Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.09.2015, Az. 3 AZR 391/13 (A)

3. Senat | REWIS RS 2015, 5070

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Gegenstand

Betriebliche Altersversorgung - Gebührenstreitwert - Feststellungsklage


Tenor

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 22.838,76 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger ist Arbeitnehmer der [X.]eklagten. Mit seiner Klage begehrt er die Feststellung, dass die [X.]eklagte verpflichtet ist, nach Eintritt in den Ruhestand sein [X.] nach einer bestimmten Versorgungsordnung zu berechnen. Die [X.]eklagte hat eingewandt, diese Versorgungsordnung wirksam abgelöst zu haben. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, da der Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen hat. Im Rahmen der Streitwertfestsetzung für das [X.]erufungsverfahren hat das [X.] die zu erwartende monatliche Rentendifferenz mit 906,30 Euro errechnet. Es hat den Gebührenstreitwert auf 20.140,13 Euro festgesetzt, entsprechend der erstinstanzlichen Festsetzung.

2

II. [X.] für die Revisionsinstanz ist auf 70 % der 36-fachen voraussichtlichen monatlichen Rentendifferenz in Höhe von 32.626,80 Euro und damit auf 22.838,76 Euro festzusetzen.

3

1. Die Festsetzung erfolgt nicht nach § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG in der zum Zeitpunkt der [X.] im April 2013 geltenden und damit nach § 71 Abs. 1 iVm. § 40 GKG weiter anzuwendenden Fassung (hiernach § 42 GKG aF; nunmehr § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG). Nach dieser [X.]estimmung ist für den Gebührenstreitwert ua. bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.

4

a) Der Anwendung von § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG aF (nunmehr § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG) steht allerdings nicht entgegen, dass Gegenstand des Rechtsstreits [X.] sind, die erst zur Auszahlung kommen, wenn ein Versorgungsfall eingetreten und der [X.] somit nicht mehr Arbeitnehmer ist. Vielmehr ist diese [X.]estimmung auch auf derartige Fallgestaltungen anwendbar (vgl. [X.] 12. Juni 2007 - 3 [X.] - Rn. 38, [X.]E 123, 82).

5

b) Ebenso wenig steht der Anwendung von § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG aF (nunmehr § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG) entgegen, dass es vorliegend um die Feststellung einer Leistungspflicht der [X.]eklagten und damit um einen positiven Feststellungsantrag und nicht um einen auf Zahlung gerichteten Leistungsantrag geht.

6

aa) Allerdings wurde für das Kostenrecht, wie es vor seiner vollständigen Neuordnung durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 5. Mai 2004 ([X.]I S. 718) galt, teilweise angenommen, die in vergleichbaren Regelungen verwendete Formulierung „wiederkehrende Leistungen“ beziehe sich lediglich auf Klagen, die eine künftige Leistung nach §§ 257 ff. ZPO zum Gegenstand haben und damit auf Leistungsklagen ([X.] 18. April 1961 - 3 [X.] -; [X.] 11. Januar 1951 - III ZR 151/50 - [X.]Z 1, 43). Daraus wurde gefolgert, dass bei einem Antrag auf Feststellung einer Leistungspflicht lediglich 80 % des dreijährigen Wertes anzusetzen seien ([X.] 18. April 1961 - 3 [X.] -; [X.] 11. Januar 1951 - III ZR 151/50 - aaO; 9. Juni 2005 - III ZR 21/04 -).

7

bb) Für das neu geordnete Kostenrecht und damit für § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG aF (nunmehr § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG) ist daran nicht festzuhalten.

