Bundessozialgericht, Urteil vom 04.04.2017, Az. B 11 AL 5/16 R

11. Senat | REWIS RS 2017, 12932

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs - Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen - Verletzung von Nachweispflichten aus der Eingliederungsvereinbarung - Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung - öffentlich-rechtlicher Vertrag - fehlende Zusage vermittlungsunterstützender Leistungen


Leitsatz

1. Die Wirksamkeit einer Eingliederungsvereinbarung nach dem SGB III ist nach dem Recht der öffentlich-rechtlichen Verträge zu beurteilen.

2. Enthält eine solche Eingliederungsvereinbarung keine Zusage einer angemessenen Gegenleistung seitens der Arbeitsagentur für individuell bestimmte Eigenbemühungen des Arbeitslosen zu Bewerbungsaktivitäten und deren Nachweis, fehlt es regelmäßig an einer Grundlage für eine Sperrzeitentscheidung.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 18. März 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von [X.] wegen des Eintritts einer Sperrzeit aufgrund unzureichender [X.] und die Minderung der Anspruchsdauer.

2

Die 1964 geborene Klägerin meldete sich im unmittelbaren [X.] an die Beendigung ihrer Beschäftigung als kaufmännische Angestellte am 14.8.2014 mit Wirkung zum [X.] bei der beklagten [X.] arbeitslos und beantragte [X.], das ihr für den Zeitraum vom [X.] bis 30.11.2015 in Höhe von 44,83 Euro täglich bewilligt wurde (Bescheid vom 2.9.2014). In einer am 28.8.2014 zwischen der Klägerin und einem Vertreter der [X.] geschlossenen Eingliederungsvereinbarung war [X.] geregelt, dass sie - beginnend ab [X.] für September 2014 - pro Kalendermonat mindestens sechs [X.] um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse im kaufmännischen Bereich unternehmen und diese in einer Auflistung dokumentieren sollte. Diese Dokumentation sollte - falls kein Termin vereinbart war - für jeden Kalendermonat unaufgefordert immer bis spätestens zum 5. des Folgemonats eingereicht werden. Eine Regelung zur Übernahme von Bewerbungskosten und/oder von Reisekosten zu Vorstellungsgesprächen enthielt die Eingliederungsvereinbarung nicht.

3

Nachdem die Klägerin Mitte Oktober 2014 an einem Beratungsgespräch bei der [X.] teilgenommen hatte, übersandte sie erstmals am 16.11.2014 ihre [X.]n. Im Rahmen der Anhörung zur verspäteten Übersendung der dokumentierten [X.] teilte sie der [X.] mit, sie habe die Liste versandt, jedoch ein [X.] nicht bemerkt und die Unterlagen erneut übermittelt. Die Beklagte hob die Bewilligung von [X.] wegen des Eintritts einer Sperrzeit und Ruhen des Anspruchs vom 6.11.2014 bis 19.11.2014 auf und stellte eine Minderung des [X.]-Anspruchs um 14 Tage fest (Bescheid vom 19.11.2014; Widerspruchsbescheid vom 28.11.2014). Mit dem Änderungsbescheid vom 19.11.2014 bewilligte sie für den [X.] vom 6.11.2014 bis 19.11.2014 keine Leistungen und für den Zeitraum vom 20.11.2014 bis 30.11.2015 [X.] in bisheriger Höhe.

4

Das [X.] hat den Bescheid vom 19.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.11.2014 aufgehoben. Die Berufung der [X.] hatte keinen Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das L[X.] ausgeführt, es stehe fest, dass die geforderten [X.] für den Monat Oktober 2014 stattgefunden hätten. Die Klägerin habe aber fahrlässig und ohne wichtigen Grund die fristgerechte Vorlage der geforderten [X.] versäumt. Dies löse dennoch keine Sperrzeit aus, weil [X.] nur dann konkret nachgewiesen werden müssten, wenn die [X.] zuvor die Nachprüfung konkreter Pflichten und deren Zeitpunkt angekündigt sowie die Form des Nachweises in einer konkreten Aufforderung mitgeteilt habe. Diesen Kriterien genüge der in der Eingliederungsvereinbarung geforderte Nachweis nicht. Geeignete Nachweisunterlagen, wie zB Kopien abgesandter schriftlicher Bewerbungen, Absageschreiben und die Angabe von Zeugen würden von der Klägerin nicht gefordert.

