Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 16.12.2016, Az. 1 BvR 287/14

1. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2016, 535

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Begründungsmangel iSd §§ 23 Abs 1 S 2, 92 BVerfGG bei fehlender Auseinandersetzung mit einschlägiger Rspr des BVerfG sowie mit angegriffener Entscheidung - hier: eingeschränkte Bewertung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für die Altersrente gem §§ 70 Abs 2 S 1, S 2 SGB VIjuris: SGB 6


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Begrenzung von Entgeltpunkten für [X.] bei Zusammentreffen mit sonstigen Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung.

2

1. Die Beschwerdeführerin setzte nach der Geburt ihres ersten [X.] am 30. April 1979 ihre rentenversicherungspflichtige Beschäftigung in der [X.] in der [X.] vom 1. Mai 1979 bis zum 31. Juli 1979 fort. Für diese drei Monate sind in ihrem Versicherungsverlauf neben Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung auch Pflichtbeitragszeiten aus einem beitragspflichtigen Verdienst zur Sozialversicherung im Beitrittsgebiet sowie aus einem Verdienst aufgrund von Zahlungen zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung im Beitrittsgebiet aufgeführt.

3

In der Entgeltpunkteberechnung für die Altersrente der Beschwerdeführerin flossen die Entgeltpunkte für Kindererziehung nicht mit dem vollen Wert (0,0833 EP für jeden Kalendermonat) nach § 70 Abs. 2 Satz 1 [X.] ([X.]) ein, sondern wurden nach § 70 Abs. 2 Satz 2 [X.] begrenzt, damit sie zusammen mit den weiteren Beitragszeiten für denselben [X.]raum der Höchstgrenze der Anlage 2b zum [X.] entsprachen.

4

In dem wegen der Höhe der Altersrente geführten verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren wandte die Beschwerdeführerin gegen die begrenzte Bewertung der [X.] erfolglos ein, diese verstoße gegen den Gleichheitssatz, weil innerhalb der Gruppe Kinder erziehender Eltern die Versicherten mit zeitgleicher [X.] Beschäftigung mit Versicherten ohne Erwerbstätigkeit gleich behandelt würden. Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG gebiete indes eine hinreichende Berücksichtigung des generativen Beitrags durch Kindererziehung im Rahmen der Beitragserhebung im [X.] Leistungssystem. Zuletzt verwarf das [X.] die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unzulässig.

5

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen der [X.] und der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG durch die Anwendung des § 70 Abs. 2 Satz 2 [X.]. Der Kinder erziehende Elternteil erhalte keine Kompensation auf der Beitragsseite für die Tatsache, dass keinerlei Vorteile auf der [X.] gegeben seien, wenn [X.] und Beitragszeiten zusammenträfen. Der durch die Beitragsbemessungsgrenze nicht rentenwirksame Teil der Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung könne, anders als der wegen dieser Grenze nicht verbeitragte Einkommensanteil, nicht nach Belieben zu einer zusätzlichen Altersvorsorge in anderer Form verwendet werden.

6

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 [X.]). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist unzulässig, weil sie den [X.] nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] nicht genügt.

7

Nach diesen Vorschriften muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrunde liegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. [X.] 89, 155 <171>; 108, 370 <386 f.>). Soweit das [X.] für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe aufgezeigt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffene Maßnahme verletzt werden (vgl. [X.] 99, 84 <87>; 101, 331 <346>; 102, 147 <164>). Das gilt jedenfalls dann, wenn die Verletzung des Grundrechts nicht auf der Hand liegt ([X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 24. August 2010 - 1 BvR 1584/10 -, juris, Rn. 3).

8

1. Das [X.] hat mit Beschluss vom 29. August 2007 ([X.]K 12, 81) eine mittelbar gegen § 70 Abs. 2 Satz 2 [X.] gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die durch diese Vorschrift hinsichtlich der Bewertung der Kindererziehungsleistung bedingte Ungleichbehandlung von Versicherten, bei denen die Summe aus Entgeltpunkten für [X.] und aus sonstigen Beitragszeiten den Höchstwert an Entgeltpunkten nach Anlage 2b zum [X.] überschritten, im Vergleich zu neben der Kindererziehung nicht versicherungspflichtig erwerbstätigen Versicherten durch die Begrenzung der Beitragspflicht als Grundprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung gerechtfertigt ist. Die Beschwerdeschrift erwähnt diese Entscheidung lediglich, ohne inhaltlich auf die Beitragsbemessungsgrenze als gleichheitsrechtlich tragenden Sachgrund einzugehen.

9

2. Die Beschwerdeschrift befasst sich auch nicht hinreichend mit den Gründen der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen (vgl. [X.] 101, 331 <345>; 105, 252 <264>). Auf die zutreffenden Hinweise des [X.] und [X.]s, dass die beitragsbezogenen Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen § 70 Abs. 2 Satz 2 [X.] im vorliegenden Rechtsstreit für die Höhe der Rente und damit für die [X.] ohne erkennbare Relevanz sind, geht sie nicht ein. Sie zeigt auch nicht hinreichend auf, dass die durch § 70 Abs. 2 Satz 2 [X.] bewirkte Begrenzung der Kindererziehungsleistung deswegen mit dem Gleichheitssatz unvereinbar wäre, weil sie nicht durch andere gesetzliche Maßnahmen ausgeglichen wird (vgl. [X.], Urteil vom 17. Dezember 2002 - [X.] RA 46/01 R -, juris, Rn. 39 unter Berufung auf [X.] 82, 60 <84 f.>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 287/14

16.12.2016

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 1. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BSG, 25. November 2013, Az: B 13 R 227/13 B, Beschluss

Art 3 Abs 1 GG, Art 6 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 70 Abs 2 S 1 SGB 6, § 70 Abs 2 S 2 SGB 6

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 16.12.2016, Az. 1 BvR 287/14 (REWIS RS 2016, 535)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 535

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 BvL 3/18, 1 BvR 717/16, 1 BvR 2257/16, 1 BvR 2824/17 (Bundesverfassungsgericht)

Von der Kinderzahl unabhängige Beitragsbelastung von Eltern in der sozialen Pflegeversicherung verstößt gg Art 3 …


B 13 R 14/18 R (Bundessozialgericht)

(Entgeltpunkte für Kindererziehung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung - Verfassungsmäßigkeit der Regelungen in § 70 …


B 13 R 18/18 R (Bundessozialgericht)


L 1 R 310/15 (LSG München)

Rentenhöhe - Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten


L 19 R 786/15 (LSG München)

Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten bei der Altersrente


Referenzen
Wird zitiert von

B 13 R 18/18 R

B 13 R 14/18 R

Zitiert

1 BvR 1584/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.