Bundessozialgericht, Urteil vom 23.06.2016, Az. B 14 AS 30/15 R

14. Senat | REWIS RS 2016, 9425

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Wegfall des Arbeitslosengeld II - Nichterfüllung von Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung - Verpflichtung zu Bewerbungsbemühungen ohne Regelung der Übernahme von Bewerbungskosten - sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - öffentlich-rechtlicher Vertrag - Austauschvertrag - Nichtigkeit


Leitsatz

Individuell bestimmte Eigenbemühungen des Leistungsberechtigten in einer Eingliederungsvereinbarung sind im Sinne des sog Koppelungsverbotes im Recht der öffentlich-rechtlichen Verträge nur angemessen, wenn deren Unterstützung durch Leistungen des Jobcenters in der Eingliederungsvereinbarung konkret und verbindlich bestimmt ist.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. Mai 2015 - L 6 AS 134/14 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist die Rechtmäßigkeit der Feststellung einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung und des vollständigen Entfallens von [X.] vom 1.12.2011 bis 29.2.2012.

2

Der 1977 geborene, alleinstehende Kläger bezog vom beklagten Jobcenter [X.] und schloss unter dem 17.6.2011 mit dem Beklagten erneut eine Eingliederungsvereinbarung. Nach deren Ziffer 2 hatte er als [X.] zur Eingliederung in Arbeit vom 17.6.2011 bis 16.12.2011 mindestens zehn Bewerbungsbemühungen pro Monat um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu unternehmen und diese bis zum 16. eines jeden Monats, durch Kopien der schriftlichen Bewerbungen und/oder durch Antwortschreiben der Arbeitgeber, unaufgefordert vorzulegen. Der Beklagte bot dem Kläger in Ziffer 1 der Eingliederungsvereinbarung als Unterstützungsleistungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung "Mobilitätshilfen, weitere Leistungen, [X.]" an, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und zuvor eine gesonderte Antragstellung erfolgt. Eine ausdrückliche Regelung zur Übernahme von Bewerbungskosten enthielt die Eingliederungsvereinbarung nicht. In ihrer Rechtsfolgenbelehrung wurde unter Bezugnahme auf eine zuletzt erfolgte Leistungsminderung in Höhe von 60 % des maßgebenden Regelbedarfs darauf hingewiesen, dass jeder weitere wiederholte Pflichtverstoß des Klägers bis zum 18.11.2011 den vollständigen Wegfall des [X.] zur Folge haben werde.

3

Durch [X.] vom 20.10.2011 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass er seiner Pflicht aus der Eingliederungsvereinbarung im [X.]raum vom 17.9.2011 bis 16.10.2011 nicht nachgekommen sei und der Tatbestand einer Sanktion nach § 31 [X.]B II eingetreten sein könne. Hierauf trug der Kläger ua vor, dass er selbst keinen Computer habe, er deshalb ins [X.]-Café müsse und hierfür "erstmal" Geld für die Fahrkarte und das [X.] brauche. Durch Bescheid vom 22.11.2011 stellte der Beklagte für die [X.] vom 1.12.2011 bis 29.2.2012 einen vollständigen Wegfall des [X.] des Klägers fest, da dieser wiederholt seinen Pflichten nicht nachgekommen sei; der Kläger habe die für den [X.]raum vom 17.9.2011 bis 16.10.2011 geforderten [X.] nicht erbracht bzw nicht nachweisen können. Auf die Gewährung ergänzender Sachleistungen - Lebensmittelgutscheine im Wert von 167 Euro monatlich - wies der Beklagte hin. Durch Bescheid vom 8.12.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig [X.] für die [X.] vom 1.12.2011 bis 31.5.2012; für den [X.]raum vom 1.12.2011 bis 29.2.2012 sah dieser Bescheid keine Leistungen vor. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.11.2011 wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom [X.]).

