Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.12.2020, Az. B 1 KR 68/19 B

1. Senat | REWIS RS 2020, 2294

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Empfangsbekenntnis - Maßgeblichkeit des vom Prozessbevollmächtigten vermerkten Datums


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 12. September 2019 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Gewährung einer stationären Liposuktion an beiden Knieinnenseiten bei der Beklagten und den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das [X.] hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des [X.] vom 3.12.2018 als unzulässig verworfen: Die Berufung sei verfristet. Das [X.] sei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des [X.] vom 29.12.2018 an diesem Tag, einem Samstag, zugestellt worden, sodass die Berufungsfrist am [X.], einem Dienstag, abgelaufen sei. Die Berufungsschrift sei erst am Donnerstag, dem 31.1.2019 und damit nach Ablauf der Berufungsfrist bei Gericht eingegangen (Beschluss vom 12.9.2019).

2

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im [X.]-Beschluss. Die Klägerin trägt vor, das [X.] habe ihre Berufung zu Unrecht als verfristet angesehen. Maßgeblich sei nicht das Datum des [X.], sondern der Zeitpunkt, zu dem nach allgemeiner Verkehrsanschauung damit zu rechnen gewesen sei, dass ihr Prozessbevollmächtigter von dem Urteil Kenntnis genommen habe. Dies sei nicht der auf dem [X.] vermerkte Samstag gewesen, an dem Rechtsanwaltskanzleien üblicherweise geschlossen hätten, sondern der darauffolgende Montag, der 31.12.2018. Das auf dem [X.] aufgedruckte Datum des 29.12.2018 beruhe auf einem Versehen; tatsächlich sei es am 31.12.2018 ausgefüllt worden. Die Berufungsfrist sei folglich erst am 31.1.2019 abgelaufen, sodass die Berufungsschrift fristgerecht bei Gericht eingegangen sei.

3

II. Die Beschwerde, mit der die Klägerin allein den Revisionszulassungsgrund des [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) rügt, ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

4

1. Die Klägerin rügt mit ihren Ausführungen sinngemäß, das [X.] habe verfahrensfehlerhaft statt des beantragten [X.] ein Prozessurteil erlassen und damit gegen § 158 [X.] verstoßen (vgl zum Verfahrensmangel "Prozessurteil statt Sachurteil" zB B[X.] vom 17.6.2020 - B 5 R 302/19 B - [X.] 4-1500 § 151 [X.] Rd[X.] 5 mwN). Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.] und § 128 Abs 1 Satz 1 [X.] (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr, vgl zB B[X.] vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - [X.] 1500 § 160a [X.]6 mwN). Mit ihrem Vortrag legt die Klägerin die diesen Verfahrensfehler begründenden Tatsachen und deren rechtliche Würdigung noch ausreichend substantiiert dar. Der gerügte Verfahrensfehler liegt jedoch nicht vor.

5

Das [X.] hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen. Denn die Berufungsfrist von einem Monat nach § 151 Abs 1 [X.] war bei Eingang der Berufungsschrift am 31.1.2019 bereits abgelaufen. Sie begann mit dem Tag der Zustellung des [X.]s an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin (§ 64 Abs 1 [X.]) am 29.12.2018 und lief folglich am [X.] ab (§ 64 Abs 2 [X.]).

6

a) Die Zustellung des [X.]s erfolgte gegen [X.] am 29.12.2018. Dieses - auf dem [X.] des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vermerkte - Datum ist maßgeblich. Nach § 174 Abs 1 ZPO iVm § 63 Abs 2 Satz 2 [X.] kann ein Schriftstück einem Anwalt gegen [X.] zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung nach § 174 Abs 1 ZPO genügt das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene [X.], das an das Gericht zurückzusenden ist (§ 174 Abs 4 Satz 1 ZPO). Das datierte und unterschriebene [X.] erbringt Beweis für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt und für den Zeitpunkt dieser Entgegennahme (B[X.] vom [X.] [X.]/08 B - [X.] 4-1750 § 174 [X.] 1; B[X.] vom 13.5.2015 - B 6 KA 18/14 R - [X.] 4-2500 § 106 [X.] 51 Rd[X.] 18; [X.] vom 13.1.2015 - [X.]/14 - NJW-RR 2015, 953 Rd[X.] 7; [X.] vom [X.]/06 - [X.]E 216, 481). Eine tatsächliche Kenntnisnahme vom Inhalt des Schriftstücks ist nicht erforderlich (B[X.] vom 16.11.2005 - B 2 U 342/04 B - [X.] 4-1500 § 164 [X.] 2; [X.] vom 20.7.2006 - I ZB 39/05 - NJW 2007, 600). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist deshalb unerheblich, ob Rechtsanwaltskanzleien an dem auf einem [X.] vermerkten Tag üblicherweise geöffnet haben. Der von der Klägerin insoweit eingenommene abweichende Rechtsstandpunkt bedarf auch keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Denn die Rechtslage ergibt sich eindeutig aus dem Gesetz und ist - wie oben dargelegt - bereits durch die übereinstimmende Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des [X.] seit Längerem geklärt. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren besteht aber nur, wenn ernsthafte Zweifel an deren Beantwortung bestehen, die durch die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung nicht bereits ausgeräumt sind, sodass eine weitere Klärung oder Fortentwicklung des Rechts zu erwarten ist (vgl nur B[X.] vom [X.] - B 1 KR 46/18 B - juris Rd[X.]). Daran fehlt es hier.

