Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.02.2016, Az. 4 BN 37/15

4. Senat | REWIS RS 2016, 16456

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Gegenstand

Antragsbefugnis für Normenkontrolle eines Regionalplans (hier: Eignungsgebiet Windenergie)


Gründe

I

1

Der Antragsteller wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen die als Ziel der Raumordnung erfolgte Ausweisung des [X.] für Windenergieanlagen Milow in der Landesverordnung über das [X.] vom 31. August 2011. Das in seinem hälftigen Miteigentum stehende und im Innenbereich gelegene Wohngrundstück liegt etwas mehr als 1000 m von der Grenze des [X.] entfernt. Der Antragsteller befürchtet insbesondere unzumutbare Immissionen im Falle der Errichtung von Windenergieanlagen, auch wegen der schon bestehenden Vorbelastung durch den Windpark [X.] in [X.]randenburg.

2

Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag mangels Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) als unzulässig abgelehnt. Zur [X.]egründung hat es ausgeführt, ob sich der Antragsteller auf einen eigenen abwägungserheblichen [X.]elang berufen kann, könne offen bleiben. Nach den maßgeblichen Darlegungen zur [X.]egründung des Normenkontrollantrages scheide jedenfalls eine fehlerhafte [X.]ehandlung solcher [X.]elange offensichtlich aus.

3

Die Revision gegen sein Urteil hat das Normenkontrollgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die [X.]eschwerde des Antragstellers, die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützt wird.

II

4

Die [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

5

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung, die ihr der Antragsteller beimisst.

6

Die von der [X.]eschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltenen Fragen,

ob der Grundsatz, dass die [X.] bei raumordnerischen Zielen regelmäßig grobmaschiger und die Ermittlung der berührten [X.]elange pauschaler sind, insbesondere weil es sich um private [X.]elange handelt, auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neufassung des [X.] im Jahr 2008 gilt, mit der Folge, dass eine [X.]esserstellung der privaten [X.]elange nicht erfolgt und private [X.]elange somit nicht gleichrangig und im Ergebnis weniger stringent zu prüfen sind,

ob der pauschalierte [X.], welcher noch vor der Neufassung des [X.] im Jahr 2008 galt, auch nach derselben Anwendung findet, wenn neben einem bestehenden Windpark ein weiteres Eignungsgebiet für Windkraftanlagen - in einem anderen [X.]undesland - hinzukommt bzw. festgesetzt wird, und

ob - den alten Prüfungsmaßstab anlegend - das pauschale Festsetzen des 1 000 m Vorsorgeabstandes der grobmaschigen Pauschalabwägung gerecht wird, wenn das festgesetzte [X.] dadurch vorbelastet ist, dass direkt daneben - sogar in einem anderen [X.]undesland - bereits ein Windpark vorhanden ist, von dem bereits erhebliche Auswirkungen ausgehen,

führen nicht zur Zulassung der Revision. In dieser Form würden sich die Fragen in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, sondern nur im Zusammenhang mit der Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Selbst dann wäre ein Grund für die Zulassung der Revision nicht gegeben.

7

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO setzt die Antragsbefugnis die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die angegriffene Norm oder deren Anwendung voraus. Wer eine Zielfestlegung in einem Regionalplan als mittelbar [X.]etroffener angreift, kann sich für die Antragsbefugnis (nur) auf das planungsrechtliche Abwägungsgebot des § 7 Abs. 2 Satz 1 [X.] berufen. Insofern gelten im Grundsatz dieselben Anforderungen wie etwa im Falle eines Normenkontrollantrages gegen einen [X.]ebauungsplan ([X.], [X.]eschluss vom 13. November 2006 - 4 [X.] 18.06 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 172 = juris Rn. 6). Danach muss der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch bestimmte Regelungen des raumordnungsrechtlichen Plans oder deren Anwendung in seinem Recht auf ordnungsgemäße Abwägung seiner [X.]elange verletzt wird ([X.], [X.]eschluss vom 30. Juli 2014 - 4 [X.] 1.14 - juris Rn. 23). Eine prinzipale Normenkontrolle eines Raumordnungsplans kann mithin nur erreichen, wer ein subjektives Recht darauf geltend machen kann, dass der [X.] sein "negatives [X.]" in einem privaten Interesse zu berücksichtigen hat ([X.], Urteil vom 11. Dezember 2003 - 4 CN 10.02 - [X.]E 119, 312 <320>; [X.]eschluss vom 14. Mai 2014 - 4 [X.] 10.14 - [X.], [X.] Rn. 7). Das bedeutet: Wenn und soweit das Interesse des Antragstellers an der Abwehr planbedingter Folgemaßnahmen zum notwendigen [X.] gehört, wird es von dem durch § 7 Abs. 2 Satz 1 [X.] vermittelten Recht auf gerechte Abwägung erfasst, dessen mögliche Verletzung die Antragsbefugnis begründet (vgl. [X.], Urteil vom 11. Dezember 2003 - 4 CN 10.02 - [X.]E 119, 312 <322>).