4

Das [X.] hob den angefochtenen Bescheid vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] auf (Urteil vom 23.1.2014): Es fehle bereits an einer Pflichtverletzung, denn die Eingliederungsvereinbarung sei jedenfalls im Hinblick auf den vereinbarten Nachweis von monatlich zehn [X.] nichtig, weil damit vom Kläger kostenträchtige Maßnahmen verlangt seien, ohne konkrete Regelungen zur Übernahme dieser Kosten durch den Beklagten zu treffen. Das L[X.] hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 13.5.2015): Die Eingliederungsvereinbarung sei zwar als öffentlich-rechtlicher Vertrag nicht nichtig, unterliege mit ihren Formularklauseln aber der Inhaltskontrolle nach § 61 Satz 2 [X.]B X iVm § 307 BGB. Gemessen hieran erweise sich die Regelung von mindestens zehn Bewerbungen pro Monat, der keine Regelung einer Kostenerstattung gegenüberstehe, als unwirksam. Denn es widerspreche dem gesetzlichen Leitbild des § 15 [X.]B II, Pflichten des Leistungsberechtigten zur Eingliederung in Arbeit ohne gleichzeitig korrespondierende Unterstützungsleistungen des [X.] zu regeln. Die Eingliederungsvereinbarung könne daher nicht Grundlage einer Sanktionsentscheidung nach §§ 31 ff [X.]B II sein.

5

Mit seiner vom L[X.] zugelassenen Revision macht der Beklagte eine Verletzung von § 15 Abs 1 Satz 1 und 2, § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Satz 2, § 31a [X.]B II sowie des § 61 Satz 2 [X.]B X iVm § 307 BGB geltend. Die Eingliederungsvereinbarung sei weder nichtig noch unterliege sie einer Inhaltskontrolle nach § 61 Satz 2 [X.]B X iVm § 307 BGB. Im Übrigen sei die Regelung zu [X.] auch gemessen hieran nicht unwirksam, denn die Erstattung von Bewerbungskosten sei bereits gesetzlich geregelt und müsse deshalb nicht zum Inhalt einer Eingliederungsvereinbarung gemacht werden.

6

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 13. Mai 2015 - L 6 A[X.]4/14 - und des [X.] vom 23. Januar 2014 - [X.] A[X.]3/12 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Zutreffend hat das [X.] entschieden, dass die angefochtene Sanktionsentscheidung rechtswidrig ist. Der Kläger war zu Bewerbungsbemühungen durch die Eingliederungsvereinbarung nicht verpflichtet, weil diese insgesamt nichtig ist.

9

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind das die Berufung des [X.] zurückweisende Urteil des [X.] und das Urteil des [X.], durch das der Bescheid des [X.] vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] aufgehoben worden ist, und damit letztlich das Begehren des [X.], die Klage gegen diese Bescheide abzuweisen.

2. Richtige Klageart ist vorliegend die vom Kläger erhobene reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 [X.]G; vgl insoweit zu Grundsätzen, Ausnahmen und Folgen näher B[X.] Urteil vom [X.] AS 19/14 R - vorgesehen für B[X.]E und [X.]-4200 § 31a [X.], Rd[X.]3 ff). Regelungsgegenstand der streitbefangenen Bescheide ist die Feststellung einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung des [X.] und des sich daraus ergebenden vollständigen Entfallens des [X.] vom 1.12.2011 bis 29.2.2012. Nicht Regelungsgegenstand dieser Bescheide ist der [X.]-Anspruch des [X.] in diesem [X.]raum, dh das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen nach §§ 7 ff [X.]B II und die Höhe eines Leistungsanspruchs nach §§ 19 ff [X.]B II. Auch der vorläufige Bewilligungsbescheid vom 8.12.2011 für die [X.] vom 1.12.2011 bis 31.5.2012 berücksichtigte lediglich das zuvor festgestellte vollständige Entfallen des [X.] vom 1.12.2011 bis 29.2.2012 und sah für diesen [X.]raum keine Leistungen vor, ohne insoweit eine eigenständige leistungsrechtliche Umsetzungsregelung zu enthalten; er war deshalb vorliegend nicht als streitbefangen mit einzubeziehen.

3. Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 31 Abs 1 Satz 1 [X.], § 31a Abs 1 Satz 3, § 31b Abs 1 Satz 1 und 3 [X.]B II (idF der ab 1.4.2011 geltenden Neubekanntmachung vom 13.5.2011, [X.]). Danach ziehen Pflichtverletzungen nach § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B II die Rechtsfolgen nach § 31a [X.]B II nach sich. Bei einer Pflichtverletzung mindert sich das [X.] in einer ersten Stufe um 30 % des maßgebenden Regelbedarfs (§ 31a Abs 1 Satz 1 [X.]B II), bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung um 60 % (§ 31a Abs 1 Satz 2 [X.]B II) und bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B II entfällt das [X.] vollständig (§ 31a Abs 1 Satz 3 [X.]B II) für drei Monate beginnend mit dem Monat, der auf das Wirksamwerden des die Pflichtverletzung und die Rechtsfolge feststellenden Verwaltungsakts folgt 31b Abs 1 Satz 1 und 3 [X.]B II).

4. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig.

a) Zwar erfüllen sie die formellen Voraussetzungen. Insbesondere ist der Kläger vor Erlass des Bescheides vom 22.11.2011 angehört worden (§ 24 Abs 1 [X.]B X). Auch ist der Bescheid vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides, in der wegen einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung für die [X.] vom 1.12.2011 bis 29.2.2012 ein vollständiger Wegfall des [X.] festgestellt wird, inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 [X.]B X).

b) Die angefochtenen Bescheide sind jedoch materiell rechtswidrig. Es liegt bereits keine Pflichtverletzung nach § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B II vor. Danach verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang [X.] nachzuweisen.

aa) Nach Ziffer 2 der Eingliederungsvereinbarung vom 17.6.2011 sollte der Kläger als [X.] zur Eingliederung in Arbeit vom 17.6.2011 bis 16.12.2011 mindestens zehn Bewerbungsbemühungen pro Monat um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse unternehmen und diese bis zum 16. eines jeden Monats, durch Kopien der schriftlichen Bewerbungen und/oder durch Antwortschreiben der Arbeitgeber, unaufgefordert vorlegen. Zwar soll nach § 15 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]B II zu den Bestimmungen einer Eingliederungsvereinbarung gehören, welche Bemühungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen müssen und in welcher Form diese Bemühungen nachzuweisen sind. Eine Rechtsfolge nach § 31a [X.]B II - "Pflichtverletzung" führt zu "Sanktion" - kann die Bestimmung einer in einer Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflicht, die ihrer Rechtsqualität nach eine Obliegenheit ist (vgl B[X.] Urteil vom [X.] AS 19/14 R - vorgesehen für B[X.]E und [X.]-4200 § 31a [X.], Rd[X.]0, 47, 52), indes nur nach sich ziehen, wenn sich im Rahmen der Prüfung einer angefochtenen Sanktionsentscheidung bei einer inzidenten Prüfung der in der Eingliederungsvereinbarung bestimmten Obliegenheit erweist, dass diese Grundlage einer Sanktion bei ihrer Verletzung sein kann (vgl [X.] in [X.], § 15 [X.]B II Rd[X.]6, 38, Stand: 1.12.2015; [X.] in jurisPK-[X.]B II, 4. Aufl 2015, § 15 Rd[X.]57).

Der Maßstab für die Prüfung einer in einer Eingliederungsvereinbarung bestimmten Obliegenheit folgt aus § 40 Abs 1 Satz 1 [X.]B II iVm dem Recht der öffentlich-rechtlichen Verträge nach §§ 53 ff [X.]B X, denn [X.] sind ihrer Rechtsqualität nach öffentlich-rechtliche Verträge in der Form des subordinationsrechtlichen Austauschvertrags nach § 53 Abs 1 Satz 2, § 55 [X.]B X (vgl dieser Einordnung schon zuneigend B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] AS 26/13 R - B[X.]E 115, 210 = [X.]-4200 § 15 [X.], Rd[X.]3). Danach ist eine Eingliederungsvereinbarung wirksam, wenn sie nicht nichtig ist. Sie ist über die Prüfung, ob [X.] vorliegen, hinaus nicht auch darauf hin zu prüfen, ob sie rechtswidrig ist (zu den Maßstäben bei einem eine Eingliederungsvereinbarung ersetzendem Verwaltungsakt vgl Urteil vom heutigen Tag, B[X.] Urteil vom [X.] [X.]/15 R - Rd[X.]2 ff).

