Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.03.2013, Az. II R 17/11

2. Senat | REWIS RS 2013, 7284

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Zum Anspruch des Insolvenzverwalters gegenüber dem FA auf Erteilung eines Kontoauszugs für den Insolvenzschuldner


Leitsatz

1. Ein Insolvenzverwalter, der nach § 80 Abs. 1 InsO i.V.m. § 34 Abs. 3 und 1 AO die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners (Steuerpflichtigen) zu erfüllen hat und im Besteuerungsverfahren die Erteilung eines Kontoauszugs für den Insolvenzschuldner beantragt, hat Anspruch darauf, dass das FA darüber nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet .

2. Im Rahmen der Ermessensentscheidung hat das FA das Interesse des Insolvenzverwalters an der Auskunft und den steuerrechtlichen Charakter dieser Auskunft, also den unmittelbaren Zusammenhang mit der Erfüllung steuerlicher Pflichten oder mit der Prüfung der vom FA angemeldeten Insolvenzforderungen zu berücksichtigen .

Tatbestand

1

I. [X.] war von 2001 bis zum Entzug seiner Zulassung im Dezember 2005 als Rechtsanwalt selbständig tätig. Im Mai 2005 beantragte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das [X.]inanzamt --[X.]--) wegen Abgabenrückständen von 152.865 € (Einkommensteuer, [X.] zur Einkommensteuer, Kirchensteuer und Nebenleistungen) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des [X.] Das Amtsgericht eröffnete das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 31. Januar 2006 und bestimmte den Kläger und Revisionskläger (Kläger) zum Insolvenzverwalter.

2

Im April 2006 meldete das [X.] [X.]orderungen gegen [X.] in Höhe von 180.210 € unter Beifügung einer Aufstellung aller offenen Steuerverbindlichkeiten und steuerlichen Nebenleistungen beim Kläger zur Insolvenztabelle an.

3

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 26. April 2006 beim [X.] die Erteilung eines [X.] für [X.], um die ordnungsgemäße Bearbeitung des Insolvenzverfahrens sicherstellen zu können. Diesen Antrag lehnte das [X.] mit Bescheid vom 11. Mai 2006 ab. Zur Begründung wies es u.a. darauf hin, dass sich der Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters auf Informationen beschränke, auf deren Mitteilung der Schuldner ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Rechtsanspruch gehabt hätte. Der Insolvenzverwalter müsse mögliche der Anfechtung unterliegende Rechtshandlungen anhand der zur Verfügung stehenden Unterlagen selbst ermitteln. Er habe grundsätzlich keinen Anspruch auf Erteilung von Übersichten oder Aktenauszügen, aus denen der Zufluss von Zahlungen an das [X.] ersichtlich sei.

4

Die dagegen mit Zustimmung des [X.] erhobene Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das [X.]inanzgericht ([X.]G) ging davon aus, das [X.] habe die Erteilung eines [X.] für die [X.] vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ermessensfehlerfrei abgelehnt.

5

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des sich aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V.m. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Anspruchs auf Auskunft sowie des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das [X.]G habe seinen Vortrag übergangen, der von ihm begehrte Kontoauszug sei als solcher nicht zur erfolgreichen Durchsetzung von Insolvenzanfechtungsansprüchen geeignet.

6

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie den Bescheid vom 11. Mai 2006 aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, ihm einen Kontoauszug für den Steuerpflichtigen [X.] zu erteilen,
hilfsweise,
die Vorentscheidung sowie den Bescheid vom 11. Mai 2006 aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, seinen Antrag auf Erteilung eines [X.] für den Steuerpflichtigen [X.] unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

7

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der [X.]inanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Ablehnung der Erteilung eines [X.] für den [X.] rechtmäßig ist. Das [X.] hat das ihm eingeräumte Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.

9

1. Nach § 102 Satz 1 [X.]O können Ermessensentscheidungen durch das [X.] nur darauf überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten wurden und ob das [X.]inanzamt das ihm eingeräumte Ermessen unter Beachtung des Gesetzeszwecks fehlerfrei ausgeübt hat (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 28. September 2011 VIII R 8/09, [X.], 298, [X.], 395). Dabei muss das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abstellen ([X.]-Urteil vom 6. März 1996 II R 102/93, [X.], 178, [X.] 1996, 396).

