Bundessozialgericht, Urteil vom 20.03.2018, Az. B 1 KR 4/17 R

1. Senat | REWIS RS 2018, 12035

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts - Voraussetzung der erforderlichen lebensbedrohlichen Erkrankung - voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf - hier: Anspruch auf IVIG-Therapie bei Antikörpermangelsyndrom und nicht alterstypischer Häufung von schwersten rezidivierenden Pneumonien


Leitsatz

Die für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts erforderliche lebensbedrohliche Erkrankung setzt voraus, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit nach den konkreten Umständen des Falles verwirklichen wird.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. Januar 2017 aufgehoben und der Rechtstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des [X.] auf Versorgung mit Fertigarzneimitteln, die intravenös zu applizierendes Immunglobulin ([X.]) enthalten.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherte, 1937 geborene Kläger leidet seit 1992 unter zum Teil jährlich mehrfach rezidivierenden, seit 1998 nur noch stationär behandelten Pneumonien (insgesamt mehr als 30 Krankenhausaufenthalte). Prof. Dr. S. ( [X.]) behandelt ihn seit 1998 fortlaufend - abgesehen von einer Unterbrechung von August 2009 bis Anfang März 2010 - auch in den infektfreien Intervallen ambulant mit Immunglobulinen (Octagam, [X.], [X.]) unter der Diagnose Antikörpermangelsyndrom (Immunglobulinmangel) bei monoklonaler Gammopathie unbestimmter Signifikanz ([X.]), um die Häufigkeit und Schwere der Infekte zu reduzieren. Der von der Beklagten beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung ([X.]) verneinte eine akut lebensbedrohliche, regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung. Die Beklagte teilte Prof. Dr. S. mit, die [X.]-Behandlung dürfe nicht zu ihren Lasten fortgeführt werden ([X.]). Den Antrag des [X.] auf Fortführung der [X.]-Behandlung lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 1[X.], Widerspruchsbescheid vom [X.]). Nach Klageerhebung hat der Kläger im einstweiligen Rechtsschutz obsiegt ([X.] Beschluss vom [X.] - L 4 KR 44/10 [X.]) und erhält seither weiterhin die [X.]-Behandlung zu Lasten der Beklagten. Das [X.] hat die Klage abgewiesen: Die [X.]-Fertigarzneimittel seien für die Erkrankung des [X.] nicht zugelassen, seine Pneumonien noch mit einer Standardtherapie (Antibiotikagabe) beherrschbar (Urteil vom 23.9.2014). Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, den Kläger mit [X.]-Fertigarzneimitteln nach ärztlicher Verordnung zu versorgen. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf die begehrte Versorgung mit Octagam, [X.] und seit 2012 mit [X.] sowie auf zukünftige etwaige andere intravenös zu verabreichende Arzneimittel mit dem Wirkstoff Immunglobulin nach § 2 Abs 1a [X.]B V zu. Abzustellen sei auf die schwer eingeschränkte gesundheitliche Konstitution des [X.], nicht auf die einzelne mit Antibiotika behandelbare Pneumonie. Der Kläger leide unter einer signifikanten Erniedrigung der polyklonalen Immunglobuline (sekundärer Immunglobulinmangel), die zu einer erhöhten Infektanfälligkeit mit nicht alterstypischer Häufung von schwersten rezidivierenden Pneumonien mit Todesgefahr führe. Dafür gebe es keine Standardtherapie. Die [X.]-Behandlung bewirke beim Kläger eine Reduktion der krankenhausbedürftigen Infektionen (Urteil vom 24.1.2017).

3

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte zuletzt noch eine Verletzung von § 2 Abs 1a [X.]B V. Es fehle an der notstandsähnlichen Situation einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Ferner rügt sie die Verletzung von § 136 Abs 1 [X.] iVm § 128 Abs 1 S 2 [X.]G, § 128 Abs 1 S 1 [X.]G, § 103 [X.]G. Das [X.] habe die Grenzen freier richterlicher Beweiswürdigung überschritten und sich ihm aufdrängende Ermittlungen unterlassen. Dem Urteil fehle es an Gründen.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 24. Januar 2017 aufzuheben und die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 23. September 2014 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des [X.] vom 24. Januar 2017 aufzuheben und den Rechtsstreit an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

5

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen unter Klarstellung des Tenors,
hilfsweise,
das Urteil des [X.] vom 24. Januar 2017 aufzuheben und den Rechtsstreit an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

6

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 [X.] [X.]).

