwägung nach dieser Formel führt zur Unbeachtlichkeit von Bedingungen, die nach Erfahrung die Wirkung nicht verursacht haben können. Insoweit kann sie zur ersten negativen Vorklärung, dem Ausscheiden von als Ursachen von vornherein nicht in Betracht kommender Bedingungen, beitragen. Sie erfasst aber alle Bedingungen, die nach Erfahrung möglicherweise die fragliche Wirkung (den "Erfolg") verursacht haben könnten. Aus sich heraus gibt sie aber keinen Maßstab dafür, ob ein solcher als für das Geschehen erforderliche (und nur in diesem Sinne "notwendige") Bedingung erkannter Umstand den "Erfolg" wirklich bewirkt, also die Wirkung mitverursacht hat, worauf schon der große Senat des [X.] (aaO) hingewiesen hat. Eine solche Bedingung kann [X.] sein, muss es aber nicht. Sie kann auch bloße Randbedingung sein. Die Formel schließt nur "Bedingungen" aus, die nach Erfahrung unmöglich [X.] sein können.

Entscheidend ist aber, ob die versicherte Verrichtung die Einwirkung und ob diese den Erstschaden bewirkt hat. Wenn die festgestellte versicherte Verrichtung nach Erfahrung eine "Bedingung eines Erfolgs", also einer Einwirkung und des [X.]s (etc) ist, wären diese (hypothetisch) ohne sie nicht eingetreten. Gleiches gilt für eine kaum abzählbare Menge anderer Bedingungen für den konkreten Unfall. Die Verrichtung war aber nur dann eine [X.] der Einwirkung/des [X.]s, wenn sie das Unfallereignis hervorgerufen oder in Gang gehalten und dadurch die Einwirkung herbeigeführt hat, welche den Körper des Verletzten/seinen physiologischen Zustand verändert und dadurch den Gesundheitsschaden mitbewirkt hat. Ob dies der Fall war, ist nach dem neuesten anerkannten Stand des einschlägigen Fachwissens zu beurteilen.

aa) Dies gilt auch für die Beantwortung der Frage, ob der festgestellte Bandscheibenvorfall des [X.] Wirkung der festgestellten versicherten Einwirkung/versicherten Tätigkeit an der Druckgießmaschine als Ursache war. Dafür kommt es, weil es sich um eine in den Fachbereich der medizinischen Wissenschaft fallende Frage handelt, allein darauf an, ob ein Wirkungszusammenhang zwischen dem Ausrutschen und dem Aufprall auf dem Boden und dieser Einwirkung auf die LWS des [X.] und diesem Bandscheibenvorfall nach dem aktuellen Stand des anerkannten medizinischen [X.] vorliegt. Dafür reicht ein bloßer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang nicht aus.

Vielmehr ist der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen [X.] zugrunde zu legen. Dies wird in der Regel die Auffassung der Mehrheit der im jeweiligen [X.] veröffentlichenden Wissenschaftler/Fachkundigen eines Fachgebiets sein. Lässt sich eine solche "herrschende Meinung" nicht feststellen, so darf der [X.] nicht gleichsam als Schiedsrichter im Streit einer Wissenschaft fungieren und selbst eine (von ihm anerkannte) Ansicht zur maßgeblichen des jeweiligen für ihn fachfremden Wissenschaftsgebietes erklären. Vielmehr kommt, falls auch durch staatliche Merkblätter, Empfehlungen der Fachverbände etc kein von den Fachkreisen mehrheitlich anerkannter neuester Erfahrungsstand festgestellt werden kann, eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen in Betracht (anders offenbar noch [X.] - [X.] U 1/05 R - [X.], 196 = [X.]-2700 § 8 [X.]7, Rd[X.]8).

