Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2012, Az. IX ZB 245/10

9. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5611

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Gegenstand

Vollstreckbarerklärungsverfahren: Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers; Beschränkung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel auf Teile des Urteils; französisches Garantieurteil


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 27. Oktober 2010 wird auf Kosten der Antragsgegnerin als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 161.194 € festgesetzt.

Gründe

1

Die statthafte Rechtsbeschwerde (§ 15 Abs. 1 [X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) ist unzulässig, weil sie keinen [X.] aufdeckt (§ 15 Abs. 1, § 16 Abs. 2 Satz 2 [X.], § 574 Abs. 2, § 575 Abs. 3 ZPO).

2

1. Richtig ist allerdings, dass für eine Vollstreckbarerklärung nach Art. 38 ff EuGVVO das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn für die Entscheidung bereits eine Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel vorliegt ([X.], Beschluss vom 4. Februar 2010 - [X.], [X.], 433 Rn. 10). Der Gläubiger hat zwar nach Art. 27 [X.] die Wahl, ob er nach dieser Verordnung oder nach Art. 38 ff EuGVVO vorgeht (vgl. Erwägungsgrund 20 zur [X.]). Hat er die Vollstreckbarkeit nach einer der beiden Möglichkeiten erwirkt, fehlt für die Erwirkung der Vollstreckbarkeit auch nach der anderen Möglichkeit grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis.

3

Das Beschwerdegericht hat sich mit dieser Frage zwar nicht befasst. Das rechtliche Gehör der Antragsgegnerin ist hierdurch jedoch nicht verletzt worden. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass sie selbst das Beschwerdegericht auf die Rechtsfrage hingewiesen hätte. Ein Übergehen des Vorbringens der Antragstellerin könnte das rechtliche Gehör der Antragsgegnerin ohnehin nicht verletzen. Darauf beruht die Entscheidung jedenfalls nicht. Zudem erfordert die Rechtssache insoweit auch keine Fortbildung des Rechts.

4

Aus dem Sachvortrag der Parteien und den vorgelegten Urkunden ergibt sich zwar, dass das Urteil des Handelsgerichts [X.] von diesem als [X.] Vollstreckungstitel anerkannt worden ist. Eine Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel kann jedoch gemäß Art. 8 [X.] auf Teile des Urteils beschränkt werden. Das liegt insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden nahe, in denen bei zwei Beklagten die Voraussetzungen der Bestätigung nach Art. 3, 6 [X.] nur hinsichtlich eines Beklagten vorliegen. Bei der Antragsgegnerin, die sich gegen die Klage verteidigt hatte, lagen diese Voraussetzungen nicht vor. Dass das Handelsgericht [X.] gleichwohl auch gegenüber der Antragsgegnerin die Bestätigung erteilt hätte, hat diese nicht dargelegt, obwohl sie hierfür die Darlegungslast trägt (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Dezember 2007 - [X.], NJW-RR 2008, 586 Rn. 26; vom 8. März 2012 - [X.] 144/10, [X.], 662 Rn. 17). Die Anerkennungsentscheidung wurde nicht vorgelegt.

5

Die Frage, ob die Bestätigung eines Urteils als [X.] Vollstreckungstitel immer alle (verurteilten) Beklagten betrifft, ist im Hinblick auf § 8 [X.] nicht klärungsbedürftig und zu verneinen. Ob eine solche Bestätigung auch für und gegen etwaige Rechtsnachfolger wirkt, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, weil von einer Bestätigung hinsichtlich der Antragsgegnerin nicht ausgegangen werden kann.

6

2. Das Garantieurteil gegen die Antragsgegnerin beruht nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] auf Art. L 124-3 code des [X.], wonach dem Geschädigten ein Direktanspruch gegen die Antragsgegnerin als Haftpflichtversicherer der Hauptschuldnerin zuerkannt wurde. Aus der Rechtsnatur als Direktanspruch ergibt sich, dass die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin, nicht etwa gegenüber der Hauptschuldnerin verpflichtet wurde. Da jene ebenfalls verurteilt wurde, kann die Verpflichtung nur neben jener Verurteilung bestehen und eine vorherige Zwangsvollstreckung gegen die Mitverpflichtete nicht erforderlich sein.

7

Auch wenn hier, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend aufzeigt, kein Fall einer Gewährleistungs- oder Interventionsklage nach Art. 65 Abs. 1, Art. 6, Art. 11 Abs. 1 EuGVVO vorlag, ist doch auch ein [X.] Garantieurteil der vorliegenden Art wie ein Zahlungstitel für vollstreckbar zu erklären (vgl. [X.], [X.] 1995, 391, 393; [X.], [X.] 1998, 478; [X.], [X.] 1995, 362, 363; Reinmüller, [X.] 1998, 460, 461; Kropholler/v. [X.], Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 38 [X.] Rn. 7; [X.]/[X.], ZPO, 3. Aufl., Art. 38 EuGVVO Rn. 9). [X.] besteht insoweit nicht.

8

3. Die Entscheidung des [X.] verstößt auch nicht gegen das Willkürverbot. Das ergibt sich hinsichtlich der schon angesprochenen Fragen aus dem Ausgeführten. Hinsichtlich der Person der Beteiligten hat das Beschwerdegericht ohne Willkürverstoß angenommen, dass diese mit den Parteien des Urteils des Handelsgerichts [X.] identisch sind.

9

4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 17 Abs. 2 [X.], § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

Kayser                                    Gehrlein                                    Vill

                      Lohmann                                       Fischer

Meta

IX ZB 245/10

14.06.2012

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Celle, 27. Oktober 2010, Az: 8 W 15/10

Art 3 EGV 805/2004, Art 6 EGV 805/2004, Art 8 EGV 805/2004, Art 27 EGV 805/2004, Art L 124-3 VersG FRA, Art 38 EGV 44/2001, Art 38ff EGV 44/2001

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2012, Az. IX ZB 245/10 (REWIS RS 2012, 5611)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5611

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