Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 05.07.2022, Az. 9 AZR 323/21

9. Senat | REWIS RS 2022, 6012

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Gegenstand

Arbeitnehmerüberlassung - Werk- bzw. Dienstvertrag


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Dezember 2020 - 6 [X.]/20 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - soweit für die [X.]evision von Bedeutung - darüber, ob zwischen ihnen seit dem 1. Juli 2010 kraft [X.]esetzes ein Arbeitsverhältnis besteht.

2

Der Kläger schloss mit der [X.]echtsvorgängerin der [X.] mit Wirkung zum 1. Juli 2010 einen Arbeitsvertrag. Sie ist - wie ihre [X.]echtsvorgängerin - nicht im Besitz einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.

3

Der Kläger wurde seit dem 1. Juli 2010 ununterbrochen bis zum 30. April 2018 bei der [X.], einem Unternehmen der Automobilindustrie, in deren Betrieb in [X.] eingesetzt. Dort war er innerhalb eines der Abteilung [X.] zugeordneten Teams als Systemingenieur tätig. Den Teams gehören Mitarbeiter der [X.] und Arbeitnehmer der [X.] an. Der Kläger arbeitete ua. mit der Mitarbeiterin der [X.] [X.] in demselben Team. Die Kommunikation innerhalb der Abteilung [X.] erfolgte größtenteils per E-Mails, die unmittelbar an alle dort eingesetzten Mitarbeiter gerichtet waren. Für die [X.] nahm ein bei ihr angestellter Arbeitnehmer die Funktion eines sog. „Single Point of Contact“ gegenüber der [X.] wahr.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, zwischen den Parteien sei zum 1. Juli 2010 ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, weil er der [X.] unerlaubt zur Arbeitsleistung überlassen worden sei. Er habe nach Arbeitsanweisungen der [X.] mit den bei ihr angestellten Arbeitnehmern in demselben Team gearbeitet und sei in den Betrieb eingegliedert gewesen. Er hat behauptet, die Mitarbeiterin [X.] habe ihn vertreten.

5

Der Kläger hat - soweit für die [X.]evision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass zwischen ihm und der [X.] seit dem 1. Juli 2010 ein Arbeitsverhältnis besteht.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Kläger sei als Erfüllungsgehilfe der [X.] im [X.]ahmen eines Dienstleistungsvertrags tätig gewesen, der am 30. April 2018 geendet habe. Weisungen seien dem Kläger lediglich sach- und ergebnisbezogen erteilt worden. Soweit E-Mails an das Team gerichtet worden seien, habe jeder Adressat aufgrund klar definierter Verantwortlichkeiten erkennen können, ob und inwieweit er angesprochen sei.

7

Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag durch Teilurteil stattgegeben und den [X.]echtsstreit ausgesetzt, soweit die Parteien außerdem über Vergütung und Leistungen zur betrieblichen Altersversorgung streiten. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der [X.]evision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht.

9

A. Die Feststellungsklage ist zulässig.

I. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses kann erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Der danach erforderliche [X.]egenwartsbezug wird im vorliegenden Fall dadurch hergestellt, dass der Kläger mit der Feststellung, dass er zur [X.] seit dem 1. Juli 2010 in einem Arbeitsverhältnis steht, die Erfüllung konkreter Vergütungsansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit einen gegenwärtigen rechtlichen Vorteil erstrebt (vgl. [X.] 20. September 2016 - 9 [X.] - Rn. 23). Dies zeigt der auf Zahlung von Vergütung und Beiträgen zur betrieblichen Altersversorgung gerichtete Klageantrag, über den das Arbeitsgericht noch nicht entschieden hat.

II. Der Feststellungsantrag genügt den Anforderungen von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die essentialia negotii des Arbeitsvertrags (vgl. dazu [X.] 27. April 2021 - 9 [X.] - Rn. 41 mwN) können dem Klageantrag unter Berücksichtigung der Klagebegründung, die - wie bei anderen auslegungsbedürftigen Klageanträgen - zur Ermittlung des Inhalts des erstrebten Arbeitsverhältnisses herangezogen werden kann (vgl. [X.] 18. September 2018 - 9 [X.] - Rn. 18), entnommen werden. Der Antrag bezeichnet die Arbeitsvertragsparteien und den [X.]. Die Art der Arbeitsleistung sowie deren zeitlicher Umfang ergeben sich aus der Klagebegründung. Danach bezieht sich der Klageantrag auf eine Tätigkeit als Systemingenieur mit einer sich aus den Tarifverträgen der [X.]etall- und Elektroindustrie für das [X.] ergebenden wöchentlichen Arbeitszeit.