Dazu muss dieser Erfahrungsstand inhaltlich festgestellt und so rechtzeitig mit seiner Erkenntnisquelle (zB medizinisches Fachbuch) in das Gerichtsverfahren eingeführt werden, dass die Beteiligten sich darüber fachkundig machen und ggf konkrete Beweiserhebungen beantragen können. Das gilt auch dann, wenn das Gericht meint, der Stand des einschlägigen [X.] sei [X.], [X.] oder könne vom Gericht aus eigener, stets rechtzeitig offenzulegender Fachkompetenz beurteilt werden.

bb) Soweit ein nicht [X.]es oder [X.]es Erfahrungswissen Gegenstand einer staatlich anerkannten Wissenschaft, hilfsweise einer sonstigen fachkundigen Profession, ist, muss das Gericht, sofern es keine nachweisbare eigene Fachkompetenz oder Gerichtskenntnis auf diesem Gebiet hat, aufgrund der Ermessensreduktion im Rahmen seiner Sachaufklärung nach § 103 SGG sich die erforderliche Kenntnis durch Sachverständige verschaffen. Es ist gerade Aufgabe der Sachverständigen, dem [X.] den aktuellen anerkannten Stand des Wissens darüber zu vermitteln, ob es Erfahrungssätze über [X.] der fraglichen Art gibt und ggf welche Anwendungsbedingungen für die Anwendung dieser Sätze im Einzelfall erfüllt sein müssen. Soweit auch die Anwendung der Erfahrungssätze im Einzelfall, wie häufig, ebenfalls besondere Sachkunde erfordert, kann der Sachverständige auch damit beauftragt werden.

Gegenstand solcher Erfahrungssätze und ihrer generellen Anwendungsbedingungen ist, ob Vorgänge der Art des vorderen Kausalgliedes - hier: die Einwirkung auf den [X.] durch den Aufprall unter Absehung von bloßen Randbedingungen des konkreten Falles - allein oder im Zusammenwirken mit anderen nach dieser Erfahrung ursächlichen Bedingungen Vorgänge der Art des zweiten Kausalgliedes - hier: Bandscheibenvorfall [X.] als [X.] - bewirken. Sofern diese Kausalbeziehung zwischen den beiden Arten der Kausalglieder besteht, ist das vordere eine hinreichende Ursache des folgenden Kausalgliedes. Tritt das zweite Kausalglied (hier: der [X.]) immer und nur dann auf, wenn das vordere Kausalglied vorliegt, handelt es sich bei diesem um eine notwendige Ursache, bei dem zweiten um eine notwendige Wirkung. Bedingungen im Sinne der Bedingungstheorie, die erfahrungsgemäß keine solchen hinreichenden oder sogar notwendigen [X.] sind, bleiben schon deshalb bei der Zurechnung außer Betracht.

cc) Allerdings darf das Gericht die jeweils einschlägige Wissenschaft (oder Fachkunde) auch nicht mit gebietsfremden Anforderungen überfordern, welchen dieser Erfahrungsbereich nicht genügen kann. Das Rechtssystem knüpft in den Grenzen der Rechtslogik an den jeweiligen aktuell anerkannten Stand der einschlägigen empirischen Wissenschaft (oder Fachkunde) an.

Es sind - gerade auch im Bereich der Medizin - nicht immer deterministische Erfahrungssätze vorhanden oder anerkannt. Sehr häufig werden nur wissenschaftlich begründete [X.] (die nichts mit dem juristischen Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit zu tun haben) festgestellt werden können. Dabei gibt es in den verschiedenen Wissenschaften unterschiedliche Begriffe von empirischer Wahrscheinlichkeit bis hin zu probabilistischen [X.]. Sie werden nach entsprechenden Untersuchungen gelegentlich mathematisch formuliert, häufig aber allein durch tradierte Erfahrung im jeweiligen Fachkreis mit geringer Überprüfungsdichte gelehrt und/oder bloß unausgesprochen in der Praxis vorausgesetzt (begründete Vermutungen). Hier sind Unterschiede ferner zwischen Fachbereichen zu beachten, in denen es wissenschaftliche Fachdisziplinen gibt, und solchen, in denen es überwiegend nur die tradierte Erfahrung des [X.] der professionell im jeweiligen Gebiet Tätigen gibt.

dd) Maßstab für die objektive Kausalitätsbeurteilung ist also der neueste anerkannte Stand des [X.] (vgl hierzu zuletzt auch [X.] vom 15.9.2011 - [X.] U 25/10 R - [X.]-5671 Anl 1 [X.] 4111 [X.] 3 - Rd[X.] 23 f "in der Regel 100 Feinstaubjahre"). Als Maßstäbe sind jeweils, soweit vorhanden, die aktuell anerkannten Erfahrungssätze festzustellen und anzuwenden. Dies ist eine reine Tatsachenfeststellung, bei der der [X.] der Hilfe des Sachverständigen bedarf. Hinsichtlich der richterlichen Feststellung des Inhalts der Erfahrungssätze genügt der richterliche Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit. Der Sachverständige muss bei seiner Begutachtung also verdeutlichen, welche Erfahrungssätze er seiner Begutachtung zugrunde legt und dass dieses Erfahrungswissen in der einschlägigen Wissenschaft (oder Fachkunde) aktuell als neuester Stand anerkannt ist.

