Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.12.2016, Az. 4 BN 17/16

4. Senat | REWIS RS 2016, 192

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Gegenstand

Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern bei der Aufstellung eines Regionalplans; Abwägung privater Belange


Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung, die ihr die [X.]eschwerde beimisst.

2

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des [X.]undesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; so bereits [X.], [X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]E 13, 90 <91>).

3

Die Frage,

ob ein Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit unter die [X.] des § 12 ROG 2008, ergänzt durch § 5 Abs. 3 [X.] [X.]W fallen und damit nach Ablauf eines Jahres nicht mehr geltend gemacht werden kann,

wäre, soweit [X.]undesrecht in Frage steht, nicht entscheidungserheblich und betrifft im Übrigen nicht revisibles Landesrecht. § 12 Abs. 1 ROG 2008 erfasst nach seinem eindeutigen Wortlaut ("dieses Gesetzes") nur die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften nach dem Raumordnungsgesetz. Eine Verpflichtung, Regionalpläne in öffentlicher Sitzung zu beschließen, lässt sich diesem Gesetz nicht entnehmen. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass sich eine Verpflichtung zur [X.]eschlussfassung über Regionalpläne in öffentlicher Sitzung nur aus § 35 Abs. 10 Satz 3 [X.] [X.]W i.V.m. § 35 Abs. 1 [X.] [X.]W ergeben könne. Er hat ferner angenommen, dass die landesrechtlichen [X.]haltungsvorschriften des § 5 [X.] [X.]W neben den bundesrechtlichen Vorschriften des § 12 ROG 2008 anzuwenden seien, soweit sie diese ergänzten ([X.] f.). Die [X.]eschwerde nimmt beides hin. Hieran anknüpfend kommt das Normenkontrollgericht zu dem Schluss, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit - so er denn vorgelegen haben sollte - zwischenzeitlich in Anwendung des § 5 Abs. 3 [X.] [X.]W unbeachtlich geworden sei ([X.] ff.). Ob letztere Annahme zutrifft, entzieht sich der revisionsgerichtlichen Überprüfung, da es sich bei § 5 Abs. 3 [X.] [X.]W um eine Norm des irrevisiblen Landesrechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) handelt.

4

Auch die Frage,

ob es sachlich gerechtfertigt ist, dass im Rahmen von [X.]ebauungsplanverfahren ein schwerwiegender Verfahrensverstoß wie derjenige gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit auch nach Ablauf der Jahresfrist ([X.]) gerügt werden kann, während ein solcher Verstoß im [X.]ereich des [X.] - wenn er nicht innerhalb der Jahresfrist gerügt wird - unbeachtlich werden soll,

würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, denn Verstöße gegen landesrechtliche Verfahrensvorschriften werden - wie dargestellt und nicht anders als bei § 214 Abs. 1 [X.]auG[X.] - von § 12 Abs. 1 ROG 2008 nicht erfasst. Die Unbeachtlichkeit eines solchen Fehlers kann sich daher nur aus § 5 Abs. 3 [X.] [X.]W, mithin aus einer Norm des nicht revisiblen Landesrechts ergeben. Sollte die [X.]eschwerde der Meinung sein, dass § 5 Abs. 3 [X.] [X.]W mit höherrangigem Recht, namentlich mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar ist, fehlen Darlegungen hierzu (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

5

Es kann offenbleiben, ob auf die weiteren für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltenen Fragen,

ob ein fehlerhafter Hinweis unter [X.]ezugnahme auf § 12 Abs. 5 ROG nicht insgesamt zum Ausschluss sowohl der [X.]haltungsvorschriften als auch der Rechtsfolgen der [X.] hinsichtlich der Geltendmachung von Verfahrens- und Formvorschriften führt und

ob ein solcher fehlerhafter Hinweis unter [X.]ezugnahme auf § 12 Abs. 5 ROG nicht deshalb irreführend sei, weil er zusammen mit Hinweisen bezogen auf landesrechtliche Vorschriften in einem Satz zusammengefasst ist,

in [X.], rechtsgrundsätzlicher Form geantwortet werden kann. Denn auch diese Fragen würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Der Verwaltungsgerichtshof ist davon ausgegangen, dass der Hinweis nach § 12 Abs. 5 Satz 2 ROG 2008 in der [X.]ekanntmachung vom 12. November 2010 fehlerhaft erfolgt sei und daher die Rechtsfolgen des § 12 Abs. 5 Satz 1 ROG 2008 nicht ausgelöst habe, weil in ihm auf ein Schriftformerfordernis für die Geltendmachung von Verstößen gegen das Raumordnungsgesetz hingewiesen worden ist, § 12 Abs. 5 ROG 2008 aber keine Anforderungen an die Form der Geltendmachung von Rechtsverstößen stelle ([X.] f.). Ob der Hinweis nach § 12 Abs. 5 Satz 2 ROG an weiteren Mängeln leidet, ist daher unbeachtlich.