8

Klageziel ist ein im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage für die Vergangenheit und der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage für die Zukunft zulässig geltend gemachter Anspruch des [X.] auf Versorgung mit ärztlich verordneten [X.] (dazu 1.). Ob dem Kläger ein solcher Anspruch zusteht, kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen des [X.] nicht abschließend beurteilen. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Es beruht auf der Verletzung materiellen Rechts. Im Ergebnis kommt nur ein Anspruch aus § 2 Abs 1a [X.] in Betracht. Das [X.] hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Anspruch auf IVIG-Therapie nach allgemeinen Grundsätzen der Krankenbehandlung der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]), nach Off-Label-Use-Grundsätzen und wegen Seltenheit verneint, ohne Anlass zu Ausführungen zu anderen Rechtsgrundlagen zu haben (dazu 2.). Der erkennende Senat kann aber auf der Grundlage der [X.]-Feststellungen nicht entscheiden, ob ein Anspruch aus grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts, vom Gesetzgeber positiviert in § 2 Abs 1a [X.] (in Kraft seit 1.1.2012; Art 1 [X.] 1 und Art 15 Abs 1 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung <[X.]-Versorgungsstrukturgesetz - [X.]-VStG> vom 22.12.2011, [X.]), besteht (dazu 3.). Das angefochtene Urteil kann sich in einem solchen Fall nicht aus anderen Gründen als richtig erweisen. Das [X.] wird die gebotenen Feststellungen nachzuholen haben (dazu 4.).

9

1. Die erhobene Klage ist zulässig. [X.] ist für den Zeitraum vom 24.9.2014 bis zum 24.1.2017 die (kombinierte) Anfechtungs- und Feststellungsklage. Der Kläger begehrt die Feststellung erst ab diesem Zeitpunkt, da die Beklagte eine Rückforderung der zuvor dem Kläger vorläufig erbrachten IVIG-Therapie ausgeschlossen hat. Ziel ist, den Rechtsgrund für das "[X.]" der aufgrund einstweiliger Anordnung nur vorläufig erbrachten Sachleistungen feststellen zu lassen. Bei einem Unterliegen im Hauptsacheverfahren kommt eine Erstattung der erbrachten Sachleistungen in Geld nach § 50 Abs 2 iVm § 50 Abs 1 [X.] SGB X und/oder ein Schadensersatzanspruch nach § 86b Abs 2 [X.] [X.] iVm § 945 ZPO in Betracht. Hieran ändert die im einstweiligen Rechtsschutz ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten nichts, IVIG als Sachleistung zu erbringen ([X.] Beschluss vom [X.]). Die Maßnahme ist für die Vergangenheit korrigierbar. Dies ergibt sich schon aus § 50 Abs 1 [X.] SGB X, der bei Sachleistungen, die nicht herausgegeben werden können, eine Erstattung in Geld vorsieht (vgl zum Ganzen [X.] vom 13.12.2016 - [X.] KR 1/16 R - Juris Rd[X.] 8 mwN, für [X.]-2500 § 31 [X.] und [X.] vorgesehen). Der [X.]-Beschluss weist ausdrücklich auf eine mögliche Rückforderung der der Beklagen entstehenden Kosten hin. Dies begründet auch das Feststellungsinteresse des [X.]. Für die Zukunft (ab [X.]) ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 [X.]) richtige Klageart, da die [X.] des [X.] noch andauert.

2. Der Kläger hat Anspruch auf Versorgung ärztlich verordneter [X.] weder nach allgemeinen Grundsätzen der Krankenbehandlung (dazu a) noch nach den Grundsätzen des Off-Label-Use (dazu b) oder des [X.] (dazu c). Andere Rechtsgrundlagen als § 2 Abs 1a [X.] kommen nicht in Betracht (dazu d).