B. Auf [X.]rundlage der getroffenen Feststellungen kann der [X.] nicht abschließend entscheiden, ob der Antrag begründet ist.

I. Das [X.] hat angenommen, zwischen den [X.]en gelte gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] mit dem Beginn des Einsatzes des [X.] im Betrieb der [X.] am 1. Juli 2010 ein Arbeitsverhältnis als zustande gekommen. Der Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der [X.] sei unwirksam, weil der Kläger an die Beklagte ohne die erforderliche Erlaubnis zur Arbeitsleistung überlassen worden sei. Die vom Kläger vorgetragenen E-[X.]ails indizierten das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung. Sie enthielten neben projektbezogenen Weisungen ganz klar arbeitsrechtliche Weisungen. Für die Eingliederung des [X.] in den Betrieb der [X.] und deren arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis spreche insbesondere, dass in den E-[X.]ails generell nicht zwischen Arbeitnehmern der [X.] und solchen von Fremdfirmen differenziert werde. Zudem habe der Kläger ausweislich der E-[X.]ail vom 24. Juni 2016 die [X.]itarbeiterin der [X.] [X.] vertreten. Auch habe die Beklagte die - dem Arbeitgeber obliegende - Urlaubsplanung übernommen und den Urlaub unter Einbeziehung der Urlaubswünsche aller in der Abteilung [X.] beschäftigten Arbeitnehmer zeitlich festgelegt. Dies bestätigten die E-[X.]ail ihres [X.]itarbeiters [X.] vom 21. Dezember 2011 sowie eine weitere im Parallelverfahren (- 6 [X.]/20 -) vorgelegte E-[X.]ail. Die Beklagte habe dem nichts Substantielles entgegengesetzt. Sie habe insbesondere die mit der [X.] geschlossenen Dienstleistungsverträge nicht vorgelegt.

II. [X.]it der gegebenen Begründung durfte das [X.] dem Feststellungsantrag nicht stattgeben.

1. Dies folgt nicht bereits daraus, dass das [X.] bei der Feststellung, zwischen den [X.]en bestehe gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] seit dem 1. Juli 2010 ein Arbeitsverhältnis, auf das [X.] in der Fassung vom 21. Februar 2017 ([X.]esetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer [X.]esetze vom 21. Februar 2017 ; B[X.]Bl. I S. 258; im Folgenden [X.] 2017) abgestellt hat, obwohl die Neufassung des [X.] erst am 1. April 2017 in [X.] getreten ist. Das [X.] hätte bei seiner Entscheidung zwar prüfen müssen, ob die Voraussetzungen von § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] nach [X.]aßgabe der am 1. Juli 2010 geltenden Fassung (aF) des [X.] erfüllt waren. Der Rechtsfehler führt aber - für sich betrachtet - nicht schon zur Aufhebung des Berufungsurteils. Die in § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] angeordnete Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher kraft [X.]esetzes tritt - unabhängig davon, ob man die am 1. Juli 2010 geltende oder später in [X.] getretene Fassung des [X.] zugrunde legt - nur dann ein, wenn ein Arbeitnehmer durch seinen Vertragsarbeitgeber (Verleiher) einem [X.] (Entleiher) zur Arbeitsleistung überlassen wird, ohne dass der Verleiher über die erforderliche Verleiherlaubnis verfügt.

2. Das [X.] ist von den rechtlichen [X.]rundsätzen ausgegangen, anhand deren der [X.] die Arbeitnehmerüberlassung von der Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem [X.] aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags abgrenzt.

a) Eine Überlassung zur Arbeitsleistung iSd. § 1 Abs. 1 [X.] liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen (st. Rspr. vgl. nur [X.] 20. September 2016 - 9 [X.] - Rn. 29; vgl. den [X.]esetzentwurf der Bundesregierung vom 20. Juli 2016 ( [X.]. 18/9232 S. 19 ) zu der sich daran orientierenden Legaldefinition in § 1 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2017). Arbeitnehmerüberlassung iSd. [X.] ist durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet. Notwendiger Inhalt eines [X.] ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat ([X.] 27. Juni 2017 - 9 [X.] - Rn. 26; 20. September 2016 - 9 [X.] - Rn. 29).

