Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.02.2024, Az. X ZR 8/22

10. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1044

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Gegenstand

Patentrecht: Beurteilung der Neuheit eines Patents; Offenbarung des Gegenstands in der Entgegenhaltung - Aufbaupfosten


Leitsatz

Aufbaupfosten

Anders als für die Frage, ob der Gegenstand eines Patents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgeht, ist für die Beurteilung der Neuheitsfrage nicht erheblich, ob ein bestimmter Gegenstand als zur Erfindung gehörend offenbart ist. Ausreichend ist vielmehr, dass der Gegenstand in der Entgegenhaltung unmittelbar und eindeutig offenbart ist.

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 6. Senats ([X.]) des [X.] vom 4. November 2021 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 2 106 766 (Streitpatents), das am 31. März 2009 unter Inanspruchnahme einer [X.] Priorität vom 1. April 2008 angemeldet wurde und einen [X.] für ein Dentalimplantat betrifft.

2

Patentanspruch 1, auf den fünf weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der [X.]:

Kombination aus einen [X.] (10) und einem Dentalimplantat, wobei der [X.] (10) folgendes umfasst:

ein mit profilierten Abschnitten versehenes apikales Basisteil (2) mit einer durchgehenden Bohrung (12),

ein an das apikale Basisteil (2) [X.] anschließendes rotationssymmetrisches [X.] (14), und

einen an das [X.] (14) [X.] anschließenden okklusalen Abschnitt (15), in den das [X.] (14) übergeht,

dadurch gekennzeichnet, dass das apikale Basisteil (2) im Wesentlichen zylindrisch oder kegelstumpfförmig ausgebildet ist, und dass die profilierten Abschnitte als planare Flächen (11) in der Mantelfläche (4) des apikalen [X.] (2) ausgebildet sind, wobei jede ebene Fläche (11) des profilierten Abschnitts in [X.] liegt, die von den zwei Generatrixen des apikalen [X.] (2) bestimmt wird, die die ebene Fläche (11) in axialer Richtung des [X.]s (10) begrenzen, und dass

das apikale Basisteil (2) des [X.]s (10) zur Aufnahme in das Dentalimplantat ausgebildet ist.

3

Die Klägerin hat das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1, 2 und 4 sowie im Umfang der Patentansprüche 5 und 6, soweit sich diese ausschließlich auf die Patentansprüche 1, 2 und 4 beziehen, angegriffen. Sie hat geltend gemacht, die Erfindung sei nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und der angegriffene Gegenstand sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und mit insgesamt 56 Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt.

4

Das Patentgericht hat das Patent im angegriffenen Umfang für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das Patent in der erteilten Fassung und mit ihren erstinstanzlichen Hilfsanträgen 1 bis 35 verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

6

I. [X.] betrifft einen [X.] für ein [X.].

7

1. Nach der Beschreibung des Streitpatents war aus der [X.] Patentanmeldung 1 894 541 ([X.]) ein [X.] bekannt, der mit vier Nuten versehen ist, die zur rotationsgesicherten Aufnahme in ein Implantat ausgebildet sind (Abs. 2).

8

Ein Ausführungsbeispiel für einen solchen [X.] stellt die Streitpatentschrift schematisch in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 dar.

Abbildung

9

An der mit dem Bezugszeichen 3 bezeichneten Stelle, welche die am tiefsten gelegene Position der Nut betreffe, sei es schwer, mit gängigen maschinellen Verarbeitungsverfahren wie zum Beispiel Fräsen die für [X.]e erforderliche Präzision zu erzielen (Abs. 8). Die mit dem Bezugszeichen 5 bezeichnete Stelle, welche die am höchsten gelegene Position betreffe, sei insbesondere im Hinblick auf die Brüchigkeit empfindlich (Abs. 9).

2. Dem Streitpatent liegt das technische Problem zugrunde, einen [X.] bereitzustellen, der zur rotationsgesicherten Aufnahme in ein Implantat geeignet ist und eine hohe Präzision sowie eine geringe Brüchigkeit aufweist.

3. Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 eine Kombination zweier Vorrichtungen mit folgenden Merkmalen vor:

1. Kombination aus

1.1 einem [X.] (10) und

1.2 einem [X.]

2. Der [X.] (10) umfasst

2.1 ein Basisteil (2),

2.2 ein [X.] (14) und

2.3 einen okklusalen Abschnitt (15).

3. Das Basisteil (2) ist

3.1 apikal angeordnet,

3.2 mit profilierten Abschnitten versehen,

3.2.1 die als planare Flächen (11) in der Mantelfläche (4) des apikalen [X.] (2) ausgebildet sind und

3.2.2 deren ebene Fläche (11) jeweils in [X.] liegt, die von den zwei [X.] des apikalen [X.] (2) bestimmt wird, die die ebene Fläche (11) in axialer Richtung des [X.] (10) begrenzen,

3.3 mit einer durchgehenden Bohrung (12) versehen,

3.4 im Wesentlichen zylindrisch oder kegelstumpfförmig und

3.5 zur Aufnahme in das [X.] ausgebildet.

4. [X.] (14)

4.1 schließt an das apikale Basisteil (2) koronal an,

4.2 ist rotationssymmetrisch und

4.3 geht in den okklusalen Abschnitt über.

5. Der okklusale Abschnitt (15)

5.1 schließt an das [X.] (14) koronal an.

Ein Ausführungsbeispiel ist in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 3a bis 3c dargestellt.

Abbildung

4. Einige Merkmale bedürfen näherer Erörterung:

a) Ein [X.] im Sinne von Merkmal 1.2 ist nach dem allgemeinen, auch dem Streitpatent zugrundeliegenden Sprachgebrauch ein Bauteil, das dauerhaft in einen Kiefer implantiert und als Ankerpunkt für künstlichen Zahnersatz eingesetzt werden kann.

[X.] befasst sich nicht näher mit der Ausgestaltung des Implantats und zeigt auch kein Ausführungsbeispiel dafür.

Aus dem Umstand, dass das Basisteil des im Streitpatent im Mittelpunkt stehenden [X.] gemäß Merkmal 3.5 zur Aufnahme in das Implantat ausgebildet sein muss, ergibt sich, dass das Implantat seinerseits zur Aufnahme eines patentgemäß ausgestalteten [X.] geeignet sein muss.

b) Ein [X.] (abutment) dient nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als Verbindungsglied zwischen dem Implantat und einer künstlichen Zahnkrone.

[X.] enthält auch insoweit keine abweichende Definition. Es legt auch nicht näher fest, in welcher Weise der [X.] mit einer gegebenenfalls darauf angebrachten Zahnkrone zu verbinden ist.

c) Das in [X.] 3 spezifizierte Basisteil (2) dient nach Merkmal 3.5 der Aufnahme des [X.] in das Implantat.

aa) Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob die in Merkmal 3.4 bezüglich der Form des [X.] definierte Vorgabe "zylindrisch oder kegelstumpfförmig" geometrisch zu verstehen ist und damit Körper mit beliebigen Grundflächen einschließt oder ob darunter nur gerade Zylinder und Kegelstümpfe mit einem Kreis als Grundfläche fallen.

bb) Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass sich die in [X.] 3.2 vorgesehenen profilierten Abschnitte nicht zwingend über die gesamte Höhe des [X.] erstrecken müssen.

Dies ergibt sich aus dem im Streitpatent als ebenfalls erfindungsgemäß bezeichneten Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 3a bis 3c, bei dem der apikale Bereich des [X.] keine profilierten Abschnitte im Sinne von [X.] 3.2 aufweist, um das Einführen und Führen des [X.] in das Implantat zu erleichtern (Abs. 25).

cc) Die in [X.] 3.2 vorgesehene Ausgestaltung der profilierten Abschnitte als planare, d.h. ebene Flächen, die in axialer Richtung durch die zwei [X.] des [X.] begrenzt sind, ermöglicht eine Rotationssicherung ohne Ausbildung von Nuten.

