Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.08.2020, Az. 1 StR 247/20

Das [X.] - hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte und mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet und innerhalb derer er die Nichtanwendung des § 64 StGB nachträglich von seinem Angriff ausgenommen hat, hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Nach den Feststellungen des [X.] veräußerte der nicht revidierende Mitangeklagte [X.] seit Ende September 2018 gewinnbringend Cannabisprodukte. Unter anderem in der Wohnung der ebenfalls nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]bunkerte [X.]überwiegend, nämlich wenigstens zu 3/5, zum Weiterverkauf bestimmtes Marihuana; zu diesem Zweck überließ [X.]dem [X.]einen Wohnungsschlüssel. [X.]wusste zumindest vom Versteck im Badezimmer und billigte dies, da sie und ihr damaliger Lebensgefährte, der Angeklagte, im Gegenzug von der verbleibenden Rauschgiftmenge (rund 2/5 der Gesamtmenge) selbst - neben [X.]- konsumieren durften. Der Angeklagte, der sich [X.] in der Wohnung der Mitangeklagten [X.]aufhielt und täglich ein bis zwei Joints rauchte, bediente sich regelmäßig [X.] Ort und [X.] ([X.]) an dem Vorrat, auch dann, wenn der Mitangeklagte [X.]nicht zugegen war.

Am 15. Februar 2019 lagerten im Badezimmer 206,92 Gramm Cannabisprodukte mit einer Wirkstoffmenge von 34,59 Gramm THC. Während der Durchsuchung durch zwei Polizeibeamte befand sich der Angeklagte mit dem Zeugen [X.]zunächst im Badezimmer, um dort einen Joint zu konsumieren. Als [X.][X.] Bullen!ʺ rief, stürzte sich der Angeklagte auf den Polizeibeamten [X.]und brachte diesen zu Fall; dadurch erlitt [X.] mehrere Hämatome, eine Schürfwunde und eine schmerzhafte Daumendistorsion.

Das Urteil hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Die Feststellungen tragen nicht den Schuldvorwurf des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

a) Besitz im Sinne der § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 4, § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG setzt ein tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis und einen Besitzwillen voraus, der darauf gerichtet ist, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Sache zu erhalten (st. Rspr.; [X.], Beschluss vom 25. September 2018 - 3 [X.], [X.]R BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 8; Urteile vom 15. April 2008 - 4 [X.] Rn. 5 mwN und vom 17. Oktober 2007 - 2 StR 369/07 Rn. 23). Allein eine ʺfreie Zugänglichkeitʺ des Rauschgifts genügt nicht ([X.], Beschluss vom 2. Dezember 1992 - 5 StR 592/92 Rn. 6).

b) An diesen Vorgaben gemessen ist weder eine ausreichende tatsächliche Verfügungsgewalt des Angeklagten im Sinne eines zusammen mit [X.]ausgeübten Mitbesitzes am [X.] im Badezimmer noch ein darauf gerichteter Besitzwille belegt. Vielmehr griff der Mitangeklagte [X.], der ungehinderten Zugang zur Wohnung hatte, nach Belieben weiterhin auf den Vorrat zu, um Portionen daraus zu veräußern oder selbst zu verbrauchen. Da der Angeklagte lediglich zwecks Eigenkonsums sich am [X.] bedienen wollte, musste er dafür [X.] nicht in Frage stellen. Solange [X.]den - nicht übermäßigen - Mitkonsum des Lebensgefährten seiner Gehilfin duldete, musste der Angeklagte keinen Besitzwillen entwickeln. Unter diesen Umständen begründet der bloße Eigenkonsum an [X.] und [X.] noch keinen Besitz.

2. Da das [X.] (§ 52 Abs. 1 Alternative 1 StGB) ausgegangen ist, unterliegt der Schuldspruch insgesamt, also einschließlich der für sich genommen [X.] Verurteilung wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, der Aufhebung (§ 353 Abs. 1 StPO; vgl. [X.], Urteile vom 13. März 2019 - 1 [X.] Rn. 12; vom 28. September 2017 - 4 StR 282/17 Rn. 14; vom 29. August 2007 - 5 [X.] Rn. 51 und vom 20. Februar 1997 - 4 [X.] Rn. 6, [X.]R StPO § 353 Aufhebung 1). Jedoch können die Feststellungen zum Geschehen außerhalb des Badezimmers bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO; vgl. [X.], Urteil vom 29. August 2007 - 5 [X.] Rn. 51).

3. Die [X.] ist bereits deswegen nicht auf die Mitangeklagte [X.]zu erstrecken (§ 357 Satz 1 StPO), weil das [X.] sie allein wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat.

4. Da sich das Verfahren nicht mehr gegen Heranwachsende richtet, ist eine allgemeine Strafkammer zur Entscheidung berufen. Diese wird, sollte sie den Angeklagten wiederum wegen einer Betäubungsmittelstraftat verurteilen, die Annahme von Tateinheit näher zu belegen haben. Um beurteilen zu können, ob zwischen Täter und Opfer der für den Strafmilderungsgrund des § 46a Nr. 1 StGB erforderliche kommunikative Prozess stattgefunden hat, sind regelmäßig Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des [X.] gestellt hat ([X.], Beschlüsse vom 6. November 2019 - 2 [X.] Rn. 21 und vom 24. Januar 2019 - 1 StR 591/18 Rn. 6 mwN). Zur Frage, inwieweit es zu einer vollständigen Erfüllung der berechtigten Ansprüche des Opfers gekommen ist, dürfte der Stand des [X.] aufzuklären sein.