2. Bei der Entscheidung des [X.]inanzamts über eine vom Insolvenzverwalter begehrte [X.] zu den Verhältnissen und den gespeicherten Daten des Insolvenzschuldners handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.

a) Die Abgabenordnung ([X.]) enthält keine Regelung, nach der im steuerlichen Verwaltungsverfahren ein Anspruch auf Akteneinsicht oder auf [X.] in [X.]orm eines [X.], aus dem sich [X.]älligkeit und Tilgung von [X.] ergeben, besteht. Gleichwohl geht der [X.] in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass dem während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung des [X.]inanzamts zusteht, weil das [X.]inanzamt nicht gehindert ist, in Einzelfällen Akteneinsicht zu gewähren (vgl. [X.]-Beschluss vom 4. Juni 2003 VII B 138/01, [X.]E 202, 231, [X.] 2003, 790, m.w.[X.]). Entsprechendes gilt, wenn ein Steuerpflichtiger in einem steuerrechtlichen Verfahren vom [X.]inanzamt [X.] begehrt. Grundlage dieses Anspruchs ist das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. dem Prozessgrundrecht gemäß Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. [X.]-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 24/03, [X.]E 215, 32, [X.] 2007, 243).

b) Auch die [X.]inanzverwaltung sieht die Möglichkeit vor, Auskünfte über Daten zu geben, die zu einer Person im Besteuerungsverfahren gespeichert sind (vgl. Schreiben des [X.] --BM[X.]-- vom 17. Dezember 2008, [X.], 6, und vom 31. Januar 2013, [X.], 118, Nr. 31, [X.]. 4.5). Danach ist Beteiligten (§§ 78, 359 [X.]) auf Antrag [X.] über die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegen und keine Gründe für eine [X.]sverweigerung vorliegen. Ein berechtigtes Interesse ist bei einem Beraterwechsel oder in einem Erbfall zu bejahen, wenn der Antragsteller durch die [X.] in die Lage versetzt werden will, zutreffende und vollständige Steuererklärungen abzugeben. Ein berechtigtes Interesse wird jedoch verneint, wenn die [X.] dazu dienen kann, zivilrechtliche Ansprüche gegen den [X.] oder ein Land durchzusetzen und [X.] oder Land zivilrechtlich nicht verpflichtet sind, [X.] zu erteilen (z.B. Insolvenzanfechtung). Das [X.]inanzamt bestimmt das Verfahren, insbesondere die [X.]orm der [X.]serteilung nach pflichtgemäßem Ermessen.

c) Die Ermessensentscheidung über das [X.]sverlangen erfordert eine Abwägung der beiderseitigen Interessen des Antragstellers an der [X.] bzw. des [X.]inanzamts an der Nichterteilung der [X.]. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung hat das [X.]inanzamt insbesondere zu berücksichtigen, ob der um [X.] Nachsuchende ein berechtigtes Interesse an der [X.] dargelegt hat oder ein solches Interesse aus den Umständen des Einzelfalls erkennbar ist. Weiter ist für die Ermessensabwägung maßgebend, ob die [X.] der Wahrnehmung von Rechten in einem bestehenden [X.] dienen kann (vgl. [X.]-Beschluss vom 14. April 2011 VII B 201/10, [X.]/NV 2011, 1296).