a) Der Kläger kann von der Beklagten die Behandlung seines sekundären Immunglobulinmangels, assoziiert mit [X.] und rezidivierenden Pneumonien, mit einem [X.] als Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 [X.] [X.] iVm § 31 Abs 1 S 1 [X.]) mangels [X.] Zulassung nicht beanspruchen. Nach § 27 Abs 1 S 1 [X.] haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs 1 [X.] [X.] [X.]). Versicherte können Versorgung mit einem verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel zu Lasten der [X.] grds nur beanspruchen, wenn eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Indikationsgebiet besteht, in dem es angewendet werden soll. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 S 3, § 12 Abs 1 [X.]) dagegen nicht von der Leistungspflicht der [X.] nach § 27 Abs 1 [X.] [X.] 1 und 3, § 31 Abs 1 S 1 [X.] umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs 1 [X.]) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (stRspr, vgl zB [X.] 96, 153 = [X.]-2500 § 27 [X.], Rd[X.] mwN - D-Ribose; [X.] 97, 112 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.] - Ilomedin; [X.] 111, 168 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.] 12 - Avastin; [X.] vom 13.12.2016 - [X.] KR 1/16 R - Juris Rd[X.] 11, für [X.]-2500 § 31 [X.] und [X.] vorgesehen - [X.]). Die begehrten [X.] sind zulassungspflichtig. Sie haben weder in [X.] noch EU-weit die erforderliche Arzneimittelzulassung für eine Therapie des sekundären Immunglobulinmangels als solchen noch unter Berücksichtigung von [X.] und rezidivierenden Pneumonien. Das steht nach den [X.], den Senat bindenden Feststellungen des [X.] fest (§ 163 [X.]).

b) Der Kläger kann eine Versorgung mit [X.] auch im Rahmen eines Off-Label-Use auf Kosten der [X.] weder nach § 35c [X.], der die zulassungsüberschreitende Anwendung von Arzneimitteln aufgrund von Empfehlungen des [X.] ([X.]) und im Falle von klinischen Studien regelt (dazu [X.]), noch nach allgemeinen Grundsätzen der Rspr beanspruchen (dazu bb).

[X.]) Der [X.] hat eine IVIG-Therapie zur Behandlung des sekundären Immunglobulinmangels mit [X.] und rezidivierenden Pneumonien nicht empfohlen. Nach § 92 Abs 1 S 1, [X.] [X.] 6 [X.] beschließt der [X.] die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln. Gemäß § 91 Abs 6 [X.] sind die Beschlüsse des [X.] mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 136d [X.] (vor dem 1.1.2016: § 137b [X.]) für die Träger iS des § 91 Abs 1 S 1 [X.], deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich. Gestützt auf § 35c Abs 1 [X.] enthalten Abschnitt K und Anlage VI der Richtlinie des [X.] über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie <[X.]> vom 18.12.2008/22.1.2009, BAnz 2009, [X.] , zuletzt geändert am 21.12.2017, BAnz [X.], mWv 7.2.2018) Einzelheiten über die "Verordnungsfähigkeit von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten" und führen Wirkstoffe als verordnungsfähig (Anlage [X.]) bzw als nicht verordnungsfähig (Anlage [X.]) auf. Die [X.] sieht bislang in Anlage [X.] eine IVIG-Therapie nur bei den Diagnosen Polymyositis, [X.] und Myasthenia gravis vor. Auf die Frage einer verzögerten Bearbeitung kommt es insoweit nicht an (vgl § 35c Abs 1 [X.] gegenüber § 135 Abs 1 [X.] [X.]). Eine Verzögerung in der Bearbeitung könnte nur zur Anwendung der allgemeinen Regeln des Off-Label-Use führen (vgl dazu unten, bb), nicht aber zu einer Zulassungsfiktion (vgl [X.] vom 13.12.2016 - [X.] KR 1/16 R - Juris Rd[X.] 13, für [X.]-2500 § 31 [X.] und [X.] vorgesehen - [X.]; [X.] 109, 211 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.] 14 - [X.]/A; vgl ähnlich bereits BSG [X.]-2500 § 31 [X.] Rd[X.] 44).