5

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.]B II. Es bestehe ein weiter Spielraum der Arbeitsverwaltung bei der Frage, welche Form des Nachweises von [X.] sie für geeignet halte. Unerheblich sei, ob sie mit der gewünschten Auflistung einen sog [X.], den Beweis der hinreichenden Wahrscheinlichkeit oder nur eine Glaubhaftmachung fordere. Entgegen der Ansicht des L[X.] sei die Aufforderung der Arbeitsverwaltung, innerhalb einer gesetzten Frist den Nachweis zureichender [X.] zu erbringen, einer Regelung durch eine Eingliederungsvereinbarung zugänglich.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 18. März 2016 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 29. April 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision der [X.] zurückzuweisen.

8

Sie verweist auf die Gründe der vorangegangenen Entscheidungen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der [X.] ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G).

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 19.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.11.2014. Mit diesem hat die [X.] die Bewilligung von [X.] wegen des Eintritts einer Sperrzeit und Ruhen des Anspruchs auf [X.] vom 6.11.2014 bis 19.11.2014 aufgehoben und eine Minderung des [X.]-Anspruchs um 14 Tage verfügt (Sperrzeitbescheid). Weiter einbezogen ist der Bescheid vom 19.11.2014, mit dem die [X.] in Abänderung der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung vom 2.9.2014 für den Zeitraum vom 6.11.2014 bis 19.11.2014 kein [X.] bewilligte. Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass auch dieser Bescheid in das Verfahren einbezogen ist, weil das Klagebegehren einer Wiederherstellung der Wirksamkeit der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung für den streitigen Zeitraum nur durch die Anfechtung auch dieses weiteren Bescheids erreichbar war. Beide [X.] bilden eine rechtliche Einheit (zur einheitlichen rechtlichen Regelung von Sperrzeitbescheid und Leistungsablehnung: B[X.] vom 16.9.1999 - B 7 [X.] 32/98 R - [X.], 270, 271 = [X.]-4100 § 119 [X.] und B[X.] vom [X.] - [X.]/7 [X.] 48/04 R - juris Rd[X.] 12).

2. a) Die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der [X.]-Bewilligung für den streitigen Zeitraum misst sich an § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] 4 [X.] iVm § 330 Abs 3 [X.]. Nach diesen Vorschriften ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der Leistung auswirkt (vgl nur B[X.] vom 21.3.1996 - 11 [X.]/94 - [X.], 109, 111 = [X.]-1300 § 48 [X.] mwN). Hier kommt ein Ruhen des Anspruchs auf [X.] wegen des Eintritts einer Sperrzeit nach § 159 Abs 1 Satz 2 [X.] in Betracht. Nach § 159 Abs 1 Satz 2 [X.] idF des [X.] der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 ([X.]) liegt versicherungswidriges Verhalten vor, wenn die oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die von der [X.] geforderten [X.] nicht nachweist (Sperrzeit bei unzureichenden [X.]).

