Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.02.2010, Az. IX ZB 57/09

9. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9669

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile: Erledigung der Hauptsache; Zulässigkeit bei Vorliegen einer Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel


Leitsatz

1. Im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels kommt eine Erledigung der Hauptsache allenfalls in Betracht, wenn sich das erledigende Ereignis erst im Beschwerderechtszug verwirklicht .

2. Eine Vollstreckbarerklärung auf der Grundlage der EuGVVO scheidet aus, wenn eine Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel vorliegt .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 20. Januar 2009 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert wird auf 61.074,98 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller hat die Erteilung der Vollstreckungsklausel für eine in [X.] gegen die Antragsgegnerin erwirkte gerichtliche Entscheidung begehrt, die einen Kostenfestsetzungsbeschluss zum Gegenstand hat. Diesen Antrag hat der Antragsteller für erledigt erklärt, weil ihm zwischenzeitlich in [X.] bestätigt worden sei, dass es sich bei der Entscheidung um einen [X.] Vollstreckungstitel handele.

2

Das [X.] hat dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt. Mit seiner dagegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat er beantragt, die Erledigung der Hauptsache festzustellen, und den Hilfsantrag gestellt, die [X.] Entscheidung für vollstreckbar zu erklären. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde unter gleichzeitiger Ablehnung des [X.] zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.

II.

3

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 15 Abs. 1 [X.] statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO), bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.

4

1. Das [X.] hat ausgeführt, weder das [X.] noch die [X.] sähen die Möglichkeit einer Erledigungserklärung vor. Die insoweit im [X.] Zivilprozessrecht entwickelten Grundsätze seien auf das Antragsverfahren nach Art. 38 [X.] nicht übertragbar. Vielmehr könne der Antragsteller lediglich seinen Antrag zurücknehmen und die damit verbundenen Kosten im Vollstreckungsverfahren nach § 788 ZPO geltend machen. Der Hilfsantrag sei unzulässig, weil der Antragsteller zwischenzeitlich über einen Titel verfüge, aus dem er in [X.] vollstrecken könne. Mithin scheide eine Vollstreckbarerklärung nach [X.] und [X.] aus.

5

2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand.

6

a) Eine Feststellung der Erledigung scheidet aus, weil sich das aus Sicht des Antragstellers erledigende Ereignis bereits in dem nicht kontradiktorischen Verfahren vor dem [X.] verwirklicht hat.

7

aa) Die Vorschriften der §§ 91 ff ZPO sind in allen kontradiktorischen Verfahren anwendbar, in denen eine Kostengrundentscheidung zu ergehen hat ([X.], 378, 381 Rn. 7). Das Antragsverfahren vor dem [X.] ist mangels einer Beteiligung des Antraggegners (§ 6 Abs. 1 [X.]) einseitig. Folglich kommt im erstinstanzlichen Verfahren eine einseitige Erledigungserklärung durch den Antragsteller nicht in Betracht ([X.] 1998, 255, 256). [X.] Charakter erlangt das Verfahren erst mit der Beschwerde eines Beteiligten (§ 11 Abs. 4 [X.]). Bei dieser Sachlage kann der Antragsteller das Verfahren allenfalls mit Rücksicht auf während des [X.] vorgefallene Umstände für erledigt erklären (Hau, aaO; [X.]/Mankowski, [X.]. Art. 40 [X.] I-VO Rn. 5; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht 3. Aufl. Art. 38 [X.] Rn. 15; [X.]/[X.], 3. Aufl. § 91a Rn. 136; vgl. auch OLG Düsseldorf IPRax 1998, 279, 280; OLG Zweibrücken OLG-Report 1998, 414; [X.] [X.]. 1998, 391 f; [X.] NJW 1987, 2165 f; [X.] 1989, 568; [X.]/Vollkommer, ZPO 28. Aufl. § 91a Rn. 7, 58 "Ausländisches Urteil").

