Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.08.2017, Az. X R 38/15

10. Senat | REWIS RS 2017, 6262

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Gegenstand

(Keine Begünstigung von Sanierungsgewinnen vor Inkrafttreten des § 3a EStG)


Leitsatz

Wenn ein Sanierungsgewinn dadurch entstanden ist, dass die Schulden vor dem 9. Februar 2017 erlassen worden sind, kommt weder eine Einkommensteuerbefreiung dieses Sanierungsgewinns nach § 3a EStG n.F. noch eine Billigkeitsmaßnahme nach den BMF-Schreiben vom 27. März 2003 (BStBl I 2003, 240) oder vom 27. April 2017 (BStBl I 2017, 741) in Betracht .

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 15. Juli 2015  6 K 1145/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 2006 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Diese Einkünfte setzten sich aus einem laufenden Verlust sowie einem außerordentlichen Ertrag aus einem Forderungsverzicht einer der [X.]en des [X.] in Höhe von 133.849,36 € zusammen.

2

Der Kläger beantragte unter Berufung auf das Schreiben des [X.] ([X.]) vom 27. März 2003 ([X.], 240) den Erlass der für 2006 festgesetzten Einkommensteuer und der steuerlichen Nebenleistungen aus sachlichen [X.]n. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) lehnte den Erlassantrag mit der Begründung ab, weder habe die [X.] in [X.] gehandelt noch sei die Sanierungseignung des Forderungsverzichts gegeben.

3

Nach Zurückweisung des Einspruchs blieb auch die Klage ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, das [X.]-Schreiben, auf das der Kläger sein Erlassbegehren stütze, habe keine Rechtsgrundlage. Der Kläger habe auch keinen besonderen Härtefall vorgetragen, sondern sich lediglich auf die Grundsätze des [X.]-Schreibens berufen. Auf die zwischen den Beteiligten umstrittenen Fragen der [X.] und Sanierungseignung komme es daher nicht an.

4

Mit seiner Revision hat der Kläger sich zunächst auf den Vorlagebeschluss des erkennenden Senats vom 25. März 2015 [X.] ([X.], 299, [X.], 696) berufen und sich dessen Inhalt zu eigen gemacht.

5

Nachdem der [X.] des [X.] ([X.]) zwischenzeitlich entschieden hat, dass das genannte [X.]-Schreiben gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt (Beschluss vom 28. November 2016 GrS 1/15, [X.]E 255, 482, [X.], 393), hat der Kläger ergänzend vorgetragen, der [X.] habe ausdrücklich zugelassen, eine Billigkeitsmaßnahme in Fällen des sanierungsbedingten Forderungsverzichts auf besondere, außerhalb des [X.]-Schreibens liegende Gründe des Einzelfalls, insbesondere auf persönliche [X.], zu stützen. Der Kläger habe seinen Erlassantrag nie auf den "Sanierungsgewinn" eingeschränkt.

6

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

7

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Es hat ursprünglich vorgetragen, die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils spiegelten zwar nicht die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung wider; das Ergebnis der Entscheidung sei aber zutreffend. Nach Bekanntwerden des Beschlusses des Großen Senats des [X.] hat das [X.] daran festgehalten, dass der Tenor der vorinstanzlichen Entscheidung als zutreffend anzusehen und diese daher zu bestätigen sei. Die Prüfung von [X.] aus besonderen Gründen des Einzelfalls könne nicht im anhängigen gerichtlichen Verfahren vorgenommen werden, sondern sei einem neuen Verwaltungsverfahren vorbehalten. Der Kläger könne sein Erlassbegehren im gerichtlichen Verfahren nicht mehr durch neue [X.] erweitern. Er habe persönliche [X.] niemals dargelegt.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen.

1. Der Kläger hat sich zur Begründung seines Antrags auf Vornahme einer Billigkeitsmaßnahme ursprünglich auf das BMF-Schreiben in [X.], 240 berufen.

Der Große Senat des [X.] hat allerdings entschieden, dass das genannte BMF-Schreiben gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt und daher von den Gerichten nicht angewendet werden darf (Beschluss in [X.]E 255, 482, [X.], 393). Diese Entscheidung bindet auch den erkennenden Senat.

2. Der Kläger kann eine Billigkeitsmaßnahme auch nicht aufgrund von anderen, einzelfallbezogenen Gründen beanspruchen.

Der Große Senat des [X.] hat zwar ausgesprochen, dass [X.] auch in [X.] auf besondere, außerhalb des [X.] in [X.], 240 liegende Gründe des Einzelfalls, insbesondere auf persönliche [X.] gestützt werden können (Beschluss in [X.]E 255, 482, [X.], 393, Rz 145).

Vorliegend hat aber bereits das [X.] --in der Sache zutreffend-- festgestellt, dass der Kläger über den Verweis auf das BMF-Schreiben in [X.], 240 hinaus weder einen besonderen Härtefall noch persönliche [X.] vorgetragen hatte. Auch im Revisionsverfahren --in dem neue Tatsachen wegen der Bindung an die Tatsachenfeststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) ohnehin nicht mehr vorgetragen werden [X.] hat der Kläger sich nicht auf konkrete [X.] des Einzelfalls berufen.

3. § 3a des Einkommensteuergesetzes i.d.[X.] gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen vom 27. Juni 2017 --EStG n.F.-- ([X.], 2074) ist vorliegend nicht anwendbar.

Diese Vorschrift enthält eine Steuerbefreiung für bestimmte Betriebsvermögensmehrungen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung. Sie betrifft indes bereits das Steuerfestsetzungsverfahren, nicht erst das --im vorliegenden Revisionsverfahren allein streitgegenständliche und verfahrensrechtlich getrennt zu behandelnde-- Billigkeitsverfahren.

Im Streitfall kann § 3a EStG n.F. darüber hinaus schon deshalb nicht angewendet werden, weil diese Vorschrift erstmals in den Fällen anzuwenden ist, in denen die Schulden ganz oder teilweise nach dem 8. Februar 2017 erlassen wurden (§ 52 Abs. 4a Satz 1 EStG n.F.). Vorliegend ist der Schuldenerlass aber bereits im [X.] ausgesprochen worden.

4. Da die neue Steuerbefreiung des § 3a EStG n.F. keine Rückwirkung auf Altfälle hat, sieht die Finanzverwaltung vor, das BMF-Schreiben in [X.], 240 in Fällen, in denen der Forderungsverzicht bis zum 8. Februar 2017 endgültig vollzogen wurde, "weiterhin uneingeschränkt anzuwenden" (BMF-Schreiben vom 27. April 2017, [X.], 741).

Für dieses BMF-Schreiben fehlt es indes an einer Rechtsgrundlage. Wenn der ursprüngliche [X.] der Finanzverwaltung gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt, gilt dasselbe auch für das nunmehrige BMF-Schreiben in [X.], 741, wonach der [X.] für die Vergangenheit weiterhin uneingeschränkt anzuwenden sein soll. Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens darf dieses BMF-Schreiben daher nicht beachtet werden. Eine Übergangsregelung für Altfälle hätte nur durch den Gesetzgeber getroffen werden können; dies ist aber nicht geschehen.

5. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 [X.]O).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X R 38/15

23.08.2017

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 15. Juli 2015, Az: 6 K 1145/12, Urteil

§ 163 AO, § 3a EStG 2009 vom 27.06.2017, § 52 Abs 4a S 1 EStG 2009 vom 27.06.2017, EStG VZ 2006, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.08.2017, Az. X R 38/15 (REWIS RS 2017, 6262)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6262

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