Bundessozialgericht, Urteil vom 17.11.2015, Az. B 1 KR 20/15 R

1. Senat | REWIS RS 2015, 2252

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - kein Anspruch auf medizinisch nicht erforderliche stationäre Behandlung durch Versorgungs- und Entlassmanagement - Erweiterung des Anspruchs lediglich durch in dem Management liegende Dienstleistung


Leitsatz

1. Die Regelungen des Versorgungs- und Entlassmanagements erweitern den Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlung lediglich um die in dem Management liegende Dienstleistung.

2. Versicherte können aufgrund ihres Anspruchs auf Versorgungs- und Entlassmanagement keine medizinisch nicht erforderliche stationäre Behandlung beanspruchen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 22. April 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Klage- und das Revisionsverfahren wird auf 11 250,72 [X.] festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

2

Bei dem 1961 geborenen, bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versichert gewesenen, 2012 verstorbenen S. (im Folgenden: Versicherter) bestand ein durch jahrelangen Alkoholabusus geprägtes Krankheitsbild (ua Abhängigkeitssyndrom, kognitive Störung und hirnorganische Wesensveränderung, Leberzirrhose, Ösophagusvarizen). Der unter Betreuung stehende Versicherte befand sich nach wiederholten Krankenhausaufenthalten wegen eines Entzugssyndroms mit Krampfanfall aufgrund notärztlicher Einweisung zunächst vom 22.2. bis 16.3.2009 in vollstationärer Behandlung in dem nach § 108 [X.] zugelassenen Krankenhaus der klagenden [X.], dort in der Klinik für psychiatrische Erkrankungen. Daran schloss sich eine teilstationäre Behandlung ab 17.3.2009 an. Die Klägerin nahm ihn wegen eines Trinkrückfalls ab 30.3.2009 wieder vollstationär auf und behandelte ihn bis [X.]. Nach kurzem, von ihm abgebrochenem Aufenthalt in einem Wohnheim für Suchtkranke nahm ihn die Klägerin infolge Alkoholentzugssyndroms am [X.] notfallmäßig auf und behandelte ihn bis 26.10.2009 vollstationär. Der Versicherte war trotz großer gesundheitlicher Gefährdung ohne ständige Aufsicht zu keinem alkoholabstinenten Verhalten in der Lage. Ab 27.10.2009 wurde er in einem Wohnheim in M. untergebracht. Die Beklagte lehnte es ab, die Behandlung vom 27.5. bis 30.6.2009 (Schlussrechnung vom 5.2.2010: 7572,60 Euro) und vom 10. bis 26.10.2009 (Schlussrechnung vom 5.2.2010: 3678,12 Euro) zu vergüten, weil in diesen [X.]räumen keine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit mehr bestanden habe. Die auf Zahlung von 11 250,72 Euro nebst Zinsen gerichtete Klage hat das [X.] abgewiesen. Der Klägerin stehe keine weitere Vergütung zu, weil es in der [X.] vom 27.5. bis [X.] und vom 10. bis 26.10.2009 nicht mehr notwendig gewesen sei, den Versicherten - bei [X.] Behandlungsbedürftigkeit - weiterhin stationär im Krankenhaus zu behandeln. Aus dem Anspruch des Versicherten gegen die Beklagte auf Versorgungsmanagement nach § 11 Abs 4 [X.] ergebe sich kein Anspruch auf Vergütung von medizinisch nicht erforderlicher Krankenhausbehandlung. Die gesetzliche Krankenversicherung ([X.]) trage nicht das Risiko fehlender Unterbringungsmöglichkeit medizinisch nur ambulant zu betreuender Alkoholabhängiger (Urteil vom 22.4.2015).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 109 Abs 4 [X.] iVm § 39 Abs 1 und § 11 Abs 4 [X.]. Der Versicherte habe aus medizinischen Gründen nur in ein betreutes Wohnen für Suchtkranke entlassen werden können. Dies zu ermöglichen habe sich die Klägerin im Rahmen des [X.] frühzeitig und ausreichend bemüht. Sie habe nicht das finanzielle Risiko zu tragen, dass der Versicherte weiterer engmaschiger sozialtherapeutischer Betreuung und medizinischer Behandlung bedurft habe, die er nach den Umständen im fraglichen [X.]raum nur im Krankenhaus der Klägerin habe erlangen können.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 22. April 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 11 250,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent auf 3678,12 Euro vom 1. April bis 1. September 2011 und auf 11 250,72 Euro seit 2. September 2011 zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der klagenden [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 [X.]G). Das [X.] hat zu Recht die Klage abgewiesen.

