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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Gleichzeitige Mitgliedschaft früherer Ehegatten im Gemeinderat von Gemeinden mit nicht mehr als 20.000 Einwohnern
[X.]
- 2 BvL 4/95 -
ob § 29 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit § 18 Absatz 1 Nummer 1 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg insoweit mit Artikel 28 Absatz 1 Satz 2 GG vereinbar ist, als danach in Gemeinden mit nicht mehr als 20.000 Einwohnern frühere Ehegatten nicht gleichzeitig Gemeinderäte sein können, |
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- [X.] und Vorlagebeschluß des [X.] vom 25.04.1995 (1 K 3231/94) - |
hat das [X.] - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der [X.]innen und [X.]
Präsidentin [X.],
Böckenförde,
[X.],
Graßhof,
[X.],
Kirchhof,
Winter,
[X.]
am 16. Januar 1996 beschlossen:
§ 29 Abs. 2 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg ([X.] [X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Oktober 1983 ([X.]), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Kommunalwahlrechts und des [X.] vom 8. November 1993 ([X.]), lautet:
Personen, die als persönlich haftende Gesellschafter an derselben Handelsgesellschaft beteiligt sind, und in Gemeinden mit nicht mehr als 20.000 Einwohnern auch Personen, die zueinander in einem die Befangenheit begründenden Verhältnis nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 stehen, können nicht gleichzeitig Gemeinderäte sein. Werden solche Personen gleichzeitig gewählt, tritt der Bewerber mit der höheren Stimmenzahl in den Gemeinderat ein. Bei gleicher Stimmenzahl entscheidet das Los.
In § 18 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 [X.] [X.] ist bestimmt:
Der ehrenamtlich tätige Bürger darf weder beratend noch entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung einer Angelegenheit ihm selbst oder folgenden Personen einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann:
1. dem Ehegatten, früheren Ehegatten oder dem Verlobten,
2. einem in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grade Verwandten,
3. einem in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum zweiten Grade Verschwägerten.
Das hiernach bestehende Verbot gleichzeitiger Ratsmitgliedschaft geschiedener Ehegatten findet in den [X.] der übrigen Bundesländer keine Entsprechung. Das [X.] Kommunalrecht schließt - in Gemeinden bis zu 10.000 Einwohnern - die gemeinsame Zugehörigkeit von Ehegatten zum Gemeinderat lediglich während bestehender Ehe aus. Die Gemeindeordnungen der übrigen Länder begnügen sich damit, ein Ratsmitglied im Einzelfall von der Mitwirkung in Angelegenheiten auszuschließen, die für seinen Ehegatten von unmittelbarem Vor- oder Nachteil sind; in [X.], [X.], [X.], dem [X.], [X.] und [X.] trifft dieses konkrete Mitwirkungsverbot auch den früheren Ehegatten.
Bei den am 12. Juni 1994 in Baden-Württemberg durchgeführten Kommunalwahlen wurden in der im Ausgangsverfahren beklagten Gemeinde [X.] (12.451 Einwohner) die Klägerin des Ausgangsverfahrens als Bewerberin der Grün-Bunten Liste mit 1.380 Stimmen und deren geschiedener Ehemann als Bewerber der [X.] mit 2.278 Stimmen in den Gemeinderat gewählt. Mit Beschluß vom 22. August 1994 stellte der Rat fest, daß bei der Klägerin wegen ihrer früheren Ehe ein Hinderungsgrund bestehe und darum an ihrer Stelle ein Ersatzmann in den Rat eintrete.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage zum [X.]. Die Regelung des § 29 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] stehe mit der durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Gleichheit der Wahl nicht in Einklang. Im Unterschied zur Anknüpfung der Hinderungsgründe an verwandtschaftliche Beziehungen oder bestehende Ehen sei für die Erweiterung auf nicht mehr bestehende Ehen ein sachlicher Grund nicht zu erkennen.