bb) Nach diesem Maßstab ist die Eingliederungsvereinbarung vom 17.6.2011 zwar wirksam zustande gekommen, denn die für einen Vertragsschluss erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen der Vertragsparteien liegen vor (§ 61 Satz 2 [X.]B X iVm §§ 145 ff BGB); das Schriftformerfordernis ist eingehalten (§ 56 [X.]B X); es geht um die Erbringung von Ermessensleistungen zur Eingliederung in Arbeit (§ 53 Abs 2 [X.]B X, § 3 Abs 1 Satz 1 [X.]B II, § 16 Abs 1 Satz 2 [X.]B II iVm [X.]B III, § 16b [X.]B II). Die Eingliederungsvereinbarung ist indes insgesamt nichtig (vgl zu diesem Prüfprogramm B[X.] Urteil vom 6.12.2012 - B 11 AL 15/11 R - B[X.]E 112, 241 = [X.]-1300 § 59 [X.], Rd[X.]3). Damit fehlt es vorliegend an einer Obliegenheit des [X.] zu Bewerbungsbemühungen aufgrund der Eingliederungsvereinbarung und so an der Grundlage für die angefochtene Sanktionsentscheidung.

(1) Es liegt bereits die Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung wegen eines qualifizierten Rechtsverstoßes gegen ein gesetzliches Verbot iS des § 58 Abs 1 [X.]B X iVm § 134 BGB (zum Erfordernis des qualifizierten Rechtsverstoßes vgl B[X.] Urteil vom 13.2.2014 - [X.] [X.] 11/12 R - [X.]-3500 § 106 [X.] Rd[X.]1) durch einen Formenmissbrauch nahe, weil durch sie faktisch in der Form eines einseitig regelnden Verwaltungsakts gehandelt wird (vgl [X.] in [X.], [X.]B II, 3. Aufl 2013, § 15 Rd[X.]7). Denn sie bedient sich zwar der Form des öffentlich-rechtlichen Vertrags, sie lässt aber nach ihrem Inhalt nicht erkennen, dass sie dem mit § 15 Abs 1 [X.]B II verfolgten gesetzgeberischen [X.] entspricht. Nach diesem "konkretisiert" eine Eingliederungsvereinbarung das Sozialrechtsverhältnis und enthält "verbindliche Aussagen" zum Fördern und Fordern einschließlich der abgesprochenen Leistungen zur Eingliederung in Arbeit; durch die Befristung von [X.] soll eine "intensive Betreuung" und zeitnahe "kritische Überprüfung" der Eignung der für die berufliche Eingliederung eingesetzten Mittel sichergestellt werden (BT-Drucks 15/1516, [X.]). Damit dienen [X.] dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik im Sinne einer "maßgeschneiderten Ausrichtung" der Eingliederungsleistungen auf den Leistungsberechtigten, bei der aufbauend auf die "konkrete Bedarfslage" ein "individuelles Angebot" unter aktiver Mitarbeit des Leistungsberechtigten geplant und gesteuert wird (BT-Drucks 15/1516, S 44).

Weder ist ersichtlich, dass die Eingliederungsvereinbarung vom 17.6.2011 auf den Leistungsgrundsätzen des § 3 Abs 1 Satz 2 [X.]B II beruht, insbesondere bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit die Eignung und individuelle Lebenssituation des [X.] berücksichtigt (zu individuellen Festlegungen in der Eingliederungsvereinbarung unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse vgl B[X.] Urteil vom 16.12.2008 - [X.] AS 60/07 R - B[X.]E 102, 201 = [X.]-4200 § 16 [X.], Rd[X.]5). Noch ist ersichtlich, dass sie außer der Zusage des [X.], bei Vorliegen geeigneter Stellenangebote [X.] zu unterbreiten, individuelle, konkrete und verbindliche Leistungsangebote zur Eingliederung in Arbeit iS des § 15 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]B II als die grundsätzlich notwendigen Bestandteile einer Eingliederungsvereinbarung enthält (zu dieser Anforderung vgl Urteil vom heutigen Tag, B[X.] Urteil vom [X.] [X.]/15 R - Rd[X.]1). Der Eingliederungsvereinbarung ist weder zu entnehmen, ob und inwieweit eine Eignungsanalyse unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des [X.] durchgeführt und die bisher gewonnenen Erfahrungen bei der Eingliederungsvereinbarung iS des § 15 Abs 1 Satz 5 [X.]B II berücksichtigt wurden (vgl dazu, dass aufgrund der Sechs-Monats-Frist des § 15 Abs 1 Satz 3 und 4 [X.]B II durch kontinuierliche Beobachtung garantiert ist, an Zielen nicht starr festzuhalten, die sich als erfolglos erwiesen haben, B[X.] Urteil vom 14.2.2013 - B 14 [X.]/11 R - B[X.]E 113, 70 = [X.]-4200 § 15 [X.], Rd[X.]1). Noch ist ihr zu entnehmen, ob und ggf warum es vorliegend kein Verstoß gegen § 15 Abs 1 [X.]B II und das hiermit verfolgte [X.] sein könnte, in der Eingliederungsvereinbarung außer der Zusage von [X.]n bei Stellenangeboten keine individuellen, konkreten und verbindlichen Leistungsangebote des [X.] zur Eingliederung des [X.] in Arbeit zu vereinbaren.

