Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2007, Az. X ZR 20/05

X. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 3813

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[X.]BESCHLUSS [X.] vom 15. Mai 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja

ZPO § 543 Abs. 2 Nr. 2, § 547 Nr. 4 Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, wenn ein absoluter Revisionsgrund nach § 547 Nrn. 1 bis 4 ZPO geltend ge-macht wird und vorliegt. [X.], [X.]. vom 15. Mai 2007 - [X.] - [X.] - 2 - [X.] [X.] hat durch [X.] Melullis, [X.], die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und [X.] am 15. Mai 2007 beschlossen: Auf die Beschwerde des [X.] wird die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 11. Januar 2005 [X.]. Gründe: [X.] Der Kläger und der Beklagte zu 2, sein nicht ehelicher [X.], strei-ten darum, wem eine Forderung gegen die [X.] (nachfol- gend: [X.]) aus einem Sparvertrag zusteht, den der Kläger am 22. April 1987 mit der Rechtsvorgängerin der [X.] abgeschlossen hat. Der als –- Vorsorgeplan bezeichnete Sparvertrag ist auf den Beklagten zu 2 ausgestellt, der jedoch bis zu seinem 26. Lebensjahr von der Verfügung über das [X.] ausgeschlossen sein sollte. 1 Die [X.] verweigerte dem Kläger die Auszahlung des Guthabens, da dieser die Kontoauszüge nicht vorlegen konnte. Nach den [X.] - 3 - schäftsbedingungen der Bank ist diese berechtigt, an den Inhaber der Sparur-kunde und der jährlich erteilten Kontoauszüge zu leisten. Der Kläger hat zunächst die Beklagte zu 1 und sodann den Beklagten zu 2 auf Herausgabe der Kontoauszüge in Anspruch genommen. Das [X.] hat durch Teilurteil die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen und durch Schlussurteil den Beklagten zu 2 antragsgemäß verurteilt. 3 Während des Berufungsverfahrens ist über das Vermögen des [X.] das Insolvenzverfahren eröffnet worden. In Unkenntnis dessen hat das [X.] die Berufung des [X.] gegen das Teilurteil des [X.] zurückgewiesen und auf die Berufung des Beklagten zu 2 die Klage auch gegen diesen abgewiesen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. 4 Hiergegen richtet sich die Beschwerde des [X.]. 5 I[X.] Die Revision ist zuzulassen, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). 6 1. Wegen der Unterbrechung des Verfahrens (§ 240 ZPO) hätte am 7. Januar 2005 weder mündlich verhandelt noch am 11. Januar 2005 ein Urteil verkündet werden dürfen; auf eine Kenntnis des Gerichts vom [X.] kommt es nicht an ([X.] 66, 59, 61). Obwohl die Prozesshandlungen der [X.]en unwirksam sind (§ 249 Abs. 2 ZPO), ist das Urteil nicht nichtig, sondern mit dem gegebenen Rechtsmittel anfechtbar ([X.] 66, 59, 61 f.). Das aufgrund einer nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des [X.] durchgeführten mündlichen Verhandlung erlassene Berufungsurteil ist zuungunsten einer [X.] ergangen, die nicht nach der Vorschrift des [X.] vertreten war; ein solcher Verfahrensfehler begründet den absoluten [X.] - 4 - sionsgrund des § 547 Nr. 4 ZPO ([X.], Urt. v. 5.11.1987 - [X.], [X.], 446; Urt. v. 21.6.1995 - [X.], NJW 1995, 2563). 2. Wird einer der absoluten Revisionsgründe des § 547 Nrn. 1 bis 4 ZPO mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht und liegt dieser tat-sächlich vor, gebietet dies die Zulassung der Revision zur Sicherung einer ein-heitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). 8 a) Ein Teil der Literatur vertritt allerdings die Auffassung, das Vorlie-gen eines absoluten [X.] rechtfertige als solches die Zulassung der Revision nicht (Musielak/[X.], ZPO, 5. Aufl., § 547 Rdn. 2; [X.] in [X.]/[X.], ZPO, 27. Aufl., § 543 Rdn. 5; [X.] in MünchKomm ZPO, 2. Aufl., Akt.Bd. § 547 Rdn. 2; a.[X.]/[X.], ZPO, 26. Aufl., § 543 Rdn. 15b; [X.]/[X.], [X.] 2002, 911, 921). Zur Begründung wird angeführt, die Funktion der absoluten Revisionsgründe bestehe allein darin, dass die [X.] als absoluter Revisionsgrund gekennzeichneten Verfahrensversto-ßes für das angefochtene Urteil unwiderlegbar vermutet werde (Musielak/[X.] aaO.). 9 b) Dem ist jedoch nicht beizutreten. 