b) Ein Aufhebungsanspruch der Klägerin folgt auf dieser Grundlage nicht bereits aus einer formellen Rechtswidrigkeit nach § 42 Abs 1 Satz 1 und 2 [X.], wonach die Aufhebung eines Verwaltungsakts allein deshalb beansprucht werden kann, weil die erforderliche Anhörung unterblieben oder nicht wirksam nachgeholt worden ist. Nach § 24 Abs 1 [X.] ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Erhebliche Tatsachen sind alle Tatsachen, auf die die handelnde Verwaltungsbehörde den [X.] des Bescheids zumindest auch gestützt hat oder auf die es nach ihrer materiell-rechtlichen Ansicht objektiv ankommt. Dies erfasst [X.] diejenigen Tatsachen, die - im Falle der Aufhebung einer Leistungsbewilligung - die besonderen subjektiven Rücknahmevoraussetzungen beschreiben (vgl B[X.] vom 19.10.2011 - [X.] R 9/11 R - [X.] 4-2600 § 77 [X.] Rd[X.] 14; B[X.] vom 20.12.2012 - B 10 LW 2/11 R - [X.] 4-5868 § 12 [X.] 1; B[X.] vom [X.] AS 47/15 R - [X.] 4-1500 § 114 [X.] 2 Rd[X.] 15, zur Veröffentlichung auch in [X.] vorgesehen mwN).

Zwar hat die [X.] die Klägerin vor Erlass der [X.] vom 19.11.2014 zu dem Umstand der verspäteten Übersendung der Auflistung aller [X.] und den Gründen dieses Verhaltens angehört, nicht jedoch zu den subjektiven Aufhebungsvoraussetzungen. In dem Bescheid vom 19.11.2014 hat die [X.] jedoch ausgeführt, dass die Klägerin gewusst habe oder habe wissen müssen, dass der ihr zuerkannte Anspruch auf [X.] wegen des Eintritts einer Sperrzeit wegen unzureichender [X.] zum Ruhen komme. Die Klägerin hat aufgrund dieser Ausführungen der [X.] in dem Aufhebungsbescheid erkennen können, dass es hierauf ankam und hat auch zu subjektiven Gesichtspunkten vorgetragen.

c) Die angefochtenen [X.] sind jedoch materiell rechtswidrig. Zwar hat bei isolierter Betrachtung eine Pflichtverletzung der Klägerin iS des § 159 Abs 1 Satz 2 [X.] vorgelegen. Die Eingliederungsvereinbarung vom [X.] vermittelt jedoch keine Grundlage einer Sanktionsentscheidung, weil diese als öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig war.

aa) Die Sperrzeit des § 159 Abs 1 Satz 2 [X.] bei unzureichenden [X.] tritt auch ein, wenn - wie vorliegend - zwar [X.] unternommen wurden, es aber an deren zeitgerechten Nachweis fehlt. Die Eingliederungsvereinbarung nach dem [X.] ist ein Instrument, mit dem die [X.] auch bezogen auf die Nachweispflichten und die Rechtsfolgenbelehrung so konkretisiert werden können, dass diese von der [X.] gefordert werden können (vgl zur Möglichkeit der Regelung von Nachweispflichten in einer Eingliederungsvereinbarung im Einzelnen Urteil des [X.] [X.] 19/16 R). Insofern bestimmt § 37 Abs 2 Satz 1 [X.], dass in einer Eingliederungsvereinbarung, die die [X.] zusammen mit der oder dem [X.] oder der oder dem [X.] trifft, für einen zu bestimmenden Zeitraum neben weiteren Punkten [X.] festgelegt wird, welche [X.] zur beruflichen Eingliederung die oder der [X.] oder die oder der Arbeitsuchende in welcher Häufigkeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form diese nachzuweisen sind.