8

Die Antragsbefugnis ist dagegen nicht gegeben, wenn eine Verletzung des durch § 7 Abs. 2 Satz 1 [X.] vermittelten Abwägungsgebots offensichtlich und eindeutig nach jeder [X.]etrachtungsweise ausscheidet (vgl. auch [X.], Urteile vom 24. September 1998 - 4 CN 2.98 - [X.]E 107, 215 <217> und vom 18. November 2002 - 9 CN 1.02 - [X.]E 117, 209 <211>). Die Prüfung, ob das der Fall ist, ist allerdings nicht unter Auswertung des gesamten [X.] vorzunehmen ([X.], Urteil vom 24. September 1998 a.a.[X.]), und sie darf nicht in einem Umfang und in einer Intensität erfolgen, die einer [X.]egründetheitsprüfung gleichkommt ([X.], [X.]eschluss vom 29. Juli 2013 - 4 [X.] 13.13 - [X.] 2014, 159 Rn. 4). Das Normenkontrollgericht ist daher insbesondere nicht befugt, für die Entscheidung über die Antragsbefugnis den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären. Deswegen vermag die im Laufe des Verfahrens fortschreitende Sachverhaltsaufklärung durch das Normenkontrollgericht die Antragsbefugnis eines Antragstellers nicht nachträglich in Frage zu stellen. Andererseits muss es widerstreitendes Vorbringen des Antragsgegners, auf dessen Grundlage sich die maßgeblichen Tatsachenbehauptungen in der Antragsschrift als offensichtlich unrichtig erweisen, nicht ausblenden, sondern kann auf der Grundlage des wechselseitigen Schriftverkehrs darüber befinden, ob es einen abwägungserheblichen [X.]elang des Antragstellers geben kann ([X.], [X.]eschluss vom 10. Juli 2012 - 4 [X.] 16.12 - UPR 2013, 31 Rn. 3).

9

In die Abwägung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 [X.] sind alle öffentlichen und privaten [X.]elange einzustellen, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene (Landes- oder Regionalplan) erkennbar und von [X.]edeutung sind. [X.] sind alle [X.]elange, die mehr als geringwertig, schutzwürdig, nicht mit einem Makel behaftet und für den [X.] erkennbar sind ([X.], Urteil vom 24. September 1998 - 4 CN 2.98 - [X.]E 107, 215 <219>, [X.]eschlüsse vom 9. November 1979 - 4 N 1.78 - [X.]E 59, 87 <102 f.> und vom 14. Mai 2014 - 4 [X.] 10.14 - [X.], [X.] Rn. 8). Der Senat hat in diesem Zusammenhang aus den Aufgaben der Raumordnung als einer zusammenfassenden, übergeordneten Planung, ihrer weiträumigen Sichtweise und ihrem Rahmencharakter die [X.]efugnis des Planungsträgers zur Typisierung abgeleitet ([X.], Urteil vom 13. März 2003 - 4 C 4.02 - [X.]E 118, 33 <44>). Das [X.] braucht mithin nicht so kleinteilig zusammengestellt zu werden wie auf den nachgeordneten Planungsebenen ([X.], [X.]eschluss vom 22. Mai 2014 - 4 [X.] 56.13 - [X.] 2014, 583 Rn. 8), es sei denn, kleinteilige private [X.]elange wären dann auch auf der nachfolgenden Planungs- oder [X.] nicht mehr zu prüfen (vgl. [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 1. Aufl. 2010, § 7 Rn. 33).

