Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.12.2013, Az. X R 39/10

10. Senat | REWIS RS 2013, 325

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen wegen eines Sanierungsgewinns - rechtlicher Hinweis nach § 76 Abs. 2 FGO - Die Entscheidung wurde nachträglich zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; sie war seit dem 5.3.2014 als NV-Entscheidung abrufbar)


Leitsatz

1. Bei einem Einzelunternehmer kann die Prüfung der Sanierungsbedürftigkeit nicht auf die Wirtschaftslage des Unternehmens beschränkt werden. Vielmehr ist auch die private Leistungsfähigkeit des Unternehmers einschließlich seines Privatvermögens zu beleuchten, da eine Krise im privaten Bereich eine Unternehmenskrise verstärken kann. Dies bedeutet, dass der Einzelunternehmer vorhandenes Privatvermögen zur Lösung der Unternehmenskrise einsetzen muss.

2. Ein rechtlicher Hinweis, den das FG in der mündlichen Verhandlung erteilt, stellt einen wesentlichen Vorgang der Verhandlung dar und ist deshalb protokollierungspflichtig (§ 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO).

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2005 zur Einkommensteuer [X.]. Der Kläger betreibt eine Handelsvertretung, den Gewinn ermittelt er durch [X.]. Der Gewinn 2005 in Höhe von 454.118 € enthielt einen außerordentlichen Ertrag in Höhe von 511.608,13 €, der aus einem teilweisen Darlehensverzicht der A-[X.]ank resultierte. Hierzu war es wie folgt gekommen:

2

[X.] errichtete der Kläger auf dem Grundstück [X.] ein Einfamilienhaus. Im Rahmen des [X.] entnahm er seinem Unternehmen finanzielle Mittel für den Hausbau und finanzierte anschließend den betrieblichen Mittelbedarf in Höhe eines [X.]etrags von 3.065.000 DM über mehrere Darlehen bei der A-[X.]ank. Die Darlehen wurden durch Grundschulden sowie mehrere Lebensversicherungen gesichert. [X.] erfolgten erste Umfinanzierungen, da der Kläger --bedingt durch rückläufige betriebliche Erträge, steigende betriebliche Kosten und hohe [X.] die [X.] gegenüber der A-[X.]ank nur noch schwer leisten konnte.

3

Nachdem der Kläger aufgrund eines stetigen Rückgangs der betrieblichen Erträge mit [X.]eginn des Jahres 2002 seine Verpflichtungen gegenüber der A-[X.]ank nicht mehr rechtzeitig und vollständig erfüllen konnte, kündigte diese am 17. Juli 2002 die Darlehen. Der Kläger leistete zunächst keine Rückzahlungen. Die A-[X.]ank betrieb daraufhin aufgrund eines [X.]eschlusses des [X.] aus April 2003 die Zwangsvollstreckung in das Grundstück [X.], deren Vollziehung gegen [X.] Zahlungen des [X.] von monatlich 6.000 € ausgesetzt wurde. Der [X.]eleihungswert der Immobilie [X.] wurde zu dieser [X.] auf 950.000 € geschätzt.

4

Der Kläger führte ab dem Frühjahr des Jahres 2004 Verhandlungen mit der A-[X.]ank und der [X.], die der Umfinanzierung der Verbindlichkeiten und der Vermeidung der Zwangsvollstreckung in die Immobilie [X.] dienten. Ein Sanierungsplan wurde nicht aufgestellt. Ende des Jahres 2004 kamen der Kläger und die Kreditinstitute überein, dass fortan die Sparkasse die Finanzierung übernehmen würde. Diese gewährte dem Kläger zwei Darlehen in Höhe von insgesamt 1,1 Mio. €, die in Höhe von 920.000 € zur Kredittilgung an die A-[X.]ank flossen. Zudem verwertete der Kläger drei Lebensversicherungen und verwandte die Erlöse in Höhe von 231.388 € ebenfalls zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten bei der A-[X.]ank. Im Gegenzug verpflichtete sich diese, die zu ihren Gunsten bestellten Grundschulden an die Sparkasse abzutreten und die restlichen [X.] des [X.] zu erlassen. Im Januar 2005 bestätigte die A-[X.]ank, dass nach Zahlungseingang die Grundpfandrechte an die Sparkasse abgetreten und keine weiteren Ansprüche gegen den Kläger geltend gemacht würden.