Hier sind die Nachweispflichten für die geforderten [X.] bereits in der konkreten Eingliederungsvereinbarung nach dem [X.] vom [X.] näher und abschließend in zulässiger Weise umschrieben worden. Insofern sieht Ziff 2.3. der Eingliederungsvereinbarung vom [X.] vor, dass die Klägerin - beginnend ab 1.9.2014 - mindestens sechs im Einzelnen konkretisierte [X.] im kaufmännischen Bereich unternehmen und diese nachweisen sollte. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) hat sie diese [X.] unternommen, indem sie sich bei zwölf verschiedenen Firmen für eine Stelle im kaufmännischen Bereich beworben hat. Es fehlt jedoch an einem in zulässiger Weise in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Nachweis dieser [X.], obgleich die Klägerin auch den Inhalt ihrer konkreten Nachweispflichten, insbesondere den geforderten Zeitpunkt der Vorlage ihrer Bewerbungen, der Eingliederungsvereinbarung entnehmen konnte (zur Auslegung der Eingliederungsvereinbarung nach dem objektiven Empfängerhorizont durch das [X.] vom [X.] - [X.] [X.] 18/05 R - [X.] 95, 176 ff = [X.] 4-4300 § 119 [X.] 3, Rd[X.] 28). Die Klägerin hat ihre [X.] nicht bis zum 5.11.2014, sondern erst verspätet am 16.11.2014 durch Übersendung der Bewerbungslisten dargelegt. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, sind grundsätzlich keine weiteren konkreten Aufforderungen zu [X.] erforderlich, um vom Eintritt einer Sperrzeit bei einer Verletzung der nach dieser Vorschrift festgelegten Obliegenheiten ausgehen zu können.

bb) Eine Rechtsfolge nach § 159 [X.] - also eine Sanktion wegen nicht ausreichenden Nachweises von [X.] - kann die Bestimmung einer ausschließlich in einer Eingliederungsvereinbarung nach dem [X.] festgelegten Pflicht jedoch nur nach sich ziehen, wenn die [X.] wirksam vereinbart wurde (vgl zum [X.] bereits B[X.] vom [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 15 [X.] 5 Rd[X.] 15 mwN, zur Veröffentlichung auch in [X.] vorgesehen). Dies ist hier nicht der Fall, weil die Eingliederungsvereinbarung vom [X.] - trotz Vorliegens der insofern geforderten formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen (vgl hierzu B[X.] vom 6.12.2012 - B 11 [X.] 15/11 R - [X.] 112, 241 ff = [X.] 4-1300 § 59 [X.] 1; vgl zur Eingliederungsvereinbarung nach dem [X.]: B[X.] vom [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 15 [X.] 5 - zur Veröffentlichung auch in [X.] vorgesehen) - nach den Grundsätzen des [X.] nichtig war.

cc) Der Maßstab für die Prüfung einer in einer Eingliederungsvereinbarung bestimmten Obliegenheit folgt aus dem Recht der öffentlichen Verträge nach den §§ 53 ff [X.], denn auch die Eingliederungsvereinbarungen nach § 37 Abs 2 [X.] sind ihrer Rechtsq[X.]lität nach öffentlich-rechtliche Verträge in der Form des subordinationsrechtlichen Austauschvertrags nach § 53 Abs 1 Satz 2, § 55 [X.]. Hinsichtlich der Einordnung der Eingliederungsvereinbarung nach dem [X.] gilt nichts anderes als für die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs 1 Satz 2 [X.], die das B[X.] bereits als öffentlich-rechtlichen Vertrag angesehen hat (vgl grundlegend zum [X.]: B[X.] vom [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 15 [X.] 5 - zur Veröffentlichung auch in [X.] vorgesehen; einer Einordnung als öffentlich-rechtlichen Vertrag zuneigend bereits Urteil des [X.] B 4 AS 26/13 R - [X.] 115, 210 = [X.] 4-4200 § 15 [X.] 3 mwN; s auch Urteil des [X.] [X.] 19/16 R).