Durch Beschluß vom 25. April 1995 hat das [X.] das Verfahren ausgesetzt und dem [X.] die Frage vorgelegt, ob § 29 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] insoweit mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar sei, als das Gesetz dazu führe, daß in Gemeinden mit nicht mehr als 20.000 Einwohnern frühere Ehegatten nicht gleichzeitig Gemeinderäte sein könnten.
Die Vorlagefrage sei entscheidungserheblich. Der Klägerin, die weniger Stimmen erreicht habe als ihr geschiedener Ehemann sei es nach § 29 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.] verwehrt, in den Gemeinderat einzutreten. Bei Verfassungsmäßigkeit des § 29 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] seien daher die angefochtenen Bescheide rechtmäßig, und die Klage sei abzuweisen. Sei dagegen die zur Prüfung gestellte Regelung mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar und nichtig, so fehle den Bescheiden die Rechtsgrundlage, und die Klage müsse Erfolg haben.
§ 29 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] sei in dem in der Beschlußformel bezeichneten Umfang verfassungswidrig. Der formale Charakter der durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Wahlgleichheit lasse dem Gesetzgeber bei der Ordnung des Wahlrechts nur einen geringen Spielraum für Differenzierungen; solche bedürften stets besonderer, rechtfertigender und zwingender Gründe. Solche Gründe seien nicht gegeben. Die Gefahr einer "Vettern- und Cliquenwirtschaft", der § 29 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.] begegnen solle, sei bei aufgelösten Ehen ungleich geringer als bei bestehenden. Jedenfalls in Gemeinden, deren Einwohnerzahl knapp unter 20.000 liege und deren Gemeinderat immerhin 22 Mitglieder habe, gingen von Interessengemeinschaften (geschiedener) Ehegatten keine Gefahren aus. Zudem berücksichtige § 29 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.] nicht, daß etwa noch bestehende Bindungen mit zunehmender Dauer der Trennung abnähmen. Da zudem der Zweck der zur Prüfung gestellten Regelung durch den Ausschluß von der Mitwirkung im Einzelfall nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] erreicht werden könne, werde das passive Wahlrecht geschiedener Ehegatten durch das generelle Verbot gleichzeitiger Mitgliedschaft im Rat in übermäßiger Weise beschränkt. Auch das Fehlen gleichartiger Bestimmungen in anderen Bundesländern belege, daß ein solches Verbot nicht erforderlich sei.
Zu der Vorlage hat die Landesregierung von Baden-Württemberg Stellung genommen. Sie hält die zur Prüfung gestellte Regelung für verfassungsmäßig. Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens haben sich nicht geäußert.
Die Vorlage ist zulässig. Das Verwaltungsgericht hat in einer den Anforderungen des Art. 100 Abs. 1 GG und des § 80 Abs. 2 Satz 1 [X.] genügenden Weise dargetan, daß es für seine Entscheidung auf die Wirksamkeit von § 29 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] ankommt. Es hat auch seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit dieser Regelung hinreichend dargelegt und begründet.
§ 29 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.] in Verbindung mit 18 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] ist mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar und nichtig, soweit danach in Gemeinden mit nicht mehr als 20.000 Einwohnern frühere Ehegatten nicht gleichzeitig Gemeinderäte sein können.
1. Der Grundsatz der gleichen Wahl ist in den Gemeinden durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet. Er gilt gleichermaßen für das aktive und das passive Wahlrecht (vgl. [X.] 11, 266 <272>; 48, 64 <81>; 57, 43 <56>). Er besagt, daß jedermann sein Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise ausüben können soll (vgl. [X.] 11, 266 <272>; 41, 399 <413>; 69, 92 <105 f.>; 71, 81 <94>; 82, 322 <337>; 85, 148 <157>; zuletzt 89, 266 <270>). Zwar sind Differenzierungen, bei denen insbesondere die in der jeweiligen Rechtsgemeinschaft bestehenden Anschauungen und Verhältnisse Beachtung finden können (vgl. [X.] 1, 208 <249>; [X.] 82, 322 <338>), auch in diesem Bereich nicht vollständig ausgeschlossen. Doch bleibt dem Gesetzgeber angesichts der Bedeutung des gleichen Wahlrechts für die freiheitliche demokratische Grundordnung hierfür nur ein eng bemessener Spielraum. Differenzierungen bedürfen darum stets eines zwingenden Grundes (stRspr, vgl. [X.] 4, 375 <382 f.>; 6, 84 <94>; zuletzt 82, 322 <338>).