(1) Die [X.] im Sinne von Merkmal 3.2.2 sind Geraden, die die Mantelfläche des Zylinders oder Kegelstumpfes definieren.

Wie das Patentgericht unter Bezugnahme auf das allgemeine Werk von [X.] und [X.] (Taschenbuch der Mathematik, 23. Aufl., [X.] 1987, S. 198 f., [X.]) näher dargelegt hat, kann ein Zylinder aus geometrischer Sicht als räumliches Gebilde definiert werden, das durch Parallelverschiebung einer Geraden (der [X.] oder Generatrix) entlang einer so genannten [X.] (der [X.]) entsteht. Eine Kegelfläche entsteht durch Bewegung einer [X.], die durch einen festen Punkt geht und längs der [X.] gleitet.

Wenn die ebene Fläche eines profilierten Abschnitts auf beiden Seiten axial durch eine Generatrix in diesem Sinne begrenzt wird, kann am Übergang zwischen dem profilierten Abschnitt und den benachbarten Bereichen der Mantelfläche keine Vertiefung entstehen. Damit ist eine Nutenbildung ausgeschlossen.

(2) Der Umstand, dass die in [X.] 3.2 definierte Ausgestaltung nur für Abschnitte des [X.] vorgesehen ist, hat zur Folge, dass es andere Abschnitte geben muss, die eine andere Form haben.

Aus dem Zusammenhang mit Merkmal 3.4 ergibt sich, dass es sich bei dieser Form um die mit der [X.] definierte Form des Zylinder- oder Kegelstumpfmantels handeln muss.

(3) Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, ergeben sich daraus keine Festlegungen hinsichtlich des Herstellungsverfahrens.

Entgegen der Auffassung der Beklagten bezieht sich der Ausdruck "mit profilierten Abschnitten versehen" nicht auf die Art und Weise, in der diese Abschnitte gebildet werden, sondern lediglich auf die geometrische Ausgestaltung.

Deshalb ist insbesondere nicht erforderlich, dass die profilierten Abschnitte durch Materialabtrag aus einer zuvor hergestellten, vollständig dem Verlauf der [X.] entsprechenden Mantelfläche gebildet werden. Vielmehr kommt jedes Herstellungsverfahren in Betracht, das die Ausbildung der in [X.] 3.2 definierten geometrischen Form ermöglicht.

d) Hinsichtlich der Form des zwischen dem Basisteil und dem okklusalen Abschnitt angeordneten [X.]s sieht Patentanspruch 1 in Merkmal 4.2 lediglich vor, dass dieses Teil rotationssymmetrisch ist.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei gegenüber der [X.] [X.] 10 2004 002 190 ([X.]) nicht neu. [X.] zeige eine Kombination aus [X.] und [X.]. Letzteres sei als [X.] im Sinne des Streitpatents aufzufassen, weil es eine Kopplung zwischen Krone und Implantat ermögliche. Das in [X.] als Fortsatz bezeichnete Basisteil sei im Wesentlichen zylindrisch oder kegelstumpfförmig ausgebildet. [X.] gebe dazu an, der von der Kreisform abweichende Querschnitt des [X.] könne eine beliebige Form haben, vorzugsweise die Form unter anderem einer Raute, eines Trapezes, eines Rechteckes oder eines Vielecks bis zum Oktagon, wobei die Ecken abgerundet sein könnten. Bei abgerundeten Ecken könne die Fläche als eine gekrümmte Mantelfläche gemäß Merkmal 3.4 aufgefasst werden.

Die mit den [X.] 1 bis 3 verteidigten Gegenstände würden von der Lehre der [X.] ebenfalls neuheitsschädlich getroffen.