Zwar hatte der Gesetzgeber mit der Schaffung des Instruments der Eingliederungsvereinbarung im [X.] durch das [X.] vom 10.12.2010 ([X.] 3443) in § 35 [X.] aF ursprünglich verbunden, dass kein neues Rechtsverhältnis zwischen der Arbeitsverwaltung und dem Arbeitslosen begründet werden sollte (BT-Drucks 14/6944, [X.]). Dies spricht jedoch nicht gegen die Einordnung als öffentlich-rechtlicher Vertrag, denn durch die Rechtsänderungen des Gesetzes zur Ne[X.]usrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom [X.] ([X.] 2917) sind in der nunmehr in § 37 Abs 2 [X.] geregelten Eingliederungsvereinbarung deren Gegenstände genauer festgelegt und zudem die Sanktionen bei Verletzung dieser Pflichten des [X.] geregelt worden. In Angleichung an die Vorschriften des [X.] muss seitdem auch im [X.] verbindlich festgelegt werden, welche konkreten [X.] erforderlich sind und welche Nachweise hierzu vorzulegen sind (vgl BT-Drucks 16/10810, [X.] zu § 37 Abs 2 nF). Der im Wortlaut des § 37 Abs 2 und Abs 3 [X.] zum Ausdruck kommende hohe Grad einer Verbindlichkeit spricht in gleicher Weise für eine konkretere Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben durch verbindlichen subordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertrag anstelle lediglich einer Zielvereinbarung (für eine Q[X.]lifizierung als öffentlich-rechtlicher [X.] in [X.], 121 ff, 127; [X.] in [X.], [X.], § 159 Rd[X.] 367, Stand September 2013; [X.] in Gagel, [X.]/[X.], § 37 Rd[X.] 292, Stand März 2015; [X.] in Gagel, [X.]/[X.], § 37 Rd[X.] 7f, Stand 12/2013; [X.], 2. Aufl 2015, § 37 Rd[X.] 6; [X.] in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/[X.], GK-[X.], 6. Aufl 2017, § 37 Rd[X.] 9 ff "bloßes vertragsähnliches Konstrukt").

Die Unterschiede zwischen dem [X.] und dem [X.] rechtfertigen keine abweichende Einordnung des Rechtscharakters der Eingliederungsvereinbarung. Zwar enthält das [X.] - anders als das [X.] - in § 138 Abs 1 [X.] 2 [X.] als Bestandteil des Begriffs der Arbeitslosigkeit das Erfordernis von [X.], um die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden. In § 138 Abs 4 Satz 2 [X.] wird konkreter umschrieben, dass zu [X.] insbesondere die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung ([X.] 1), die Mitwirkung bei der Vermittlung durch Dritte ([X.] 2) und die Inanspruchnahme der [X.] der [X.] ([X.] 3) gehören. Der Umstand, dass das Sozialrechtsverhältnis im [X.] bereits konkreter als im [X.] geregelt ist, schließt jedoch eine daran anknüpfende weitere vertragliche Konkretisierung nicht aus. Es findet eine Bestimmung des Eingliederungsziels, der auf die konkrete Person bezogenen Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur, der jeweiligen [X.] der Leistungsberechtigten und der auf den Einzelfall bezogenen Gegenleistungen der Arbeitsverwaltung statt. Die verschiedenen in § 37 Abs 2 [X.] nur in den Grundzügen vorgegebenen Pflichten der Arbeitsverwaltung und des [X.] werden insofern in ein Gegenseitigkeitsverhältnis gebracht. Erst durch die Inhalte der Eingliederungsvereinbarung findet eine konsens[X.]le allgemeine Umschreibung und Konkretisierung der zumutbaren [X.] statt, die dann Grundlage für eine Entscheidung über eine fehlende Arbeitslosigkeit oder den Eintritt einer Sperrzeit werden kann ([X.] in [X.], [X.], § 159 Rd[X.] 367, Stand September 2013).