Auch die Voraussetzungen des § 35c Abs 2 [X.] sind nicht erfüllt. Danach haben Versicherte außerhalb des Anwendungsbereichs des Abs 1 unter weiteren Voraussetzungen Anspruch auf Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln in klinischen Studien. Der Kläger beansprucht die Versorgung indes nicht im Rahmen einer klinischen Studie.

bb) Die Voraussetzungen der allgemeinen, vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätze für einen Off-Label-Use zu Lasten der [X.] sind ebenfalls nicht erfüllt. Sie bleiben unberührt, wenn - wie hier - ein nicht in der [X.] geregelter Off-Label-Use betroffen ist (zutreffend Anmerkung zu Abschnitt K [X.]). Ein Off-Label-Use kommt danach nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, 2. keine andere Therapie verfügbar ist und 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (vgl zB [X.] 97, 112 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.] 17 f - Ilomedin; [X.] 109, 211 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.] 17 mwN - [X.]/A). Abzustellen ist dabei auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (vgl [X.] 95, 132 Rd[X.] = [X.]-2500 § 31 [X.] Rd[X.] 27 mwN - Wobe-Mugos E; im Falle des Systemversagens s BSG [X.]-2500 § 27 [X.] Rd[X.] 24 mwN - neuropsychologische Therapie).

An einer aufgrund der Datenlage begründeten Erfolgsaussicht fehlt es. Von hinreichenden Erfolgsaussichten ist nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das betroffene Arzneimittel für die relevante Indikation zugelassen werden kann. Es müssen also Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der [X.] (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sein (allgemein zur Bedeutung der Phasen-Einteilung vgl [X.] 97, 112 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.] - Ilomedin) und einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse von gleicher Qualität veröffentlicht sein (vgl zB [X.] 97, 112 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.] 17 f - Ilomedin; [X.] 109, 211 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.] 17 mwN - [X.]/A). Solche Erkenntnisse mit Relevanz für die Erkrankung des [X.] bestehen nach den den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) bislang nicht.

c) Auch ein Seltenheitsfall besteht nicht. Hierzu darf das festgestellte Krankheitsbild (Immunglobulinmangel, assoziiert mit [X.] und rezidivierenden Pneumonien) aufgrund seiner Singularität medizinisch nicht erforschbar sein (vgl auch [X.] 109, 218 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.] 14 - Leucinose; [X.] 111, 168 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.]). Allein geringe Patientenzahlen stehen einer wissenschaftlichen Erforschung nicht entgegen, wenn etwa die Ähnlichkeit zu weit verbreiteten Erkrankungen eine wissenschaftliche Erforschung ermöglicht. Das gilt erst recht, wenn - trotz der Seltenheit der Erkrankung - die Krankheitsursache oder Wirkmechanismen der bei ihr auftretenden Symptomatik wissenschaftlich klärungsfähig sind, deren Kenntnis der Verwirklichung eines der in § 27 Abs 1 S 1 [X.] genannten Ziele der Krankenbehandlung dienen kann (vgl [X.] 111, 168 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.]). Das festgestellte Krankheitsbild des [X.] ist nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] systematisch erforschbar, was auch geschieht.

d) Zu Recht ist das [X.] nicht darauf eingegangen, ob der Kläger die IVIG-Therapie als neue Behandlungsmethode oder wegen Behandlung durch Ärzte einer Hochschulambulanz beanspruchen kann. Die Zulässigkeit einer Behandlungsmethode nach dem [X.] kann keinen Anspruch auf Fertigarzneimittel begründen, sondern nur zusätzliche Hürden für ihren Einsatz beseitigen (vgl dazu ausführlich [X.] vom 13.12.2016 - [X.] KR 1/16 R - Juris Rd[X.] 23 f, für [X.]-2500 § 31 [X.] und [X.] vorgesehen - [X.]). Sie überspielt nicht die besonderen Voraussetzungen für den zulassungsfremden Einsatz eines Arzneimittels. Die Behandlung durch Ärzte der Hochschulambulanz erweitert nicht den Anspruch Versicherter auf vertragsärztliche Versorgung mit Arzneimitteln zu Lasten der [X.] (vgl [X.] 109, 211 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.] 25 f - [X.]/A; vgl dazu und zur - hier vom [X.] nicht festgestellten - teilstationären Behandlung ausführlich [X.] vom 13.12.2016 - [X.] KR 1/16 R - Juris Rd[X.] 25 ff mwN, für [X.]-2500 § 31 [X.] und [X.] vorgesehen - [X.]; nichts geändert hieran hat das Inkrafttreten des § 117 Abs 4 [X.] mWv 11.4.2017 aufgrund Art 1 [X.] 6a, Art 3 Abs 1 Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung vom [X.], [X.] 778).