5

Die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2005 erfolgte im Wesentlichen erklärungsgemäß und ist bestandskräftig. Im März 2007 beantragten die Kläger unter [X.]ezugnahme auf das Schreiben des [X.]undesministeriums der Finanzen ([X.]MF) vom 27. März 2003 IV A 6 [X.] 2140- 8/03 ([X.]St[X.]l I 2003, 240), den Sanierungsgewinn nicht der [X.]esteuerung zu unterwerfen und die Einkommensteuer 2005 aus [X.]illigkeitsgründen gemäß § 163 der Abgabenordnung ([X.]) entsprechend herabzusetzen. Der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) lehnte diesen Antrag ab.

6

Das Einspruchsverfahren gegen den Ablehnungsbescheid blieb ohne Erfolg. Das [X.] war der Auffassung, zwar sei nicht auszuschließen, dass die A-[X.]ank in [X.] gehandelt habe. Das Unternehmen des [X.] sei aber weder sanierungsbedürftig noch der [X.] zu dessen Sanierung geeignet gewesen.

7

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 644 veröffentlichten Gründen ab. Das [X.] habe ermessensfehlerfrei entschieden, dass die Voraussetzungen für eine abweichende Steuerfestsetzung aus [X.]illigkeitsgründen (§ 163 [X.]) wegen sachlicher Unbilligkeit nicht gegeben seien. Die Kläger hätten nicht substantiiert dargelegt, dass die [X.]etriebssubstanz des Unternehmens ohne den [X.] der A-[X.]ank nicht hätte erhalten werden können, mithin sanierungsbedürftig gewesen sei. Zu berücksichtigen sei dabei u.a., dass die Handelsvertretung als solche trotz rückläufiger Umsätze profitabel gewesen und die Krisensituation der Kläger vordergründig privat veranlasst sei. Ihr überwiegendes Privatvermögen in Gestalt der Immobilie [X.] hätten diese bei ihren Lösungsversuchen aber verschont. Zudem lägen keine überzeugenden Anhaltspunkte für ein Handeln der A-[X.]ank in [X.] vor. Ob der [X.] der A-[X.]ank geeignet gewesen sei, eine Sanierung des Unternehmens zu bewirken, bedürfe nach alledem keiner Entscheidung mehr.

8

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das [X.] habe in rechtsfehlerhafter Auslegung und Anwendung des § 163 Satz 1 [X.] das Vorliegen eines Sanierungsgewinns verneint. Das [X.]-Urteil verletze zudem den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, da es zum einen eine unzulässige Überraschungsentscheidung darstelle, weil das [X.] dort ausführe, die Kläger hätten die Voraussetzungen der Sanierungsbedürftigkeit und der [X.] nicht substantiiert dargelegt. Hiermit hätten sie nach dem [X.] nicht rechnen müssen. Zum anderen habe das [X.] gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen, weil es angebotene [X.]eweise nicht erhoben habe.

9

Die Kläger beantragen, das [X.]-Urteil, den Ablehnungsbescheid vom 12. Juli 2007 sowie die Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2008 aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, im Wege der [X.]illigkeit den außerordentlichen Ertrag in Höhe von 511.608,13 € bei der Ermittlung der Einkommensteuer für das [X.] außer Ansatz zu lassen.

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass die Ablehnung des Billigkeitsantrags durch das [X.] nicht ermessensfehlerhaft war. Erst recht steht den Klägern kein Anspruch auf die begehrte abweichende Festsetzung der Einkommensteuer aus Billigkeitsgründen zu.