7

b) Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im [X.] enthaltenen Angaben ist zwar grundsätzlich zulässig. Er ist jedoch nur geführt, wenn die von dem [X.] ausgehende Beweiswirkung vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben des [X.] richtig sind (B[X.] vom [X.] - B 3 P 3/02 R - [X.] 3-1500 § 164 [X.] 13; [X.] vom 13.6.1996 - [X.] - NJW 1996, 2514, jeweils mwN; vgl auch [X.] vom 27.3.2001 - 2 BvR 2211/97 - NJW 2001, 1563). Die Klägerin hat diesen Beweis nicht geführt. Ihre Ausführungen sind nicht geeignet, die Unrichtigkeit des auf dem [X.] angegebenen [X.] zu beweisen. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass die Beweiskraft des [X.] hier nicht entkräftet ist. Gegen die von der Klägerin behauptete Ausfertigung des [X.] erst am 31.12.2018 mit falschem Datum spricht zwar nicht, wie das [X.] meint, dass es am [X.] (also fast einen Monat später) per Telefax bei Gericht eingegangen ist. Die Klägerin benennt aber keine Indizien zum tatsächlichen Hergang oder Beweise, die ihre Sachverhaltsdarstellung nachvollziehbar belegen könnten. Für die Richtigkeit des [X.] und dafür, dass die Fristberechnung auf einem Rechtsirrtum beruht, spricht hingegen, dass ihr Prozessbevollmächtigter in der am 31.1.2019 per Telefax beim [X.] eingegangenen Berufungsschrift selbst den Zugang des [X.]s am 29.12.2018 mitgeteilt hat.

8

2. Selbst wenn dem Vortrag der Klägerin sinngemäß weiter die Rüge der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (§ 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]) zu entnehmen sein sollte, erfüllt sie insoweit jedenfalls schon nicht die [X.]. Sie legt insbesondere nicht dar, warum im Hinblick auf die oben zitierte ständige Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des [X.] noch Klärungsbedarf in Bezug auf die Rechtsfrage bestehen soll, ob das im [X.] ausgewiesene Datum, für den Zeitpunkt der Zustellung maßgeblich sein soll, oder etwa der Zeitpunkt, zu dem Rechtsanwaltskanzleien üblicherweise geöffnet haben.

9

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]).

4. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.].

Meta

B 1 KR 68/19 B

17.12.2020

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Dortmund, 3. Dezember 2018, Az: S 39 KR 1004/18 WA, Urteil

§ 63 Abs 2 S 2 SGG, § 64 SGG, § 151 Abs 1 SGG, § 174 Abs 1 ZPO, § 174 Abs 4 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.12.2020, Az. B 1 KR 68/19 B (REWIS RS 2020, 2294)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2294

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 3 KR 2/21 R (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - elektronischer Rechtsverkehr - elektronisches Empfangsbekenntnis - sicherer Übermittlungsweg - besonderes elektronisches Anwaltspostfach …


B 13 R 188/12 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Bestellung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten auf Verlangen des Gerichts …


B 12 KR 84/13 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Fristversäumnis im Verantwortungsbereich des Gerichts - Hinweis …


B 12 KR 14/15 B (Bundessozialgericht)

(Sozialgerichtliches Verfahren - Verletzung rechtlichen Gehörs wegen nicht erfolgter Anhörung nach § 153 Abs 4 …


B 1 KR 13/21 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Einwerfen der …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VIII ZB 55/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.