Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.11.2017, Az. VII R 1/16

7. Senat | REWIS RS 2017, 1655

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Gegenstand

Aufrechnung mit als Masseverbindlichkeiten entstandenen Steuerschulden nach Abschluss des Insolvenzverfahrens


Leitsatz

1. Masseverbindlichkeiten werden von einer Restschuldbefreiung nicht erfasst .

2. Steuerschulden, die als Masseverbindlichkeiten entstanden sind, können nach Abschluss des Insolvenzverfahrens mit Erstattungsansprüchen des ehemaligen Insolvenzschuldners verrechnet werden. Der Verrechnung stehen eine dem Insolvenzverfahren immanente sog. Haftungsbeschränkung bzw. eine Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners nicht entgegen .

Tenor

Auf die Revision des Finanzamts wird das Urteil des [X.] vom 9. Dezember 2015  8 K 1112/15 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Über das Vermögen des [X.] und [X.] (Kläger) wurde am 15. März 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet. Für das [X.] entstand aufgrund der Verwertung von Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter Einkommensteuer, die aus der Masse nicht bezahlt wurde.

2

Am 20. März 2012 zeigte der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit an. Am 15. Juli 2013 wurde das Insolvenzverfahren eingestellt; dem Kläger wurde Restschuldbefreiung erteilt.

3

Mit Bescheid vom 27. März 2015 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) Einkommensteuer für 2013 fest. Aufgrund von Vorauszahlungen und einbehaltener Lohnsteuer führte die Festsetzung zu einem Erstattungsanspruch des [X.]. Diesen verrechnete das [X.] mit der noch offenen Forderung aus Einkommensteuer 2008 und erließ am 31. März 2015 einen entsprechenden [X.].

4

Den Einspruch des [X.] wies das [X.] als unbegründet zurück.

5

Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) entschied, der Aufrechnung stehe § 390 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) i.V.m. § 226 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) entgegen; denn die Forderung aus Einkommensteuer 2008 sei als Masseforderung wegen der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners einredebehaftet. Das Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters sei auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstände beschränkt; der Insolvenzverwalter könne nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) den Insolvenzschuldner im Hinblick auf dessen insolvenzfreies Vermögen nicht verpflichten ([X.]-Teilurteil vom 24. September 2009 IX ZR 234/07, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2010, 69). Dementsprechend gehe auch der [X.] ([X.]) von einer nur beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners für Masseverbindlichkeiten aus ([X.]-Urteil vom 26. Mai 2013 IV R 23/11, [X.]E 241, 233, [X.], 759). Der [X.] sei daher in der vom Kläger beantragten Höhe aufzuheben. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2016, 785 veröffentlicht.

6

Mit seiner Revision trägt das [X.] im Wesentlichen vor, für die Auffassung des [X.], der als Masseforderung entstandenen Steuerforderung stehe eine Einrede entgegen, gebe es keine gesetzliche Grundlage. § 80 der Insolvenzordnung ([X.]) entfalte Wirkung nur für das laufende Insolvenzverfahren; nach dessen Beendigung sei die Unterscheidung zwischen Masse und insolvenzfreiem Vermögen obsolet. Folgte man der Auffassung des [X.], könnte die nicht beglichene Masseforderung weder beim Steuerschuldner noch, da § 61 [X.] nach der [X.]-Rechtsprechung ([X.]-Beschluss vom 14. Oktober 2010 IX ZB 224/08, [X.]schrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 2010, 2252) bei Steuerforderungen nicht eingreife, beim Insolvenzverwalter erhoben werden. Faktisch führe dies zu einem Erlass der nach Beendigung des Insolvenzverfahrens noch offenen Masseverbindlichkeiten.