d) Wird über das Vermögen eines Steuerpflichtigen das Insolvenzverfahren eröffnet, steht dem Insolvenzverwalter, der nach § 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung ([X.]) i.V.m. § 34 Abs. 3 und 1 [X.] die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners (Steuerpflichtigen) zu erfüllen hat, das Recht zu, dass das [X.]inanzamt über seinen im Besteuerungsverfahren gestellten Antrag auf Akteneinsicht nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet (vgl. [X.]-Beschluss vom 15. September 2010 II B 4/10, [X.]/NV 2011, 2). Entsprechendes gilt, wenn der Insolvenzverwalter einen Kontoauszug für den Insolvenzschuldner begehrt. Der Insolvenzverwalter tritt als Vermögensverwalter im Rahmen seiner Verwaltungsbefugnis (§ 34 Abs. 3 [X.]) in ein unmittelbares Pflichtenverhältnis zum [X.]inanzamt ein, mit der [X.]olge, dass er alle Pflichten (z.B. Erklärungs-, Mitwirkungs-, [X.]s- und Buchführungspflichten) zu erfüllen hat, die dem von ihm Vertretenen auferlegt sind. In gleicher Weise geht auch das dem Insolvenzschuldner (Steuerpflichtigen) zustehende Recht auf Akteneinsicht bzw. auf Erteilung eines [X.] auf den Insolvenzverwalter über. Das Akteneinsichts- und [X.]srecht des Insolvenzverwalters reicht aber grundsätzlich nicht weiter als das zunächst dem Insolvenzschuldner (Steuerpflichtigen) zustehende Akteneinsichts- und [X.]srecht (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2011, 2; zustimmend BM[X.]-Schreiben in [X.], 118, Nr. 31, [X.]. 4.5).

e) Ein Anspruch des Insolvenzverwalters auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Gewährung von [X.] kann auch insoweit auf dem [X.] beruhen, als der Insolvenzverwalter die vom [X.]inanzamt als Insolvenzgläubiger angemeldeten [X.] zu prüfen hat.

aa) Bei einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des [X.] muss das [X.]inanzamt im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits begründete [X.] gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 87 [X.] als Insolvenzgläubiger (§ 38 [X.]) nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Der Insolvenzgläubiger hat seine Insolvenzforderung gemäß § 174 [X.] beim Insolvenzverwalter zur Eintragung in die Tabelle (§ 175 [X.]) und zur Prüfung (§ 176 [X.]) mit dem Ziel der [X.]eststellung (§ 178 [X.]) anzumelden. Der Anmeldung sollen die Urkunden, aus denen sich die [X.]orderung ergibt, in Abdruck beigefügt werden (§ 174 Abs. 1 Satz 2 [X.]); Grund und Betrag der [X.]orderung sind anzugeben (§ 174 Abs. 2 [X.]). Nach § 178 Abs. 1 [X.] gelten [X.]orderungen als festgestellt, wenn weder der Insolvenzverwalter noch ein Insolvenzgläubiger Widerspruch erhebt. [X.]ür die festgestellten [X.]orderungen wirkt die Eintragung in die Tabelle nach § 178 Abs. 3 [X.] wie ein rechtskräftiges Urteil.

Wird die vom [X.]inanzamt angemeldete Abgabenforderung gemäß § 178 Abs. 1 Satz 1 [X.] vom Insolvenzverwalter oder von einem anderen Gläubiger bestritten, stellt das [X.]inanzamt erforderlichenfalls das Bestehen der angemeldeten Insolvenzforderung durch Bescheid fest (§ 185 Satz 1 [X.] i.V.m. § 251 Abs. 3 [X.]). Die [X.]eststellung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis erfolgt nicht nach § 180 Abs. 1 [X.] im ordentlichen Verfahren, sondern ist gemäß § 185 Satz 1 [X.] vom [X.]inanzamt als zuständiger Verwaltungsbehörde vorzunehmen (vgl. [X.]-Urteil vom 23. [X.]ebruar 2010 VII R 48/07, [X.]E 228, 134, [X.] 2010, 562). Eine [X.]eststellung kommt insbesondere in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter eine angemeldete Steuer- oder Abgabenforderung bestreitet (vgl. [X.]-Beschluss vom 18. November 1999 V B 73/99, [X.]/NV 2000, 548, m.w.[X.]). Dem [X.]inanzamt als Vollstreckungsgläubiger muss die Möglichkeit verbleiben, die durch das Bestreiten verursachte Ungewissheit über sein Recht zu beenden (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 228, 134, [X.] 2010, 562). Gegen den [X.]eststellungsbescheid ist gemäß § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] der Einspruch gegeben.