8

Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 [X.]G) ist im hier bestehenden [X.] zulässig (vgl zB B[X.]E 102, 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 9 mwN; B[X.]E 104, 15 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 12), aber unbegründet. Die Klägerin erfüllte nicht die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Vergütung für Krankenhausbehandlung, als sie den Versicherten auch vom 27.5. bis [X.] und vom 10. bis 26.10.2009 stationär behandelte. Es fehlte an der Erforderlichkeit iS der medizinischen Notwendigkeit der stationären Behandlung als unverzichtbarer Voraussetzung des Vergütungsanspruchs nach § 39 Abs 1 S 2 [X.]B V (dazu 1.). Das Gesetz sieht auch nicht ausnahmsweise vor, dass etwas anderes gelten soll. Ein Vergütungsanspruch des Krankenhauses bei fehlender Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ergibt sich nicht daraus, dass Versicherte nach § 11 Abs 4 [X.]B V (idF durch Art 6 [X.] zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung <[X.]> vom 28.5.2008, [X.]) Anspruch auf Versorgungsmanagement haben. Dieser dem Versicherten zustehende Anspruch begründet weder einen eigenen Anspruch des Krankenhauses noch ändert er die Voraussetzungen des Anspruchs auf Vergütung nach § 109 Abs 4 S 3 [X.]B V (dazu 2.).

9

1. Rechtsgrundlage des streitigen Vergütungsanspruchs der Klägerin für die Behandlung des Versicherten ist § 109 Abs 4 S 3 [X.]B V iVm der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2009. Nähere vertragliche Regelungen iS von § 112 Abs 2 [X.]B V über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung, insbesondere der Kostenübernahme und der Abrechnung der Entgelte, gab es in [X.] im betroffenen Zeitraum nach den bindenden Feststellungen (§ 163 [X.]G) des [X.] nicht. Deshalb ist allein auf die maßgebliche Pflegesatzvereinbarung iVm §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz und den Vorschriften der [X.] zurückzugreifen (vgl B[X.]E 102, 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] mwN).

Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB B[X.]E 102, 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 11; B[X.]E 104, 15 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.]; B[X.] [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.] 11; B[X.] [X.]-5565 § 14 [X.] Rd[X.] 11; B[X.]E 109, 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]; alle mwN); soweit allein eine vollstationäre Behandlung in Betracht kommt, müssen auch die Voraussetzungen des § 39 Abs 1 S 2 [X.]B V erfüllt sein. Hier fehlt es schon an der stationären Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit als solcher.

Versicherte haben nach § 39 Abs 1 S 2 [X.]B V Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 [X.]B V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Auch soweit eine vollstationäre Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit hiernach ausscheidet, setzt die - hier allein noch in Betracht kommende - teilstationäre Behandlung ebenfalls Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit voraus. Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht (vgl B[X.]E 102, 181 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 18 ff; B[X.]E 92, 300 = [X.]-2500 § 39 [X.], Rd[X.] 16; B[X.]E 94, 161 = [X.]-2500 § 39 [X.], Rd[X.] 14). Ob einem Versicherten (voll-)stationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich allein nach den medizinischen Erfordernissen (vgl B[X.], Großer Senat, B[X.]E 99, 111 = [X.]-2500 § 39 [X.], Rd[X.]). Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Versicherten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung (vgl B[X.]E 102, 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] mwN). Voll- oder teilstationäre Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit iS des § 39 Abs 1 [X.]B V besteht nur, wenn ein Versicherter aus allein medizinischen Gründen auf die besonderen Mittel eines Krankenhauses angewiesen ist (vgl B[X.]E 104, 15 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.]2 f mwN). Zu den Aufgaben der [X.] gehört es dagegen nicht, die für eine erfolgreiche Krankenbehandlung notwendigen gesellschaftlichen und [X.] Rahmenbedingungen zu schaffen oder diesbezügliche Defizite durch eine Erweiterung des gesetzlichen Leistungsspektrums auszugleichen. Für derartige Risiken haben die [X.] nicht einzustehen. Sie haben auch keine Möglichkeit, strukturelle Mängel außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs zu beheben, etwa eine Unterversorgung bei den Betreuungseinrichtungen für psychisch schwer kranke Patienten. Sie tragen dafür weder Verantwortung noch dürfen sie hierfür Geldmittel verwenden. Soweit ausnahmsweise etwas anderes gelten soll, legt das Gesetz dies ausdrücklich fest (vgl B[X.], Großer Senat, B[X.]E 99, 111 = [X.]-2500 § 39 [X.], Rd[X.] f mwN).