6

Hiervon zu trennen ist die Frage, ob auch der nach § 5 Abs. 4 [X.] [X.]W in [X.]ezug auf die [X.] des § 5 Abs. 3 [X.] [X.]W erforderliche Hinweis fehlerfrei erfolgt ist. Das Normenkontrollgericht hat dies unter Anwendung der Grundsätze für Rechtsbehelfsbelehrungen gemäß § 58 VwGO geprüft. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Hinweis nicht zu beanstanden, insbesondere nicht irreführend sei, obwohl er zusammen mit den Hinweisen nach § 12 Abs. 5 ROG 2008 in einem Satz zusammengefasst wurde ([X.] f.). Die Anforderungen an die Hinweispflicht nach § 5 Abs. 4 [X.] [X.]W ergeben sich jedoch wiederum aus dem irrevisiblen Landesrecht, auch soweit es um die Auslegung und Anwendung des § 58 VwGO geht (vgl. [X.], Urteile vom 27. Juni 1969 - 7 C 19.67 - [X.]E 32, 249 <251> und vom 27. Juni 1969 - 7 C 20.67 - [X.]E 32, 252 <254>; [X.]eschluss vom 29. Dezember 2009 - 8 [X.] 46.09 - juris Rn. 2). Sollte der [X.]eschwerde insofern die Rüge der Nichtbeachtung von [X.]undesrecht bei der Anwendung und Auslegung von Landesrecht zu entnehmen sein, so hätte sie näher darlegen müssen, inwiefern die gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführte bundesrechtliche Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher [X.]edeutung aufwirft (stRspr; vgl. etwa [X.], [X.]eschlüsse vom 21. Dezember 1994 - 4 [X.] 266.94 - NVwZ 1995, 601 juris Rn. 6, vom 9. Oktober 1997 - 6 [X.] - [X.] 406.39 [X.] Nr. 8 juris Rn. 8 m.w.N. und vom 30. Juni 2003 - 4 [X.] - [X.] 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 26 juris Rn. 4). Hieran fehlt es.

7

Hinsichtlich der Fragen,

ob es dem Rechtsstaatsprinzip entspricht, wenn die [X.]ekanntmachung einer Rechtsverordnung - Regionalplan - nur im Wege der [X.] erfolgt, und

ob es dem Rechtsstaatsprinzip entspricht, wenn die [X.]ekanntmachung einer Norm - hier Regionalplan - nur in einem im Wesentlichen an öffentliche Stellen abgegebenen und im Zeitschriftenhandel nicht erhältlichen Medium erfolgt, welches ohne örtlichen [X.]ezug ist (und nur in einer einzigen Verkaufsstelle - [X.]uchhandel - im gesamten [X.]undesland erworben werden kann),

legt die [X.]eschwerde nicht dar, inwiefern das Rechtsstaatsprinzip als (gegebenenfalls) korrigierender Maßstab gegenüber § 13 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.]W, wonach der [X.] den Regionalplan nach § 13 Abs. 1 [X.] [X.]W im Staatsanzeiger für [X.] öffentlich bekannt zu machen hat, ungeklärte Fragen von grundsätzlicher [X.]edeutung aufwirft (vgl. oben). Solche Darlegungen wären vor allem deswegen geboten, weil das nach Art. 20 Abs. 3 GG auch für die Länder geltende Rechtsstaatsprinzip keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote enthält, sondern der Konkretisierung durch die verfassungsrechtlich zuständigen Organe bedarf ([X.], [X.]eschluss vom 4. September 2014 - 4 [X.] - UPR 2015, 99 = juris Rn. 5).