Werden dagegen zur Insolvenztabelle angemeldete Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ohne Widerspruch in die Tabelle eingetragen, kommt der Eintragung dieselbe Wirkung wie der beim Bestreiten vorzunehmenden [X.]eststellung gemäß § 185 [X.] i.V.m. § 251 Abs. 3 [X.] zu. Die ohne Widerspruch erfolgte Eintragung in die [X.] kann jedoch wie eine bestandskräftige [X.]eststellung i.S. des § 251 Abs. 3 [X.] unter den Voraussetzungen des § 130 [X.] geändert werden (vgl. [X.]-Urteil vom 24. November 2011 V R 13/11, [X.], 137, [X.], 298).

bb) Eine [X.], die der Insolvenzverwalter vom [X.]inanzamt begehrt, um die vom [X.]inanzamt angemeldeten Insolvenzforderungen überprüfen zu können, hat einen hinreichenden Bezug zum [X.]. Denn das Verfahren nach der Anmeldung bestimmt sich im [X.]alle des Bestreitens der angemeldeten [X.]orderungen nach § 251 Abs. 3 [X.]. Die [X.] kann also im Vorfeld dazu dienen, eine [X.]eststellung von Insolvenzforderungen nach § 251 Abs. 3 [X.] entbehrlich zu machen. Auch bei angemeldeten [X.]orderungen, die nicht bestritten wurden, besteht eine Änderungsmöglichkeit nach § 130 [X.].

f) Begehrt ein Insolvenzverwalter [X.] über steuerliche Verhältnisse des Insolvenzschuldners, hat das [X.]inanzamt im Rahmen der ihm obliegenden Ermessensabwägung das Interesse des Insolvenzverwalters an der [X.] und den steuerrechtlichen Charakter dieser [X.], also den unmittelbaren Zusammenhang mit der Erfüllung steuerlicher Pflichten oder mit der Prüfung der vom [X.]inanzamt angemeldeten Insolvenzforderungen zu berücksichtigen. Dazu hat der Insolvenzverwalter substantiiert darzulegen, aus welchen Gründen er die [X.] begehrt und dass die [X.] auf dem [X.] beruht. Es reicht insoweit nicht aus, dass ein Insolvenzverwalter eine [X.] im Hinblick auf die ordnungsgemäße Bearbeitung des Insolvenzverfahrens beantragt. Denn für das [X.]inanzamt muss erkennbar sein, dass ein berechtigtes Interesse an der [X.] vorliegt und die begehrte [X.] im [X.] und nicht in einem sonstigen Verhältnis (schuldrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Art) wurzelt.

Hat der Insolvenzverwalter in ausreichender Weise dargelegt, dass er [X.] in [X.]orm eines [X.] für den Insolvenzschuldner zur Erfüllung steuerlicher Pflichten oder zur Prüfung der vom [X.]inanzamt angemeldeten [X.]orderungen benötigt, kann das [X.]inanzamt den Kontoauszug erteilen. [X.]ehlt jedoch eine solche Darlegung, kann das [X.]inanzamt schon aus diesem Grunde die Erteilung eines [X.] ablehnen.

Bei der Ermessensabwägung kann das [X.]inanzamt auch berücksichtigen, ob sich durch die begehrte [X.] Anhaltspunkte für mögliche Anfechtungsgründe nach den §§ 129 ff. [X.] ergeben können. Denn der Insolvenzverwalter hat allein wegen des Verdachts anfechtbarer Zahlungen auf Steuerschulden keinen [X.]sanspruch gegenüber dem [X.]inanzamt (vgl. Urteil des [X.]esgerichtshofs vom 13. August 2009 IX ZR 58/06, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht --Z[X.]-- 2009, 1810).

g) Das Ermessen des [X.]inanzamts ist bei einem Antrag des Insolvenzverwalters auf Gewährung von [X.] nicht grundsätzlich auf Null reduziert (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2011, 2). Dies gilt auch, wenn ein Insolvenzverwalter vom [X.]inanzamt die Überlassung eines [X.] begehrt, aus dem sich [X.]älligkeit und Höhe der [X.] gegenüber dem Insolvenzschuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie Datum, Höhe und Art der jeweiligen Tilgung ergeben.

h) Im Streitfall hat das [X.] zu Recht die vom Kläger beantragte Erteilung eines [X.] für [X.] abgelehnt. Der Bescheid des [X.] vom 11. Mai 2006 ist nicht ermessensfehlerhaft.