Diese Voraussetzung waren nach den nicht mit Verfahrensrügen angreifbaren (vgl § 161 Abs 4 [X.]G und hierzu B[X.] Urteil vom [X.] KR 26/14 R - Juris Rd[X.]8, für B[X.]E und [X.]-5560 § 17c [X.] vorgesehen), den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) nicht erfüllt. Krankenhausbehandlung war bei dem Versicherten vom 27.5. bis [X.] und vom 10. bis 26.10.2009 nicht erforderlich. Das [X.] hat nicht nur die Notwendigkeit vollstationärer Behandlungsbedürftigkeit ausdrücklich ausgeschlossen, sondern in der Sache auch die teilstationäre Behandlungsbedürftigkeit verneint. Denn es hat festgestellt, dass der Versicherte am [X.] und am 10.10.2009 aus dem Krankenhaus in eine beschützende Umgebung hätte entlassen werden können, zB durch Unterbringung in einem Wohnheim.

2. Die Klägerin kann auch aus der Regelung des [X.] nichts für sich herleiten. Sie begründet schon nach ihrem klaren Wortlaut lediglich unmittelbar für Versicherte einen Anspruch, nicht aber für Krankenhäuser. Sie erweitert auch nicht mittelbar den gesetzlichen Anspruch auf Krankenhausvergütung in dem Sinne, dass [X.] den Versicherten Krankenhausbehandlung aus anderen als allein medizinischen Erfordernissen gewähren müssten mit der Folge, dass die einen solchen Anspruch erfüllenden Krankenhäuser hierfür Vergütung beanspruchen könnten. Für eine Auslegung des Gesetzes, die den Anwendungsbereich des Anspruchs Versicherter auf Krankenhausbehandlung (§ 39 Abs 1 [X.]B V) aufgrund der Regelung des [X.] - über die in dem Management liegende Dienstleistung hinaus - auf andere als medizinisch begründete Behandlungsnotwendigkeiten erweitert, ist kein Raum (zu den Grundsätzen vgl B[X.], Großer Senat, B[X.]E 99, 111 = [X.]-2500 § 39 [X.], Rd[X.]6; s ferner zum Ganzen B[X.]E 102, 172 = [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.] 18).

Weder die hier allein maßgebliche Regelung des [X.] (§ 11 Abs 4 [X.]B V) noch die später in [X.] getretenen Regelungen des [X.] (§ 39 Abs 1 [X.] bis 6 [X.]B V idF durch Art 1 [X.] Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung <[X.]-Versorgungsstrukturgesetz - [X.]-VStG> vom 22.12.2011, [X.] 2983, mWv 1.1.2012, aufgehoben mWv 23.7.2015 durch Art 1 [X.] a Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung <[X.]-Versorgungsstärkungsgesetz - [X.]-V[X.]> vom [X.], [X.] 1211; § 39 Abs 1a [X.]B V idF durch Art 1 [X.] b [X.]-V[X.] mWv 23.7.2015) haben abweichend von der aufgezeigten Grundregel ausdrücklich festgelegt, dass etwas anderes gelten soll als die Abhängigkeit des Anspruchs auf Krankenhausbehandlung von der Erforderlichkeit aus allein medizinischen Gründen. § 11 Abs 4 [X.]B V weist den [X.] keine weitergehende Strukturverantwortung im Rahmen der gemeinsamen Gewährleistungspflicht von [X.] und Leistungserbringern (§ 2 Abs 1 S 1, [X.], § 70 [X.]B V) zu. Entfällt die medizinische Notwendigkeit, einen Versicherten mit den Mitteln eines Krankenhauses zu behandeln, entfällt ab diesem Zeitpunkt auch der Vergütungsanspruch des [X.] nach § 109 Abs 4 S 3 [X.]B V.

