Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.05.2014, Az. III B 158/13

3. Senat | REWIS RS 2014, 5678

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Gegenstand

Kindergeld nach den Abkommen über Soziale Sicherheit; Voraussetzungen für das Eingreifen des Verwirkungseinwands gegenüber einem Rückforderungsanspruch der Familienkasse


Leitsatz

1. NV: Es ist in der Rechtsprechung des BFH bereits geklärt, dass sich aus den von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen bilateralen Abkommens über die Soziale Sicherheit generell kein Anspruch auf Kindergeld in Höhe der Beträge des § 66 Abs. 1 EStG ergibt, sondern allenfalls in Höhe der niedrigeren, an den Unterhaltskosten im  Vertragsstaat orientierten Sätzen des jeweiligen Abkommenskindergeldes.

2. NV: Es ist bereits geklärt, das der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete Einwand der Verwirkung einer Rückforderung von Kindergeld nur dann entgegen steht, wenn sich der Rückzahlungsschuldner nach dem gesamten Verhalten der Familienkasse darauf verlassen durfte und verlassen hat, dass diese das Recht in Zukunft nicht geltend machen werde. Insofern genügt es zur Geltendmachung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht, wenn der Beschwerdeführer nur darlegt, das FG sei bei der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu Unrecht von einer fehlenden Schutzwürdigkeit des Vertrauens in das  Behalten dürfen des ausgezahlten Kindergeldes ausgegangen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Staatsangehöriger der [X.]. Er ist der Vater seiner drei am … 2002, … 2006 und … 2007 geborenen Kinder. Die Kinder zogen am … Oktober 2009 nach [X.], wo auch die Ehefrau des [X.] lebt.

2

Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) hob mit [X.] vom 16. August 2012 die Kindergeldfestsetzung ab Oktober 2009 auf und forderte das von Oktober 2009 bis April 2012 bereits ausbezahlte Kindergeld in Höhe von … € vom Kläger zurück. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 8. Februar 2013).

3

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage als unbegründet ab. Zur Begründung wies es im Wesentlichen darauf hin, dass die Kinder wegen ihrer Wohnsitzverlagerung in einen Staat außerhalb der [X.] und des [X.] nach § 63 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beim Kindergeldanspruch des [X.] nicht mehr berücksichtigungsfähig gewesen seien. Seit dem 1. Januar 2005 habe auch nach dem Abkommen zwischen der Regierung der [X.] und der [X.] vom 8. Juli 2003 ([X.] 2004, 1068) kein Anspruch auf [X.] bestanden. Gegen den sich danach ergebenden Rückforderungsanspruch der Familienkasse könne auch der Verwirkungseinwand nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, da es an einem Verhalten der Familienkasse, aus dem ein schutzwürdiges Vertrauen des [X.] abgeleitet werden könne, fehle.

4

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

5

II. [X.] ist unzulässig und wird durch Beschluss verworfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 [X.]O).

6

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) zuzulassen.

7

a) Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung setzt u.a. voraus, dass der Beschwerdeführer schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegt, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 22. März 2011 [X.] 151/10, [X.], 1165; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 32, 35, m.w.N.). Insbesondere muss sich der Beschwerdeführer auch mit der bereits vorhandenen Rechtsprechung auseinandersetzen und substantiiert darlegen, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung keine Klärung herbeigeführt habe (vgl. nur [X.] vom 17. März 2010 [X.] 10/10, [X.], 953, m.w.N.).

8

b) Diesen Vorgaben genügen die Ausführungen in der Beschwerdeschrift nicht.

9

Der Kläger hält die Frage für rechtsgrundsätzlich bedeutsam, ob der Bürger Vertrauen in die ordnungsgemäß bzw. rechtskonform handelnde Verwaltung genieße und dieses Vertrauen schutzwürdig sei. Zur weiteren Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er habe aufgrund der von ihm angeforderten Bescheinigung über den fehlenden Kindergeldbezug in [X.] von einer weiteren Anwendbarkeit des Abkommens zwischen der [X.] und der [X.] über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 ([X.] 1969, 1438) i.d.[X.] vom 30. September 1974 ([X.] 1975, 390) --SozSichAbk [X.] auch im Verhältnis zu [X.] ausgehen dürfen. Hinsichtlich der Entscheidung der Familienkasse sei daher von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen, aufgrund derer die Familienkasse von der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs habe absehen müssen.

