Bundessozialgericht, Urteil vom 08.10.2019, Az. B 12 KR 22/19 R

12. Senat | REWIS RS 2019, 2907

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des [X.] vom 12. November 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob zwei einmalige Kapitalleistungen in Höhe von insgesamt 312 845,83 Euro als Versorgungsbezüge der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) und [X.] Pflegeversicherung ([X.]) unterliegen.

2

Der Kläger war als Seelotse Mitglied der [X.] Nord-Ostsee-Kanal I. Er bezieht seit 1.6.2012 eine Altersrente der beklagten [X.] ([X.]) Knappschaft-Bahn-See. Als Rentner ist der Kläger bei der Beklagten als Kranken- und Pflegekasse pflichtversichertes Mitglied in der [X.] und [X.]. Neben der Altersrente erhält er seit Juni 2012 einen laufenden Versorgungsbezug der [X.] - Gemeinsame Übergangskassen der Reviere/Gemeinsame Ausgleichskasse ([X.]/[X.]).

3

Am 27.6.2012 erhielt der Kläger von der [X.]) einmalige Kapitalleistungen in Höhe von 183 901,66 Euro ([X.]) und 128 944,17 Euro ([X.]). Grundlage dieser Leistungen ist ein zwischen der beigeladenen [X.] und der Rechtsvorgängerin der [X.] vom 7./20.7.1972 ([X.]). Danach sind Mitglieder einer vom [X.] erfassten [X.] Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeits-, Alters-, Witwen- und Waisenrentenversicherung (§§ 1, 2 und 6 [X.]). Die Beklagte legte 1/120 der jeweiligen Kapitalleistung sowie den Versorgungsbezug der [X.]/[X.] der Beitragserhebung in der [X.] und [X.] bis zum Differenzbetrag von Beitragsbemessungsgrenze und Altersrente für die [X.] zugrunde (Bescheide vom 17.7. und 20.12.2012, Widerspruchsbescheid vom [X.]).

4

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte die Beiträge neu festgesetzt (Bescheide vom 6.9., 18.12.2013, 30.7., 18.12.2014, 15.7., 6.8., 17.12.2015, 8.7., 21.12.2016). Auf den in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] gestellten Antrag des [X.], die Bescheide der Beklagten vom 17.7. und 21.12.2012 (richtig: 20.12.2012) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] (richtig: [X.]) aufzuheben, hat das [X.] die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Nachdem die Beklagte auch während des Berufungsverfahrens weitere Beitragsbescheide (13.7., 4.8., 23.12.2017, 6.7., 21.9., 10.10.2018) erlassen hatte, hat das L[X.] durch Beschluss vom 12.11.2018 nach § 153 Abs 4 [X.]G ohne Mitwirkung [X.] die Berufung aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgewiesen. Bei den Kapitalleistungen handele es sich um beitragspflichtige Renten einer für Angehörige bestimmter Berufe errichteten Versicherungseinrichtung. An der früheren Rechtsprechung werde festgehalten.

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 [X.]B V iVm Art 3 Abs 1 GG sowie von Art 3 Abs 1 GG. Die im Senatsurteil vom 10.6.1988 (12 RK 35/86 - [X.] 2200 § 180 [X.]) geforderte Versorgung der [X.] entsprechend derjenigen eines Kapitäns auf Großer Fahrt sei bereits durch die gesetzliche Altersrente und die Leistungen der [X.]/[X.] erreicht. Die streitigen Kapitalleistungen gingen über dieses [X.] hinaus und seien vom Auftrag des § 28 Abs 1 [X.] ([X.], in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.9.1984 ; zuvor § 32 Abs 1 Nr 6 [X.] in der Fassung vom 13.10.1954 ), Maßnahmen für eine ausreichende Versorgung der [X.] zu treffen, nicht gedeckt. Die vom [X.] zur Beitragspflicht von Leistungen aus einer Direktversicherung iS von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 [X.]B V entwickelten Grundsätze ließen sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Er sei von Anfang an Versicherungsnehmer gewesen und habe damit von vornherein eines der vom [X.] für die Beitragsfreiheit geforderten Kriterien erfüllt. Der allgemeine Gleichheitssatz sei verletzt, wenn im Vergleich zu anderen Altersvorsorgeprodukten Beiträge sowohl in der [X.] als auch in der Auszahlungsphase und damit doppelt erhoben würden.