3. Der erkennende Senat kann mangels hinreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Versorgung mit [X.] seit 24.9.2014 aus § 2 Abs 1a [X.] erfüllt sind (dazu a). Es fehlen hinreichende Feststellungen dazu, dass der Kläger an einer lebensbedrohlichen Krankheit im Rechtssinne leidet (dazu b), dass keine dem allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung steht und dass weitere Voraussetzungen erfüllt sind (dazu c).

a) Nach dem Beschluss des [X.] vom 6.12.2005 geben die Grundrechte aus Art 2 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialst[X.]tsprinzip und aus Art 2 Abs 2 GG einen Anspruch auf Krankenversorgung in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung, wenn für sie eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht und die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht ([X.]E 115, 25 = [X.]-2500 § 27 [X.]). Gemäß der Rspr des [X.] ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, die Grundsätze des Beschlusses vom 6.12.2005 auf Erkrankungen zu erstrecken, die wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbar sind. Dies würde dem Ausnahmecharakter eines solchen verfassungsunmittelbaren Leistungsanspruchs nicht gerecht werden. Vielmehr bleibt der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf extreme Situationen einer krankheitsbedingten Lebensgefahr beschränkt (vgl [X.]E 140, 229 = [X.]-2500 § 92 [X.] 18, Rd[X.] 18). Der Gesetzgeber hat demgegenüber im [X.] an die Rspr des erkennenden Senats (vgl zB BSG [X.]-2500 § 31 [X.] 8 Rd[X.]; [X.] 100, 103 = [X.]-2500 § 31 [X.] 9, Rd[X.]2 - [X.] Öl; [X.] 106, 81 = [X.]-1500 § 109 [X.], Rd[X.]1 - Kuba-Therapie) die grundrechtsorientierte Auslegung auch auf wertungsmäßig vergleichbare Erkrankungen erstreckt (vgl § 2 Abs 1a [X.]; dazu Begründung des [X.]-VStG-Entwurfs, BT-Drucks 17/6906 [X.]). Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs 1 S 3 [X.] abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

Eine Erkrankung ist lebensbedrohlich, wenn sie in überschaubarer Zeit das Leben beenden kann, und dies eine notstandsähnliche Situation herbeiführt, in der Versicherte nach allen verfügbaren medizinischen Hilfen greifen müssen ([X.]E 140, 229 = [X.]-2500 § 92 [X.] 18, Rd[X.] 18). Es genügt hierfür nicht, dass die Erkrankung unbehandelt zum Tode führt. Dies trifft auf nahezu jede schwere Erkrankung ohne therapeutische Einwirkung zu (vgl zB BSG [X.]-2500 § 27 [X.] Rd[X.]4 - neuropsychologische Therapie; [X.] 115, 95 = [X.]-2500 § 2 [X.] 4, Rd[X.] 29 - [X.]). Die Erkrankung muss trotz des Behandlungsangebots mit vom Leistungskatalog der [X.] regulär umfassten Mitteln lebensbedrohlich sein. Kann einer Lebensgefahr mit diesen Mitteln hinreichend sicher begegnet werden, besteht kein Anspruch aus grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts (vgl [X.] Beschluss vom 11.4.2017 - 1 BvR 452/17 - NJW 2017, 2096 = NZ[X.]017, 582, Rd[X.] 26). Die notstandsähnliche Situation muss sich nach den konkreten Umständen des einzelnen Falles ergeben. Ein nur allgemeines mit einer Erkrankung verbundenes Risiko eines lebensgefährlichen Verlaufs genügt hierfür nicht. So reicht es zB nicht aus, dass allgemein Pneumonien unter den Infektionskrankheiten in den industrialisierten Ländern die häufigste Todesursache darstellen (vgl [X.], Klinisches Wörterbuch, 266. Aufl 2014, Stichwort Pneumonie). Die notstandsähnliche Situation muss im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegen, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (stRspr, vgl zB BSG [X.]-2500 § 31 [X.] 8 Rd[X.] - Mnesis ; [X.] vom [X.] KR 17/06 R - Juris Rd[X.] 23 = USK 2007-25 - [X.]; [X.] 100, 103 = [X.]-2500 § 31 [X.] 9, Rd[X.]2 - [X.] Öl; BSG [X.]-2500 § 13 [X.] 16 Rd[X.]4 - [X.]; [X.] vom 16.12.2008 - [X.] KN 3/[X.] R - Juris Rd[X.]2 = USK 2008-73; [X.] 115, 95 = [X.]-2500 § 2 [X.] 4, Rd[X.] 29 - [X.]; [X.] 120, 170 = [X.]-2500 § 34 [X.] 18, Rd[X.]9 - [X.]). Diese Rspr mit seinen Formulierungen hat das [X.] aufgegriffen und am Maßstab des Verfassungsrechts nicht in Zweifel gezogen ([X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 2415/13 - Juris = NJW 2014, 2176, Rd[X.] 14; [X.] Beschluss vom 11.4.2017 - 1 BvR 452/17 - NJW 2017, 2096, Rd[X.] 25 = NZ[X.]017, 582, Rd[X.] 25; [X.]E 140, 229 = [X.]-2500 § 92 [X.] 18, Rd[X.] 17, dort nur referierend). Danach muss es sich um eine durch eine nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage handeln ([X.] [X.]K 14, 46, 48 = [X.]-2500 § 31 [X.] 17 Rd[X.], Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde, nachgehend zu [X.] vom [X.] KR 17/06 R - Juris = USK 2007-25 - [X.]; [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 2415/13 - Juris = NJW 2014, 2176, Rd[X.] 14; [X.]E 140, 229 = [X.]-2500 § 92 [X.] 18, Rd[X.] 18; [X.] Beschluss vom 11.4.2017 - 1 BvR 452/17 - NJW 2017, 2096 = NZ[X.]017, 582, Rd[X.]). Erforderlich ist die Gefahr, dass die betroffene Krankheit in überschaubarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben beenden kann, sodass die Versicherten nach allen verfügbaren medizinischen Hilfen greifen müssen (vgl [X.] Beschluss vom 11.4.2017 - 1 BvR 452/17 - NJW 2017, 2096 = NZ[X.]017, 582, Rd[X.] 25).

