Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.12.2022, Az. 9 BN 5/22, 9 BN 5/22 (9 CN 3/22)

9. Senat | REWIS RS 2022, 8537

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Gegenstand

(Teilweise) Revisionszulassung; Herstellungsbeiträge und Benutzungsgebühr für Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung; Vertrauensschutz


Tenor

Die Entscheidung des [X.] über die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss vom 14. Juni 2022 wird aufgehoben, soweit sie den Antrag des Antragstellers betrifft, § 4 Abs. 2 der Schmutzwassergebührensatzung des Antragsgegners vom 15. Mai 2014 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 6. Dezember 2016 für unwirksam zu erklären. Insoweit wird die Revision zugelassen.

Im Übrigen wird die Beschwerde verworfen.

Der Antragsteller trägt die Gerichtsgebühren, die für die Verwerfung der Beschwerde angefallen sind. Die sonstigen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller zur Hälfte. Die Entscheidung über die restlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Der Wert des Streitgegenstands für das Beschwerdeverfahren wird auf 10 000 €, für den erfolglos gebliebenen Teil der Beschwerde auf 5 000 € festgesetzt.

Der Wert des Streitgegenstands für das Revisionsverfahren wird vorläufig auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat nur teilweise Erfolg.

2

1. Die [X.]eschwerde, die nach dem gestellten Antrag und seiner [X.]egründung auf die Zulassung der Revision gegen die Entscheidung des [X.] insgesamt gerichtet ist, ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig und daher zu verwerfen, soweit sie den Antrag des Antragstellers betrifft, § 4 Abs. 2 der Trinkwassergebührensatzung des Antragsgegners vom 15. Mai 2014 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 6. Dezember 2016 (im Folgenden: [X.] 2016) für unwirksam zu erklären.

3

a) Der Antragsteller ist insoweit nicht beschwert.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat seinem Antrag in vollem Umfang stattgegeben und § 4 Abs. 2 [X.] 2016 antragsgemäß für unwirksam erklärt. Eine [X.]eschwer besteht in einem solchen Fall auch dann nicht, wenn die Entscheidung wie hier mit der Annahme eines Verstoßes gegen das Kostenüberschreitungsverbot auf andere Gründe gestützt ist, als der Antragsteller sie zur [X.]egründung seines Antrags vorgebracht hatte. Denn eine [X.]eschwer ist nur gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung anders als hier von dem Antrag im Ergebnis zuungunsten des Rechtssuchenden abweicht (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 10. Januar 1964 - 5 [X.] 83.62 - [X.]VerwGE 17, 352 <353> und vom 18. Februar 2002 - 3 [X.] 149.01 - juris Rn. 1 § 12 StVO Nr. 10 nicht abgedruckt>).

5

b) Ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers besteht auch nicht deshalb, weil die [X.]egründung, mit der das Oberverwaltungsgericht die vom Antragsteller für die Unwirksamkeit der Satzung angeführten Gründe verneint hat, an der Rechtskraft des [X.] Teil hätte und der Antragsteller sie sich deshalb nach § 121 Nr. 1 VwGO im Falle des Neuerlasses von § 4 Abs. 2 [X.] 2016 mit einem das Kostenüberschreitungsverbot wahrenden [X.]eitragssatz entgegenhalten lassen müsste (vgl. insoweit [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. Juni 2001 - 4 [X.] - [X.]uchholz 310 § 47 VwGO Nr. 148 S. 65). Denn eine rechtskräftige stattgebende [X.] entfaltet zwar neben ihrer Allgemeinverbindlichkeit nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO [X.]indungswirkung nach § 121 VwGO. In materielle Rechtskraft erwachsen aber allein der Entscheidungsausspruch des [X.], dass die angegriffene Rechtsnorm rechtsunwirksam ist, und seine gerade diese [X.]eurteilung tragenden "negativen" Entscheidungsgründe, aus denen sich für den Antragsgegner das Verbot der Normwiederholung ergibt (vgl. für [X.]ebauungspläne [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. Juni 2001 - 4 [X.] - [X.]uchholz 310 § 47 VwGO Nr. 148 S. 65 m. w. N.).

6

Dies zugrunde gelegt, ist die Auffassung des [X.], dass die Erhebung unterschiedlicher Gebühren weder den Gleichheitssatz noch den Grundsatz des Vertrauensschutzes verletze und keine Umgehung des [X.]eschlusses des [X.]undesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 - 1 [X.]vR 2961/14, 1 [X.]vR 3051/15 - darstelle, gegen die sich der Antragsteller mit der Nichtzulassungsbeschwerde wendet, von der Rechtskraft der [X.] nicht umfasst. Denn soweit diese § 4 Abs. 2 [X.] 2016 für unwirksam erklärt, ist dafür allein tragend, dass der Gebührensatz nach § 4 Abs. 2 [X.] 2016 nach Ansicht des [X.] gegen das Kostenüberschreitungsgebot nach § 6 Abs. 1 KAG [X.][X.] verstößt.

7

2. Die Revision ist jedoch nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, soweit das Oberverwaltungsgericht den Antrag, § 4 Abs. 2 der Schmutzwassergebührensatzung des Antragsgegners vom 15. Mai 2014 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 6. Dezember 2016 (im Folgenden: [X.] 2016) für unwirksam zu erklären, abgelehnt hat. Insoweit hat die Rechtssache grundsätzliche [X.]edeutung. Die Revision kann dem [X.]undesverwaltungsgericht Gelegenheit geben, die bisher höchstrichterlich nicht entschiedene Frage zu klären, ob der Grundsatz des Vertrauensschutzes nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG in Fällen, in denen Herstellungsbeiträge für eine Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung wegen des Eintritts der (hypothetischen) Festsetzungsverjährung nicht mehr erhoben werden können, nicht nur das Vertrauen schützt, nicht mehr zu [X.] herangezogen zu werden, sondern ebenso das Vertrauen, auch nicht durch [X.]enutzungsgebühren zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten beitragen zu müssen.

8

3. [X.] folgt, soweit über die Kosten des [X.]eschwerdeverfahrens zu entscheiden war, aus § 154 Abs. 2 und § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entsteht eine Gerichtsgebühr nur, soweit die [X.]eschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird. Die sonstigen Kosten des [X.]eschwerdeverfahrens, namentlich die außergerichtlichen Kosten, waren verhältnismäßig zu teilen und daher dem Antragsteller im Maße seines Unterliegens aufzuerlegen, während die Entscheidung über diejenigen Kosten, die dem Anteil der erfolgreichen [X.]eschwerde am gesamten [X.]eschwerdeverfahren entsprechen, der Kostenentscheidung in der Hauptsache folgt (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 16. Juni 2010 - 6 [X.] 83.09 - juris Rn. 9 und vom 21. Dezember 2015 - 9 [X.] 32.15 - juris Rn. 11).

9

4. Die Festsetzung des Streitwertes für das [X.]eschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG, die vorläufige Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren auf § 47 Abs. 1 i. V. m. § 52 Abs. 2 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Meta

9 BN 5/22, 9 BN 5/22 (9 CN 3/22)

16.12.2022

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: CN

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 14. Juni 2022, Az: 9 A 2.17, Beschluss

§ 121 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 47 Abs 5 S 2 VwGO, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.12.2022, Az. 9 BN 5/22, 9 BN 5/22 (9 CN 3/22) (REWIS RS 2022, 8537)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8537

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