b) Von Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem [X.] aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem [X.] oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom [X.] nicht erfasst ([X.] 21. [X.]ärz 2017 - 7 [X.] - Rn. 71, [X.]E 158, 266; 27. Juni 2017 - 9 [X.] - Rn. 26; 20. September 2016 - 9 [X.] - Rn. 30; 18. Januar 2012 - 7 [X.] - Rn. 27).

c) Der [X.] kann, wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 B[X.]B ergibt, dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werks erteilen. Entsprechendes gilt für Dienstverträge. Die arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis ist von der projektbezogenen werkvertraglichen Anweisung iSd. § 645 Abs. 1 Satz 1 B[X.]B zu unterscheiden. Die werkvertragliche Anweisung ist sachbezogen und ergebnisorientiert. Sie ist gegenständlich auf die zu erbringende Werkleistung begrenzt. Das arbeitsrechtliche Weisungsrecht ist demgegenüber personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert. Es beinhaltet Anleitungen zur Vorgehensweise und weiterhin die [X.]otivation des [X.]itarbeiters, die nicht Inhalt des werkvertraglichen Anweisungsrechts sind ([X.] 27. Juni 2017 - 9 [X.] - Rn. 28; allg. zum arbeitsvertraglichen Weisungsrecht vgl. [X.] 1. Dezember 2020 - 9 [X.] - Rn. 35 ff., [X.]E 173, 111).

d) Der Inhalt der Rechtsbeziehung zwischen dem Vertragsarbeitgeber und dem [X.] ist sowohl auf [X.]rundlage der ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch unter Berücksichtigung der praktischen Durchführung des Vertrags zu bestimmen ([X.] 20. September 2016 - 9 [X.] - Rn. 32). Widersprechen sich beide, ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags maßgeblich, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben (vgl. [X.] 21. [X.]ärz 2017 - 7 [X.] - Rn. 72, [X.]E 158, 266 und nunmehr § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2017). Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den [X.]eschäftsinhalt und damit den Vertragstyp ([X.] 13. August 2008 - 7 [X.] - Rn. 15 mwN). Einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung sind zur Feststellung eines vom Vertragswortlaut abweichenden [X.]eschäftsinhalts nur geeignet, wenn es sich dabei nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handelt. Dafür ist nicht die Häufigkeit, sondern sind [X.]ewicht und Bedeutung der behaupteten Vertragsabweichung entscheidend (st. Rspr., vgl. nur [X.] 27. Juni 2017 - 9 [X.] - Rn. 29; 21. [X.]ärz 2017 - 7 [X.] - aaO).

e) Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher als zustande gekommen gilt (vgl. [X.] 10. Oktober 2007 - 7 [X.] - Rn. 19). Die [X.]rundsätze der sekundären Darlegungslast können jedoch eine Abstufung der Darlegungs- und Beweislast verlangen. Kann eine darlegungspflichtige [X.] die erforderlichen Tatsachen nicht vortragen, weil sie außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen [X.]eschehensablaufs steht, genügt das einfache Bestreiten durch den [X.]egner nicht, wenn dieser die wesentlichen Umstände kennt und ihm nähere Angaben zuzumuten sind. Hier kann von ihm das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das [X.]egenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden. Die Erleichterungen der sekundären Darlegungslast greifen aber nur ein, wenn die darlegungspflichtige [X.] alle ihr zur Verfügung stehenden [X.]öglichkeiten ausgeschöpft hat und sie dennoch ihrer primären Darlegungslast nicht nachkommen kann (vgl. [X.] 3. Dezember 2019 - 9 [X.] - Rn. 17 mwN, [X.]E 169, 26).