Insoweit genügen indes die tatsächlichen Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) insbesondere zu den individuellen Verhältnissen des [X.] und zu den Erfahrungen aus bisherigen [X.] nicht, um abschließend entscheiden zu können. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Verhältnisse und die bisher gewonnenen Erfahrungen so sind, dass selbst eine so knappe Eingliederungsvereinbarung wie hier nicht als Formenmissbrauch und qualifizierter Rechtsverstoß zu bewerten ist.

(2) Gleichwohl bedarf es hier keiner Aufhebung und Zurückverweisung an das [X.] zur Nachholung dieser Feststellungen, denn die Eingliederungsvereinbarung vom 17.6.2011 ist jedenfalls deshalb insgesamt nichtig iS des § 58 Abs 3 [X.]B X, weil sich der Beklagte entgegen dem sog Koppelungsverbot nach § 58 Abs 2 [X.] [X.]B X vom Kläger eine unzulässige Gegenleistung iS des § 55 [X.]B X hat versprechen lassen. Die sanktionsbewehrte Obliegenheit des [X.] zu den in der Eingliederungsvereinbarung bestimmten Bewerbungsbemühungen ist iS des § 55 Abs 1 Satz 2 [X.]B X unangemessen im Verhältnis zu den vom [X.] insoweit übernommenen Leistungsverpflichtungen. Denn die Eingliederungsvereinbarung sieht keine Regelung zu individuellen, konkreten und verbindlichen Unterstützungsleistungen für die in ihr bestimmten individuellen, konkreten und verbindlichen Bewerbungsbemühungen des [X.] vor; insbesondere zur Übernahme von Bewerbungskosten enthält die Eingliederungsvereinbarung keine ausdrückliche Regelung. Sie lässt sich ihr auch nicht dadurch entnehmen, dass in ihr als Leistungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung "weitere Leistungen" angeboten werden. Denn ungeachtet dieser mangelnden Konkretisierung der Leistungen unterscheidet das Gesetz zwischen [X.] bei der Anbahnung oder der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 16 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]B II iVm § 44 [X.]B III); die Förderung durch Übernahme von Bewerbungskosten betrifft die Anbahnung einer solchen Beschäftigung, die Eingliederungsvereinbarung indes greift nur Leistungen für die Aufnahme einer solchen Beschäftigung auf und stellt "weitere Leistungen" neben Mobilitätshilfen und Einstiegsgeld in diesen Zusammenhang.