6

Der Kläger beantragt,
den Beschluss des [X.] vom 12. November 2018 und das Urteil des [X.] vom 7. Juni 2017 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 17. Juli 2012 und 20. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Februar 2013 und die Bescheide vom 6. September 2013, 18. Dezember 2013, 30. Juli 2014, 18. Dezember 2014, 15. Juli 2015, 6. August 2015, 17. Dezember 2015, 8. Juli 2016, 21. Dezember 2016, 13. Juli 2017, 4. August 2017, 23. Dezember 2017, 6. Juli 2018, 21. September 2018 und 10. Oktober 2018 insoweit aufzuheben, als Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und [X.] Pflegeversicherung auf Kapitalzahlungen der [X.] ([X.] und [X.]) festgesetzt worden sind.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

9

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]). Der angefochtene Beschluss des [X.] beruht auf dem Verfahrensmangel der fehlerhaften Besetzung des Berufungsgerichts nur mit Berufsrichtern. Das [X.] hätte nicht im Wege des vereinfachten Beschlussverfahrens nach § 153 Abs 4 [X.] (dazu 1.) ohne Beteiligung [X.] entscheiden dürfen (dazu 3.), weil nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils weitere Verwaltungsakte Gegenstand des Rechtsstreits geworden sind (dazu 2.). Dieser Mangel ist vom Revisionsgericht auch ohne entsprechende Rüge von Amts wegen zu beachten (dazu 4.).

1. Nach § 153 Abs 4 Satz 1 [X.] kann das [X.], außer in den Fällen des [X.] nach § 105 Abs 2 Satz 1 [X.], die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Zu dieser Entscheidungsform sind die Beteiligten vorher zu hören (§ 153 Abs 4 Satz 2 [X.]). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lagen nicht vor. Zwar hat das [X.] dem Anhörungsgebot mit Schreiben vom [X.] an die Beteiligten Rechnung getragen. Die Möglichkeit des vereinfachten Beschlussverfahrens ohne die Mitwirkung [X.] (vgl § 33 Abs 1 in Verbindung mit § 12 Abs 1 Satz 2 Alt 1 [X.]) war aber nicht (mehr) eröffnet.

2. Nach dem Inhalt des Tatbestands des [X.] hat die Beklagte nach Berufungseinlegung die weiteren Bescheide vom 4.8. und 23.12.2017 sowie [X.] erlassen. Sie enthalten Verwaltungsakte, die gemäß § 96 Abs 1 in Verbindung mit § 153 Abs 1 [X.] Gegenstand des Rechtsstreits geworden sind. Durch sie sind die auf die Kapitalleistungen erhobenen Beiträge zur [X.] und [X.] jeweils neu festgesetzt und damit frühere Beitragserhebungen im Sinne dieser Vorschriften abgeändert worden. Die Einbeziehung abändernder oder ersetzender Verwaltungsakte in ein anhängiges Klageverfahren ist nicht in das Ermessen der Beteiligten gestellt. Sie werden im Wege einer gesetzlichen Klageänderung automatisch Gegenstand des Rechtsstreits, ohne dass es auf den Willen der Beteiligten ankommt ([X.] vom 17.11.2005 - [X.]/11 [X.] 57/04 R - [X.] 4-1500 § 96 [X.] Rd[X.]1; vgl auch [X.] vom 9.12.2016 - [X.] [X.] 1/15 R - juris). Die [X.] eintretende Klageänderung hindert die Beteiligten allerdings nicht, über den Verfahrensgegenstand im Rahmen ihrer allgemeinen Dispositionsbefugnis zu verfügen und die Klage ausdrücklich auf die Anfechtung des Ausgangsverwaltungsakts zu beschränken ([X.] vom 17.11.2005 - [X.]/11 [X.] 57/04 R - [X.] 4-1500 § 96 [X.] Rd[X.]2). Eine solche Begrenzung des Streitgegenstands liegt aber nicht schon in dem mit [X.] vom 10.7.2017 formulierten Antrag des [X.], die erstinstanzliche Entscheidung sowie die "Bescheide vom 17.07.2012 und vom 20.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.03.2013" aufzuheben, der zeitlich jedenfalls vor Erlass der Verwaltungsakte vom 4.8. und 23.12.2017 sowie [X.] gestellt worden ist. Diese Verwaltungsakte hat das [X.] daher zutreffend in das Berufungsverfahren einbezogen. Sie werden zwar weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Beschlusses angegeben, sind aber im Tatbestand erwähnt und ausdrücklich Gegenstand des vom Berufungsgericht formulierten Berufungsantrags des [X.]. Damit erstreckt sich die Entscheidung des [X.] auch auf diese während des Berufungsverfahrens erlassenen Beitragsbescheide. Anhaltspunkte dafür, dass das [X.] trotz deren Aufnahme in den Berufungsantrag nur über die während des Klageverfahrens ergangenen Bescheide hätte entscheiden wollen, sind nicht ersichtlich.

