Bundesverfassungsgericht, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 13.06.2013, Az. 1 BvR 3236/08

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2013, 5067

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Gegenstandswertfestsetzung im Verfassungsbeschwerdeverfahren - Zur objektiven Bedeutung eines Verfahrens - hier: Minderung des subjektiven Wertes wegen geringerer objektiver Bedeutung um die Hälfte - ua keine Bedeutung für Parallelverfahren


Tenor

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 84.000 € (in Worten: vierundachtzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betraf eine zivilrechtliche Auseinandersetzung im Zusammenhang mit dem finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung zu Steuersparzwecken.

2

1. Im zivilgerichtlichen Ausgangsverfahren nahmen die Beschwerdeführer eine Bausparkasse und eine Bank, die den Kauf finanziert hatten, auf Rückabwicklung des [X.] und der Finanzierung im Wege des Schadensersatzes in Anspruch. Zur Begründung führten sie unter anderem aus, die beklagte Bausparkasse und die beklagte Bank hätten sie darüber unterrichten müssen, dass sie durch die Angaben im "Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag", der auch ihnen gegenüber verwendet worden sei, über die Höhe der Vertriebsprovisionen getäuscht worden seien. Das [X.] wies die Klage ab. Die dagegen gerichtete Berufung der Beschwerdeführer blieb ohne Erfolg. Der [X.] wies die Nichtzulassungsbeschwerde zurück und setzte den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren auf 169.618,66 € fest.

3

2. Mit ihrer hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerde rügten die Beschwerdeführer hinsichtlich der Entscheidungen der Instanzgerichte und des [X.]s eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG und hinsichtlich der angegriffenen Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde darüber hinaus - der Sache nach - eine Verletzung des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. [ref=e7e81c42-e6cd-4a23-a11e-c5abf310afb9]Art. 20 Abs. 3 [X.]]) sowie des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG). Nach Zustellung der Verfassungsbeschwerde gab die [X.] des [X.] statt, soweit sie sich gegen den Beschluss des [X.]s richtete, stellte eine Verletzung des Justizgewährungsanspruchs fest, hob den Beschluss des [X.]s auf, verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an den [X.] zurück und ordnete die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer durch die [X.] an (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 14. November 2012 - 1 BvR 3236/08, 1 BvR 3241/08, 1 [X.], 1 [X.]/09 -, juris).

4

3. Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2012 hat der Bevollmächtigte der Beschwerdeführer die Festsetzung des [X.]auf mindestens 20.000 € beantragt.

II.

5

1. Nach § 37 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist der Gegenstandswert im Verfassungsbeschwerdeverfahren unter Berücksichtigung der in [[X.]-09c1-4698-a1e7-9cf7e59b7a4b]§ 14 Abs. 1 [X.]] genannten Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen; er beträgt jedoch mindestens 4.000 €.

6

2. Ausgangspunkt der Bewertung ist die Bedeutung der Angelegenheit (vgl. [X.]E 79, 365 <366>, dort noch zu [[X.]-293c-4dc3-b027-016d27a62933]§ 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO[/ref] a.F.). Der Umstand, dass § 14 Abs. 1 [X.] die in der genannten Grundsatzentscheidung aufgegriffene "gesetzliche Reihenfolge" der Kriterien geändert hat und - anders als § 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO a.F. - nunmehr den anwaltlichen Arbeitsaufwand an erster Stelle nennt, hat insofern keine inhaltliche Änderung bewirkt (vgl. [X.], in: [X.]/Schmidt-Bleibtreu/[X.]/[X.], [X.]G, § 34a Rn. 97 mit [X.]. 236 ). Die durch das [X.] im 79. Band seiner Entscheidungssammlung für die Festsetzung des [X.] im Verfahren der Verfassungsbeschwerde entwickelten Maßstäbe gelten fort (vgl. [X.], Beschluss des [X.] vom 19. August 2010 - 1 BvR 2192/05 -, juris; Beschluss des [X.] vom 10. November 2011 - 1 BvR 611/07 -, juris; Beschluss der [X.] des [X.] vom 18. Juni 2012 - 1 BvR 774/10 -, juris, Rn. 27, insofern in NJW 2012, [X.] ff. nicht abgedruckt).

7

3. In Anwendung dieser Maßstäbe ist der Gegenstandswert der Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführer gerundet mit 84.000 € zu bemessen. Maßgebend sind hierfür folgende Erwägungen:

8

a) Das subjektive Interesse der Beschwerdeführer am Verfahrensausgang ist, da sie mit der Verfassungsbeschwerde dasselbe Anliegen wie im Ausgangsverfahren weiterverfolgt haben, in Übereinstimmung mit der Streitwertfestsetzung durch den [X.] mit 169.618,66 € zu bewerten.