ee) Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes ist für eine objektive Urteilsfindung unerlässlich ([X.] - [X.] U 1/05 R - [X.], 196 = [X.]-2700 § 8 [X.]7, Rd[X.] 24 ff). Ausgangsbasis der richterlichen Erkenntnisbildung über wissenschaftliche Erfahrungssätze sind auch bei Fragen der objektiven Verursachung die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich. Außerdem sind die jeweiligen Leitlinien der [X.] ([X.]) zu berücksichtigen. Hinzu kommen andere aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen. Diese Quellen hat der [X.] jeweils kritisch zu würdigen.

Eine bloße Literaturauswertung durch auf dem einschlägigen Gebiet nicht fachgerecht ausgebildete [X.] genügt zur Feststellung des (nicht [X.]en oder [X.]en) aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über Kausalbeziehungen in der Regel nicht. Vielmehr wird dessen Klärung im Rahmen des ohnehin benötigten Gutachtens erfolgen. Dieser Erkenntnisstand ist aber die Basis für die Beurteilung durch den Sachverständigen, die er stets zugrunde legen muss und von der er nur durch zusätzliche Ausführungen, weshalb er ihr nicht folgt, mit wissenschaftlicher Begründung abweichen darf.

Bestreitet nach rechtzeitiger Einführung eines solchen Erfahrungssatzes in den Prozess einer der Beteiligten dessen Vorliegen oder Tragweite mit nicht offenkundig fernliegenden Sachargumenten, so wird das Gericht im Regelfall diesem Vorbingen durch (zumindest schriftliche) Befragung eines Sachverständigen nachzugehen haben (vgl hierzu [X.] Beschluss vom 24.7.2012 - [X.] U 100/12 B - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Insofern macht die Beklagte auch zutreffend geltend, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 62 SGG iVm Art 103 GG gebietet, dass das [X.] jeweils vor der Zugrundelegung solcher Erfahrungssätze diese in den Prozess einführen und den Beteiligten Gelegenheit geben muss, sich zu diesen [X.] (und ggf zu deren Tragweite) zu äußern.

d) Das [X.] hat hinsichtlich der strittigen Verursachung des Bandscheibenvorfalls schon keinen neuesten anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft festgestellt, sondern einen anderen Verursachungsbegriff zugrunde gelegt.

aa) Die Beklagte hat unter Zitierung des Werks von [X.]/[X.]/[X.] gegenüber dem [X.] dargelegt, dass es dem dort dokumentierten Stand der medizinischen Wissenschaft entspreche, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall nur mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen vorkommen könne. Das [X.] hätte deshalb im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht selbst die Existenz oder Nichtexistenz dieses oder eines anderen anerkannten Erfahrungssatzes in der medizinischen Wissenschaft feststellen müssen.

bb) Das Vorgehen des [X.] war auch nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil es davon ausgegangen ist, dass sich eine Feststellung des einschlägigen medizinischen Erfahrungssatzes erübrige, weil die Autoren [X.]/[X.]/[X.] von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab bei der Kausalitätsbetrachtung ausgegangen seien. Sie hätten Aspekte der rechtlichen Wesentlichkeit im Sinne der Rechtsprechung des [X.] mit naturwissenschaftlichen Aussagen verquickt.

Es ist hier nicht darauf einzugehen, ob diese Behauptungen zutreffen. Beiläufig ist darauf hinzuweisen, dass nicht jeder Gebrauch des Wortes "wesentlich" zugleich eine Äußerung zur "Theorie der wesentlichen Bedingung" sein muss. Soweit Nichtjuristen sich zu solchen juristischen Problemen äußern, liegen keine Stellungnahmen eines Sachverständigen, möglicherweise aber dennoch bedenkenswerte oder richtige Argumente vor. In keinem Fall durfte das [X.] davon absehen, den aktuellen Stand der anerkannten medizinischen Erfahrung über durch Unfälle verursachte Bandscheibenvorfälle festzustellen.

