Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.12.2015, Az. 2 B 86/14

2. Senat | REWIS RS 2015, 1174

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Gründe

1

Die auf die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte [X.]eschwerde ist unbegründet.

2

1. Die 1951 geborene Klägerin stand als Lehrerin im Dienst des [X.]. Mit [X.]escheid vom 1. Februar 2012, zugestellt im Februar 2012, wurde sie wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. In dem [X.]escheid wurde ausgeführt, dass der Ruhestand gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 Landesbeamtengesetz [X.] vom 26. März 2009 ([X.] - GVO[X.]l. 2009, 93) mit dem Ende des Monats beginne, in dem der [X.]escheid zugestellt werde. Mit [X.]escheid vom 28. Februar 2012 setzte der [X.]eklagte den Ruhegehaltssatz der Klägerin auf 71,75 vom Hundert und den Versorgungsabschlag auf 8,1 vom Hundert des [X.] fest. Dabei ging der [X.]eklagte vom [X.]erechnungszeitraum 1. März 2012 bis 31. Mai 2014 (zwei Jahre, 92 Tage) aus. In dem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass bei der [X.]erechnung des [X.] lediglich der Zeitraum vom 1. März 2012 bis zum 30. April 2014 zugrunde gelegt werden dürfe. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2012 zurückgewiesen. Zur [X.]egründung wurde u. a. ausgeführt, dass gemäß § 88 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]eamtenversorgungsgesetz [X.] vom 26. Januar 2012 ([X.] -, GVO[X.]l. 2012, 153, 219) bei einer Versetzung in den Ruhestand vor dem 1. April 2012 zwei Jahre und drei Monate zur [X.]erechnung des [X.] zugrunde zu legen seien und nur bei einer Versetzung in den Ruhestand vor dem 1. März 2012 zwei Jahre und zwei Monate. Klage und [X.]erufung hiergegen sind ohne Erfolg geblieben.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat zur [X.]egründung im Wesentlichen ausgeführt:

4

Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 [X.] vermindere sich das Ruhegehalt um 3,6 % für jedes Jahr, um das die [X.]eamtin oder der [X.]eamte vor Ablauf des Monats, in dem sie oder er das 65. Lebensjahr vollendet, wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, in den Ruhestand versetzt wird. Gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sei für [X.]eamtinnen und [X.]eamte, die nach dem 31. März 2009 wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruhe, in den Ruhestand versetzt würden, § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle der Vollendung des 65. Lebensjahres u. a. bei einem Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand vor dem 1. März 2012 das Lebensalter 63 Jahre und zwei Monate und bei einer Versetzung in den Ruhestand vor dem 1. April 2012 das Lebensalter 63 Jahre und drei Monate trete. Danach habe der [X.]eklagte zutreffend zwei Jahre und drei Monate bei der [X.]erechnung des [X.] der Klägerin zugrunde gelegt, weil sie "vor dem 1. April 2012" in den Ruhestand versetzt worden sei. Ihr Versorgungsfall sei nicht bereits "vor dem 1. März 2012" eingetreten.

5

Die [X.]egriffe "Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand", "Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls" und "Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand" bezeichneten denselben Zeitpunkt. Nach der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 88 Abs. 2 Nr. 2 [X.] diene diese der [X.]erechnung des jeweiligen [X.] in den [X.], die in dem Zeitraum "nach dem 31. Dezember 2011 und vor dem 1. Januar 2024" eingetreten seien. Hieraus ergebe sich, dass das maßgebliche "Lebensalter" für die Fälle des Eintritts des [X.] am 1. Dezember 2011 mit 63 Jahren, des Eintritts des [X.] am 1. Januar 2012 mit 63 Jahren und einem Monat usw. anzusetzen seien.

6

2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen.

7

Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender [X.]edeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 24. Januar 2011 - [X.]VerwG 2 [X.] 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 5 und vom 9. April 2014 - 2 [X.] 107.13 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9). Die Prüfung des [X.] ist dabei auf die mit der [X.]eschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

8

Der von der [X.]eschwerde aufgeworfenen Frage,

ob der Versorgungsfall von [X.]eamten im Sinne versorgungsrechtlicher Vorschriften mit dem Datum eintritt, mit dem die Versetzung in den Ruhestand erfolgt,

kommt eine solche grundsätzliche [X.]edeutung nicht zu. Sie lässt sich mithilfe der allgemeinen Auslegungsregeln sowie unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des [X.] im Sinne des [X.]erufungsurteils beantworten, ohne dass es hierzu einer revisionsgerichtlichen Überprüfung bedarf.

9

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats beginnt der Ruhestand an dem Tag, der auf das Datum folgt, mit welchem der [X.]eamte in den Ruhestand versetzt worden ist. Erfolgt die Versetzung in den Ruhestand mit dem Ende des Monats oder mit Ablauf des Monatsletzten - so gebräuchliche Formulierungen -, so beginnt der Ruhestand am ersten Tag des folgenden Monats ([X.]VerwG, Urteile vom 25. Juni 2009 - 2 C 47.07 - [X.] 239.1 § 66 [X.] Nr. 2 Rn. 12 und vom 12. November 2009 - 2 C 29.08 - [X.] 239.1 § 14a [X.] Nr. 5 Rn. 9; [X.]eschluss vom 19. August 2010 - 2 C 34.09 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 116 Rn. 17; vgl. auch [X.], [X.]eschluss vom 2. Mai 2012 - 2 [X.]vL 5/10 - [X.]E 131, 20 <36>).