Die mit den [X.] 4 bis 7 verteidigten Gegenstände, die eine kreiszylindrische Form zwingend umfassten, beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Ausgehend von der in [X.] enthaltenen Anregung, das apikale Basisteil in einem oberen Bereich kreisförmig und in einem unteren Bereich insbesondere mit planaren Flächen wie etwa bei einem Quadrat, einem Rechteck oder einer Raute auszubilden und hierfür abgerundete Ecken vorzusehen, sei es der einfachste [X.], zunächst einen für beide Bereiche gemeinsamen Kreiszylinder zu fertigen und sodann planare Flächen zum Beispiel für einen quadratischen Querschnitt zu fräsen.

Die mit den [X.] 8 bis 35 verteidigten Gegenstände seien ebenfalls nicht patentfähig.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren hinsichtlich der erteilten Fassung und der Fassung nach Hilfsantrag 4 schon deshalb stand, weil ein als Kreiszylinder ausgebildetes Basisteil mit profilierten Abschnitten im Sinne von [X.] 3.2, wie es nach Hilfsantrag 4 zwingend vorgesehen und nach der erteilten Fassung jedenfalls vom geschützten Gegenstand umfasst ist, ausgehend von [X.] nahelag.

1. [X.] befasst sich mit der Modellierung von Zahnkronen, die mit einem Implantat verankert sind.

Die Beschreibung von [X.] führt aus, im Stand der Technik würden [X.]e eingesetzt, die als Schnittstelle zwischen dem im Kieferknochen sitzenden Metallkörper eines Implantats und dem später in die [X.] hineinragenden Anteil, etwa einer zahntechnisch hergestellten Krone dienten. Der Zahntechniker müsse die Krone in Wachs modellieren und zusammen mit dem metallischen, angussfähigen [X.] oder Kupplungselement gießen (Abs. 3 f.).

Die im damaligen Stand der Technik bekannten [X.]e erforderten eine Übertragung der Position des Implantats in der [X.] auf eine Anordnung von Übertragungsstümpfen. Dies sei komplex, zeitaufwändig und kostenintensiv (Abs. 5 f.).

2. Vor diesem Hintergrund schlägt [X.] ein [X.] vor, das aus einem beschleifbaren Kunststoff besteht.

Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 dargestellt.

Abbildung

Das [X.] (1) umfasst einen koronalen Kopf (1.1) mit einer Bohrung (1.1.1) zum Einbringen eines Befestigungselements (2.1) zum wieder lösbaren, [X.]en Verbinden des [X.]s mit einem Implantat (2) (Abs. 8). Der koronale Kopf ist größer als der hieraus zu modellierende [X.] (1.1.K). Er weist bevorzugt einen kreisförmigen Querschnitt auf (Abs. 30).

Das [X.] (1) umfasst ferner einen Fortsatz (1.2.E) zur passgenauen Kupplung mit einer entsprechenden Aussparung (2.2.A) des Implantats (2) (Abs. 28). Vorzugsweise weist der Fortsatz einen oberen Bereich (1.2.E.2) mit einem kreisförmigen Querschnitt und einen unteren Bereich (1.2.E.3) mit einem von der Kreisform abweichenden Querschnitt auf (Abs. 33). Letzterer kann eine beliebige geometrische Form haben. Als geeignet bezeichnet [X.] unter anderem die Form einer Raute, eines Trapezes, eines Rechtecks, eines Quadrats oder eines Penta-, Hexa-, Hepta- oder Oktagons. Mindestens eine Ecke oder alle Ecken dieser geometrischen Figuren können abgerundet sein (Abs. 40).

Nach Fixierung des [X.]s (1) in der [X.] wird der koronale Kopf abgeschliffen, so dass daraus ein Positiv (1.1.P) des [X.]s (1.1.K) resultiert. Das Positiv kann bereits die Form der fertigen Krone aufweisen oder wie ein [X.] geformt sein (Abs. 52).

