Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.05.2011, Az. B 5 R 34/11 B

5. Senat | REWIS RS 2011, 6800

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Zurückweisung der Berufung durch Beschluss - rechtswidrige Teilstattgabe


Leitsatz

Das vereinfachte Beschlussverfahren nach § 153 Abs 4 S 1 SGG ist auf die Zurückweisung der Berufung beschränkt.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wird der Beschluss des [X.] vom 22. Dezember 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung gewähren muss. Während des Berufungsverfahrens erkannte die Beklagte diesen Rentenanspruch ab dem 1.1.2007 an; der Kläger lehnte das Teilanerkenntnis jedoch ab. Daraufhin hat das [X.] die angefochtenen Bescheide sowie das klageabweisende Urteil des [X.] vom 16.3.2007 ohne mündliche Verhandlung im vereinfachten Beschlussverfahren nach § 153 Abs 4 Satz 1 [X.] geändert und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger ab dem 1.1.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen (Beschluss vom 22.12.2010). Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt und einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.] iVm § 153 Abs 4 Satz 1 [X.] geltend gemacht.

2

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

3

Der Kläger hat ordnungsgemäß dargetan, dass das [X.] gegen § 153 Abs 4 Satz 1 [X.] verstoßen habe und das angefochtene Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruhen könne 160 Abs 2 [X.] 3 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]).

4

Der gerügte Verfahrensmangel liegt auch vor. Gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 [X.] kann das [X.], außer in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 [X.], die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen waren nicht erfüllt. Denn das [X.] hat der Berufung teilweise stattgegeben und sie nur teilweise zurückgewiesen. Von dem Erfordernis der vollständigen Berufungszurückweisung konnte auch nicht deshalb abgesehen werden, weil das [X.] der Berufung ohne jede rechtliche und tatsächliche Prüfung "dem Anerkenntnis gemäß“ stattgeben musste (vgl dazu [X.]/[X.]/[X.], Zivilprozessrecht, 17. Aufl 2010, § 132 IV Rd[X.] 55; [X.] in [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl 2011, § 307 Rd[X.] 10). Denn § 307 Satz 1 ZPO, der im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 202 [X.] entsprechend anzuwenden ist (Senatsurteil vom 22.9.1977 - 5 [X.] 18/76 - BSG SozR 1750 § 307 [X.] 1; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], 68. Aufl 2010, § 307 Rd[X.]; [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, [X.] Rd[X.] 181; kritisch [X.], [X.] 1979, 200 ), erlaubt nur eine Entscheidung durch (Anerkenntnis-)Urteil ("ist … zu verurteilen") und nicht durch Beschluss. Die Vorgehensweise des [X.] lässt sich schließlich auch nicht mit der Überlegung rechtfertigen, dass der Kläger durch die normwidrige Teilstattgabe nicht beschwert sei, weil der angefochtene Beschluss insofern nicht hinter dem zurückbleibt, was er im Berufungsverfahren begehrt und beantragt hatte. Denn die einheitliche Entscheidung durch Beschluss lässt sich nicht in eine gesetzeskonforme Berufungszurückweisung und eine rechtswidrige Teilstattgabe aufspalten. Vielmehr "infiziert" die vorschriftswidrige Teilstattgabe den gesamten Beschluss.

5

Es ist unwiderleglich zu vermuten, dass die angegriffene Entscheidung auf diesem Verfahrensfehler beruht. Mit seiner Rüge der Verletzung des § 153 Abs 4 Satz 1 [X.] hat der Kläger zugleich ausdrücklich beanstandet, das [X.] habe seine Entscheidung lediglich mit den Berufsrichtern und nicht in der Besetzung mit den ehrenamtlichen Richtern getroffen, wie dies § 33 [X.] vorsehe. Diese Rüge ist begründet. Damit liegt hier der absolute Revisionsgrund nach § 202 [X.] iVm § 547 [X.] 1 ZPO (unvorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts) vor, sodass die Entscheidung ohne weiteres "als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen" ist.

6

Nach § 160a Abs 5 [X.] kann das erkennende Gericht in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverweisen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 [X.] [X.] vorliegen. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

7

Das [X.] wird im wieder eröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 5 R 34/11 B

11.05.2011

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Berlin, 16. März 2007, Az: S 122 R 269/07

§ 153 Abs 4 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 202 SGG, § 33 SGG, § 547 Nr 1 SGG, § 307 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.05.2011, Az. B 5 R 34/11 B (REWIS RS 2011, 6800)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6800

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