Der Grundsatz, daß jedermann von seinen staatsbürgerlichen Rechten in formal möglichst gleicher Weise soll Gebrauch machen können, gilt nicht nur für die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts im engeren Sinn, sondern in gleichem Maße für die Annahme und die Ausübung eines errungenen Mandats (vgl. [X.] 38, 326 <338>; 40, 296 <317>; 48, 64 <88>; 57, 43 <67>; BayVerfGHE n.F. 29, 143 <147>). Er schließt es - auch auf [X.] (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) - aus, einem gewählten Bewerber die Annahme und die Ausübung des errungenen Mandats zu verwehren, sofern hierfür kein zwingender Grund vorliegt.
2. Für die Benachteiligung geschiedener Ehegatten gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] besteht kein zwingender Grund.
a) Mit der Untersagung einer gleichzeitigen Ratsmitgliedschaft von Personen, die durch Ehe oder Verwandtschaft verbunden sind, soll nach allgemeiner Auffassung der Gefahr einer unlauteren Protektionswirtschaft als Folge übermäßigen Einflusses einzelner Familien ("Vettern- und Cliquenwirtschaft") entgegengewirkt und so von vornherein Mißtrauen der Einwohner gegenüber der Arbeit des Gemeinderats verhütet werden (vgl. [X.] Baden-Württemberg, [X.], 167 <168 f.>; Urteil des [X.] vom 15. Januar 1982, - 5 K 248/80 -, S. 8; [X.]/[X.]/[X.]/von Rotberg, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, 4. Aufl. <Loseblatt>, § 29 Rn. 8; ebenso für die insoweit vergleichbare Bestimmung des Art. 31 Abs. 3 Bay[X.]: BayVerfGHE n.F. 14, 77 <83 f.>; 29, 143 <148>; 36, 83 <90>; Hölzl/[X.], Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreis-ordnung und Bezirksordnung für den [X.], 1994, § 31, [X.]. 6; Widtmann/[X.], [X.] Gemeindeordnung, 5. Aufl., Rn. 9; [X.]/[X.], [X.] Kommunalgesetze, 1994, Rn. 7). Dabei kann es nur um eine Verhinderung von Gefahren gehen, die sich gerade aus einer gemeinsamen Ratsmitgliedschaft derart familiär verbundener Personen ergeben. Solche Gefahren können zum einen aus der Möglichkeit entstehen, Eigeninteressen oder auch Belange außenstehender Dritter vereint und darum mit stärkerem Gewicht zu fördern (vgl. dazu BayVerfGHE n.F. 14, 77 <83> <zu Art. 31 Abs. 3 Bay[X.]>). Zum anderen ist nicht auszuschließen, daß das Verhalten einander nahestehender Ratsmitglieder bei Beratungen und Abstimmungen von Rücksichtnahmen auf die bestehenden persönlichen Bindungen beeinflußt und damit nicht mehr allein von der eigenen Überzeugung geprägt wird.
b) Ob das Anliegen, diesen Gefahren in Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern durch einen generellen Ausschlußtatbestand vorzubeugen, einen zwingenden Grund für ein Verbot gemeinsamer Ratszugehörigkeit verheirateter , verlobter oder eng verwandter Personen darstellt, bedarf hier nicht der Entscheidung. Jedenfalls bei geschiedenen Eheleuten sind diese Gefahren, die insoweit auch im Gesetzgebungsverfahren nicht besonders erörtert wurden (vgl. [X.]. Beilage 1060 vom 4. Dezember 1954, S. 1376, sowie die Verhandlungen des Landtags von Baden-Württemberg 1/3203 ff. <3212 f.>), so gering, daß sie - auch bei Berücksichtigung eines gewissen Einschätzungsspielraums, den die Grundsätze der formalen Wahlrechtsgleichheit einem Gesetzgeber belassen - sich nicht als zwingender Grund für ein generelles Verbot gleichzeitiger Ratsmitgliedschaft darstellen können.