Der Umstand, dass der Teilbereich der erforderlichen [X.] bei Nichtzustandekommen einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt festgesetzt werden kann (§ 37 Abs 3 Satz 4 [X.]), unterstreicht auch für das [X.] die Ausgestaltung als öffentlich-rechtlichen Vertrag. Im Übrigen sieht § 53 Abs 1 Satz 2 [X.] vor, dass die Behörde, statt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen kann, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde.

dd) Bei einer Gesamtbetrachtung der vom [X.] festgestellten Einzelfallumstände und der Inhalte der Eingliederungsvereinbarung ergibt sich, dass die [X.] der Klägerin ab 1.9.2014 regelnde Vereinbarung vom [X.] mit ihrer Wirkung bis zur weiteren, am 24.9.2015 unterzeichneten [X.] keine Grundlage für eine Sperrzeitfeststellung sein kann. Die Nichtigkeit des [X.] - also hier der Eingliederungsvereinbarung - ist bereits dann iS des § 58 Abs 3 [X.] anzunehmen, wenn diese nur einen Teil des Vertrags betrifft. Hier beruht die Nichtigkeit auf einem Verstoß gegen das sog Koppelungsverbot nach § 58 Abs 2 [X.] 4 [X.], wonach ein Vertrag nichtig ist, wenn sich die Behörde eine nach § 55 [X.] unzulässige Gegenleistung versprechen lässt. § 55 Abs 1 Satz 2 [X.] bestimmt insofern, dass die Gegenleistung den gesamten Umständen nach angemessen sein muss und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen muss.

Die Festlegung einer unzulässigen Gegenleistung ist hier darin zu sehen, dass sich die [X.] von der Klägerin mit der Androhung einer Sperrzeit verbundene Obliegenheiten in Form von [X.] hat versprechen lassen, ohne hiermit individuelle, konkrete und verbindliche Unterstützungsleistungen zu verbinden. Da es insgesamt an der Vereinbarung einer Gegenleistung der [X.] zur Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses aus dem [X.] im Verhältnis zu den hierzu festgelegten [X.] der Klägerin um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse fehlt, liegt bereits aus diesem Grund eine Nichtigkeit nach § 58 Abs 2 [X.] 4 [X.] vor.

Nach § 44 Abs 1 [X.] idF des [X.] der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 ([X.]) sollen [X.], von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende und Arbeitslose aus dem [X.] der [X.] bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden, wenn dies für die berufliche Entwicklung notwendig ist. Sie sollen insbesondere bei der Erreichung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eingliederungsziele unterstützt werden (§ 44 Abs 1 Satz 2 [X.]). Die jeweilige [X.] entscheidet über den Umfang der zu erbringenden Leistungen; sie kann Pauschalen festlegen (§ 44 Abs 3 Satz 1 [X.]). Geht es um Eingliederungsleistungen zur Anbahnung einer Beschäftigung, sind verschiedene Gestaltungen denkbar, also zB die Zusage der Übernahme von angemessenen und nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen sowie für Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen, Pauschalierungen oder Höchstbetragsregelungen (B[X.] vom [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 15 [X.] 6 Rd[X.] 20 mwN, zur Veröffentlichung auch in [X.] vorgesehen). Ausreichend kann es ggf auch sein, wenn die Übernahme von angemessenen und nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen und Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen lediglich dem Grunde nach bezeichnet ist (B[X.] aaO). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass es sich bei der Übernahme von Bewerbungs- und/oder Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen - finanziert durch eigene Beiträge - als Leistungen bei Arbeitslosigkeit neben dem [X.] als Lohnersatzleistung (vgl § 4 Abs 1 [X.]) um typische vermittlungsunterstützende Leistungen handelt, die aus dem [X.] zu erbringen sind. Bis zu den Änderungen durch das Gesetz zur Ne[X.]usrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom [X.] ([X.] 2917) waren diese Leistungen ausdrücklich in § 45 [X.] aufgenommen. Trotz der "Umstellung" auf ein [X.] (§ 45 [X.] aF, § 44 [X.] nF) sind für Bewerbungs- und Reisekosten weiterhin Leistungen zu erbringen (Urmersbach in [X.], [X.], § 44 [X.], Rd[X.] 63 f, Stand Febr[X.]r 2013).