1. Nach § 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen bei der Festsetzung der Steuern unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Der Zweck des § 163 AO liegt darin, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalles, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrags insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen (Urteil des [X.] --BFH-- vom 20. September 2012 IV R 29/10, [X.], 518, [X.], 505, m.w.N.).

2. Die Entscheidung über die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung (§ 5 AO), die von den Gerichten nur in den von § 102 [X.]O --ggf. i.V.m. § 121 Satz 1 [X.]O-- gezogenen Grenzen überprüft werden kann (Beschluss des Gemeinsamen [X.]s der obersten Gerichtshöfe des [X.] vom 19. Oktober 1971 [X.] 3/70, [X.], 101, [X.] 1972, 603). Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Nur ausnahmsweise kann das Gericht eine Verpflichtung zum Erlass aussprechen (§ 101 Satz 1 i.V.m. § 121 [X.]O), wenn der Ermessensspielraum derart eingeschränkt ist, dass nur eine einzige Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt (Ermessensreduzierung auf Null; ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]surteil vom 14. Juli 2010 [X.], [X.], 502, [X.] 2010, 916).

3. Für den Erlass von [X.] aus sachlichen Billigkeitsgründen hat das [X.] im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder eine Verwaltungsvorschrift in [X.], 240 erlassen, die die Anwendung der [X.] in diesen Fällen vereinheitlichen soll. Dies hat der erkennende [X.] im Hinblick auf den Willen des Gesetzgebers, nach dem der Besteuerung von [X.] trotz Aufhebung des § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. vor Aufhebung dieser Norm durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform (EStG a.F.) vom 29. Oktober 1997 ([X.] 1997, 2590) in begründeten Härtefällen durch eine Billigkeitsmaßnahme begegnet werden könne, im Grundsatz nicht beanstandet (vgl. im Einzelnen die Begründung in [X.], 502, [X.] 2010, 916, unter [X.] und [X.]. [X.]). Hierdurch ist der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht tangiert (vgl. die Ausführungen im [X.]surteil in [X.], 502, [X.] 2010, 916, unter [X.]; zweifelnd [X.] vom 28. Februar 2012 VIII R 2/08, [X.], 1135).

4. Ob die möglichen Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung im [X.]-Schreiben in [X.], 240 gemessen an der Intention des Gesetzgebers zu weit reichen, braucht der [X.] nicht zu entscheiden, da schon die von der Verwaltung selbst formulierten Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt sind. Eine auf sachlichen Gründen beruhende Billigkeitsmaßnahme ist damit ausgeschlossen (so bereits [X.]surteil in [X.], 502, [X.] 2010, 916, unter B.II.6.).

Nach der Verwaltungsanweisung in [X.], 240 ist eine Billigkeitsmaßnahme möglich in Fällen einer unternehmensbezogenen Sanierung, d.h. einer Maßnahme, die darauf gerichtet ist, ein Unternehmen oder einen Unternehmensträger (juristische oder natürliche Person) vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen (vgl. [X.]-Schreiben in [X.], 240, Tz 1). Erhöht sich das Betriebsvermögen dadurch, dass Schulden zum Zwecke der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, ist ein begünstigter Sanierungsgewinn anzunehmen, wenn kumulativ das Unternehmen sanierungsbedürftig und sanierungsfähig sowie der [X.] zur Sanierung geeignet ist und die Gläubiger in [X.] handeln (vgl. [X.]-Schreiben in [X.], 240, Tz 3 und 4). Damit knüpft die Billigkeitsmaßnahme an die von der Rechtsprechung in der Vergangenheit --insbesondere zu § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] entwickelten Voraussetzungen für das Vorliegen eines Sanierungsgewinns an.