Das Oberverwaltungsgericht ist der Sache nach von diesen - höchstrichterlich nicht weiter klärungsbedürftigen - Grundsätzen ausgegangen und hat angenommen, dass nach den maßgeblichen Darlegungen zur [X.]egründung des Normenkontrollantrages eine fehlerhafte [X.]ehandlung abwägungserheblicher [X.]elange des Antragstellers im Rahmen der Zielfestlegung in Kapitel 6.5 Energie Absatz 2 i.V.m. der Anlage zu Kapitel 6.5 hier offensichtlich ausscheide. Weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die [X.]eschwerde nicht auf. Soweit sie in der Sache geltend macht, das Oberverwaltungsgericht habe einen zu engen Prüfungsmaßstab angelegt, wendet sie sich gegen die Rechtsanwendung im Einzelfall. Mit einer solchen Kritik kann die Zulassung einer Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nicht erreicht werden.

2. Der Senat geht zu Gunsten des Antragstellers davon aus, dass er sich auch auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO berufen will. Denn er macht geltend, dass das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen an den Prüfungsmaßstab hinsichtlich des [X.]s privater [X.]elange überspannt habe ([X.]eschwerdebegründung S. 9). Nach der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts stellt es einen [X.] dar, wenn das Gericht eine Klage fehlerhaft als unzulässig abweist und sich dadurch der gebotenen Entscheidung zur Sache entzieht ([X.], [X.]eschluss vom 19. Dezember 1994 - 5 [X.] 79.94 - NJW 1995, 2121 m.w.N.). Das ist hier aber nicht der Fall. Das Oberverwaltungsgericht hat die Anforderungen an die Antragsbefugnis zutreffend beurteilt. Es ist nicht zu beanstanden, dass es davon ausgegangen ist, ein etwaiger und zu Gunsten des Antragstellers in der Abwägung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu berücksichtigender abwägungserheblicher [X.]elang sei offensichtlich nicht verletzt. Das Normenkontrollgericht ist in der Sache davon ausgegangen, dass bei einer pauschalierenden [X.]erücksichtigung der [X.]elange der benachbarten Wohnbebauung auf Schutz vor Immissionen (Lärm, Licht) auf [X.] der Raumordnungsplanung mit der Vorgabe eines 1000-Meter-(Vorsorge-)Abstandes schutzwürdige Interessen des Antragstellers nicht beeinträchtigt sein können. Angesichts der geltenden landesrechtlichen Abstandsempfehlungen für die Regionalplanung zur Ausweisung von Windenergiegebieten, die vielfach Abstände von 1000 m zu Wohngebieten vorsähen, sei ferner nicht erkennbar, dass dieser Ansatz auf [X.] den [X.]elangen Privater nicht hinreichend Rechnung trage ([X.]). Das gelte auch unter [X.]erücksichtigung der geltend gemachten Vorbelastung durch den Windpark [X.] ([X.]). Dem tritt der Antragsteller nicht substantiiert entgegen. Er beschränkt sich auf die schlichte [X.]ehauptung, das [X.] könne nicht umfassend umgesetzt werden, weil der 1000-Meter-Abstand nicht ausreiche, um auch mit [X.]lick auf die Vorbelastung durch den Windpark [X.] eine Überschreitung der nach der [X.] maßgeblichen Immissionsrichtwerte auszuschließen. Die weiteren Ausführungen des [X.], wonach der Antragsteller keine weitergehenden individuellen [X.]elange geltend gemacht habe, die bereits auf [X.] der Regionalplanung hätten berücksichtigt werden müssen ([X.]), er sich auf eine planbedingte Wertminderung ebenso wenig berufen könne wie auf eine planbedingte Verschlechterung der Aussicht ([X.]) oder auf seinen persönlichen Gesundheitszustand ([X.]), ferner, dass die Vorgabe eines Mindestabstandes von 5 km zwischen mehreren Eignungsgebieten nicht dem Schutz von Wohnbebauung diene ([X.], 13), und schließlich, dass auch der [X.]elang der Erhaltung der schützenswerten Landschaft und die [X.]elange des Naturschutzes keinen Drittschutz vermittelten ([X.]), nimmt der Antragsteller hin.

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 37/15

10.02.2016

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, 20. Mai 2015, Az: 3 K 18/12, Urteil

§ 7 Abs 2 S 1 ROG, § 47 Abs 2 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.02.2016, Az. 4 BN 37/15 (REWIS RS 2016, 16456)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16456

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4 KN 368/15

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