7

Der Kläger erwidert, der Grundsatz, dass der Schuldner für Masseverbindlichkeiten ausschließlich mit der Insolvenzmasse hafte, gelte auch für die [X.] nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Schon der [X.] habe in ständiger Rechtsprechung seit dem [X.] zur damals geltenden Konkursordnung entschieden, dass ein Konkursverwalter nur die Rechtsmacht habe, Masseverbindlichkeiten zu begründen, nicht hingegen die Befugnis, den Schuldner persönlich mit seinem insolvenzfreien Vermögen zu verpflichten. Das entspreche auch der gesicherten [X.]-Rechtsprechung; der Auffassung des [X.] habe sich inzwischen auch der [X.] angeschlossen ([X.]-Beschluss vom 18. Dezember 2014 X B 89/14, [X.]/NV 2015, 470, und [X.]-Urteil vom 9. Dezember 2014 [X.], [X.]E 252, 482, [X.], 852). Die gegenteilige Ansicht widerspreche dem in § 1 Satz 2 [X.] niedergelegten Zweck des Insolvenzverfahrens bzw. der Restschuldbefreiung. Dass nach dem Wortlaut des § 301 [X.] der redliche Schuldner nur von den Insolvenzforderungen befreit werde, nicht aber von den Masseverbindlichkeiten, sei ein kapitaler "Webfehler" der Insolvenzordnung. Daher müsse unterstellt werden, dass der Gesetzgeber an die [X.]-Rechtsprechung habe anknüpfen wollen, der zufolge auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens aufgrund von Masseverbindlichkeiten nicht auf das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners zugegriffen werden dürfe. Dies zeige [X.] auch die Regelung des § 201 Abs. 1 [X.], die gerade nicht für Masseforderungen gelte. Schließlich sprächen auch das Leistungsfähigkeitsprinzip und der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gegen die von der Revision angestrebte Lösung; denn sämtliche Einnahmen aus der Verwertung der Insolvenzmasse seien dem Zugriff des Insolvenzschuldners entzogen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das Urteil verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 [X.]O). Das [X.] hat den Abrechnungsbescheid zu Unrecht teilweise aufgehoben.

9

Das [X.] hat nach Einstellung des Insolvenzverfahrens wirksam gegenüber dem Kläger mit seiner Forderung aus Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 2008 aufgerechnet. Der Anspruch des [X.] auf Erstattung der Einkommensteuer 2013 ist dadurch in der hier streitigen Höhe erloschen.

1. Aufgrund der von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen, die für den erkennenden Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 [X.]O), ist davon auszugehen, dass der Kläger einen Erstattungsanspruch aus Einkommensteuer für 2013 hatte und dass diesem Anspruch gleichartige Leistungen (§ 387 [X.] i.V.m. § 226 Abs. [X.]) in Form von Steuerforderungen des [X.] aus Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für 2008 gegenüberstanden.

2. § 96 Abs. 1 Nr. 1 [X.] steht der Aufrechnung nicht entgegen, auch nicht im Fall einer entsprechenden Anwendung dieser Regelung zu Lasten von Altmassegläubigern nach angezeigter Masseunzulänglichkeit (vgl. MünchKomm[X.]-Hefermehl [X.] § 210 Rz 12). Denn im Streitfall war das Insolvenzverfahren zum [X.]punkt der Aufrechnung bereits beendet (vgl. auch [X.]-Urteil vom 13. Dezember 2016 VII R 1/15, [X.], 388, [X.], 541).

3. Die Forderung des [X.] aus Einkommensteuer 2008 fällt als Masseverbindlichkeit nicht unter die dem Kläger erteilte Restschuldbefreiung.

Die Restschuldbefreiung wirkt gemäß § 286 und § 301 Abs. 1 Satz 1 [X.] gegen alle Insolvenzgläubiger. Insolvenzgläubiger sind alle persönlichen Gläubiger des Schuldners, die zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§ 38 [X.]). Der anspruchsbegründende Tatbestand muss also bereits vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen sein (vgl. auch [X.] vom 5. April 2016 VI ZR 283/15, Neue Juristische [X.] Zivilrecht 2017, 37).

[X.] (§ 53 [X.]) sind keine Insolvenzgläubiger und Masseverbindlichkeiten sind keine Insolvenzforderungen. Daher werden Masseverbindlichkeiten nach dem eindeutigen Wortlaut des § 301 Abs. 1 Satz 1 [X.] und der Systematik der §§ 35 ff. und 286 ff. [X.] von der Restschuldbefreiung nicht erfasst.

