Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.12.2016, Az. IX ZR 259/15

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 203

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:221216BIXZR259.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX [X.]
vom

22. Dezember 2016

in dem
Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2, § 547 Nr. 4
Der Zulassungsgrund des § 547 Nr. 4 [X.] kann nur von der unzureichend [X.] geltend gemacht werden (Ergänzung zu [X.], 250).
[X.], Beschluss vom 22. Dezember 2016 -
IX [X.] -
O[X.]

[X.]

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.],
die
Richterin [X.], die
Richter Prof. [X.], [X.] und die Richterin Möhring

am
22. Dezember 2016
beschlossen:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5.
Zivilsenats des [X.] vom 15.
Mai 2014 wird auf Kosten der Beklagten zu-rückgewiesen.
Der Wert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 31.503,56

Gründe:

I.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin, eine
juristi-sche Person
mit Sitz in [X.], 128.570

Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil -
nachdem die Klage in Höhe von 117.917,81

Zinsen: 17.917,81

war
-
abgeän-dert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 21.503,58

zahlen. In Höhe von 7.066,42

hat es die Klage abgewiesen. Weiter hat es die Widerklage der Beklagten über 100.000

t-1
-

3

-
te das Berufungsgericht am 23.
April 2014 verhandelt und das Urteil erlassen, ohne zu wissen, dass über das Vermögen der Klägerin (fortan: Schuldnerin) schon am 26.
August 2013 in [X.] das Insolvenzverfahren eröffnet [X.] war. Unter Hinweis auf den absoluten Revisionsgrund des §
547 Nr.
4 [X.] möchte die Beklagte die Zulassung der Revision und die Aufhebung des [X.] Urteils erreichen.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§
544 Abs.
1 Satz
1 [X.]) und grundsätzlich zulässig (§
544 Abs.
1 Satz
2, Abs.
2 [X.]). Ob sie sich ge-gen die richtige [X.] richtet, nämlich gegen die Insolvenzverwalterin
an Stelle der Schuldnerin, kann der Senat dahinstehen lassen. Sie hat jedenfalls keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-chung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§
543 Abs.
2 Satz
1 [X.]).

1.
Allerdings hätte wegen der Unterbrechung des Verfahrens (§
240 [X.]; Art.
1 Abs.
1, Art.
3 Abs.
1, Art.
15 Verordnung ([X.]) Nr.
1346/2000 des Rats vom 29.
Mai 2000 über Insolvenzverfahren) infolge der am 26.
August 2013 in [X.] erfolgten Insolvenzeröffnung am 23.
April 2014 weder mündlich verhandelt noch am 15.
Mai 2014 ein Urteil verkündet werden dürfen; auf eine Kenntnis des Gerichts vom [X.] kommt es nicht an. Obwohl die
Prozesshandlungen der [X.]en unwirksam sind (§
249 Abs.
2 [X.]), ist das Urteil nicht nichtig, sondern mit dem gegebenen Rechtsmittel an-fechtbar. Das aufgrund einer nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des [X.] durchgeführten mündlichen Verhandlung erlassene 2
3
-

4

-
Berufungsurteil ist zugunsten und zuungunsten einer [X.] ergangen, die nicht nach der Vorschrift des Gesetzes vertreten war; ein solcher Verfahrensfehler begründet den absoluten Revisionsgrund des §
547 Nr.
4 [X.] ([X.], [X.] vom 15. Mai 2007 -
X [X.], [X.], 250 Rn.
7 mwN).

Auch ist nach der Rechtsprechung des [X.] die Zulas-sung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§
543 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 [X.])
geboten, wenn einer der absoluten Revisionsgründe des §
547 Nrn.
1 bis 4 [X.] mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend ge-macht wird und dieser tatsächlich vorliegt ([X.], aaO Rn.
8). Denn das Gesetz qualifiziert die absoluten Revisionsgründe als besonders schwerwiegende Ver-fahrensfehler. Das zeigt sich
auch
daran, dass die absoluten Revisionsgründe des §
547 Nr.
1 bis 4 [X.] mit den Nichtigkeitsgründen des §
579 Abs.
1 [X.] übereinstimmen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens und die Beseitigung eines rechtskräftigen Urteils rechtfertigen, weil es der Gesetzgeber für unzu-mutbar hält, von der unterlegenen [X.] zu verlangen, sich mit dem Urteil ab-zufinden ([X.], aaO Rn.
11). Das [X.] hat es als einen aus rechtsstaatlicher Sicht auf Dauer schwer hinzunehmenden Zustand [X.], dass auch ein offenkundiger Verfahrensfehler oder ein absoluter Re-visionsgrund nach §
72 aF ArbGG die Zulassung der Revision im arbeitsgericht-lichen Verfahren nicht rechtfertigt
([X.], NJW
2001, 2161, 2163). Deswegen hat der Gesetzgeber mit dem Anhörungsrügengesetz vom 9.
Dezember 2004 ([X.]
I
S.
3220) §
72 Abs.
2 Nr.
3 ArbGG
geändert und bestimmt, dass die Revision zuzulassen ist, wenn ein absoluter Revisionsgrund gemäß §
547 Nrn.
1 bis 5 [X.] oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung entspricht
diese Regelung der [X.] der Zulassungsgründe, wie sie im Bereich der allgemeinen [X.]
-

5

-
barkeit durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.
Juli 2001 ([X.]
I, S.
1887) bereits eingeführt wurde ([X.]. 663/04, S.
47). Auch §
132 Abs.
2 Nr.
3 VwGO, §
160 Abs.
2 Nr.
3 SGG und §
115 Abs.
2 Nr.
3 FGO kennen, worauf die amtliche Begründung weiter
hinweist, einen entsprechen-den -
sogar noch weiter gefassten
-
Zulassungsgrund des [X.] ([X.], aaO Rn.
14).