Im weiteren Verlauf wird mittels des [X.] (1.1.P) ein Negativ (1.N) geformt, zum Beispiel durch Ummantelung des [X.]s (1) mit einem plastischen und härtbaren Abdruckmaterial. Danach wird der Kunststoff (1.M) des [X.]s (1) vollständig entfernt, zum Beispiel durch thermische Zersetzung. Der daraus resultierende Hohlraum wird mit einer [X.] ausgegossen, wodurch ein Positiv (1.P) des gesamten modellierten erfindungsgemäßen [X.]s (1) gebildet wird. Hierfür können alle üblichen härtbaren [X.]n verwendet werden. Das so erhaltene Positiv (1.P) wird vom Negativ (1.N) getrennt und auf dem Implantat (2) wieder lösbar und [X.] fixiert. Anschließend kann der [X.] des fixierten [X.] (1.P) verblendet oder mit einer dentalen Suprastruktur, etwa einer teleskopierenden Brücke verbunden werden (Abs. 54-57).

3. Damit sind die Merkmale 1, 1.2, 2.1, 2.3, 3.1, 3.3, 3.5, 5 und 5.1 offenbart.

4. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist jedenfalls das am Ende des in [X.] geschilderten Verfahrens aus [X.] durch [X.] hergestellte Positiv (1.P) ein [X.] im Sinne der Merkmale 1.1 und 2.

a) In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob dieses Positiv in [X.] als zur Erfindung gehörend offenbart ist, obwohl die in [X.] formulierten Patentansprüche nur auf den Schutz des zum Modellieren eingesetzten [X.]s und dessen Verwendung für den weiteren Herstellungsprozess gerichtet sind.

Anders als für die Frage, ob der Gegenstand eines Patents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgeht, ist für die Beurteilung der Neuheitsfrage nicht erheblich, ob ein bestimmter Gegenstand als zur Erfindung gehörend offenbart ist. Ausreichend ist vielmehr, dass der Gegenstand in der Entgegenhaltung unmittelbar und eindeutig offenbart ist.

b) Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des Merkmals 1.1 in [X.] erfüllt.

aa) Nach den oben wiedergegebenen Ausführungen in [X.] ist das am Ende des Verfahrens hergestellte Positiv (1.P) zur dauerhaften Anbringung in der [X.] und zur Verblendung oder zur Verbindung mit einer dentalen Suprastruktur geeignet.

Zumindest dann, wenn das Positiv als [X.] ausgeführt ist, stellt es einen [X.] im Sinne des Streitpatents dar.

bb) Den oben wiedergegebenen Ausführungen in [X.] ist ferner zu entnehmen, dass das im weiteren Verlauf hergestellte Positiv (1.P) ein Abbild des gesamten [X.]s (1) darstellt.

Daraus ergibt sich, dass die Ausführungen zur geometrischen Ausgestaltung des [X.]s (1) in gleicher Weise für das Positiv (1.P) gelten.

c) Ob der zur Herstellung des Negativs (1.N) eingesetzte und im weiteren [X.] zerstörte [X.] (1) ebenfalls das Merkmal 1.1 verwirklicht, bedarf vor diesem Hintergrund keiner abschließenden Entscheidung.

5. [X.] offenbart auch ein [X.] im Sinne der [X.] 4.

Aus der oben wiedergegebenen Figur 1 ist ersichtlich, dass der koronale Kopf (1.1) einen Bereich aufweist, dessen Querschnitt sich in Richtung auf den Fortsatz (1.2.E) hin verjüngt. Damit bildet dieser Bereich einen Übergang zwischen dem ein Basisteil im Sinne von Merkmal 2.1 darstellenden Fortsatz (1.2.E) und dem okklusalen Abschnitt des koronalen Kopfs (1.1). Der Angabe, dass der koronale Kopf (1.1) vorzugsweise einen kreisförmigen Querschnitt hat, ist zu entnehmen, dass auch der zum Kopf gehörende Übergangsbereich rotationssymmetrisch ist.