Sinn und Zweck der Regelungen über die Restschuldbefreiung gebieten es nicht, deren Wirkung über den Wortlaut des § 301 [X.] hinaus auch auf Masseforderungen zu erstrecken (offen gelassen in [X.] vom 28. Juni 2007 IX ZR 73/06, Neue [X.]schrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung --NZI-- 2007, 670, Rz 16; wie hier: [X.]/Sternal [X.] § 301 Rz 6; MünchKomm[X.]-Stephan [X.] § 301 Rz 8; [X.] in Kübler/ [X.], [X.], § 301, Rz 3; Waltenberger in [X.], [X.] Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl. 2016, § 301 Rz 15; [X.]/Streck, [X.], 6. Aufl., § 301 Rz 3; [X.] in [X.], [X.], § 301 Rz 4; a.A.: [X.], Weiter im Schuldturm trotz Restschuldbefreiung? Gedanken zur Auslegung von §§ 286, 301 [X.], Z[X.] 2002, 569, 572 f.).

Zwar trifft es zu, dass es das Ziel des Insolvenzverfahrens ist, dem redlichen Schuldner Gelegenheit zu geben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien (§ 1 Satz 2 [X.]). Aber unter welchen formellen und materiellen Voraussetzungen und in welchem Umfang dies geschehen soll, wird allein durch die gesetzlichen Regelungen der [X.] bestimmt, im Fall der Restschuldbefreiung durch § 301 [X.]. Die in dieser Regelung klar vorgegebene Reichweite der Restschuldbefreiung kann nicht unter Hinweis auf die allgemeine Zielsetzung der [X.] auf Masseverbindlichkeiten ausgedehnt werden. Hätte der Gesetzgeber Masseverbindlichkeiten in die Restschuldbefreiung einbeziehen wollen, hätte er den Anwendungsbereich des § 301 [X.] nicht ausdrücklich auf Insolvenzgläubiger beschränkt.

Aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip und Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich kein anderes Ergebnis herleiten. Einnahmen, die aus der Verwertung der Insolvenzmasse resultieren, sind Einnahmen des Insolvenzschuldners, ohne dass es darauf ankommt, ob die Einkünfte in das insolvenzfreie Vermögen fließen oder in die Insolvenzmasse (so schon [X.]-Urteil vom 7. November 1963 IV 210/62 S, [X.], 172, BStBl III 1964, 70; [X.], [X.], 2. Aufl. 2016, Rz 4.10 f.). Die fehlende Verfügungsbefugnis über das insolvenzbefangene Vermögen (vgl. § 80 [X.]) berührt das [X.] nicht (s. im Einzelnen unten: [X.] bb).

4. [X.] des [X.] steht auch keine auf § 80 Abs. 1 [X.] zurückzuführende Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners entgegen.

a) Gemäß § 80 Abs. 1 [X.] geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Damit verliert der Insolvenzschuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis in Bezug auf sein vom [X.] erfasstes Vermögen. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die gemeinschaftliche Befriedigung aller persönlichen Gläubiger zu sichern (vgl. [X.]/[X.] [X.] § 80 Rz 4; [X.] in Kübler/[X.], a.a.[X.], § 80 [X.], Rz 3).

Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 [X.]) bzw. mit dessen Einstellung (§§ 207 ff. [X.]) endet grundsätzlich auch die Wirkung des § 80 Abs. 1 [X.]; der Insolvenzschuldner erhält seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zurück (s.a. [X.]/[X.], a.a.[X.], § 80 Rz 7).

b) Allerdings leitet der [X.] aus § 80 Abs. 1 [X.] eine sog. Haftungsbeschränkung auch für solche Masseverbindlichkeiten ab, die nach Verfahrenseröffnung durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters begründet worden sind ([X.]-Teilurteil in NJW 2010, 69, Rz 12, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Der Insolvenzschuldner bleibe zwar Schuldner aller durch die Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters nach Verfahrenseröffnung begründeten Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 [X.]). Allerdings beschränke sich die Haftung während des Verfahrens auf die Gegenstände der Insolvenzmasse. Es handele sich um eine dem Verfahren immanente Haftungsbeschränkung. Für diese sei maßgeblich, dass der Verwalter nicht befugt sei, den Schuldner persönlich mit seinem insolvenzfreien Vermögen zu verpflichten, weil seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 [X.] auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen beschränkt sei ([X.]-Teilurteil in NJW 2010, 69, Rz 12).