e) Es ist nicht tunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), dass das [X.] das Bestehen und den Inhalt des von der Beklagten behaupteten oder eines sonstigen aktuell anerkannten medizinischen Erfahrungssatzes über die Verursachung von Bandscheibenvorfällen durch Unfalleinwirkungen und dessen generelle Anwendungsbedingungen selbst feststellt. Zwar gehören solche generellen Erfahrungssätze dem revisiblen Bundesrecht (§ 162 SGG) an. Jedoch bedürfte es zu einer Entscheidung darüber, ob im Fall des [X.] die Vorgaben eines solchen Erfahrungssatzes erfüllt sind, der Feststellung von Einzelfalltatsachen und deren fachgerechte Zuordnung zum generellen medizinischen Erfahrungssatz. Das [X.] müsste daher voraussichtlich nach Klärung des generellen Standes der anerkannten Erfahrung die Sache dennoch an das [X.] zurückverweisen, dem die Feststellung von Tatsachen des Einzelfalles grundsätzlich vorbehalten ist.

Das [X.] wird folglich nach der Zurückverweisung durch Einholung von Sachverständigengutachten und die anderen aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten festzustellen haben, ob der von der Beklagten behauptete wissenschaftliche Erfahrungssatz oder ein anderer von der Mehrheit der Wissenschaftler des einschlägigen medizinischen Wissenschaftszweiges vertreten wird.

Lässt sich dies zur vollen richterlichen Überzeugung bejahen, so ist er nebst seinen in gleicher Weise wissenschaftlich anerkannten generellen Anwendungsbedingungen der (mindestens im richterlichen Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit zu treffenden) Feststellung zwingend zugrunde zu legen, ob im vorliegenden Fall die versicherte Einwirkung faktische Mitursache des [X.] war. Stellt das [X.] hingegen fest, dass nicht dieser Erfahrungssatz, sondern ein anderer entsprechend anerkannt ist, ist dieser zwingend maßgeblich. In jedem Fall ist dann über die Mitursächlichkeit des [X.] an der Maschine und des Aufpralls auf dem Boden und der durch sie verursachten Einwirkung für den Vorfall [X.] und dabei auch der Mitverursachungsanteil anderer [X.] zu entscheiden.

5. Von diesen Feststellungen darf das [X.] nicht wegen der zweiten Zurechnungsstufe, der rechtlichen "Wesentlichkeit" der [X.] für den Schaden, absehen. Das [X.] hat nämlich in seinem Urteil den dargelegten bundesrechtlichen Begriff der Wesentlichkeit unzutreffend auf den Bereich der objektiven Verursachung angewandt. Er betrifft aber allein die zweite Stufe der Zurechnung. Auf ihr geht es ausschließlich um die Rechtsfrage, ob die auf der ersten Stufe abschließend festzustellende faktische Mitverursachung des Gesundheitsschadens durch die versicherte Verrichtung/versicherte Einwirkung überhaupt ein versichertes Risiko der [X.] verwirklicht hat. Gegebenenfalls hängt - wie oben gezeigt - diese Rechtserheblichkeit davon ab, ob unversicherte Mitursachen und ihr Mitwirkungsanteil nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweiligen Versicherung in einer Gesamtabwägung dieser Umstände des Einzelfalls die Schadensverursachung derart prägen, dass dieser nicht mehr dem Schutzbereich der Versicherung, sondern dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt.

Hierbei geht es ausschließlich um rechtliche Bewertungen (Auslegung und Subsumtion). Die [X.] und ihre Mitwirkungsanteile (Tatsachenfrage) sind bereits auf der ersten Stufe der objektiven Verursachung abschließend festzustellen. Insbesondere kann die ordnungsgemäße Tatsachenfeststellung auf der ersten Stufe nicht durch Wertungen auf der zweiten ersetzt werden.

Das [X.] wird daher, falls es auf der ersten Stufe die objektive Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Verrichtung/Einwirkung nach neuer Prüfung bejahen wird, auf der zweiten Stufe erstmals die vorgenannte Rechtsfrage beantworten müssen.

6. Das [X.] wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

Meta

B 2 U 23/11 R

24.07.2012

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Stuttgart, 20. August 2009, Az: S 9 U 7025/07, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 24.07.2012, Az. B 2 U 23/11 R (REWIS RS 2012, 4328)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4328

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Ärztlicher Sachverständiger, Arbeitsunfälle, Verletztenrente, versicherte Tätigkeit, Gesundheitsschaden, Versicherungsfall


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