Unberührt davon bleiben mögliche Ansprüche des [X.] gegen andere Leistungsträger oder gegen die Versicherten selbst. Krankenhausträger, die zur Überbrückung von strukturellen oder einzelfallbezogenen Defiziten beim Übergang von der stationären Krankenhausversorgung in eine andere, von der Strukturverantwortung der [X.] nicht umfasste Versorgungsform Leistungen für Versicherte erbringen, können diese gegenüber den [X.] auch dann nicht abrechnen, wenn die nahtlose Unterbringung in einer anderen Einrichtung erforderlich ist, jedoch nicht rechtzeitig ermöglicht werden kann. Unerheblich ist dabei, dass die Defizite auch durch ein ordnungsgemäßes Versorgungsmanagement des Krankenhauses nach § 11 Abs 4 [X.]B V nicht zu vermeiden waren. Dies folgt aus Wortlaut (dazu a), dem durch die Entstehungsgeschichte gestützten Regelungszweck (dazu b) und dem Regelungssystem (dazu c). Die weitere Rechtsentwicklung durch § 39 Abs 1 [X.] [X.]B V (idF des [X.]-VStG) und des § 39 Abs 1a [X.]B V (idF des [X.]-V[X.]) haben hieran nichts geändert (dazu d). Eine nicht zeitgerecht zur Verfügung stehende Versorgungsstruktur - hier in Gestalt betreuten [X.] - hat die Beklagte weder zu verantworten noch finanziell zugunsten der Klägerin zu kompensieren (dazu e).

a) Der Gesetzgeber hat erstmals das Versorgungsmanagement durch § 11 Abs 4 [X.]B V (idF durch Art 1 [X.] a Gesetz zur Stärkung des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung - [X.]-[X.]stärkungsgesetz - [X.]-W[X.] vom [X.], [X.] 378) geregelt: "Versicherte haben Anspruch auf ein Versorgungsmanagement insbesondere zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche (Satz 1). Die betroffenen Leistungserbringer sorgen für eine sachgerechte Anschlussversorgung des Versicherten und übermitteln sich gegenseitig die erforderlichen Informationen (Satz 2). Sie sind zur Erfüllung dieser Aufgabe von den [X.] zu unterstützen (Satz 3). Das Versorgungsmanagement und eine dazu erforderliche Übermittlung von Daten darf nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen (Satz 4). Soweit in Verträgen nach den §§ 140a bis 140d nicht bereits entsprechende Regelungen vereinbart sind, ist das Nähere im Rahmen von Verträgen nach § 112 oder § 115 oder in vertraglichen Vereinbarungen mit sonstigen Leistungserbringern der gesetzlichen Krankenversicherung und mit Leistungserbringern nach dem [X.] sowie mit den Pflegekassen zu regeln (Satz 5)." Art 6 [X.] [X.] fügte lediglich einen neuen Satz 4 ein: "In das Versorgungsmanagement sind die Pflegeeinrichtungen einzubeziehen; dabei ist eine enge Zusammenarbeit mit Pflegeberatern und Pflegeberaterinnen nach § 7a des [X.]es zu gewährleisten."

Nach dem Wortlaut haben Versicherte einen subjektiven öffentlich-rechtlichen "Anspruch" auf ein Versorgungsmanagement. Die Vorschrift trifft jedoch keine ausdrückliche Regelung dahingehend, dass sie die Voraussetzungen des § 39 Abs 1 [X.]B V der teil- oder vollstationären Behandlungsbedürftigkeit modifiziert.

b) Dies liegt auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte fern und stünde im Widerspruch zu dem Regelungszweck. Denn der Gesetzgeber des [X.]-W[X.] wollte "Schnittstellenprobleme beim Übergang von Versicherten in die verschiedenen Versorgungsbereiche" insbesondere dadurch bewältigen, dass hierzu in Verträgen zur integrierten Versorgung oder in zweiseitigen Verträgen nach § 112 [X.]B V und in dreiseitigen Verträgen nach § 115 [X.]B V geeignete Regelungen getroffen werden. Die Vorstellung des Gesetzgebers war es dabei, im Interesse der Versicherten (Versorgungskontinuität, Entlastung der Versicherten und ihrer Angehörigen) und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einen "reibungslosen Übergang" zu ermöglichen, um namentlich Pflegebedürftigkeit oder eine baldige stationäre Wiedereinweisung zu vermeiden (vgl Begründung des Gesetz gewordenen Entwurfs eines Art 1 [X.] 7 [X.]-W[X.], BT-Drucks 16/3100 [X.] f). Der Gesetzgeber wollte damit gerade erreichen, dass [X.] erschlossen werden.