Der [X.] verweist dabei auf eine frühere Entscheidung, in der er eine entsprechende Beschränkung der Inanspruchnahme auch für die [X.] nach Beendigung der (Zwangs-)Verwaltung bejaht hat, nachdem also das Verwaltungs- und Verfügungsrecht wieder auf den [X.] übergegangen ist ([X.] vom 25. November 1954 IV ZR 81/54, NJW 1955, 339). Der [X.] führte in diesem Zusammenhang aus, es sei zunächst für den Konkursverwalter ausgesprochen worden, dass der [X.] für die von ihm [X.] gegenüber begründeten rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten nur mit dem mit Beschlag belegten Vermögen hafte und dass er mit seinem verwaltungsfreien Vermögen für diese Schulden nicht einstehen müsse. Das folge daraus, dass das Verwaltungsrecht des Konkursverwalters auf das dem Konkursbeschlag unterworfene Vermögen beschränkt sei. Es handele sich um einen allgemeinen Grundsatz des [X.] Rechts, der in verschiedenen Bestimmungen des Gesetzes seinen Ausdruck gefunden habe (wird unter 2.c) der Entscheidungsgründe ausgeführt).

Auch das insolvenzrechtliche Schrifttum geht ganz überwiegend davon aus, dass sich eine Haftung des Insolvenzschuldners für Ansprüche, die erst während des Insolvenzverfahrens als Masseansprüche begründet und nicht aus der Masse gezahlt worden sind, auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nur auf Massegegenstände beschränkt, die als Überschuss dem Schuldner zurückgegeben werden (§ 199 Satz 1 [X.]), oder auf Gegenstände, die der Insolvenzverwalter als unverwertbar freigegeben hat (§ 197 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.]). Denn [X.] auch hier die Begründung-- die Tätigkeit des Verwalters beschränke sich ausschließlich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen; eine Haftung des gesamten Vermögens des Schuldners nach Beendigung des Insolvenzverfahrens könne daher durch das Handeln des Verwalters nicht begründet werden (s. z.B. MünchKomm[X.]-Hintzen § 201 Rz 16, und MünchKomm[X.]-Hefermehl § 53 Rz 34a). Dafür fehle es an einer rechtlichen Grundlage (so [X.] in [X.], [X.], § 201 Rz 8). Die Beschränkung der Schuldnerhaftung auf die [X.] sei für die [X.] auch nicht unzumutbar, weil der Insolvenzverwalter nach § 61 [X.] für die Erfüllung dieser Masseverbindlichkeiten hafte (so [X.]/[X.], a.a.[X.], § 201 Rz 17, unter Hinweis auf [X.] vom 6. Mai 2004 IX ZR 48/03, [X.]Z 159, 104, [X.], 1107).

Dagegen befürwortet ein Teil des Schrifttums eine uneingeschränkte Haftung des Insolvenzschuldners für Masseverbindlichkeiten, insbesondere auch für Steuerforderungen ([X.][X.]-Herchen, a.a.[X.], § 201 Rz 6 f.; [X.], Rechtsfolgen der Masseunzulänglichkeit, [X.], 49; [X.], Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz 25.30 f.). Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass es im Geltungsbereich der [X.] (und der Konkursordnung) an Vorschriften fehle, die der Konzeption der §§ 1967 ff. bzw. 1993 ff., 1975 ff. [X.] entsprächen; soweit aber solche Regelungen nicht existierten, müsse das gesamte Vermögen einer Person ihren Gläubigern haften (so [X.], [X.], 49, 56 f.).

c) Unabhängig davon, ob man der Auffassung des [X.] und der herrschenden Ansicht im insolvenzrechtlichen Schrifttum grundsätzlich folgen mag, gilt eine auf § 80 Abs. 1 [X.] gestützte Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners jedenfalls nicht in Bezug auf die hier streitigen Steuerschulden für die [X.] nach Beendigung des Insolvenzverfahrens.

aa) Der erkennende Senat hat zunächst Zweifel, ob die im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung begründete Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners für die [X.] nach Beendigung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens noch Bestand haben kann, nachdem zum 1. Januar 1999 die [X.] in [X.] getreten ist. Denn eine solche Einrede ist in der [X.] nicht kodifiziert worden. Dies hätte aber in Anbetracht der weitreichenden Folgen einer solchen Einrede nahegelegen, und zwar umso mehr, als sie im Ergebnis einer in § 301 [X.] gerade nicht vorgesehenen Ausdehnung der Wirkung der Restschuldbefreiungen auf Masseverbindlichkeiten gleichkommt.

