Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.01.2012, Az. I ZB 43/11

1. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 10209

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Gegenstand

Vollstreckung aus einem Unterlassungstitel gegen eine GmbH und den Geschäftsführer: Ordnungsgeldfestsetzung gegen die GmbH bei Zuwiderhandlung durch den Geschäftsführer


Leitsatz

Sind sowohl eine juristische Person als auch ihr Organ aus einem Vollstreckungstitel zur Unterlassung verpflichtet und handelt das Organ im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit für die juristische Person dem Verbot zuwider, ist nur gegen die juristische Person ein Ordnungsgeld nach § 890 ZPO festzusetzen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners zu 2 wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des [X.] vom 24. Mai 2011 aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners zu 2 wird der Beschluss der Zivilkammer 15 des [X.] vom 11. Februar 2011 hinsichtlich der Kostenentscheidung und insoweit abgeändert, als zum Nachteil des Schuldners zu 2 ein Ordnungsgeld festgesetzt worden ist.

Der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Schuldner zu 2 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten erster Instanz tragen die Gläubigerin und die Schuldnerin zu 1 je zur Hälfte. Von den außergerichtlichen Kosten erster Instanz tragen die Gläubigerin diejenigen des Schuldners zu 2 und die Schuldnerin zu 1 die Hälfte derjenigen der Gläubigerin. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten erster Instanz selbst.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren fallen der Gläubigerin zur Last.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Schuldnerin zu 1 (nachfolgend Schuldnerin), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist im Direktvertrieb tätig. Der Schuldner zu 2 (nachfolgend Schuldner) ist Geschäftsführer der Schuldnerin.

2

Das [X.] hat beiden Schuldnern bestimmte Behauptungen im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Gaslieferungen untersagt. Wegen Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot hat das [X.] gegen die Schuldner als Gesamtschuldner ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 €, ersatzweise für je 500 € ein Tag Ordnungshaft, zu vollziehen am Schuldner, festgesetzt. Die dagegen nur vom Schuldner eingelegte Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner sein Begehren weiter, den Ordnungsmittelantrag zurückzuweisen.

3

II. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.

4

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Seien - wie im vorliegenden Fall - eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und ihr Geschäftsführer zur Unterlassung verpflichtet und habe der Geschäftsführer schuldhaft gegen das gerichtliche Verbot verstoßen, sei ein einheitliches Ordnungsgeld gegen beide Schuldner festzusetzen, für das diese als Gesamtschuldner hafteten.

5

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

6

a) Sind sowohl eine juristische Person als auch ihr Organ aus einem Vollstreckungstitel zur Unterlassung verpflichtet und handelt das Organ im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit für die juristische Person dem Verbot zuwider, ist nur gegen die juristische Person ein Ordnungsgeld nach § 890 ZPO festzusetzen (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Oktober 2007 - 5 W 99/07, juris; Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 405; [X.]/[X.]/[X.], Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 890 Rn. 45; für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes und Haftung als Gesamtschuldner [X.], [X.] 1987, 383 und [X.], 413, 417; [X.], [X.], 723, 724; [X.] in [X.], [X.], 6. Aufl., [X.]. 68 Rn. 8; [X.].UWG/Ehricke, Vor § 12 Rn. 167; weitergehend für Festsetzung getrennter Ordnungsgelder [X.], Beschluss vom 25. April 2007 - 6 W 40/07, juris Rn. 1 und 3).

7

b) Ist Vollstreckungsschuldner eines Unterlassungsgebots ausschließlich eine juristische Person, ist bei einer schuldhaften Zuwiderhandlung das Ordnungsgeld gegen die juristische Person und die ersatzweise bestimmte Ordnungshaft gegen das [X.] festzusetzen, das schuldhaft gegen das Verbot verstoßen hat (vgl. [X.], Urteil vom 16. Mai 1991 - I ZR 218/89, [X.], 929, 931 = [X.], 467 - Fachliche Empfehlung II; [X.], [X.], 1556, 1557; [X.], [X.] 2002, 121; [X.].ZPO/[X.], 3. Aufl., § 890 Rn. 24; [X.]/[X.], ZPO, 29. Aufl., § 890 Rn. 6; für ein wahlweises Ordnungsgeld gegen die juristische Person oder das Organ Musielak/Lackmann, ZPO, 8. Aufl., § 890 Rn. 12; für Ordnungsmittel nur gegen die Organe [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3. Aufl., § 890 Rn. 55). Entsprechendes gilt, wenn auch das Organ neben der juristischen Person [X.] ist und sein schuldhaftes Verhalten, das Gegenstand des Ordnungsmittelverfahrens ist, der juristischen Person nach § 31 BGB zuzurechnen ist. Die juristische Person ist selbst nicht handlungsfähig. Sie handelt durch ihre Organe. Deren schuldhafte Zuwiderhandlung muss sie sich nach § 31 BGB zurechnen lassen. Die Festsetzung von [X.] gegen die juristische Person und ihre Organe nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen setzt daher nur einen schuldhaften Verstoß des Organs gegen das Unterlassungsgebot voraus. Dagegen besteht kein Anlass, aufgrund einer der juristischen Person zurechenbaren schuldhaften Zuwiderhandlung ihres Organs daneben zusätzlich Ordnungsmittel gegen das Organ festzusetzen oder dessen gesamtschuldnerische Haftung zu begründen.

8

Für dieses Ergebnis sprechen auch Sinn und Zweck der Ordnungsmittel nach § 890 ZPO, die neben der Funktion als zivilrechtliche Beugemaßnahme zur Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen auch einen repressiven strafähnlichen Sanktionscharakter haben (vgl. [X.] 58, 159, 162; [X.], [X.] 2007, 860 Rn. 11; [X.], Beschluss vom 23. Oktober 2003 - [X.], [X.]Z 156, 335, 345 f. - Euro-Einführungsrabatt; [X.] in [X.]/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 12 Rn. 6.12; [X.]/[X.] aaO § 890 Rn. 5). Damit ist schwerlich vereinbar, dass aufgrund der von einer natürlichen Person begangenen Zuwiderhandlung ein und dasselbe Ordnungsmittel gegen mehrere Personen festgesetzt wird.

9

Dadurch wird eine gesonderte Inanspruchnahme des Organs neben der juristischen Person im Erkenntnisverfahren nicht überflüssig. Diese erlangt vielmehr ihre Bedeutung, wenn das Handeln des Organs der juristischen Person nicht nach § 31 BGB zurechenbar ist, weil es sich aus Sicht eines Außenstehenden so weit vom organschaftlichen Aufgabenbereich entfernt, dass der allgemeine Rahmen der ihm übertragenen Obliegenheiten überschritten erscheint (vgl. [X.], Urteil vom 20. Februar 1979 - [X.], [X.], 115 f.; Urteil vom 13. Januar 1987 - [X.], [X.]Z 99, 298, 300). Das kommt etwa in Betracht, wenn das Organ für einen neben der juristischen Person bestehenden eigenen Geschäftsbetrieb oder eine andere juristische Person die schuldhafte Zuwiderhandlung begangen hat.

III. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1, § 100 Abs. 1, § 788 ZPO.

Bornkamm                                               Büscher                                           Schaffert

                                  Koch                                               [X.]

Meta

I ZB 43/11

12.01.2012

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 24. Mai 2011, Az: 5 W 64/11

§ 890 ZPO, § 31 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.01.2012, Az. I ZB 43/11 (REWIS RS 2012, 10209)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10209

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