Hingegen lassen die Gesetzesmaterialien keinen Schluss darauf zu, dass Regelungszweck des § 11 Abs 4 [X.]B V ist, Fehlallokationen der [X.] der [X.] durch die Finanzierung medizinisch nicht erforderlicher und damit unwirtschaftlicher Behandlungen zu begünstigen. Der aufgezeigte Regelungszweck geht vielmehr dahin, dass bereits vorhandene Schnittstellenprobleme in Einklang mit § 12 Abs 1 [X.]B V (Wirtschaftlichkeitsgebot; zu dessen uneingeschränkter Geltung im Leistungserbringungsrecht vgl nur B[X.] Urteil vom 10.3.2015 - B 1 KR 2/15 R - Juris Rd[X.] mwN, zur Veröffentlichung in [X.]-2500 § 39 [X.]3 und B[X.]E vorgesehen) beseitigt werden sollen. Krankenhäuser, die nach § 11 Abs 4 S 2 [X.]B V die Pflicht haben, im Rahmen der bestehenden Versorgungsstruktur für eine sachgerechte Anschlussversorgung zu sorgen, sollen durch § 11 Abs 4 [X.]B V keine finanziell vergüteten Freiräume für unwirtschaftliches Behandeln erhalten.

c) Auch sollen andere Sozialleistungsträger, in deren Strukturverantwortung die Sicherstellung der nachstationären Versorgung der Versicherten fällt, nicht entlastet werden. Es widerspräche dem Regelungssystem, den [X.] ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung eine Strukturverantwortung für eine Versorgung aufzuerlegen, die nicht zu ihrem Aufgabenbereich zählt. Die [X.] stellt ihren Versicherten medizinische Leistungen zur Verfügung, um Krankheiten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dies gilt selbst für Leistungen wie die Beschäftigungs- und die Arbeitstherapie, die eine Nähe zu Eingliederungsleistungen aufweisen, aber nur insoweit dem [X.]-Leistungskatalog zuzurechnen sind, als sie gezielt zur Bekämpfung der Krankheit im Rahmen einer ärztlich angeleiteten und überwachten Behandlung eingesetzt werden (vgl B[X.]E 109, 122 = [X.]-2500 § 42 [X.] 1, Rd[X.]1 ff). Die [X.] tragen zur Erfüllung des Krankenbehandlungsanspruchs nach § 2 Abs 1 S 1, Abs 2 [X.]B V die Strukturverantwortung für die Verfügbarkeit adäquater Behandlungskapazitäten der Krankenhäuser (vgl auch B[X.] Urteil vom [X.] - B 1 KR 6/15 R - Juris Rd[X.] 14, zur Veröffentlichung in [X.]-2500 § 109 [X.]3 und B[X.]E vorgesehen). Eingliederungsleistungen, insbesondere solche nach den §§ 53 ff [X.]B XII, und die entsprechende Strukturverantwortung dafür (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis vgl nur B[X.]E 102, 1 = [X.]-1500 § 75 [X.] 9, Rd[X.] ff), die der Teilhabe am Leben in der [X.] dienen, zählen, auch wenn sie durch ambulante vertragsärztliche Behandlung flankiert werden (müssen), nicht zum Aufgabenbereich der [X.]. Auch die Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten rechnet der Gesetzgeber ausdrücklich den Leistungen der Teilhabe am Leben in der [X.] zu (§ 55 Abs 2 [X.] 6 [X.]B IX).