f) Die Prüfung, ob ein Beschäftigter in einen bestimmten Betrieb eingegliedert ist und den Weisungen des Betriebsinhabers unterliegt, ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dem Berufungsgericht kommt dabei ein gewisser Beurteilungsspielraum zu, der die revisionsrechtliche Überprüfung einschränkt. Dessen Würdigung ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungs- oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer [X.] gelassen hat (vgl. zur Eingliederung [X.] 24. [X.]ai 2018 - 2 [X.] - Rn. 17; 13. Dezember 2016 - 1 [X.] - Rn. 26; zur Abgrenzung von Werk-/Arbeitsvertrag [X.] 21. [X.]ärz 2017 - 7 [X.] - Rn. 72 f., [X.]E 158, 266; zum Arbeitnehmerstatus vgl. [X.] 30. November 2021 - 9 [X.] - Rn. 41; 1. Dezember 2020 - 9 [X.] - Rn. 40, [X.]E 173, 111), oder ob die Revision zulässige und begründete Verfahrensrügen erhoben hat (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b, § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO; [X.] 26. Oktober 2016 - 7 [X.] - Rn. 26).

3. Unter Zugrundelegung dieses [X.]aßstabs hält das angefochtene Urteil einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Ausführungen des [X.]s rechtfertigen nicht den Schluss, der Kläger habe ausgehend von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast mit von ihm vorgelegten bzw. in Schriftsätze eingescannten E-[X.]ails ausreichend Indizien für das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung vorgetragen.

a) Das [X.] hat es versäumt, die Umstände, die es im Rahmen der erforderlichen [X.]esamtbetrachtung gewürdigt hat, in nachvollziehbarer Weise festzustellen und zu gewichten.

aa) Sprechen einige Kriterien für die Annahme, der Kläger sei als Erfüllungsgehilfe der [X.] im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags tätig geworden und andere für das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung, hat das [X.] eine umfassende Abwägung aller in die Entscheidung einzustellenden [X.]esichtspunkte vorzunehmen. Dabei hat es die seiner Entscheidung zugrunde liegenden Aspekte zu benennen, diese zu gewichten und schließlich im Wege der Abwägung nachvollziehbar zu erläutern, aus welchen [X.]ründen es in der [X.]esamtbetrachtung zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt (zur Feststellung des Arbeitnehmerstatus vgl. [X.] 30. November 2021 - 9 [X.] - Rn. 50; 1. Dezember 2020 - 9 [X.] - Rn. 38, [X.]E 173, 111).

bb) Das [X.] hat einerseits angenommen, die E-[X.]ails enthielten „ganz klar“ arbeitsrechtliche Weisungen und andererseits festgestellt, die E-[X.]ails beinhalteten Weisungen, die als projektbezogen zu werten seien. Welches [X.]ewicht das [X.] den abwägungsrelevanten [X.]esichtspunkten beigemessen hat, lässt sich in der gebotenen Klarheit der Begründung ebenso wenig entnehmen wie die [X.]ründe, die für ein Überwiegen der Indizien sprechen, aus denen auf eine Arbeitnehmerüberlassung geschlossen werden soll. Die pauschale Bezugnahme im Berufungsurteil auf die mit der Klageschrift und dem Schriftsatz vom 7. [X.]ärz 2018 (richtig 7. [X.]ärz 2019) vorgelegten E-[X.]ails sowie „auf das [X.]vorbringen“ und „auf den übrigen Akteninhalt“, ist nicht geeignet, diese in der Tatsacheninstanz vorzunehmende Bewertung zu ersetzen. Die getroffenen Feststellungen ermöglichen es dem [X.] auch nicht zu bewerten, ob es sich um einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung oder um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handelt, die für eine Arbeitnehmerüberlassung sprechen (vgl. [X.] 27. Juni 2017 - 9 [X.] - Rn. 29). Das [X.] hat bei seiner Entscheidung lediglich auf die E-[X.]ails vom 24. Juni 2016, vom 21. Dezember 2011 und vom 20. [X.]ärz 2012, sowie auf die im Parallelverfahren - 6 [X.]/20 - vorgelegte E-[X.]ail vom 23. Februar 2012 abgestellt. Im Übrigen hat es sich darauf beschränkt festzustellen, die vom Kläger vorgelegten bzw. in Schriftsätze eingescannten E-[X.]ails seien nach ihrem Inhalt, Ausstellungsdatum und Verteilerkreis konkret.

b) Zudem hat das [X.] den Vortrag der [X.]en nicht vollständig gewürdigt.