Für die Anwendung von § 2 Abs 1a [X.] auf Sachverhalte ab 1.1.2012 gilt insoweit nichts anderes. § 2 Abs 1a [X.] enthält nach der Begründung des [X.]-VStG-Entwurfs eine Klarstellung zum Geltungsumfang des sog [X.] des [X.] vom 6.12.2005 ([X.]E 115, 25 = [X.]-2500 § 27 [X.]) für das Leistungsrecht der [X.] (BT-Drucks 17/6906 [X.]; vgl auch [X.] 120, 170 = [X.]-2500 § 34 [X.] 18, Rd[X.]9 - [X.]).

Das BSG hat dementsprechend das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden oder wertungsmäßig hiermit vergleichbaren Erkrankung ua verneint bei einem Prostatakarzinom im Anfangsstadium ohne Hinweise auf metastatische Absiedlungen (BSG [X.]-2500 § 27 [X.] 8 - Interstitielle Brachytherapie), bei einem in schwerwiegender Form bestehenden Restless-Legs-Syndrom mit massiven Schlafstörungen und daraus resultierenden erheblichen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen sowie Suizidandrohung (BSG [X.]-2500 § 31 [X.] 6 Rd[X.] 11, 18 - Cabaseril), bei [X.] Ataxie - Zunahme der Wanddicke des Herzmuskels, allgemeiner Leistungsminderung und langfristig eingeschränkter Lebenserwartung (BSG [X.]-2500 § 31 [X.] 8 Rd[X.] 17 ff - Mnesis) und bei Zungenschwellungen mit Erstickungsgefahr im Rahmen von [X.], die medikamentös mit Hilfe eines stets mitgeführten [X.] zu beherrschen waren (vgl BSG [X.]-2500 § 31 [X.], zur Veröffentlichung auch in [X.] vorgesehen, Rd[X.] 21; zustimmend [X.] Beschluss vom 11.4. 2017 - 1 BvR 452/17 - NJW 2017, 2096 = NZ[X.]017, 582). Dagegen hat es bei einem zunächst operativ und dann chemotherapeutisch behandelten Dickdarm-Karzinom, das sich bereits mindestens im [X.] befand, das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung bejaht ([X.] 96, 170 = [X.]-2500 § 31 [X.] 4, Rd[X.]0 - Tomudex; zu unabdingbaren Tatsachenfeststellungen für die Beurteilung von Art und Schwere einer Krebserkrankung vgl [X.] 97, 190 = [X.]-2500 § 27 [X.] 12, Rd[X.] 29 - [X.]; s ferner [X.] 97, 112 = [X.]-2500 § 31 [X.], dort zur pulmonalen Hypertonie Stadium NYHA IV, vom [X.] nach § 163 [X.] bindend bejaht; [X.] 115, 95 = [X.]-2500 § 2 [X.] 4, Rd[X.] 29, Zurückverweisung an das [X.] zur weiteren Aufklärung im Falle der schweren aplastischen Anämie).