aa) Nach einer Scheidung verfolgen Ehegatten erfahrungsgemäß nicht mehr in nennenswertem Umfang gemeinsame persönliche Interessen, da die eheliche Lebensgemeinschaft, die Anlaß zu vereintem Handeln im Gemeinderat bieten kann, beendet ist. Jedenfalls ist die Gefahr einer sachfremden gemeinschaftlichen Förderung von Eigen- oder Drittinteressen hier weit geringer einzuschätzen als bei Gemeinderatsmitgliedern, zwischen denen enge persönliche oder berufliche Beziehungen bestehen. Solche Interessengemeinschaften werden darum den Gemeindebürgern eher Anlaß zu Mißtrauen geben als nach Auflösung einer Ehe etwa noch fortbestehende Bindungen unter geschiedenen Eheleuten. Einer derart begründeten Befangenheit mag im Einzelfall durch das Mitwirkungsverbot des § 18 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] Rechnung getragen werden; sie rechtfertigt aber nicht eine Ausnahme vom Prinzip formaler Wahlrechtsgleichheit.
bb) Auch die Gefahr, daß ein Ratsmitglied um seiner persönlichen Bindungen willen im Gemeinderat gegen seine politische Überzeugung stimmen könnte, ist bei geschiedenen Ehegatten als gering zu veranschlagen. Typischerweise kommt es zur Scheidung einer Ehe gerade darum, weil derartige persönliche Bindungen nicht mehr bestehen. Sollten im Einzelfall "menschliche Beziehungen mit negativen Vorzeichen" fortbestehen (vgl. [X.]/[X.], a.a.[X.], § 31, Rn. 7), so ist gleichwohl die Vorstellung eher fernliegend, ein geschiedener Ehegatte werde entgegen seiner Überzeugung Entschließungen, die der andere Ehegatte befürwortet, aus Abneigung diesem gegenüber im Rat ablehnen. Eine solche Ausnahmelage, in der das Gemeinderatsmitglied in besonderer Weise seine ihm gemäß § 32 Abs. 3 [X.] [X.] auferlegte Bindung an das öffentliche Wohl verletzen würde, kann nicht Anlaß sein, einen zwingenden Grund zur Durchbrechung der Wahlrechtsgleichheit anzunehmen.
cc) Eine überkommene, im Bewußtsein der Bevölkerung lebendige Rechtsanschauung, die geeignet sein könnte, eine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen, besteht hinsichtlich geschiedener Eheleute auch in Baden-Württemberg nicht. Eine derartige Tradition ist nur für das Verbot gleichzeitiger Ratsmitgliedschaft eng verwandter Personen und wohl auch der Ehegatten während bestehender Ehe festzustellen.
Bereits § 6 Abs. 3 und 4 des Württembergischen Verwaltungsedikts für die Gemeinden, Oberämter und Stiftungen vom 1. März 1822 sowie § 13 Nr. 4 Satz 1 und 2 des ([X.]) Gesetzes über die Verfassung und Verwaltung der Gemeinden vom 31. Dezember 1831 hatten die gleichzeitige Mitgliedschaft naher Verwandter im Gemeinderat untersagt (vgl. [X.]/Haus, Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in [X.], 1975, [X.]64 <165>; S. 208 <210>); § 20 Abs. 2 der [X.] Gemeindeordnung vom 5. Oktober 1921 ([X.] ff.), Art. 59 Abs. 1 der Gemeindeordnung vom 19. März 1930 (Regierungs-blatt für Württemberg S. 45 ff.), § 28 Abs. 1 der Gemeindeordnung für das Land Württemberg-Hohenzol-lern vom 14. März 1947 ([X.] für das Land Württemberg-Hohenzollern 1948, [X.] ff.), § 28 Abs. 1 der [X.] Gemeindeordnung vom 23. September 1948 (Badisches GVBl [X.]77 ff.), Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes zur vorläufigen Angleichung des [X.] vom 13. Juli 1953 (GBl Baden-Würt-temberg S. 97 ff.) und schließlich § 29 Abs. 2 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg vom 25. Juli 1955 führen diese Tradition - von der [X.] abgesehen - ununterbrochen bis in die Gegenwart fort. Seit der Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen im Jahr 1919 beziehen die einschlägigen Tatbestände durchweg Ehegatten während des Bestehens der Ehe in das Verbot ein.