3. Über erst während des Berufungsverfahrens wirksam erlassene Verwaltungsakte, die einen mit dem Rechtsmittel bereits angefochtenen Verwaltungsakt abändern oder ersetzen im Sinne des § 96 Abs 1 in Verbindung mit § 153 Abs 1 [X.], hat das Berufungsgericht nicht zweitinstanzlich auf Berufung, sondern erstinstanzlich auf Klage zu befinden (stRspr; vgl [X.] vom [X.] - B 13 R 61/09 R - [X.] 4-5050 § 22 [X.] Rd[X.] mwN). Daher hätte vorliegend aufgrund mündlicher Verhandlung oder nach Zustimmung der Beteiligten (§ 124 Abs 2 [X.]) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil unter Beteiligung [X.] entschieden und - ausgehend von der Rechtsansicht des [X.] - die Klage gegen die im Berufungsverfahren erlassenen Beitragsbescheide abgewiesen werden müssen (vgl [X.] Beschluss vom 22.11.2012 - [X.] P 10/12 B - [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.]). Für die notwendige erstinstanzliche Entscheidung bietet § 153 Abs 4 [X.] keine Grundlage. Das folgt sowohl aus dem Wortlaut der Vorschrift (vgl [X.] Beschluss vom 11.5.2011 - B 5 R 34/11 B - [X.] 4-1500 § 153 [X.] zu einer rechtswidrigen Teilstattgabe der Berufung nach nicht angenommenem Teilanerkenntnis und Zurückweisung im Übrigen) als auch aus deren Regelungszweck.

Nach dem Gesetzestext ist dem Berufungsgericht unter bestimmten Voraussetzungen die Befugnis eingeräumt, die "Berufung" durch Beschluss zurückzuweisen. Als "Berufung" wird aber das mit Devolutiv- und Suspensiveffekt versehene Rechtsmittel gegen vorinstanzliche Entscheidungen der Sozialgerichte bezeichnet (vgl § 143 [X.]), das grundsätzlich auf Überprüfung des erstinstanzlich beurteilten Streitgegenstands gerichtet ist (vgl § 157 [X.]) und eine Beschwer durch die erstinstanzliche Entscheidung voraussetzt. Auf erst im Berufungsverfahren ergangene Verwaltungsakte kann sich eine erstinstanzliche Entscheidung nicht erstrecken. Zudem soll das vereinfachte Beschlussverfahren zu einer Straffung des Verfahrens und Entlastung des [X.] beitragen, ohne den Rechtsschutzanspruch der Beteiligten zu vernachlässigen (vgl BT-Drucks 12/1217 [X.] zu den Grundzügen der Entlastung des sozialgerichtlichen Verfahrens). Es bezweckt die Beschleunigung rechtlich wie tatsächlich einfach gelagerter Verfahren, die bereits wegen umfassender Sachverhaltsaufklärung und Erörterung in der Vorinstanz zügig zu einer verfahrensbeendenden Entscheidung gebracht werden können sollen ([X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - juris Rd[X.] mwN). Bei erst im Berufungsverfahren erlassenen Verwaltungsakten fehlt es zwangsläufig an einer solchen erstinstanzlichen Erörterung. Gleichwohl das vereinfachte Beschlussverfahren gegenüber erst während des Berufungsverfahrens erlassenen Verwaltungsakten einzuräumen, ließe außer [X.], dass Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention im Rahmen des gebotenen fairen Verfahrens das Recht auf eine mündliche Verhandlung zubilligt (vgl [X.] Beschluss vom 8.4.2014 - [X.] [X.] 22/14 B - [X.] 4-1500 § 158 [X.] Rd[X.]), die mündliche Verhandlung das "Kernstück" des gerichtlichen Verfahrens ist und den Zweck verfolgt, dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, §§ 62, 128 Abs 2 [X.]) zu genügen (vgl [X.] Beschluss vom 8.9.2015 - B 1 KR 134/14 B - juris Rd[X.] 8).

Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 153 Abs 4 [X.] ist nicht danach zu differenzieren, ob die im Berufungsverfahren nach § 96 Abs 1 in Verbindung mit § 153 Abs 1 [X.] einzubeziehenden Verwaltungsakte eine wesentliche Änderung der prozessualen Situation mit sich bringen oder nicht (vgl hierzu [X.] Beschluss vom 8.4.2014 - [X.] [X.] 59/13 B - juris Rd[X.] 5, ohne über die Rechtslage im Fall einer unveränderten [X.] zu entscheiden). Anders als in den Fällen einer erneut notwendigen weiteren Anhörungsmitteilung aufgrund einer entscheidungserheblichen Veränderung der [X.], über die das [X.] ausschließlich als Berufungsinstanz zu entscheiden hat, ist in Verfahren, in denen das Berufungsgericht auch als erstinstanzliches Gericht zu entscheiden hat, schon der Anwendungsbereich der Verfahrensvorschrift nicht eröffnet (vgl oben). Daher kann dahingestellt bleiben, ob der Erlass eines Verwaltungsakts im Berufungsverfahren, der Gegenstand des Klageverfahrens wird, ausnahmslos mit einer wesentlichen Änderung der [X.] einhergeht.

4. An einer - wie hier notwendigen - Entscheidung des [X.] durch Urteil haben neben den Berufsrichtern zwei ehrenamtliche Richter mitzuwirken (§ 33 Abs 1 Satz 1 [X.]). Das Berufungsgericht hat vorliegend hingegen durch Beschluss allein der Berufsrichter entschieden und damit die verfassungsrechtliche Garantie des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) missachtet. Die nicht vorschriftsmäßige Besetzung ist ohne Rüge der Beteiligten von Amts wegen zu berücksichtigen.

Das Revisionsgericht hat zwischen [X.] zu unterscheiden, die es nur auf entsprechende Rüge hin oder unabhängig davon von Amts wegen zu beachten hat. Von Amts wegen ist bei einer zulässigen Revision ein fortwirkender Verstoß gegen einen verfahrensrechtlichen Grundsatz zu berücksichtigen, der im öffentlichen Interesse zu beachten und dessen Befolgung dem Belieben der Beteiligten entzogen ist ([X.] vom [X.] [X.], 286 = [X.] 4-2600 § 2 [X.], Rd[X.] 17 mwN). Zu solch schwerwiegenden, die Wirksamkeit des Verfahrens als Ganzes betreffenden [X.] zählen das Fehlen der allgemeinen oder besonderen Prozessvoraussetzungen sowie ein Verstoß gegen tragende Grundsätze des sozialgerichtlichen Verfahrens wie die Mitwirkung [X.] (§ 12 Abs 1 Satz 1, § 33 Abs 1 Satz 1 [X.]). Demgegenüber sind weniger bedeutsame Verfahrensverstöße, die nicht in der nächsten Instanz fortwirken, nur auf Rüge zu beachten, und auch nur, solange das [X.] nicht entfallen ist ([X.] vom 8.11.2007 - [X.]/9a S[X.]/06 R - [X.], 189 = [X.] 4-1500 § 155 [X.], Rd[X.] 13 mwN). Der mit der gesetzeswidrigen Entscheidung des [X.] im Wege des vereinfachten Beschlussverfahrens nach § 153 Abs 4 [X.] einhergehende Verstoß einerseits gegen den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf eine Entscheidung durch [X.] (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) und andererseits gegen den das sozialgerichtliche Verfahren prägenden Grundsatz der Mitwirkung [X.] (§ 33 [X.]) ist als absoluter Revisionsgrund (§ 547 [X.] 1 ZPO in Verbindung mit § 202 Satz 1 [X.]) ohne Rüge der Beteiligten von Amts wegen zu berücksichtigen (stRspr; vgl nur [X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - juris Rd[X.] 16 mwN). Den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ist nicht die Rechtsmacht eingeräumt, durch [X.] Verhalten die Unbeachtlichkeit einer Verletzung des der Rechtsstaatlichkeit dienenden grundrechtsgleichen Rechts auf [X.] herbeizuführen ([X.] vom [X.] - B 4 RS 2/06 R - [X.] 4-1500 § 155 [X.] 1 Rd[X.] 33 f).