8

bb) Es kann dahinstehen, ob hier eine Erledigung oder eine Verfahrensüberholung eingetreten ist. Jedenfalls ist im Streitfall die vermeintliche Erledigung infolge der Bestätigung der Entscheidung als [X.] Vollstreckungstitel bereits im Verfahren vor dem [X.] eingetreten. Da die Antragsgegnerin in diesem Verfahrensabschnitt noch nicht zu beteiligen war (§ 6 Abs. 1 [X.]), konnte das [X.] in dem einseitigen Verfahren eine Feststellung der Erledigung nicht aussprechen. Folglich war der Antrag mit der Kostenfolge des § 8 Abs. 2 [X.] abzulehnen.

9

b) Auch der Hilfsantrag ist unbegründet. Die Vollstreckbarkeit nach dem [X.] steht einem Antrag im Rahmen der [X.] entgegen.

Ist - wie im Streitfall - eine Entscheidung als [X.] Vollstreckungstitel bestätigt worden, scheidet eine Vollstreckbarerklärung nach Maßgabe der [X.] aus. Art. 27 [X.] lässt dem Gläubiger grundsätzlich die Möglichkeit, anstelle einer Bestätigung die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung nach der [X.] zu betreiben. Diese Regelung geht auf Nr. 20 der Erwägungsgründe (abgedruckt bei [X.]/Halfmeier, ZPO 2009 Anhang nach § 1086) zurück, wonach es dem Gläubiger freisteht, eine Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel zu beantragen oder sich für das Anerkennungsverfahren nach der [X.] zu entscheiden. Insoweit kann dahin stehen, ob der Gläubiger berechtigt ist, gleichzeitig beide Verfahren einzuleiten (in diesem Sinne Wagner [X.] 2005, 189, 190; [X.]/Halfmeier, aaO Art. 27 [X.] Rn. 1) oder - was nach dem Inhalt des [X.] näher liegt - erst nach erfolgloser Durchführung des einen auf das andere Verfahren überwechseln kann. Falls jedoch die Vollstreckbarkeit entweder auf der Grundlage der [X.] oder der [X.] erwirkt wurde, ist es dem Antragsteller grundsätzlich mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses versagt, zusätzlich in dem anderen Verfahren einen Vollstreckungstitel zu erlangen (Wagner, aaO, Kropholler, [X.]. Art. 27 [X.] Rn. 1; Musielak/[X.], ZPO 7. Aufl. Art. 27 [X.] Rn. 1; aA [X.]/Pabst, aaO Art. 27 [X.] Rn. 10). Auf diese Weise ist der - auch von der Gegenauffassung erkannten ([X.]/Papst, aaO) - Gefahr vorzubeugen, dass gegen den Antragsgegner wegen eines identischen Anspruchs aus mehreren Titeln vollstreckt wird. Ob in Ausnahmefällen eine andere Bewertung durchgreift, kann dahin stehen. Denn der Antragsteller hat ein anerkennenswertes Interesse, das Verfahren der [X.] durchzuführen, nicht dargelegt.

Kayser                            Gehrlein                             Fischer

                    Pape                                  Grupp

Meta

IX ZB 57/09

04.02.2010

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Dresden, 20. Januar 2009, Az: 3 W 1182/08, Beschluss

Art 38 EGV 44/2001, Art 38ff EGV 44/2001, § 6 Abs 1 AVAG, Art 27 EGV 805/2004

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.02.2010, Az. IX ZB 57/09 (REWIS RS 2010, 9669)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9669

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZB 57/09 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 245/10 (Bundesgerichtshof)

Vollstreckbarerklärungsverfahren: Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers; Beschränkung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel auf Teile des Urteils; französisches …


IX ZB 245/10 (Bundesgerichtshof)


34 Wx 401/15 (OLG München)

Eintragung einer Zwangssicherungshypothek aufgrund eines österreichischen Titels


VII ZB 28/13 (Bundesgerichtshof)

Europäischer Vollstreckungstitel: Zur Frage der ordre public-Überprüfung im Vollstreckungsstaat


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.