Für geschiedene Ehegatten ist eine vergleichbare Rechtstradition auch in Baden-Württemberg nicht erkennbar. Vor der Gemeindeordnung vom 25. Juli 1955 hat im [X.] und württembergischen Kommunalrecht ein Verbot gleichzeitiger Ratsmitgliedschaft geschiedener Ehegatten nie bestanden. Noch bei der Schaffung des "Gesetzes zur vorläufigen Angleichung des [X.]" im Jahr 1953 hatte die Verfassunggebende Landesversammlung einer derartigen, im Gesetzesentwurf vorgesehenen Erstreckung des Verbots (s. die Beilage Nr. 852 vom 13. Juni 1953 zu den Sitzungsprotokollen der [X.]) wegen verfassungsrechtlicher Bedenken mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG ausdrücklich eine Absage erteilt (vgl. Bd. III der Protokolle der Verhandlungen der [X.] von Baden-Württemberg, 47. Sitzung vom 7. Juli 1953, [X.]).
Schließlich hat sich der Gesetzgeber auch bei der Einbeziehung der geschiedenen Ehegatten in das [X.] nicht etwa von in der Öffentlichkeit erhobenen rechtspolitischen Forderungen, sondern allein von rechtssystematischen Erwägungen leiten lassen.
Da schon nach damals geltendem Recht (Art. 10 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur vorläufigen Angleichung des [X.]) Verschwägerte kraft entsprechender Anwendung des § 1590 Abs. 2 BGB ungeachtet der Auflösung der die Schwägerschaft vermittelnden Ehe weiterhin als befangen im Sinn von § 18 Abs. 1 [X.] [X.] galten, erschien es dem Gesetzgeber aus Gründen der Folgerichtigkeit geboten, daß für geschiedene Ehegatten als die "unmittelbar Beteiligten" nichts anderes gelten konnte (vgl. dazu [X.]. Baden-Württemberg, Beilage 1060 vom 4. Dezember 1954, [X.]373). Diese auf das konkrete Mitwirkungsverbot des § 18 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] zugeschnittene Erweiterung wurde dann ohne nähere Diskussion auf das generelle Verbot gleichzeitiger Ratsmitgliedschaft übertragen (vgl. [X.]. Beilage 1060 vom 4. Dezember 1954, S. 1376, sowie die Verhandlungen des Landtags von Baden-Württemberg 1/3203 ff. <3212 f.>).
[X.] | Böckenförde | [X.] | |||||||||
Graßhof | [X.] | Kirchhof | |||||||||
Winter | [X.] |
Meta
16.01.1996
Sachgebiet: BvL
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 16.01.1996, Az. 2 BvL 4/95 (REWIS RS 1996, 603)
Papierfundstellen: REWIS RS 1996, 603 BVerfGE 93, 373-381 REWIS RS 1996, 603
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
4 K 1245/18 (Verwaltungsgericht Freiburg)
2 BvL 9/98, 2 BvL 10/98, 2 BvL 11/98, 2 BvL 12/98 (Bundesverfassungsgericht)
Rückmeldegebühr an den Hochschulen Baden-Württembergs (§ 120a Abs. 1 Satz 1 Universitätsgesetz) verfassungswidrig
5 K 1199/17.NW (Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße)
2 BvP 1/94 (Bundesverfassungsgericht)
Volksbegehren zur Bildung eines Landes Franken
1 BvR 403/94, 1 BvR 569/94 (Bundesverfassungsgericht)
Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluß (Erstattung einer Beweisgebühr)