Dass gesetzliche Vorschriften die Übernahme von Bewerbungskosten ermöglichen (siehe die Regelungen zur Förderung aus dem [X.] in § 16 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]B II iVm § 44 [X.]B III - im maßgeblichen [X.]raum: § 16 Abs 1 Satz 2 [X.]B II iVm § 45 [X.]B III -, die auch die Bewerbungskostenübernahme als Ermessensleistung erfassen; [X.] 148 ff, 192; Voelzke in [X.]/[X.], [X.]B II, § 16 Rd[X.]16 f, Stand: 5/15), ändert nichts daran, dass [X.] ein ausgewogenes Verhältnis der wechselseitigen Verpflichtungen aufzuweisen haben und ohne dieses insgesamt nichtig iS des § 58 Abs 3 [X.]B X sind. Diese Wechselseitigkeit und Ausgewogenheit der vereinbarten Regelungen ist zum einen ein wesentliches Element des mit der Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs 1 [X.]B II verfolgten gesetzgeberischen [X.]s. Für strenge Anforderungen insoweit spricht zum anderen, dass die Verletzung der vereinbarten Obliegenheit des Leistungsberechtigten zu [X.] sanktionsbewehrt ist und zu Minderungen oder zum Wegfall der existenzsichernden Leistungen trotz Hilfebedürftigkeit führen kann, weshalb sie nur eine angemessene Gegenleistung ist, wenn das Jobcenter individuelle und konkrete Unterstützungsleistungen zu ihrer Erfüllung verspricht (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II, § 31 RdNr 84, Stand: 2/16). Dies knüpft an die Rechtsprechung des B[X.] zum Sperrzeitrecht an, die beim Angebot einer beruflichen Bildungsmaßnahme verlangt, dass dem Arbeitslosen über die beabsichtigten [X.] eine schriftliche Zusage erteilt wird, damit er auf dieser Grundlage die Zumutbarkeit einer Teilnahme prüfen kann (vgl dazu Voelzke in [X.]/[X.], [X.]B II, § 16d Rd[X.]3, Stand: 5/14, mit Nachweisen zur Rechtsprechung).

Die Vereinbarung von [X.], insbesondere von individuell bestimmten und sanktionsbewehrten Bewerbungsbemühungen, ist nur angemessen, wenn deren Unterstützung durch Leistungen des Jobcenters, insbesondere durch die Übernahme von Bewerbungskosten, in der Eingliederungsvereinbarung konkret und verbindlich bestimmt ist (eine klare Regelung zu den Bewerbungskosten fordern [X.] in LPK-[X.]B II, 5. Aufl 2013, § 15 Rd[X.]9; [X.] in [X.], [X.]B II, 3. Aufl 2013, § 15 RdNr 52; [X.] in GK-[X.]B II, § 15 Rd[X.]3 f, Stand: Dezember 2013; [X.] in [X.], [X.]B II/[X.]B III, § 31 [X.]B II Rd[X.]4, Stand: Dezember 2015).

Anzuerkennende Probleme einer konkreten Bestimmung von Leistungen zur Kostenübernahme bereits vor dem Anfall von Bewerbungskosten machen eine verbindliche Bestimmung nicht von vornherein unmöglich; so kommt die Zusage dem Grunde nach in Betracht, dass [X.] auf Antrag und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften durch Übernahme von angemessenen und nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen sowie für Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen unterstützt werden; Einzelheiten können dem Antragsverfahren überlassen bleiben (vgl Urteil vom heutigen Tag, B[X.] Urteil vom [X.] [X.]/15 R - Rd[X.]0). Auch Pauschalierungen (vgl [X.] in GK-[X.]B II, § 31 Rd[X.]8.1, Stand: Oktober 2014) oder Höchstbetragsregelungen (vgl [X.] in [X.], [X.]B II, § 15 RdNr 55, Stand: Mai 2015) kommen in Betracht.

c) Aufgrund der Gesamtnichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung kommt es vorliegend nicht darauf an, ob und ggf nach welchen Maßstäben bei Formularklauseln in [X.] eine Inhaltskontrolle nach § 61 Satz 2 [X.]B X iVm §§ 305 ff BGB durchzuführen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 14 AS 30/15 R

23.06.2016

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Kassel, 23. Januar 2014, Az: S 13 AS 133/12, Urteil

§ 31 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 2, § 31a Abs 1 S 1 SGB 2, § 31a Abs 1 S 2 SGB 2, § 31a Abs 1 S 3 SGB 2, § 15 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 15 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 vom 13.05.2011, § 40 Abs 1 S 1 SGB 2, § 53 Abs 1 S 2 SGB 10, § 55 Abs 1 S 2 SGB 10, § 58 Abs 1 SGB 10, § 58 Abs 2 Nr 4 SGB 10, § 58 Abs 3 SGB 10, § 134 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.06.2016, Az. B 14 AS 30/15 R (REWIS RS 2016, 9425)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9425

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