5. Das [X.] hat das Vorliegen eines begünstigten Sanierungsgewinns, der nach dem [X.]-Schreiben in [X.], 240 Voraussetzung für eine Billigkeitsmaßnahme ist, zutreffend verneint. Zunächst ist die Würdigung des [X.], im Streitfall sei bereits keine [X.] gegeben, revisionsrechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden (hierzu unter a). Es fehlt zudem an der Sanierungseignung des [X.] (hierzu unter b). Die ablehnende Ermessensentscheidung des [X.] ist deshalb vom [X.] zu Recht nicht beanstandet worden.

a) Ob ein Unternehmen sanierungsbedürftig ist, richtet sich bei einem Einzelunternehmer danach, ob infolge der Überschuldung die Existenz des Unternehmens derart bedroht ist, dass es ohne den [X.] nicht ertragbringend weitergeführt werden kann.

[X.]) Maßgebend sind die Gesamtumstände. Zu überprüfen ist für den Zeitpunkt des [X.]es nicht nur die Ertragslage, das Verhältnis der flüssigen Mittel zur Höhe der Schuldenlast und die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens und etwa vorhandener weiterer Unternehmen des Unternehmers, sondern auch die Höhe dessen Privatvermögens (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 129/85, [X.], 39, [X.] 1990, 955). Da Gläubiger des [X.] unabhängig von der Zuordnung ihrer Forderungen sowohl auf das Betriebsvermögen wie auch auf das Privatvermögen Zugriff nehmen können, ist in die Prüfung der [X.] des Unternehmens außer dem positiven auch das überschuldete und ertraglose Privatvermögen einzubeziehen, das die Leistungsfähigkeit des Unternehmens beeinträchtigt und möglicherweise zur nachhaltigen Zahlungsunfähigkeit des Unternehmers führt (BFH-Urteil vom 22. April 1998 XI R 48/95, [X.] 1998, 1214).

[X.]) Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Verneinung der [X.] des Unternehmens revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

(1) Allerdings vermag der erkennende [X.] der Auffassung des [X.] nicht zu folgen, wonach im Streitfall keine Anzeichen dafür erkennbar seien, dass die unternehmerische Existenz des Klägers ohne den [X.] nicht gefährdet gewesen sei.

So waren nach den Feststellungen des [X.] bereits im Jahr 2000 Umfinanzierungen erforderlich, da der Kläger --bedingt durch rückläufige betriebliche Erträge, steigende betriebliche Kosten und hohe [X.] die [X.] gegenüber der [X.] nur noch schwer leisten konnte. [X.] kam es zu einem weiteren erheblichen Umsatzrückgang, so dass der Kläger seine Verpflichtungen gegenüber der [X.] erneut nicht mehr rechtzeitig und vollständig erfüllen konnte, was zur Kündigung sämtlicher Darlehen führte. Dies konnte der Kläger nicht verhindern, obwohl er in diesem Jahr infolge von Ausgleichszahlungen nach § 89b des Handelsgesetzbuchs in Höhe von ca. 452.000 € noch einen Gewinn von knapp 289.000 € erwirtschaftete. Gerade das Gebrauchmachen der Hausbank von ihrem außerordentlichen Kündigungsrecht ist ein gravierendes Indiz dafür, dass eine Unternehmenskrise sich bereits nach außen sichtbar manifestiert hat. Durch die Kündigung des [X.] wird die Liquiditätskrise zudem weiter verstärkt. Ohne eine Umfinanzierung oder anderweitige Einigung mit der Bank droht in diesen Fällen regelmäßig die Zahlungsunfähigkeit.

[X.] gingen die Umsätze nochmals zurück; der Gewinn betrug nur noch etwas über 22.000 €. Zwar kam es im [X.] wieder zu einer Umsatz- und Gewinnsteigerung. Trotz des Gewinns in Höhe von ca. 116.000 € musste der Kläger jedoch die zur Abwendung der von der [X.] eingeleiteten Zwangsvollstreckung in die Immobilie B vereinbarten Zahlungen von zunächst 6.000 € auf 3.000 € reduzieren.