d) An dieser Ausgestaltung der Strukturverantwortung haben die nachfolgenden Änderungen des § 39 [X.]B V festgehalten. Soweit der Gesetzgeber den Anspruch auf ein Entlassmanagement "als unmittelbare(n) Bestandteil des Anspruchs auf Krankenhausbehandlung in § 39 [X.]B V ausgestaltet" hat (vgl Begründung zu Art 1 [X.] des [X.]-VStG-Entwurfs, BT-Drucks 17/6906 [X.]; ebenso, Begründung zu Art 1 [X.] 9 des [X.]-V[X.]-Entwurfs, BT-Drucks 18/4095 [X.]), folgt daraus nichts anderes für den Vergütungsanspruch der Krankenhäuser nach § 109 Abs 4 S 3 [X.]B V. Das Krankenhaus hat auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen einen Vergütungsanspruch gegen einen Träger der [X.] nur für eine "erforderliche" Krankenhausbehandlung. Die Vergütung dient als Gegenleistung für die Erfüllung der Pflicht des zugelassenen Krankenhauses, Krankenhausbehandlung (§ 39 [X.]B V) der Versicherten im Rahmen des [X.] zu leisten. Die Leistung des Krankenhauses ist nämlich zur Erfüllung des Leistungsanspruchs des Versicherten bestimmt (vgl B[X.], Großer Senat, B[X.]E 99, 111 = [X.]-2500 § 39 [X.], Rd[X.]). § 39 Abs 1 [X.] bis 6 [X.]B V (bis 22.7.2015) und § 39 Abs 1a [X.]B V (seit 23.7.2015), die denselben Regelungszweck wie § 11 Abs 4 [X.]B V verfolgen, haben den Anspruch der Versicherten auf Krankenhausbehandlung nicht auf Fallgestaltungen ausgedehnt, bei denen es den Versicherten an Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit mangelt. Art 1 [X.] [X.]-VStG wollte mit der Einfügung der [X.] bis 6 in § 39 Abs 1 [X.]B V das mit § 11 Abs 4 [X.]B V verfolgte Ziel unterstreichen und in seiner Durchsetzungsmöglichkeit verstärken. Der Gesetzgeber reagierte damit auf den Umstand, dass § 11 Abs 4 [X.]B V "nicht in dem gewünschten Umfang umgesetzt und genutzt" wurde; nicht alle Krankenhäuser boten ein Versorgungsmanagement iS eines [X.] an (vgl Begründung zu Art 1 [X.] des [X.]-VStG-Entwurfs, BT-Drucks 17/6906 [X.]). Nichts anders gilt angesichts fortbestehender Umsetzungsdefizite für die Ersetzung der Regelungen in § 39 Abs 1 [X.] bis 6 [X.]B V durch § 39 Abs 1a [X.]B V (vgl Begründung zu Art 1 [X.] 9 des [X.]-V[X.]-Entwurfs, BT-Drucks 18/4095 [X.]). Der nunmehr explizit als Teil des Anspruchs auf Krankenhausbehandlung ausgestaltete Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit einem Entlassmanagement ist insoweit lediglich ein vom Krankenhausbehandlungsanspruch abhängiger Nebenleistungsanspruch (vgl Ossege, [X.] 2012, 204, 205), ohne die Grundvoraussetzungen des Krankenhausbehandlungsanspruchs abzuschwächen oder zu ändern.

e) Wie festgestellt, fehlte es in den betroffenen Zeiträumen an der Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung. Für den Vergütungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist es rechtlich unerheblich, dass der Versicherte sowohl bei der ersten als auch bei der zweiten Behandlung nur in die Obhut einer Einrichtung für Suchtkranke entlassen werden konnte und eine solche jeweils nicht zeitgerecht zur Verfügung stand, um ihn aufzunehmen.

3. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 [X.]G iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 1 KR 20/15 R

17.11.2015

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Halle (Saale), 22. April 2015, Az: S 35 KR 220/12, Urteil

§ 2 Abs 1 S 1 SGB 5, § 2 Abs 2 S 3 SGB 5, § 11 Abs 4 S 2 SGB 5 vom 26.03.2007, § 12 Abs 1 SGB 5, § 39 Abs 1 S 2 SGB 5 vom 21.12.1992, § 39 Abs 1 SGB 5 vom 19.12.2007, § 39 Abs 1 S 4 SGB 5 vom 22.12.2011, § 39 Abs 1 S 5 SGB 5 vom 22.12.2011, § 39 Abs 1 S 6 SGB 5 vom 22.12.2011, § 39 Abs 1a SGB 5, § 70 SGB 5, § 109 Abs 4 S 3 SGB 5, § 112 Abs 2 SGB 5, § 115 SGB 5, § 55 Abs 2 Nr 6 SGB 9, § 53 SGB 12, §§ 53ff SGB 12, § 16 KHG, § 17 KHG, BPflV 1994, Art 6 Nr 3 PflegeWEG, Art 1 Nr 8 GKV-VStG, Art 1 Nr 9 Buchst a GKV-VSG, Art 1 Nr 9 Buchst b GKV-VSG, Art 1 Nr 7 Buchst a GKV-WSG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.11.2015, Az. B 1 KR 20/15 R (REWIS RS 2015, 2252)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2252

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