Entgegen der Auffassung der Berufung ist den Ausführungen in [X.], wonach das [X.] (1) in der [X.] durch Abschleifen modelliert werden kann (Abs. 16) nicht zu entnehmen, dass der Bereich oberhalb des sich verjüngenden Abschnitt durch Abschleifen vollständig entfernt wird. Durch ein Entfernen von Material in solchem Ausmaß wäre eine Modellierung, wie sie durch das Abschleifen erreicht werden soll, nicht mehr möglich.

6. Wie das Patentgericht im Zusammenhang mit Hilfsantrag 4 zutreffend ausgeführt hat, ist eine Ausgestaltung des [X.] als gerader Kreiszylinder im Sinne von Merkmal 3.4 mit profilierten Abschnitten im Sinne der [X.] 3.2 ausgehend von [X.] nahegelegt.

Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob diese Merkmale auf der Grundlage der erteilten Fassung durch [X.] sogar unmittelbar und eindeutig offenbart sind.

a) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts führt die in [X.] als Möglichkeit aufgezeigte Ausgestaltung als Vieleck mit abgerundeten Ecken allerdings nicht ohne weiteres zur Verwirklichung des Merkmals 3.4 und der [X.] 3.2.

aa) Wie die Klägerin anhand der nachfolgend wiedergegebenen ergänzten Fassung von Figur 3c des Streitpatents zutreffend dargelegt hat, kann eine den Anforderungen dieser Merkmale entsprechende Ausgestaltung geometrisch durch Überlagerung eines [X.] und eines Quadrats dargestellt werden.

Abbildung

Bei dieser Ausgestaltung sind das Merkmal 3.4 und die [X.] 3.2 verwirklicht. Der Fortsatz 1.2.E, der im oberen Bereich (1.2.E.2) einen kreisförmigen Querschnitt aufweist (Abs. 33), weist dann im unteren Bereich (1.2.E.3) einen nicht kreisförmigen Querschnitt auf, der abwechselnd aus planaren Abschnitten im Sinne von Merkmal 3.2.1 und aus Teilen der Mantelfläche eines Zylinders - und zwar eines geraden Kreiszylinders - besteht. Die planaren Abschnitte werden auf beiden Seiten axial von der Mantelfläche des Kreiszylinders begrenzt, wie dies Merkmal 3.2.2 vorsieht.

bb) Wie die Berufung im Ansatz zutreffend geltend macht, kann ein Abrunden der Ecken auch dergestalt erfolgen, dass der untere Bereich (1.2.E.3) zunächst als Quader mit quadratischer Grundfläche ausgestaltet wird, dessen Kanten in einem zweiten Schritt gerundet werden.

Abbildung

Bei dieser Ausgestaltung ist die Kombination von Merkmal 3.4 mit der [X.] 3.2 jedenfalls dann nicht verwirklicht, wenn die mit gestrichelten Linien dargestellten Bereiche der Mantelfläche nicht die Form eines Kreisbogens haben oder wenn der jeweilige Kreismittelpunkt nicht mit dem Mittelpunkt des Quadrats übereinstimmt.

b) Zu Recht macht die Klägerin jedoch geltend, dass eine Auswahl zwischen diesen unterschiedlichen Ausgestaltungen keine erfinderische Tätigkeit zu begründen vermag.

aa) Wie die Berufung im Ausgangspunkt zu Recht geltend macht, schlägt [X.] allerdings eine Vielzahl von unterschiedlichen Ausgestaltungen vor, ohne auf Einzelheiten und auf mögliche Herstellungsverfahren näher einzugehen.

bb) Ausschlaggebend ist indes, dass [X.] den für eine Sicherung gegen Rotation entscheidenden Gesichtspunkt hervorhebt, nämlich die Abweichung von einer Kreisform.

Der Hintergrund dieses Hinweises erschließt sich ohne weiteres: Bei einer Kreisform kann eine Rotation allenfalls durch Reibung oder besondere Maßnahmen zur Fixierung verhindert werden. Eine abweichende Gestaltung kann einer Rotation hingegen schon aufgrund der Form entgegenwirken.