Die fehlende Zusage von Eingliederungsleistungen für [X.] zur Anbahnung einer Beschäftigung in einer Eingliederungsvereinbarung bewirkt daher regelmäßig ein Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung. So liegt der Fall hier. Ein vom Regelfall abweichender atypischer Ausnahmefall, in dem die Vereinbarung von [X.] in einer Eingliederungsvereinbarung ohne Zusage einer zumindest teilweisen Übernahme von Bewerbungskosten und/oder Reisekosten zu Vorstellungsgesprächen als noch als ausgewogen angesehen werden kann, ist nach den vom [X.] festgestellten Einzelfallumständen nicht gegeben. Insofern kann das Vorhandensein eigener Mittel nur im Ausnahmefall zur Ablehnung von Eingliederungsleistungen speziell zur Anbahnung einer Beschäftigung führen. Zu berücksichtigen ist, dass bereits mit Wirkung zum 1.1.2003 durch Art 1 [X.] 7 des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.] ([X.] 4607) eine wesentliche Änderung des § 45 [X.] aF dergestalt erfolgte, dass der bis dahin geltende Vorrang eigener Mittel bei Bewerbungs- und Reisekosten entfallen ist. Unter Berücksichtigung des Lebensalters der Klägerin bei Beginn der Arbeitslosigkeit und der Höhe ihres [X.]-Anspruchs und weiterer persönlicher Umstände (Aufnahme des pflegebedürftigen [X.] im eigenen Haushalt, Verrentung des Ehemannes) liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass im Falle der Klägerin trotz der Begründung einer Obliegenheit zur Bewerbung in der Eingliederungsvereinbarung von einer Zusage von Bewerbungs- und [X.] hätte abgesehen werden können. Entsprechend hat auch die [X.] in den nachfolgenden Eingliederungsvereinbarungen jeweils die Übernahme von Reise- und Bewerbungskosten zugesagt.

ee) Der Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung steht auch nicht entgegen, dass die [X.] in der Eingliederungsvereinbarung vom [X.] zugesagt hatte, dass sie der Klägerin im Einzelfall eine Maßnahme beim Arbeitgeber (Probearbeit) bis maximal sechs Wochen nach vorheriger Anmeldung bewillige. Die Zusage der [X.] steht im Zusammenhang mit dem von der Klägerin zugesagten Angebot von Probearbeit bei Bedarf an einen potentiellen Arbeitgeber. Diese Förderleistungen betreffen die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, nicht jedoch die hiervon zu unterscheidenden Förderleistungen zur Anbahnung einer versicherungspflichtigen Tätigkeit (vgl zur Unterscheidung von Förderleistungen zur Anbahnung und zur Aufnahme einer Beschäftigung bereits B[X.] vom [X.] [X.]/15 R - Rd[X.] 21).

3. Tritt demnach ein Ruhen des Anspruchs auf [X.] wegen des Fehlens der Voraussetzungen einer Sperrzeit nicht ein, liegt schon keine wesentliche Änderung der Verhältnisse bezogen auf den Arbeitslosengeld bewilligenden Bescheid vom 2.9.2014 vor. Auch die hiervon abhängigen Verfügungen zur Aufhebung der Bewilligung in dem Zeitraum vom 6.11.2014 bis 19.11.2014 und zur Minderung des Anspruchs auf [X.] sind daher vom [X.], bestätigt durch das [X.], zu Recht aufgehoben worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 11 AL 5/16 R

04.04.2017

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 29. April 2015, Az: S 15 AL 5989/14, Gerichtsbescheid

§ 159 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 3, § 37 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 3, § 44 Abs 1 SGB 3 vom 20.12.2001, § 138 Abs 4 S 2 Nr 1 SGB 3, § 53 Abs 1 S 2 SGB 10, § 55 Abs 1 S 2 SGB 10, § 58 Abs 2 Nr 4 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 04.04.2017, Az. B 11 AL 5/16 R (REWIS RS 2017, 12932)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12932

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