9

b) Die objektive Bedeutung der Sache, die neben der subjektiven Seite bei der [X.] einbezogen werden muss (vgl. [X.]E 79, 357 <361>; 79, 365 <367>), führt vorliegend zu einer Verringerung des Einsatzwertes.

Die objektive Seite des Falls weist im Verhältnis zum subjektiven Interesse kein eigenständiges Gewicht auf.

Die angestrebte Entscheidung über die - mit vorausgegangenen [X.] (1 BvR 2952/08 u.a.) inhaltlich gleich laufende - Verfassungsbeschwerde war nicht mehr geeignet, den Weg für Parallelverfahren, in denen die fachgerichtliche Auslegung desselben formularmäßigen Objekt- und [X.] eine maßgebliche Rolle spielte, maßgeblich vorzuzeichnen. Mit der Entscheidung haben - anders als im Fall eines sogenannten Musterverfahrens über eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde - die Verfahren anderer Beschwerdeführer nicht ihre Erledigung gefunden. Zudem fehlt es an einer weitergehenden Bedeutung der von den Beschwerdeführern erstrebten Entscheidung, weil zuvor der [X.] im Rahmen eines Grundsatzurteils dasselbe Formular verbindlich ausgelegt und seine vormals vertretene Rechtsauffassung im Sinne der Beschwerdeführer selbst geändert hatte (vgl. [X.], 96 <107 ff.> Rn. 28 ff.).

Dass der Sache kein über die subjektive Bedeutung für die Beschwerdeführer hinausgehendes Gewicht zukommt, findet schließlich darin seinen Ausdruck, dass über sie die Kammer entschieden hat, weil die zugrunde zu legenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe geklärt waren (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 [X.]G; vgl. [X.]E 79, 365 <369>).

c) Hat, wie hier, die objektive Bedeutung neben dem subjektiven Interesse des Verfassungsbeschwerdeführers keinen eigenen Stellenwert, führt der hinzu tretende Umstand, dass das Ausgangsverfahren mit der Entscheidung des [X.]s nicht endgültig beigelegt war, sondern im fachrechtlichen Instanzenzug erneut über die Nichtzulassungsbeschwerde befunden werden muss, zu einer Verringerung des Einsatzwertes für die subjektive Bedeutung (vgl. [X.]E 79, 365 <368>). Dies rechtfertigt es vorliegend, den Einsatzbetrag für die subjektive Bedeutung der Sache (169.618,66 €) um die Hälfte zu mindern. Dabei ist auch berücksichtigt, dass sich auf Grundlage der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des [X.]s die Erfolgsaussicht der Revision geradezu aufdrängt (vgl. nur [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 28. Juni 2012 - 1 BvR 2952/08 -, [X.], S. 15 <16>), obgleich eine erfolgreiche Revision grundsätzlich keine Gewähr für eine abschließende Entscheidung durch den [X.] bietet, sondern auch eine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht in Betracht kommt.

4. Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit stehen nicht außer Verhältnis zu der vorstehend bewerteten Bedeutung der Sache. Deshalb ist unter diesem Gesichtspunkt eine weitere Änderung des Wertes nicht angezeigt.

5. Nach alledem ist für das vorliegende Verfahren - gerundet - die Hälfte des Einsatzwertes für die subjektive Bedeutung der Sache festzusetzen.

Meta

1 BvR 3236/08

13.06.2013

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren

Sachgebiet: BvR

vorgehend BGH, 14. Oktober 2008, Az: XI ZR 206/07, Beschluss

§ 113 Abs 2 S 3 BRAGebO, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 13.06.2013, Az. 1 BvR 3236/08 (REWIS RS 2013, 5067)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5067

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 BvR 2952/08 (Bundesverfassungsgericht)

Gegenstandswertfestsetzung im Verfassungsbeschwerdeverfahren - Zur objektiven Bedeutung eines Verfahrens ua für Parallelverfahren - hier: Minderung …


1 BvR 1235/17 (Bundesverfassungsgericht)

Gegenstandswertfestsetzung im Verfassungsbeschwerdeverfahren


1 BvR 2894/19 (Bundesverfassungsgericht)

Gegenstandswertfestsetzung im Verfassungsbeschwerdeverfahren - Verringerung des Einsatzwertes für die subjektive Bedeutung (Streitwert des fachgerichtlichen Verfahrens) …


1 BvR 3236/08, 1 BvR 3241/08, 1 BvR 83/09, 1 BvR 423/09 (Bundesverfassungsgericht)

Stattgebender Kammerbeschluss: Parallelentscheidung


1 BvR 1387/17 (Bundesverfassungsgericht)

Gegenstandswertfestsetzung bzgl des eA-Verfahrens zum "G20-Protestcamp" - hingegen kein Rechtsschutzbedürfnis für Gegenstandswertfestsetzung nach Erledigung der …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.