In seinem Teilurteil vom 24. September 2009 in NJW 2010, 69, Rz 12 hat sich der [X.] tatsächlich auch nur zu einer Haftungsbeschränkung während des Insolvenzverfahrens geäußert, auch wenn er sich dabei gleichwohl --ohne jede Einschränkung-- auf die frühere [X.]-Rechtsprechung bezieht.

bb) Doch braucht diese Frage im Hinblick auf die hier streitigen Steuerschulden nicht entschieden zu werden.

Der Steuerpflichtige ist als Subjekt der Einkommensteuer (§ 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) grundsätzlich zugleich auch Steuerschuldner (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändert daran nichts. Das öffentlich-rechtliche Steuerschuldverhältnis gegenüber dem Steuerpflichtigen bleibt bestehen (vgl. [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 25[X.], Rz 41, m.w.[X.]; ebenso Uhländer in: [X.]/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 11. Aufl. 2015, S. 645 f.).

Die Einkommensteuerschuld des Steuerpflichtigen entsteht kraft Gesetzes durch Verwirklichung des maßgeblichen Tatbestands (§ 38 AO), nicht dadurch, dass der Insolvenzverwalter den insolventen Steuerpflichtigen aufgrund seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 [X.] zur Zahlung der Steuer verpflichtet. Lediglich mittelbar knüpft die Steuer an die Handlungen des Insolvenzverwalters an, soweit diese zu Einkünften [X.] der §§ 2 ff. EStG führen, die dem Steuerpflichtigen nach den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen zuzurechnen sind. Daher kann es hinsichtlich der Frage, mit welchem Vermögen der Steuerpflichtige nach Abschluss des Insolvenzverfahrens für die noch bestehenden Steuerschulden einstehen muss, nicht auf die Reichweite der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Insolvenzverwalters ankommen.

cc) Eine solche Differenzierung legt im Grunde auch schon die Rechtsprechung des [X.] nahe. Denn auch der [X.] unterscheidet in dem oben genannten Urteil ([X.]-Teilurteil in NJW 2010, 69, Rz 19 ff.) zwischen Verbindlichkeiten, die nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 [X.] durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters begründet werden, und solchen, die den Schuldner unmittelbar aufgrund gesetzlicher Regelungen treffen.

So hat der [X.] zwar entschieden, dass der Insolvenzschuldner auch für die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 [X.]) nicht mit seinem Privatvermögen haftet. Der Grund hierfür liegt aber nach Auffassung des [X.] nicht in der nur beschränkten Verwaltungs- und Verfügungsmacht des Insolvenzverwalters nach § 80 Abs. 1 [X.]. Denn die Kosten unterschieden sich [X.] der [X.]-- von den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 [X.] genannten Verbindlichkeiten schon dadurch, dass sie nicht erst durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters begründet werden. Ihre Grundlage hätten sie vielmehr bereits in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 58 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes, § 63 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 1 Abs. 1 der [X.]). Dass der Insolvenzschuldner gleichwohl nicht mit seinem Privatvermögen hafte, beruhe allein darauf, dass die Kosten des Insolvenzverfahrens nach den einschlägigen insolvenzrechtlichen Bestimmungen darauf angelegt seien, allein aus der Masse des insolventen Rechtsträgers beglichen zu werden ([X.]-Teilurteil in NJW 2010, 69, Rz 21, m.w.[X.]). Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 [X.] weise das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen werde, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Nach § 207 Abs. 1 Satz 1 [X.] sei das Verfahren einzustellen, wenn sich nach Verfahrenseröffnung herausstelle, dass die Insolvenzmasse nicht ausreiche, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Nach diesen Vorschriften sei also die Deckung der Verfahrenskosten aus der Masse grundsätzlich Voraussetzung für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens (s.a. [X.]-Beschluss vom 16. Juli 2009 IX ZB 221/08, [X.], 1591, Rz 9).