Durch den Hinweis auf abgerundete Ecken zeigt [X.] zudem auf, dass auch eine geometrische Gestaltung mit teilweise gerundeten Formen eine ausreichende Sicherung gegen Rotation bewirken kann, sofern nur insgesamt eine deutliche Abweichung von der Kreisform erreicht wird.

cc) Ausgehend von diesen Hinweisen lag es nahe, eine Kombination zwischen ebenen und runden Bereichen der [X.] dadurch zu erreichen, dass ein kreisförmiger Querschnitt mit einzelnen Abflachungen versehen wird.

Hierzu bedurfte es nicht der abstrakten Erwägungen, die die Klägerin anhand von Figur 3c des Streitpatents aufgezeigt hat. Ausreichend war vielmehr die in [X.] enthaltene Anregung, eine vorhandene Kreisform in irgendeiner Weise zu modifizieren. Wie das Patentgericht zutreffend dargelegt hat, lag es dieser Anregung folgend nahe, von einer Kreisform auszugehen, wie sie in [X.] für den oberen Bereich (1.2.E.2) des [X.] (1.2.E) in [X.] ohnehin als bevorzugt bezeichnet wird, und für den unteren Bereich (1.2.E.3) dadurch eine Abweichung von der Kreisform herbeizuführen, dass einzelne Abschnitte des Mantels flach ausgestaltet werden.

dd) Entgegen der Auffassung der Berufung ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob [X.] das Abrunden von Ecken als Vorgang oder als Zustand beschreibt.

Wenn nur ein Zustand beschrieben ist, wie dies die Berufung geltend macht, ergab sich gerade daraus Anlass, nach geeigneten geometrischen Formen und erst in einem zweiten Schritt nach geeigneten Herstellungsverfahren zu suchen. Ausgehend von [X.] bot sich diese Vorgehensweise schon deshalb an, weil die für Kunststoffteile mögliche Herstellungsform des Spritzgießens, wie auch die Berufung vorträgt, zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet.

Wenn [X.] auch einen Vorgang beschreibt, gilt nichts anderes. Auch von diesem Ausgangspunkt aus eröffnete die Möglichkeit einer Herstellung durch Spritzgießen einen weiten Gestaltungsspielraum, der es ermöglichte, die in [X.] gegebenen Hinweise in vielfältiger Weise umzusetzen.

ee) Vor diesem Hintergrund kommt dem Einwand, die Ausgestaltung gemäß Merkmal 3.4 und der [X.] 3.2 sei allenfalls ausgehend von einer Grundform mit kreiszylindrischem Querschnitt naheliegend, nicht aber ausgehend von einer quadratischen Grundform, keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

Ausgehend von [X.] bot sich ein Kreiszylinder schon deshalb als Ausgangsform an, weil [X.] diese Ausgestaltung für den oberen Bereich (1.2.E.2) des [X.] (1.2.E) bevorzugt.

IV. Hinsichtlich der Hilfsanträge ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

1. Hilfsantrag 1 und eine Reihe weiterer Hilfsanträge sehen als zusätzliches Merkmal vor, dass die profilierten Abschnitte zur Rotationssicherung des [X.] (10) im [X.] ausgebildet sind.

Selbst wenn sich aus dieser Festlegung ergäbe, dass das Basisteil die Form eines geraden Kreiszylinders oder [X.] aufweisen muss, führte dies nicht zur Bejahung der erfinderischen Tätigkeit. Eine solche Ausgestaltung war aus den oben dargelegten Gründen ausgehend von [X.] naheliegend.

2. Nach Hilfsantrag 2 und weiteren [X.] sollen in Merkmal 3.4 die Wörter "im Wesentlichen" entfallen.

Dies führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil [X.] eine Ausgestaltung als Kreiszylinder offenbart.

3. Nach Hilfsantrag 5 und weiteren [X.] sollen in Merkmal 3.4 das Wort "zylindrisch" ersetzt werden durch "als gerader Kreiszylinder".

Auch diese Grundform des [X.] ist in [X.] offenbart.