Nicht nachvollziehbar ist zudem die Annahme des [X.], das Unternehmen wäre im Streitjahr 2005 ohne den Forderungsverzicht nicht in die Verlustzone geraten; das Gegenteil wäre der Fall gewesen. Ferner ist anzunehmen, dass der Kläger für das Weiterbestehen seiner Handelsvertretung auf Bankkredite angewiesen war.

(2) Entgegen der Auffassung des [X.] kommt es für die Frage der [X.] bei einem Einzelunternehmen nicht allein darauf an, dass dieses bislang in der Lage war, seine betrieblichen Aufwendungen einschließlich der betrieblich bedingten Zinsen bedienen zu können. Infolge der umfassenden persönlichen Haftung des Betriebsinhabers ist vielmehr entscheidend, dass die (verbleibende) Liquidität auch ausreicht, um dessen Lebenshaltung zu gewährleisten sowie ggf. vorhandene private Verbindlichkeiten zu bedienen. Ein Unternehmen kann insbesondere auch dann sanierungsbedürftig sein, wenn --wie im [X.] die unternehmerische Krise durch eine Krise im privaten Bereich verstärkt wird. So führen hohe Privatentnahmen, die ihre Ursache beispielsweise in einem (zu) hohen Lebensstandard haben, häufig trotz einer noch zufriedenstellenden Ertragssituation im Unternehmen zu einer Liquiditätsbelastung, die in Liquiditätsengpässen münden kann. Auch private finanzielle Engagements (z.B. Eigenheim) erfordern zur Abdeckung regelmäßige Liquiditätsentnahmen aus dem Unternehmen, die in Zeiten rückläufiger Erträge nicht mehr vom Betrieb erwirtschaftet werden können. Erforderlich ist nach der Rechtsprechung allerdings, dass der Einzelunternehmer in seiner Existenz als Unternehmer bedroht ist, d.h. durch die Überschuldung des Betriebs- und des Privatvermögens muss der Zusammenbruch des Unternehmens drohen (vgl. BFH-Urteil in [X.] 1998, 1214).

In solch einem Fall einer durch das Zusammenspiel von betrieblichen (z.B. Wegfall von Einnahmen, steigende Kosten) und persönlichen Faktoren (hoher Lebensstandard und dadurch hohe Privatentnahmen, private Verschuldung) bedingten Unternehmenskrise stellt sich --neben der Heranziehung des [X.] vielmehr verstärkt die Frage, ob die von dem Steuerpflichtigen ergriffenen Maßnahmen zur Sanierung geeignet sind.

(3) Haften natürliche Personen für die Unternehmensverbindlichkeiten, so lehnt die Rechtsprechung eine krisenbedingte [X.] gleichwohl ab, wenn durch Heranziehen des Privatvermögens die Verpflichtungen erfüllt werden können (z.B. BFH-Urteil vom 27. Januar 1998 VIII R 64/96, [X.], 12, [X.] 1998, 537, unter [X.] und m.w.N.). Allein der Austausch eines Gläubigers unter Weitergabe von Sicherheiten an Gegenständen des Privatvermögens --wie im [X.] stellt indes keinen Beitrag des Steuerpflichtigen zur Sanierung dar. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass er der Weitergabe der Sicherheit von dem alten an den neuen Gläubiger zustimmen muss.

Nach den Feststellungen des [X.] haben die Kläger ihr wesentliches Privatvermögen --nämlich die Immobilie B mit einem Beleihungswert von 950.000 € sowie weitere [X.] vom Einsatz für eine Schuldentilgung verschont. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang einwenden, es sei reine Spekulation, ob ein freihändiger Verkauf angesichts der Besonderheiten des Objekts B überhaupt erfolgversprechend gewesen wäre, vermag dies eine [X.] nicht zu begründen. Die Kläger haben --soweit ersichtlich-- noch nicht einmal konkrete Versuche unternommen, mit dem Verkauf der Immobilien die bestehenden Verbindlichkeiten abzulösen oder zumindest auf ein erträgliches Maß zurückzuführen, um so die Liquidität wieder herzustellen. Ihre Annahme, der Finanzbedarf habe nicht auf diese Weise gedeckt werden können, ist damit ebenfalls reine Spekulation. Da die [X.] objektiv bestehen und vom Schuldner nachgewiesen werden muss (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1963 I 375/60 U, [X.], 327, [X.]I 1964, 128), kommt es auch nicht darauf an, ob die [X.] als Gläubigerin einen freihändigen Verkauf der Immobilie(n) für erfolgversprechend hielt oder nicht.