Entsprechende Regelungen für die Einkommensteuer, denen zufolge die Deckung der als Masseverbindlichkeiten entstehenden Steuerschulden Voraussetzung für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens ist, gibt es in der [X.] nicht.

dd) Es gibt auch im Übrigen keine gesetzlichen Regelungen, nach denen die Steuerschuld auf das ehemals zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Steuerpflichtigen nach Abschluss des Insolvenzverfahrens beschränkt ist. Auch aus § 201 [X.] lässt sich eine solche Beschränkung nicht herleiten.

ee) Dass sich eine Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners nicht auf die hier streitigen Steuerschulden erstrecken kann, erscheint auch insoweit sachgerecht und konsequent, als die [X.]-Rechtsprechung den Begriff "Rechtshandlung" in § 61 [X.] eng auslegt mit der Folge, dass ein Insolvenzverwalter, der es unterlässt, Steuern an das Finanzamt abzuführen, die durch die Verwertung von Masse als Masseverbindlichkeiten entstanden sind, hierfür nicht persönlich haftet ([X.]-Beschluss in [X.], 2252, unter Berufung auf [X.] vom 2. Dezember 2004 IX ZR 142/03, [X.]Z 161, 236, [X.], 131; s.a. [X.] in Kübler/[X.], a.a.[X.], § 61 Rz 4d; MünchKomm[X.]-Schoppmeyer, a.a.[X.], § 61 Rz 11).

d) Aus dem Umstand, dass sich der [X.] des [X.] der Rechtsprechung des [X.] angeschlossen hat ([X.]-Urteil in [X.]E 241, 233, [X.], 759, Rz 27 ff.), ergibt sich nichts anderes.

Zwar führt auch der [X.] des [X.] in seinem Urteil aus, die Rechtsmacht des Verwalters, mit Wirkung für und gegen den Schuldner zu handeln, sei gegenständlich nach § 80 Abs. 1 [X.] auf die Insolvenzmasse beschränkt; er könne ausschließlich Masseverbindlichkeiten begründen, nicht hingegen den Schuldner persönlich mit seinem insolvenzfreien Vermögen verpflichten ([X.]-Urteil in [X.]E 241, 233, [X.], 759, Rz 30). Doch geht es in dem vom [X.] des [X.] entschiedenen Fall allein um die Frage, ob die Einkommensteuer auf Veräußerungsgewinne, die der Insolvenzverwalter durch Verwertung der zur Insolvenzmasse gehörenden Wirtschaftsgüter erzielt hat, in voller Höhe als sonstige Masseverbindlichkeit [X.] des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] zu qualifizieren und gegenüber dem Insolvenzverwalter als [X.] geltend zu machen ist. Dabei beziehen sich die Ausführungen des [X.]s des [X.] --ebenso wie die des [X.]-Teilurteils in NJW 2010, [X.] auf ein noch nicht abgeschlossenes Insolvenzverfahren. Zu der Frage, welche Konsequenzen sich aus der Rechtsprechung des [X.] in Bezug auf die sog. Nachhaftung des ehemaligen Insolvenzschuldners für die als Masseverbindlichkeiten entstandene Steuerschulden nach Abschluss des Insolvenzverfahrens ergeben, äußert sich der IV. Senat nicht.

Das gilt auch für die von der Revision angeführten Entscheidungen des [X.] [X.] ([X.]-Urteil in [X.]E 252, 482, [X.], 852, und [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2015, 470).

5. In Anbetracht dieses Ergebnisses kann dahingestellt bleiben, ob die streitigen Steuerschulden des [X.] aus Einkommensteuer für 2008 --wie vom [X.] festgestellt-- insgesamt als Masseverbindlichkeiten [X.] des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] anzusehen (vgl. dazu im Einzelnen [X.]-Urteil in [X.]E 241, 233, [X.], 759, m.w.[X.]) oder teilweise --wie vom [X.] mit der Revision vorgetragen-- dem insolvenzfreien Bereich des [X.] zuzuordnen sind (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 2015 VII R 27/14, [X.]E 248, 518, [X.], 993; s. allgemein auch [X.] in [X.], [X.] § 55 Rz 19 ff.; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 25[X.] Rz 72). Denn auch dann, wenn bzw. soweit es sich um Masseverbindlichkeiten gehandelt hat, war die Aufrechnung --wie dargelegt-- zulässig.

6. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

VII R 1/16

28.11.2017

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 9. Dezember 2015, Az: 8 K 1112/15, Urteil

§ 226 AO, § 55 Abs 1 Nr 1 InsO, § 80 Abs 1 InsO, § 301 Abs 1 InsO, § 387 BGB, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.11.2017, Az. VII R 1/16 (REWIS RS 2017, 1655)

Papier­fundstellen: WM2018,572 REWIS RS 2017, 1655

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