8

(1) Der Wortlaut der gesetzlichen [X.]estimmung sieht lediglich vor, dass Gegenstand des Rechtsstreits Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen sind. In welcher Form diese Ansprüche geltend gemacht werden, ist in § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG aF (nunmehr § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG) nicht angesprochen. Auch der vom Gesetzgeber in der Zivilprozessordnung verwendete [X.]egriff der „wiederkehrenden Leistungen“ erfasst nicht nur solche, die im Wege einer Leistungsklage verfolgt werden. Vielmehr bestimmt § 258 ZPO, unter welchen Voraussetzungen bei Leistungen, die nach ihrem Rechtscharakter wiederkehrend sind, eine Klage auf künftige Leistung nach den §§ 257 ff. ZPO erhoben werden kann; dass es sich erst dann um wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 258 ZPO handelt, wenn tatsächlich Leistungsklage erhoben wird, ist dem gerade nicht zu entnehmen (ebenso bereits für das alte Kostenrecht, jedoch im Zusammenhang mit einer Leistungsklage [X.] 10. Dezember 2002 - 3 [X.]) - zu III 1 der Gründe, [X.]E 104, 153).

9

(2) Einschränkungen ergeben sich auch nicht wegen der Unterschiede zwischen einem positiven Feststellungs- und einem Leistungsantrag.

(a) Für eine Herabsetzung des im Kostenrecht für wiederkehrende Leistungen vorgesehenen Werts des dreijährigen [X.] um 20 % wird angeführt, eine positive Feststellungsklage führe nicht zu einem vollstreckbaren Titel ([X.] 18. April 1961 - 3 [X.] -). Dieses Argument wurde im Hinblick auf die Ermittlung der [X.]eschwer iSd. [X.] und damit der Anwendung des § 2 ZPO entwickelt ([X.] 11. Januar 1951 - III ZR 151/50 - [X.]Z 1, 43; 7. Juni 1951 - III ZR 181/50 - [X.]Z 2, 276). Es wird in diesem Zusammenhang weiterhin häufig angewandt ([X.] 4. Juni 2008 - 3 [X.] - Rn. 15; [X.] 30. April 2008 - III [X.]/07 -; 3. Mai 2000 - IV ZR 258/99 -; 23. Juli 1997 - IV ZR 38/97 -; 26. November 1987 - III ZR 77/87 -; 16. Oktober 1961 - III ZR 136/61 - VersR 1961, 1094). Diese Anwendung erstreckt sich auch auf Fallgestaltungen, bei denen ein Vollstreckungsrisiko nicht besteht ([X.] 30. April 2008 - III [X.]/07 -; 4. März 2008 - [X.]/07 -; 27. Januar 2000 - III ZR 304/99 -; 29. Oktober 1998 - III ZR 137/98 -; 23. September 1965 - II ZR 234/63 -; auf den wirtschaftlichen Wert der Forderung stellen jedoch ab: [X.] 22. Januar 2009 - [X.]/08 -; 4. Dezember 1996 - [X.]/96 -; 3. Februar 1988 - [X.] -).

(b) Dieser für den Wert der [X.]eschwer entwickelte Gesichtspunkt ist auf die Festsetzung des [X.] allerdings nicht übertragbar. [X.] hinsichtlich der [X.]eschwer und hinsichtlich des [X.] unterliegen vielmehr unterschiedlichen Regelungszusammenhängen ([X.] 4. Juni 2008 - 3 [X.] - Rn. 8; [X.] 30. April 2008 - III [X.]/07 -). Die für die [X.]ewertung der durch eine gerichtliche Entscheidung bewirkten [X.]eschwer maßgeblichen Grundsätze stellen darauf ab, inwieweit ein Urteil für die verurteilte [X.] belastend und für die das Urteil erstreitende [X.] unmittelbar nützlich ist. Demgegenüber dient die Anknüpfung der Gerichts- und Anwaltsgebühren an den Gebührenstreitwert dem Ziel, die Gebühren von der wirtschaftlichen [X.]edeutung des Rechtsstreits für die [X.]en abhängig zu machen. Deshalb sind auch Feststellungsanträge nach ihrer wirtschaftlichen [X.]edeutung zu beurteilen.

Verringerungen des gesetzlich festgelegten [X.] sind deshalb allenfalls im Wege einer teleologischen Reduktion - zweckentsprechenden Einschränkung - von § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG aF (nunmehr § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG) berechtigt, wenn eine Durchsetzung der geltend gemachten Forderung problematisch ist (für eine Anknüpfung des [X.] an die wirtschaftliche [X.]ewertung der Aussichten für die Durchsetzung der Forderung auch [X.] 6. April 2009 - VI Z[X.] 88/08 -).