b) Zwar hat das [X.] die Sanierungseignung --anders als das [X.] in der [X.] dahinstehen lassen, die getroffenen Feststellungen reichen jedoch aus, um auch dieses Merkmal zu verneinen.

[X.]) Die Sanierungseignung des [X.]es erfordert, dass dieser allein oder zusammen mit anderen Maßnahmen das Überleben des Betriebes herbeizuführen geeignet ist (vgl. BFH-Urteil vom 22. Januar 1985 VIII R 37/84, [X.], 420, [X.] 1985, 501). Ein steuerfreier Sanierungsgewinn liegt nicht vor, wenn der [X.] das sanierungsbedürftige Unternehmen zwar vor dem Zusammenbruch bewahrt, hierdurch jedoch die Ertragsfähigkeit nicht wiederhergestellt wird (BFH-Urteil vom 25. Februar 1972 VIII R 30/66, [X.], 260, [X.] 1972, 531). In diesem Zusammenhang ist zu untersuchen, welche Zahlungsverpflichtungen das Unternehmen im Zeitpunkt des [X.]es hat, wie weit diese Verpflichtungen aus dem laufenden Geschäft erfüllt werden können und ob nach Fortfall der erlassenen Schulden die Zahlungsfähigkeit als gesichert angesehen werden kann ([X.] vom 17. Februar 1999 IV B 153/97, [X.] 1999, 929).

[X.]) Dies ist aufgrund der von dem [X.] getroffenen Feststellungen zu verneinen. Auch nach dem teilweisen [X.] im Rahmen der Umschuldung kann nicht davon ausgegangen werden, die Lage der Kläger insgesamt, also die durch die Krise im privaten Bereich verstärkte Unternehmenskrise, habe sich so entspannt, dass eine gesicherte Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit erreicht worden wäre. So wurde durch den teilweisen Darlehensverzicht der [X.] die jährliche Zinslast lediglich geringfügig gesenkt. Das Unternehmen blieb durch die nun von der Sparkasse gewährten Darlehen in Höhe von 1,1 Mio. € weiter hoch belastet. Die Kläger haben nicht dargetan, dass und aus welchen Gründen im Zeitpunkt des [X.] davon ausgegangen werden konnte, das Unternehmen werde durch den Erlass wieder ausreichend ertragsfähig. Auch ist objektiv nicht erkennbar, wie sich die finanzielle Gesamtsituation der Kläger allein durch die Umschuldung und ohne weitere, begleitenden Maßnahmen wesentlich verbessern sollte.

Die Kläger haben ersichtlich ohne Erstellung eines fundierten Sanierungsplans gehandelt. Dass sie konkrete Maßnahmen zur Beseitigung der Krise im privaten Bereich getroffen, insbesondere ihr Ausgabeverhalten an die über die Jahre veränderten Rahmenbedingungen angepasst hätten, haben sie nicht dargelegt. Der [X.] hat zwar zunächst den Zusammenbruch des Unternehmens verhindert, eine hierdurch bewirkte Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit ist indes nicht substantiiert dargelegt.

c) Ob die [X.] als Gläubigerin in [X.] handelte, braucht der [X.] nach alledem nicht zu entscheiden.