10 Kennzeichnend für die absoluten Revisionsgründe ist nicht lediglich die unwiderlegbare Vermutung der Ursächlichkeit des [X.] für die Entscheidung. Vielmehr qualifiziert das Gesetz besonders schwerwiegende Verfahrensfehler als absolute Revisionsgründe (so auch Musielak/[X.], [X.] und [X.], jeweils aaO. § 547 Rdn. 1). Dies wird auch daran sicht-bar, dass die absoluten Revisionsgründe des § 547 Nrn. 1 bis 4 mit den Nich-tigkeitsgründen des § 579 Abs. 1 ZPO übereinstimmen, die eine Wiederauf-nahme des Verfahrens und die Beseitigung eines rechtskräftigen Urteils recht-11 - 5 - fertigen, weil es der Gesetzgeber für unzumutbar hält, von der unterlegenen [X.] zu verlangen, sich mit dem Urteil abzufinden ([X.] in [X.], ZPO, 21. Aufl., Vor § 578 Rdn. 27). Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient über seinen sich unmittelbar aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebenden Zweck, Divergenzen in den von der Rechtsprechung der Entscheidungsfindung zugrunde gelegten Rechtssätzen zu vermeiden, auch dazu, die Korrektur von [X.]n zu ermöglichen, die über den Einzelfall hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren ([X.] 151, 42, 46; 151, 221, 226; 154, 288, 294 f.). Abgesehen von denjenigen Fällen, in denen konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ohne eine Korrektur durch das Revisions-gericht eine Wiederholung oder Nachahmung des Fehlers droht, liegt ein sol-cher [X.] insbesondere dann vor, wenn die Verletzung von Verfahrensgrundrechten oder ein Verstoß gegen das Willkürverbot geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung als Ganzes zu erschüttern ([X.] 154, 288, 295 f.; Musielak/[X.] aaO. § 543 Rdn. 8d m.w.N.). 12 Jedenfalls die absoluten Revisionsgründe des § 547 Nrn. 1 bis 4 ZPO sind insoweit wie die Verletzung von Verfahrensgrundrechten zu behandeln. Die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts kann sich als Entziehung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) darstellen; die fehlende gesetzliche Vertretung einer [X.] kann deren Anspruch auf recht-liches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzen. Unabhängig davon, ob es sich im Einzelfall so verhält, macht der Gesetzgeber mit der Qualifikation schwerwie-gender Verfahrensfehler als absolute Revisionsgründe und als Nichtigkeits-gründe deutlich, dass es nicht erträglich erscheint, der betroffenen [X.] abzu-verlangen, die auf der Grundlage eines solchen Verfahrensfehlers ergangene Entscheidung hinzunehmen. Es erschiene auch verfassungsrechtlich nicht [X.] - 6 - bedenklich, der [X.] in einem solchen Fall das nach der Verfahrensordnung vorgesehene Rechtsmittel zu versagen und sie auf ein Wiederaufnahmeverfah-ren zu verweisen. Denn das [X.] hat es als "aus rechtsstaatlicher Sicht auf Dauer schwer hinzunehmende(n) Zustand" bezeichnet, dass auch ein offenkundiger Verfahrensfehler oder ein absoluter Revisionsgrund nach § 72 a.[X.] die Zulassung der Revision im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht rechtfertigte ([X.], NJW 2001, 2161, 2163). Der Gesetzgeber hat dem mit dem Anhörungsrügengesetz vom 9. Dezember 2004 ([X.]) dadurch Rechnung getragen, dass er in § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG bestimmt hat, dass die Revision zuzulassen ist, wenn ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nrn. 1 bis 5 ZPO oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung "entspricht" diese Regelung "der Er-weiterung der Zulassungsgründe, wie sie im Bereich der allgemeinen Zivilge-richtsbarkeit durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 ([X.] I, 1887) bereits eingeführt wurde" ([X.]. 663/04, [X.]). Auch § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG und § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO kennen, worauf die amtliche Begründung weiter hinweist, einen entsprechenden - sogar noch weiter gefassten - Zulassungsgrund des [X.]. 14 Auch zur Vermeidung eines weder sachlich gebotenen noch nach dem Vorstehenden dem Willen des Gesetzgebers entsprechenden [X.] in den verschiedenen Verfahrensordnungen ist es hiernach geboten, die Revision jedenfalls dann zuzulassen, wenn einer der ab-soluten Revisionsgründe des § 547 Nrn. 1 bis 4 ZPO geltend gemacht wird und vorliegt. 15 - 7 - Melullis [X.] Mühlens

Meier-Beck [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 13.05.2004 - 14 O 233/03 - [X.], Entscheidung vom 11.01.2005 - 7 U 293/03 -

Meta

X ZR 20/05

15.05.2007

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2007, Az. X ZR 20/05 (REWIS RS 2007, 3813)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3813

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