2.
Doch gebietet der absolute Revisionsgrund des §
547 Nr.
4 [X.] die Revisionszulassung nur, wenn der Beschwerdeführer in dem [X.] nicht nach den Vorschriften vertreten war.

a)
Für die Nichtigkeitsklage nach §
579 Abs.
1 Nr.
4 [X.] gilt, dass sie nur von der [X.] erhoben werden kann, die in dem vorangegangenen Verfah-ren nicht nach den [X.] vertreten war
([X.], Urteil vom 20.
September 1974 -
IV
ZR 55/73, [X.]Z
63, 78, 79; Beschluss vom 11.
Mai 1988 -
IVb
ZB 191/87, [X.], 1158, 1159; vom 17.
Dezember 2015
-
IX
ZA 37/15, Rn.
3; vgl. [X.] 1991, 747;
[X.] 1993, 314, 315;
[X.], [X.] 303 §
579 [X.] Nr. 1).

§
72 Abs.
2 Nr.
3 ArbGG, wonach die Revision unter anderem dann zu-zulassen ist, wenn ein absoluter Revisionsgrund gemäß §
547 Nr.
4 [X.] gel-tend gemacht wird und vorliegt, wird so verstanden, dass dieser [X.] nur von der [X.] geltend gemacht werden kann, um deren Vertretung es dabei geht
([X.], NZA
2010, 1309 Rn.
10
f; [X.], PersV
2011, 395, 396;
[X.], Beschluss vom 22.
Mai 2012 -
1
ABN 27/12, [X.] Rn. 31). So
hat es der [X.] auch für §
116 Abs.
1 Nr.
3 FGO aF gesehen ([X.] 1991, 747; Beschluss vom 16.
Januar 1991 -
IV
R 128/89, [X.]).

5
6
7
-

6

-

b)
Für §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 Fall
2 [X.] in Verbindung mit §
547 Nr.
4 [X.] gilt nichts anderes. Eine
[X.] kann sich nicht darauf berufen, dass die Gegenseite nicht ordnungsgemäß vertreten war.

§
547 Nr.
4 [X.] bezweckt den Schutz desjenigen Beteiligten, der im Vorprozess nicht ordnungsgemäß vertreten war; ihm sollen aus dem [X.] keine Nachteile entstehen, die er selbst nicht veranlasst hat. Dieser Zweck begrenzt
den Anwendungsbereich der Vorschrift. Da für den [X.] eine derartige Situation nicht besteht, ist er nicht in den Schutzbereich der Vorschrift einbezogen. Dies zeigt sich schon darin, dass der nicht ordnungs-gemäß vertretene Beteiligte die Prozessführung genehmigen und dadurch auf die Geltendmachung des [X.] verzichten kann; dem [X.] steht dieses Recht nicht zu. Wäre auch er befugt, den Mangel geltend zu machen, könnte der im Vorprozess nicht ordnungsgemäß vertretene [X.] dem Revisionsverfahren des Prozessgegners jederzeit die Grundlage ent-ziehen, indem er die Prozessführung genehmigt ([X.] 1991, 747; [X.], [X.], 1309 Rn.
11; [X.], aaO
S.
396). Dies gilt auch für das [X.]. Eine Beschwer durch eine mangelhafte [X.] ist auch dann ausgeschlossen, wenn und soweit die Ge-genseite im Rechtsstreit erfolgreich geblieben ist. Auf dem [X.] kann die Entscheidung nicht beruhen ([X.], aaO).

Zwar kann nach einem Urteil des VIII.
Zivilsenats des [X.] vom 21.
Juni 1995 ([X.], NJW
1995, 2563)
die Rechtsfolge der Unterbrechung des Verfahrens gemäß §
249 [X.] jede [X.] geltend machen, wenn trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer [X.] mündlich verhandelt und darauf ein Urteil verkündet worden sei. Diese Folge beruht letztlich aber darauf, dass der Mangel des §
547 Nr.
4 [X.] im Rahmen 8
9
10
-

7

-
einer zulässigen Revision von Amts wegen geprüft wird ([X.], Urteil vom 16.
Oktober 2006 -
II
ZR 7/05, ZIP
2006, 2213 Rn.
7; vgl. [X.], Beschluss vom 16.
Januar 1991 -
IV
R 128/89, [X.] Rn.
13; [X.]/[X.], [X.], 31.
Aufl., §
547 Rn.
5). Zu einer solchen Prüfung des [X.] von Amts wegen kommt es danach erst dann, wenn die Revision statthaft, also insbesondere zugelassen ist (§§
542, 543 [X.]; vgl.
MünchKomm-[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
547 Rn.
2; [X.], Beschluss vom 16.
Januar 1991,
aaO).

Kayser
[X.]
Pape

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.11.2010 -
403
HKO 149/09 -

O[X.], Entscheidung vom 15.05.2014 -
5 [X.] -

Meta

IX ZR 259/15

22.12.2016

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.12.2016, Az. IX ZR 259/15 (REWIS RS 2016, 203)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 203

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 259/15

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