aa) Das [X.] ist aufgrund der vom Kläger vorgelegten E-[X.]ails davon ausgegangen, die Beklagte habe geprüft, ob Urlaubswünsche bei ihr angestellter Arbeitnehmer dem Urlaubswunsch des [X.] entgegenstünden. Darin liege ein Beleg für die Eingliederung des [X.]. Es hat dabei den Vortrag der [X.] nicht berücksichtigt, Fremdfirmenmitarbeiter hätten ihren Urlaub bei ihren [X.] beantragen und von diesen genehmigen lassen müssen. Danach hätte es zunächst dem Kläger als primär darlegungspflichtiger [X.] oblegen darzulegen, dass der Urlaub nicht durch die [X.], sondern durch die Beklagte bewilligt wurde. Dazu wäre er aus eigener Wahrnehmung ohne weiteres in der Lage gewesen.

bb) Auch übersieht das [X.], dass es dem Kläger oblegen hätte, weiter vorzutragen, nachdem die Beklagte bereits erstinstanzlich den Vortrag des [X.] bestritten hat, die in der E-[X.]ail vom 24. Juni 2016 genannte Arbeitnehmerin der [X.] [X.] sei von ihm vertreten worden.

c) Da die aufgezeigten Rechtsfehler entscheidungserheblich sind, bedarf es keiner Entscheidung, ob das [X.] darüber hinaus gegen den zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz verstoßen und den Anspruch der [X.] auf rechtliches [X.]ehör (Art. 103 Abs. 1 [X.][X.]) verletzt hat.

C. Auf der [X.]rundlage der Feststellungen des [X.]s kann der [X.] nicht abschließend entscheiden, ob zwischen den [X.]en seit dem 1. Juli 2010 ein Arbeitsverhältnis besteht. Es wird im fortgesetzten Berufungsverfahren die für die Entscheidung erforderlichen Tatsachen ergänzend festzustellen, zu gewichten und nachvollziehbar abzuwägen haben.

I. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für die Beklagte erst dann Anlass besteht, zum Inhalt ihrer vertraglichen Vereinbarungen mit der [X.] weiter vorzutragen, wenn der Kläger Indizien dargelegt hat, die die Würdigung rechtfertigen, er sei der [X.] zur Arbeitsleistung überlassen worden, und er seiner primären Darlegungslast - trotz Ausschöpfung bestehender Erkenntnismöglichkeiten - nicht (weiter) nachkommen kann, weil ihm der Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen nicht bekannt ist. Nur dann ist es Sache der [X.], den Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen konkret darzulegen und die Tatsachen vorzutragen, die gegen eine Arbeitnehmerüberlassung sprechen. Erforderlichenfalls ist den [X.]en [X.]elegenheit zu weiterem Vortrag und Beweisantritt zu geben.

II. Das [X.] wird zudem zu beachten haben, dass es die im Parallelverfahren - 6 [X.]/20 - vorgelegte E-[X.]ail von Herrn [X.]o vom 23. Februar 2012 im Rahmen seiner [X.]esamtwürdigung nicht als Beleg für die Eingliederung des [X.] in den Betrieb der [X.] bzw. ihrer Rechtsvorgängerin heranziehen darf, ohne dass sie auch in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt worden ist. Das [X.]ericht darf seine Entscheidung nur auf der [X.]rundlage des von den [X.]en in den Prozess eingebrachten Tatsachenvortrag treffen. Selbst offenkundige Tatsachen sind nicht zu berücksichtigen, wenn sie von den [X.]en nicht aufgegriffen und im Verfahren vorgetragen worden sind (vgl. [X.]/[X.]/[X.] 5. Aufl. Arb[X.][X.] § 46 Rn. 17).

        

    Kiel    

        

    Bubach    

        

    Suckow    

        

        

        

    [X.]    

        

    Stietzel    

                 

Meta

9 AZR 323/21

05.07.2022

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Darmstadt, 22. Oktober 2019, Az: 4 Ca 62/19, Teilurteil

§ 1 Abs 1 AÜG, § 9 AÜG, § 10 Abs 1 S 1 AÜG, § 645 Abs 1 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 05.07.2022, Az. 9 AZR 323/21 (REWIS RS 2022, 6012)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6012 NJW 2022, 3802 REWIS RS 2022, 6012 MDR 2023, 243-244 REWIS RS 2022, 6012

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Referenzen
Wird zitiert von

B 12 R 12/21 R

3 StR 192/18

B 12 R 15/21 R

B 12 BA 1/23 R

B 12 BA 4/22 R

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