6. Die von den Klägern erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

a) Die Kläger sind der Auffassung, das [X.] habe eine Überraschungsentscheidung getroffen, weil es in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich einen rechtlichen Hinweis erteilt habe, wonach im Streitfall die Merkmale der [X.], Sanierungseignung und [X.] gegeben seien. Ein rechtlicher Hinweis nach § 76 Abs. 2 [X.]O hätte indes gemäß § 94 [X.]O i.V.m. § 160 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) als wesentlicher Vorgang der Verhandlung protokolliert werden müssen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 94 [X.]O Rz 19). Dazu ist dem Sitzungsprotokoll (zu dessen Beweiskraft: § 94 [X.]O i.V.m. § 165 ZPO) nichts zu entnehmen. Die Kläger hätten insoweit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung einen Antrag auf Protokollergänzung nach § 160 Abs. 4 ZPO stellen müssen (vgl. [X.] vom 18. Januar 2008 VII S 56/07 (PKH), [X.] 2008, 809; vom 24. Februar 2003 III B 117/02, [X.] 2003, 810, unter 3.b, m.w.N.). Der von dem Prozessbevollmächtigten selbst gefertigte "Terminsbericht" kann die fehlende Protokollierung nicht ersetzen.

b) Soweit die Kläger das Übergehen der in der Klageschrift zur Untermauerung ihres Sachvortrags für das Vorliegen der [X.] und [X.] genannten Zeugen rügen, liegt ein Verfahrensfehler, auf dem das [X.]-Urteil beruhen kann, jedenfalls nicht vor. Nach der insoweit maßgeblichen --und gemäß den Ausführungen unter [X.]. [X.] (3) zutreffenden-- Rechtsauffassung des [X.] war die [X.] im Streitfall u.a. angesichts des fehlenden Einsatzes des vorhandenen Privatvermögens zu verneinen. Hierauf bezogen sich der Sachvortrag und damit die angebotenen Zeugen jedoch nicht. Auf der unterbliebenen Vernehmung der Zeugen kann die Entscheidung des [X.] mithin nicht beruhen. Entsprechendes gilt, soweit das [X.] den zum Beweis des Handelns der [X.] in [X.] genannten Zeugenangeboten nicht nachgegangen ist.

c) Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, sie hätten für den Fall, dass das [X.] ihren Vortrag in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht nicht als ausreichend erachte, ausdrücklich um einen Hinweis gebeten. Ein Hinweis auf nahe liegende rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte ist zumindest dann nicht erforderlich, wenn die Kläger --wie im [X.] fachkundig vertreten sind (z.B. [X.] vom 27. Oktober 2008 XI B 202/07, [X.] 2009, 118, unter 5.).

d) Von einer weiteren Begründung hinsichtlich der Verfahrensrügen sieht der [X.] ab (§ 126 Abs. 6 [X.]O).

Meta

X R 39/10

12.12.2013

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 29. Oktober 2010, Az: 4 K 2612/08 E, Urteil

§ 163 AO, § 94 FGO, § 160 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.12.2013, Az. X R 39/10 (REWIS RS 2013, 325)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 325

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X B 127/14 (Bundesfinanzhof)

Sanierungserlass - Inhaltliche Ausgestaltung des Sanierungskonzepts


IV B 109/09 (Bundesfinanzhof)

Steuerfreiheit eines Sanierungsgewinns - Divergenz


GrS 1/15 (Bundesfinanzhof)

Steuererlass aus Billigkeitsgründen nach dem sog. Sanierungserlass des BMF - Entscheidungserheblichkeit einer dem Großen Senat …


IX ZR 23/10 (Bundesgerichtshof)

Steuerberaterhaftungsprozess: Notwendige Feststellung einer mutmaßlichen Ermessensentscheidung der Finanzbehörde und Auslegung einer Verwaltungsvorschrift durch das Regressgericht; …


X R 38/15 (Bundesfinanzhof)

(Keine Begünstigung von Sanierungsgewinnen vor Inkrafttreten des § 3a EStG)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.