8

Schließlich führt auch die Frage,

ob stets private [X.]elange bei einer Zielfestlegung abschließend abzuwägen sind oder ob sich der [X.] regelmäßig darauf beschränken kann, private [X.]elange in einer pauschalen, typisierenden Art und Weise, als Gruppenbelange zu berücksichtigen oder ob nicht - wie in einem [X.]ebauungsplanverfahren - die spezifische [X.]etroffenheit privater [X.]elange eines Einzelnen abzuwägen und zu berücksichtigen sind, insbesondere dann, wenn eine Feinsteuerung im Rahmen einer [X.]auleitplanung wie bei einem regionalen Grünzug dem Grunde nach ausgeschlossen ist,

nicht zur Zulassung der Revision. Sie ist so unbestimmt gestellt, dass sie für eine Vielzahl gedachter Fallgestaltungen einer Antwort zugänglich ist und deshalb nur in der Art eines Lehrbuchs beantwortet werden könnte. Das ist nicht Aufgabe eines Revisionsverfahrens ([X.], [X.]eschluss vom 23. Oktober 2012 - 4 [X.] 35.12 - [X.] 2013, 172 = juris Rn. 4).

9

Soweit sich die Frage im [X.] darauf reduzieren lässt zu klären, inwiefern im Rahmen der Abwägung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG bei einer Zielfestlegung (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG) auch private [X.]elange zu berücksichtigen sind, ist sie nicht klärungsbedürftig. Wie der [X.] bereits entschieden hat, sind in der Abwägung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG alle öffentlichen und privaten [X.]elange einzustellen, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene (Landes- oder Regionalplan) erkennbar und von [X.]edeutung sind. [X.] sind alle [X.]elange, die mehr als geringwertig, schutzwürdig, nicht mit einem Makel behaftet und für den [X.] erkennbar sind ([X.], [X.]eschluss vom 10. Februar 2016 - 4 [X.] 37.15 - [X.] 2016, 376 = juris Rn. 9). Nicht schutzwürdig sind etwa ungewisse Zukunftserwartungen; diesen kommt kein rechtliches Gewicht zu ([X.], Urteil vom 23. August 1996 - 4 A 29.95 - [X.] 407.4 § 19 [X.] Nr. 8 = juris Rn. 31; siehe auch [X.]eschluss vom 9. November 1979 - 4 N 1.78 u.a. - [X.]E 59, 87 = juris Rn. 50 und Urteil vom 28. April 1999 - 4 A 24.98 - [X.] 407.4 § 17 [X.] Nr. 152 = juris Rn. 15). Der [X.] hat des Weiteren aus den Aufgaben der Raumordnung als einer zusammenfassenden, übergeordneten Planung, ihrer weiträumigen Sichtweise und ihrem Rahmencharakter die [X.]efugnis des Planungsträgers zur Typisierung abgeleitet ([X.], Urteil vom 13. März 2003 - 4 C 4.02 - [X.]E 118, 33 <44>). Das [X.] braucht mithin nicht so kleinteilig zusammengestellt zu werden wie auf den nachgeordneten Planungsebenen ([X.], [X.]eschluss vom 22. Mai 2014 - 4 [X.] 56.13 - [X.] 2014, 583 Rn. 8), es sei denn, kleinteilige private [X.]elange wären dann auch auf der nachfolgenden Planungs- oder [X.] nicht mehr zu prüfen (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 24. März 2016 - 4 [X.] 41. bis 45.15 - juris). Von diesen Grundsätzen ist der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen ([X.] f.). Er hat ausgeführt, dass das Eigentum des Antragstellers an den von der Zielfestlegung betroffenen Grundstücken von dem Antragsgegner zu berücksichtigen gewesen sei. Da der Antragsteller als [X.]elang aber nur geltend gemacht habe, er lehne jede Planung ab, habe der Satzungsgeber diesen [X.]elang mit den Erwägungen zur Erforderlichkeit der Planung "wegwägen" können. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit diesem [X.]elang sei nicht geboten gewesen. Schließlich sei die Hoffnung eines Grundstückseigentümers, bei gleichbleibender regionalplanerischer Festlegung werde die Gemeinde die [X.]ebauung eines Außenbereichsgrundstücks durch einen [X.]ebauungsplan ermöglichen, kein abwägungserheblicher [X.]elang ([X.]). Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die [X.]eschwerde nicht auf.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 17/16

22.12.2016

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 10. Februar 2016, Az: 8 S 1477/15, Urteil

§ 12 Abs 1 RaumOG, § 12 Abs 5 RaumOG, § 7 Abs 2 S 1 RaumOG, § 3 Abs 1 Nr 2 RaumOG, § 5 Abs 3 LPlG BW 2003, § 5 Abs 4 LPlG BW 2003, § 13 Abs 2 S 1 LPlG BW 2003

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.12.2016, Az. 4 BN 17/16 (REWIS RS 2016, 192)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 192

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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