Mit der vorliegenden Entscheidung setzt sich der [X.] nicht in Widerspruch zu früherer Rechtsprechung des [X.]. In seinem - die Zulassung der Sprungrevision (§ 161 [X.]) gegen einen Gerichtsbescheid (§ 105 [X.]) betreffenden - Urteil vom 21.8.2008 (B 13 RJ 44/05 R - [X.] 4-2600 § 96a [X.] Rd[X.] ff) hat der 13. [X.] des [X.] lediglich Zweifel daran geäußert, ob in der Entziehung des gesetzlichen Richters ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensfehler liege. Die dort zitierten Urteile des 6. [X.]s vom 15.9.1977 (6 [X.] 4/77 - [X.]E 44, 244 = [X.] 7323 § 3 [X.] 1) und des 7. [X.]s vom 24.5.1984 (7 [X.] - [X.]E 57, 15 = [X.] 1500 § 31 [X.] 3) sind zwischenzeitlich überholt. Auch die bezeichneten [X.]e gehen mittlerweile von einem von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensmangel aus (vgl [X.] vom 7.8.2014 - B 13 R 37/13 R - juris Rd[X.] 11 f; [X.] vom 17.8.2011 - B 6 KA 32/10 R - [X.]E 109, 34 = [X.] 4-2500 § 89 [X.] 5, Rd[X.]; [X.] vom [X.] - B 7 [X.] 43/08 R - juris Rd[X.] 8 f). Soweit der erkennende [X.] in seinem Urteil vom 22.3.2001 (B 12 RJ 2/00 R - [X.] 3-5070 § 21 [X.] 9 S 45) ausgeführt hat, dass der Verfahrensfehler der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung nur auf entsprechende Rüge beachtlich sei, betraf dies einen anderen Sachverhalt. Gegenstand war ein Urteil eines [X.], das in der Besetzung mit dem Berichterstatter und zwei ehrenamtlichen Richtern statt durch den Berichterstatter allein ergangen ist.

5. Der Verfahrensmangel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] insgesamt. Der angefochtene Beschluss nach § 153 Abs 4 [X.] lässt sich nicht in eine gesetzeskonforme Zurückweisung der Berufung mit ordnungsgemäßer Besetzung des Spruchkörpers und eine rechtswidrige Entscheidung unter Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters über die Klage aufspalten. Das [X.] hat das Verfahren als Ganzes geführt, ohne dass ein Teil des streitbefangenen Zeitraums abgetrennt worden ist. Die gesetzeswidrige Entscheidung auch über die Klage "infiziert" den gesamten Beschluss (vgl [X.] Beschluss vom 11.5.2011 - B 5 R 34/11 B - [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.]).

6. [X.] bleibt der Entscheidung des [X.] vorbehalten. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird zu beachten sein, dass die Beklagte auch mit Bescheiden vom [X.] sowie 21.9. und 10.10.2018 die auf die Kapitalleistungen erhobenen Beiträge zur [X.] und [X.] neu festgesetzt hat und ob darüber hinaus weitere Verwaltungsakte Gegenstand des Klageverfahrens geworden sind.

Meta

B 12 KR 22/19 R

08.10.2019

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hamburg, 7. Juni 2017, Az: S 25 KR 434/13, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 08.10.2019, Az. B 12 KR 22/19 R (REWIS RS 2019, 2907)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2907

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