Die vom [X.] angegebenen Gründe für die Nichterteilung des [X.] reichen im Hinblick auf den nicht substantiierten Antrag des [X.] für eine rechtmäßige Ermessensentscheidung aus. Das [X.] hat die Überlassung eines [X.] u.a. deshalb abgelehnt, weil sich der [X.]sanspruch des Insolvenzverwalters auf Informationen beschränke, auf deren Mitteilung der Schuldner ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Anspruch gehabt hätte. Dies ist zutreffend. Der Anspruch des [X.] als Insolvenzverwalter auf [X.] reicht nicht weiter als der dem [X.] als Insolvenzschuldner zustehende [X.]sanspruch. Die Ermessensentscheidung des [X.] ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als das [X.] ausgeführt hat, ein Insolvenzverwalter müsse mögliche der Anfechtung unterliegende Rechtshandlungen selbst ermitteln, so dass er grundsätzlich keine Übersichten oder Aktenauszüge über die [X.] an das [X.] beanspruchen könne. Damit hat das [X.] zutreffend darauf abgestellt, dass der durch das [X.] begründete [X.]sanspruch das [X.] nicht verpflichtet, durch Herausgabe von Unterlagen zur Ermittlung von Insolvenzanfechtungstatbeständen beizutragen.

Mit dieser Begründung geht das [X.] zwar nicht auf ein mögliches Interesse des [X.] an der Erteilung eines [X.] für [X.] ein. Ein [X.] liegt insoweit aber nicht vor, weil der Kläger bis zum Ergehen des Bescheids vom 11. Mai 2006 nicht dargelegt hat und auch sonst aus den Umständen nicht erkennbar ist, dass er ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines [X.] hat und er den Kontoauszug zur Erfüllung steuerlicher Pflichten oder zur Prüfung der vom [X.] angemeldeten [X.]orderungen benötigt. Denn der Kläger hat bei der Antragstellung lediglich vorgetragen, er brauche den Kontoauszug, um die ordnungsgemäße Bearbeitung des Insolvenzverfahrens sicher zu stellen. Der spätere Vortrag des [X.] im finanzgerichtlichen Verfahren kann bei der Beurteilung der [X.]rage, ob die Ablehnung des [X.] im Bescheid vom 11. Mai 2006 rechtmäßig ist, nicht mehr berücksichtigt werden; entscheidend ist vielmehr die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, im Streitfall also bei Ergehen des Bescheids vom 11. Mai 2006. Auf den vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler des [X.] kommt es deshalb nicht mehr an.

3. Da nach § 155 [X.]O i.V.m. § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht prüft, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist, wird die Entscheidung im anhängigen Revisionsverfahren nicht durch den Vorlagebeschluss des [X.]esverwaltungsgerichts ([X.]) vom 15. Oktober 2012  7 B 2/12 (Z[X.] 2012, 2140) berührt. Danach ist für einen auf § 4 des [X.] vom 17. [X.]ebruar 2009 (HmbGVBl 2009, 29) gestützten Anspruch des Insolvenzverwalters gegen das [X.]inanzamt auf Einsicht in die den Schuldner betreffenden Vollstreckungsakten der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten und nicht zu den [X.]inanzgerichten eröffnet, weil die Sonderzuweisung nach § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 [X.]O diesen Anspruch nicht erfasse. Wegen der Abweichung zur Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.]-Beschluss vom 10. [X.]ebruar 2011 VII B 183/10, [X.]/NV 2011, 992) hat das [X.] das Beschwerdeverfahren ausgesetzt und die Rechtsfrage dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.]es zur Entscheidung vorgelegt (vgl. dazu [X.], [X.], 439). Im Übrigen fehlt auch eine vergleichbare Landesnorm des [X.], die einen [X.]sanspruch gegenüber einer Landesbehörde wie dem [X.]inanzamt begründen könnte.

Meta

II R 17/11

19.03.2013

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 31. August 2010, Az: 7 K 3725/06, Urteil

§ 34 Abs 1 AO, § 34 Abs 3 AO, § 251 Abs 2 AO, § 251 Abs 3 AO, § 80 Abs 1 InsO, § 174 InsO, § 178 InsO, § 185 InsO, § 102 FGO, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 5 AO, § 129 InsO, §§ 129ff InsO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.03.2013, Az. II R 17/11 (REWIS RS 2013, 7284)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7284

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