[X.]ei [X.]n ist danach kein Raum für einen pauschalierten Abschlag. Praktische Durchsetzungsschwierigkeiten stellen sich hier in der Regel nicht. Das gilt wegen der Insolvenzsicherung nach §§ 7 ff. [X.] grundsätzlich auch für den Insolvenzfall.

c) Der Anwendung von § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG aF (nunmehr § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG) steht jedoch entgegen, dass diese Regelung nur „Ansprüche“ betrifft. Macht ein Kläger im Wege der Feststellungsklage vor Eintritt eines [X.] Rechte auf betriebliche Altersversorgung geltend, so geht es - wie beim [X.]etriebsrentner - zwar um Ansprüche. Ob diese künftig tatsächlich entstehen, ist aber unklar. Während des noch laufenden Arbeitsverhältnisses bestehen zunächst nur Anwartschaften. Auf diese ist § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG aF (nunmehr § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG) nicht anwendbar.

2. Maßgeblich ist deshalb darauf abzustellen, welchen wirtschaftlichen Wert die streitige Anwartschaft bei pauschalierter [X.]etrachtung hat. Dabei kann in Anlehnung an § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG aF (nunmehr § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG) zunächst vom 36-fachen Wert der voraussichtlichen [X.]etriebsrentendifferenz ausgegangen werden. Jedoch ist davon ein pauschaler Abschlag zu machen, da in der [X.] wirtschaftlich noch nicht feststeht, ob der Arbeitnehmer tatsächlich eine [X.]etriebsrente beziehen wird (zur [X.]erücksichtigung eines vergleichbaren Risikos bei der Feststellung des Wertes der [X.]eschwer [X.] 23. Juli 1997 - IV ZR 38/97 -). Auch kann bei einem Arbeitnehmer ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt des [X.] zu einer Verringerung der [X.]etriebsrente führen. Schließlich ist typischerweise mit dem zeitlichen Abstand zum Versorgungsfall ein Prognoserisiko hinsichtlich der genauen [X.]erechnung der Differenz der Forderung verbunden. Aufgrund dieser Gesichtspunkte ist ein Abschlag von 30 % vom 36-fachen monatlichen Differenzbetrag vorzunehmen.

3. Danach ergibt sich vorliegend ein Gebührenstreitwert iHv. 22.838,76 Euro. Gegen die [X.]erechnung des [X.]s hinsichtlich der voraussichtlichen monatlichen [X.]etriebsrentendifferenz sind substantiierte Einwendungen nicht erhoben. [X.]erechtigte Einwände sind auch nicht ersichtlich.

4. Die Höhe des [X.] ist nicht durch den in den Vorinstanzen festgesetzten Streitwert beschränkt. Zwar ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG der Wert des Streitgegenstands im Rechtsmittelverfahren durch den Wert des Streitgegenstands im vorangegangenen Rechtszug begrenzt, soweit sich der Streitgegenstand nicht erweitert. Auch hat sich der Streitgegenstand zwischen den Instanzen hier nicht verändert. Jedoch kommt es trotzdem nicht auf die Streitwertfestsetzung der Vorinstanzen an, da insofern der richtige, nicht der festgesetzte Streitwert maßgeblich ist ([X.]VerwG 22. Mai 2013 - 7 KSt 5.13 ua. -; [X.]FH 14. Februar 2007 - IV E 6/06 - Rn. 10; [X.]SG 19. September 2006 - [X.] 6 [X.]/06 [X.] -).

        

    Zwanziger    

        

    Spinner     

        

    [X.]     

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

3 AZR 391/13 (A)

22.09.2015

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Stuttgart, 6. Oktober 2011, Az: 17 Ca 2529/11, Urteil

§ 42 Abs 1 S 1 GKG 2004, § 47 Abs 2 S 1 GKG 2004, § 42 Abs 2 S 1 GKG 2004 vom 17.12.2008, KostRMoG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.09.2015, Az. 3 AZR 391/13 (A) (REWIS RS 2015, 5070)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5070

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