b) Für den Kläger kommt nur ein Anspruch wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung in Betracht. Weder ergeben sich nach den Feststellungen des [X.] noch aus den Akten Hinweise auf eine regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit oder eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung iS eines nicht kompensierbaren Verlustes eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion (vgl Begründung des [X.]-VStG-Entwurfs, BT-Drucks 17/6906 [X.]). Der erkennende Senat kann aufgrund der Feststellungen des [X.] nicht entscheiden, dass der Kläger tatsächlich an einer lebensbedrohlichen Erkrankung im Rechtssinne leidet. Denn die getroffenen Feststellungen sind unklar und widersprüchlich. Das Revisionsgericht ist in einem solchen Fall auch ohne Rüge eines Beteiligten an die getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht gebunden (vgl § 163 [X.]; BSG [X.]-2500 § 192 [X.] 4 Rd[X.] 16). Es muss dementsprechend eine Sache, die sich nicht aus anderen Gründen als richtig erweist, in die Tatsacheninstanz zurückverweisen (vgl [X.] in Zeihe/[X.], [X.], Stand August 2017, § 163 [X.] mwN).

Das [X.] hat den oben aufgezeigten, vom erkennenden Senat in stRspr angewandten Maßstab für die Lebensbedrohlichkeit einer Erkrankung iS der grundrechtorientierten Auslegung und des § 2 Abs 1a [X.] ausdrücklich zitiert, aber hierzu widersprüchliche, unklare Feststellungen getroffen. Es hat ausgeführt, es stelle nicht allein auf die einzelnen, unzweifelhaft noch mit Antibiotika zu behandelnden Infektionen ab, sondern "auf die aus der Grunderkrankung resultierende Schwächung des körpereigenen Abwehrsystems mit der daraus resultierenden Gefahr" des Exitus "(etwa nach Sepsis)". Diese beinhalte - auch noch unter Gabe des [X.] - in Zusammenschau mit der Summe der bislang schon seit Erstdiagnose der Erkrankung im Jahr 1996 durchgemachten Infektionen die "eigentliche lebensbedrohliche Gefährdung des [X.], bei der definitiv nicht absehbar ist, ob sich ein tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen" werde. Das "Risiko mit etwaiger Todesfolge eines dauerhaften Entzugs des [X.] und der Umstellung auf eine ausschließliche Antibiotikatherapie" sei "nicht abschätzbar". Diese Feststellungen genügen nicht für die Annahme, dass dem Kläger nach den konkreten Umständen des Falles bereits droht, dass sich ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf ohne IVIG-Therapie innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird.

Entgegen der Auffassung des [X.] ist es hierbei ohne Belang, dass die Beklagte von 1998 bis 2008 die begehrte Therapie gewährt hat. Rechtlich begründet eine ggf rechtswidrige Leistung keinen Vertrauensschutz auf deren Fortsetzung. Eine Gewöhnung im Sinne einer medizinisch begründeten Abhängigkeit hat das [X.] ebenfalls nicht festgestellt.