4. Nach Hilfsantrag 8 und weiteren [X.] soll Patentanspruch 1 dahin ergänzt werden, dass die ebenen Flächen (11) durch einen Abschnitt der Mantelfläche (4) beabstandet sind.

Diese Anforderung ergibt sich bei einer aus einem geraden Kreiszylinder bestehenden Grundform bereits aus der Kombination der Merkmale 3.2.1 und 3.2.2. Eine solche Ausgestaltung ist aus den oben dargelegten Gründen ausgehend von [X.] nahegelegt.

5. Nach Hilfsantrag 15 und weiteren [X.] soll Patentanspruch 1 dahin ergänzt werden, dass sich die ebene Fläche (11) - in apikaler Ansicht von unten - bis zur angrenzenden Mantelfläche (4) erstreckt.

Diese Anforderung ergibt sich bei einem geraden Kreiszylinder ebenfalls bereits aus der Kombination der Merkmale 3.2.1 und 3.2.2.

6. Nach Hilfsantrag 22 und weiteren [X.] soll Patentanspruch 1 um das zusätzliche Merkmal aus dem erteilten Patentanspruch 2 ergänzt werden, wonach das apikale Basisteil (2) vier ebene Flächen (11) hat, die gleich groß sind.

Eine solche Ausgestaltung lag ausgehend von dem in [X.] unter anderem vorgeschlagenen Quadrat mit abgerundeten Ecken nahe.

7. Nach Hilfsantrag 29 und weiteren [X.] soll Patentanspruch 1 um die in den erteilten Patentansprüchen 5 und 6 vorgesehenen Merkmale ergänzt werden, wonach der [X.] (10) aus Keramik oder Titan hergestellt ist.

Eine solche Ausgestaltung hat das Patentgericht zu Recht als naheliegend angesehen, weil Keramik und Titan im Stand der Technik als geeignete Materialien für [X.] bekannt waren.

a) Aus [X.] ergeben sich allerdings keine Hinweise darauf, dass Keramik oder Titan anstelle der dort eingesetzten gießbaren [X.] zur Herstellung des zum Einsetzen in den Mund bestimmten [X.] (1.P) in Betracht kommen.

b) Ein Rückgriff auf die in [X.] enthaltenen Hinweise zur Sicherung eines Aufbauteils gegen Rotation lag jedoch auch unabhängig von dem dort im Mittelpunkt stehenden Herstellungsverfahren nahe.

Wie die Klägerin mit Bezug auf die Feststellungen des Patentgerichts zu Recht geltend macht, waren Titan und Keramik als geeignete Materialien für die Fertigung von [X.] bekannt. Auch bei diesen Materialien stellte sich die Frage, wie eine Rotationssicherung zu erreichen ist.

Auf der Suche nach hierfür geeigneten Lösungen lag eine Heranziehung von [X.] nahe, weil die darin enthaltenen Ausführungen zur Rotationssicherung sich auf die Form des [X.] beziehen und keinen zwingenden Zusammenhang zu der dort offenbarten Herstellungsmethode erkennen lassen.

Demnach bestand Anlass, auch für einen [X.] aus Titan oder Keramik einen von einer Kreisform abweichenden Querschnitt zu wählen. Eine Ausgestaltung als Kreiszylinder mit einzelnen flachen Bereichen lag damit auch für diese Materialien nahe.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 [X.] und § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Hoffmann     

      

Deichfuß

      

Kober-Dehm     

      

Rensen     

      

Meta

X ZR 8/22

06.02.2024

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 4. November 2021, Az: 6 Ni 7/20 (EP), Urteil

Art 54 Abs 2 EuPatÜbk, § 3 Abs 1 PatG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.02.2024, Az. X ZR 8/22 (REWIS RS 2024, 1044)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1044


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 6 Ni 7/20 (EP)

Bundespatentgericht, 6 Ni 7/20 (EP), 04.11.2021.


Az. X ZR 8/22

Bundesgerichtshof, X ZR 8/22, 06.02.2024.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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