Auch nach Auffassung der Klägerin tritt der Versorgungsfall zeitgleich mit dem [X.]eginn des Ruhestands ein. Das folgt schon aus dem [X.]egriff des Versorgungsfalls sowie aus dem systematischen Zusammenhang der maßgeblichen versorgungsrechtlichen Vorschriften. Ein Versorgungsfall kann erst dann eintreten, wenn dem [X.]eamten Versorgungsbezüge zu gewähren sind. Vor dem Entstehen des Anspruchs auf Versorgungsbezüge kann noch kein Versorgungsfall eingetreten sein. Zu den Versorgungsbezügen gehört gemäß § 2 Nr. 1 [X.] (entspricht § 2 Nr. 1 [X.]) unter anderem das Ruhegehalt. Der Anspruch auf das Ruhegehalt entsteht gemäß § 4 Abs. 2 [X.] (entspricht § 4 Abs. 2 [X.]) aber regelmäßig erst mit dem [X.]eginn des Ruhestands.

In einer älteren Entscheidung, welche zu dem Inkrafttreten des [X.] vom 26. Januar 1937 (- [X.] - RG[X.]l. [X.]) am 1. Juli 1937 und dem Tatbestandsmerkmal des Eintritts in den Ruhestand "mit Ende des Monats Juni 1937" im Sinne von § 21 Abs. 2 des [X.]esoldungsgesetzes für das [X.] vom 9. Juni 1954 (- [X.] NW - GV[X.]l. [X.]) ergangen ist, hat das [X.] die Auffassung vertreten, der Versorgungsfall trete regelmäßig mit dem Ende des Monats und vor dem [X.] ein ([X.]VerwG, Urteil vom 9. Februar 1961 - 2 [X.] - [X.]VerwGE 12, 46 <49>). Dieser Entscheidung, auf die sich auch die Klägerin beruft, ist mit der jüngeren, oben zitierten Rechtsprechung des Senats die Grundlage entzogen. In dieser Entscheidung (a.a.[X.]) wird dem eindeutigen Wortlaut der Norm nicht die ihm gebührende [X.]edeutung beigemessen. Der in ihr vertretene Ansatz ist auch deswegen nicht tragfähig, weil er eine logische Sekunde zwischen den Monaten fingiert; das Ereignis des Eintritts des Versorgungsfalls ist gleichwohl einem bestimmten Tag, dem Monatsletzten oder dem Monatsersten zuzuordnen. Diese Zuordnung kann aus den geschilderten Gründen nur zum Monatsersten erfolgen.

3. Die von der Klägerin geltend gemachte Divergenz liegt ebenfalls nicht vor.

Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des [X.]erufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das [X.] in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den [X.]edeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 25. Mai 2012 - 2 [X.] 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 5). Die Divergenzrevision dient dem Anliegen, die Einheitlichkeit der Verwaltungsrechtsprechung in der Auslegung einer bestimmten Gesetzesvorschrift zu sichern und damit Rechtssicherheit auch im Einzelfall zu gewährleisten. [X.]ezugspunkt ist daher nicht allein der Wortlaut einer [X.]estimmung. "Abweichungen" beziehen sich vielmehr nur auf die Rechtsprechung zu demselben Gesetz ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 22. März 2012 - 2 [X.] 148.11 - juris Rn. 4).

Eine Divergenz zu der von der Klägerin angeführten Entscheidung ([X.]VerwG, Urteil vom 9. Februar 1961 - 2 [X.] - [X.]VerwGE 12, 46 <49>) liegt schon deswegen nicht vor, weil diese eine andere Norm betraf. Jene Entscheidung erging zu den Vorschriften des § 21 Abs. 2 [X.] NW sowie § 184 [X.]. Das [X.]eschwerdeverfahren betrifft hingegen Vorschriften des [X.]eamtenversorgungsgesetzes [X.].

Eine Divergenz ist auch deswegen ausgeschlossen, weil eine Abweichung von einer Rechtsprechung, an der das [X.] in späteren Entscheidungen selbst nicht mehr festhält, nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigt ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 2. Februar 1994 - 1 [X.] 208. 93 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 1 S. 1 und vom 6. Mai 2014 - 2 [X.] 90.13 - [X.] 239.1 § 12 [X.] Nr. 22 Rn. 15). Wie bereits oben (2.) aufgezeigt, hält das [X.] in ständiger Rechtsprechung nicht mehr an der im Urteil vom 9. Februar 1961 vertretenen Auffassung fest.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

2 B 86/14

07.12.2015

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 30. Juli 2014, Az: 2 LB 15/13, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.12.2015, Az. 2 B 86/14 (REWIS RS 2015, 1174)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1174

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