Dieses Vorbringen enthält keine hinreichende Auseinandersetzung mit den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des [X.].

Zum einen hat der [X.] bereits entschieden, dass sich aus den von der [X.] geschlossenen bilateralen Abkommen über die Soziale Sicherheit generell kein Anspruch auf Kindergeld in Höhe der Beträge des § 66 Abs. 1 EStG ergibt ([X.]-Urteil vom 27. September 2012 III R 55/10, [X.]E 239, 109, zum Abkommen zwischen der [X.] und der [X.] über Soziale Sicherheit). Vielmehr sind hier allenfalls die niedrigeren Sätze des [X.] zu berücksichtigen, die die unterschiedlichen Unterhaltskosten in [X.] einerseits und dem anderen Vertragsstaat berücksichtigen. Selbst wenn daher --wie vom Kläger [X.] ein schutzwürdiges Vertrauen in die Fortgeltung des SozSichAbk [X.] bestanden hätte, könnte sich daraus kein Schutz gegenüber der Rückforderung des darüber hinausgehenden, deutlich höheren Kindergeldes nach den Sätzen des § 66 Abs. 1 EStG ergeben.

Zum anderen ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] geklärt, dass der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) abgeleitete Einwand der Verwirkung einer Rückforderung des Kindergeldes nur dann entgegensteht, wenn sich der [X.] nach dem gesamten Verhalten der Familienkasse darauf verlassen durfte und verlassen hat, dass diese das Recht in Zukunft nicht geltend machen werde (z.B. Senatsurteil vom 22. September 2011 III R 82/08, [X.]E 235, 336, [X.], 734; [X.]-Urteil vom 14. Oktober 2003 VIII R 56/01, [X.]E 203, 472, [X.], 123). Hierfür sind besondere Umstände erforderlich, die die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung erscheinen lassen. Bei einem Massenverfahren wie dem Kindergeldrecht ist dabei ein besonders eindeutiges Verhalten der Familienkasse zu fordern, dem zu entnehmen ist, dass sie auch nach Prüfung des Falles unter Berücksichtigung veränderter Umstände von einem Fortbestehen des [X.] ausgeht und ein anderer Eindruck bei dem [X.] nicht entstehen kann. Dem Verhalten der Familienkasse muss also die konkludente Zusage zu entnehmen sein, dass der [X.] mit einer Rückforderung des Kindergeldes nicht zu rechnen braucht ([X.]-Urteil in [X.]E 203, 472, [X.], 123).

Ob und ggf. inwieweit diese Grundsätze zweifelhaft und streitig sind oder weshalb trotz dieser bereits vorhandenen Rechtsprechung ein erneuter Klärungsbedarf besteht, hat der Kläger nicht dargelegt. Dagegen stellt es keine im Allgemeininteresse klärungsbedürftige Fragestellung dar, ob das [X.] im Fall des [X.] nach den konkreten Umständen des Einzelfalls einen Vertrauensschutz zu Recht für nicht gerechtfertigt gehalten hat (vgl. hierzu Lange in [X.]/[X.]/[X.], § 116 [X.]O Rz 171). Hierauf zielen indes die vom Kläger vorgetragenen Argumente ab.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O ab.

3. [X.] folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III B 158/13

13.05.2014

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 7. November 2013, Az: 14 K 499/13, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 242 BGB, § 66 Abs 1 EStG 2009, Art 28 SozSichAbk YUG, EStG VZ 2009, EStG VZ 2010, EStG VZ 2011, EStG VZ 2012

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.05.2014, Az. III B 158/13 (REWIS RS 2014, 5678)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5678

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