Soweit das [X.] dem Sachverständigen Prof. Dr. G. darin gefolgt ist, dass die Erkrankung lebensbedrohlich sei, wirft dies Zweifel an der Reichweite dieser Feststellung des [X.] auf. Sie steht nicht in Einklang mit den zitierten vorangegangenen Feststellungen zum rechtsbedeutsamen Maßstab der Lebensbedrohlichkeit. Zudem hat der Sachverständige seine Auffassung allein damit begründet, dass "jede Lungenentzündung zum Tode führen kann" (Gutachten vom 19.11.2013). [X.] gilt, soweit sich das [X.] für seine Auffassung auch auf die Aussagen des den Kläger behandelnden Arztes Prof. Dr. S. gestützt hat. Allein der Umstand, dass dieser den Zustand des [X.] als lebensbedrohlich und "extrem" beschreibt, genügt nicht, ohne dass diese Bewertung durch nachvollziehbare, - vom [X.] hier nicht festgestellte - medizinische Befunde untermauert ist. Soweit das [X.] Ausführungen von Prof. Dr. S. referiert, dass sich im Zusammenhang mit den Pneumonien auch immer wieder [X.] entwickelt hätten, macht das [X.] nicht deutlich, dass es diese als festgestellt ansieht, und erst recht nicht, von welchem Begriff oder Schweregrad der Sepsis es im [X.] an Prof. Dr. S. aufgrund welcher Befunde dabei ausgeht (ältere Klassifizierungen: Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom , Sepsis, schwere Sepsis und septischer Schock; zur darauf aufbauenden [X.] vgl [X.] in [X.], [X.]: Verschlüsseln leicht gemacht, 14. Aufl 2016, [X.] ff; neuere Klassifizierungen: Sepsis-related organ failure assessment score , insbesondere für Intensivstationen, und quickSOFA außerhalb von Intensivstationen). Dies wäre umso mehr geboten gewesen, als sich in den dem [X.] vorliegenden Arztbriefen und sonstigen Befundbeschreibungen schon keine Sepsis-Diagnose und erst recht keine Beschreibung ihres Schweregrades findet.

Der erkennende Senat ist revisionsrechtlich nicht gehalten, die sich widersprechenden Feststellungen des [X.] durch eine eigene Beweiswürdigung zu ersetzen. Ausgehend von dem oben dargelegten rechtlich gebotenen Maßstab drängen sich zudem weitere Ermittlungen auf. So hat das [X.] genaue Feststellungen weder zu konkreten Umständen getroffen, die Aufschluss über die konkrete Lebensbedrohlichkeit früherer stationär behandelter Pneumonien geben, noch etwa zu konkreten Umständen, die Aussagen zum Ausmaß der Überlebenswahrscheinlichkeit des [X.] bezogen auf die Grunderkrankung mit und ohne [X.] erlauben. Hierzu liegt nahe, die vollständigen Behandlungsunterlagen über den Kläger zumindest der letzten 15 Jahre beizuziehen und auf dieser Grundlage ergänzend Beweis durch Sachverständige zu erheben.

c) Es fehlen auch Feststellungen des [X.] dazu, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung - wie die verabreichte prophylaktische Antibiotikatherapie - nicht als Standardtherapie zur Verfügung steht. Zudem fehlt es an ausdrücklichen Feststellungen dazu, dass unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bei der vor der Behandlung erforderlichen sowohl abstrakten als auch speziell auf den Versicherten bezogenen konkreten Analyse und Abwägung von Chancen und Risiken der voraussichtliche Nutzen überwiegt. Auch fehlen Feststellungen dazu, dass die - in erster Linie fachärztliche - Behandlung auch im Übrigen den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend durchgeführt und ausreichend dokumentiert wird und worden ist (vgl [X.] 96, 170 = [X.]-2500 § 31 [X.] 4, Rd[X.] 23 ff - Tomudex).

4. Das [X.] wird die gebotenen Feststellungen nachzuholen haben.

5. Die Kostenentscheidung bleibt dem [X.] vorbehalten.

Meta

B 1 KR 4/17 R

20.03.2018

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hannover, 23. September 2014, Az: S 39 KN 47/09 KR, Urteil

Art 2 Abs 1 GG, Art 2 Abs 2 S 1 GG, Art 20 Abs 1 GG, § 2 Abs 1 S 3 SGB 5, § 2 Abs 1a SGB 5, § 12 Abs 1 SGB 5, § 27 Abs 1 S 1 SGB 5, § 27 Abs 1 S 2 Nr 3 Fallgr 3 SGB 5, § 31 Abs 1 S 1 SGB 5, § 35c Abs 1 SGB 5, § 35c Abs 2 SGB 5, § 92 Abs 1 S 1 SGB 5, § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB 5, Anl 6 AMRL, Abschn K AMRL, § 21 Abs 1 AMG 1976

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 20.03.2018, Az. B 1 KR 4/17 R (REWIS RS 2018, 12035)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12035

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1 BvR 452/17

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