Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.04.2014, Az. B 11 AL 120/13 B

11. Senat | REWIS RS 2014, 6327

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verletzung rechtlichen Gehörs - keine ausreichende Bezeichnung des Verfahrensmangels)


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 22. August 2013 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Streitig ist, ob eine vom Kläger bezogene [X.] Invaliditätsrente zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld [X.]) geführt hat.

2

Die Beklagte lehnte den Antrag des [X.], ihm ab 10.9.2009 [X.] zu gewähren, mit der Begründung ab, der Anspruch ruhe, weil der Kläger eine der Rente wegen voller Erwerbsminderung vergleichbare [X.] Rente der Kategorie 2 beziehe (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom [X.]). Während das Sozialgericht (SG) entsprechend dem Antrag des [X.] die Beklagte verurteilt hat, ab 10.9.2009 [X.] unter Anrechnung der [X.]n Rente zu zahlen (Urteil vom [X.]), hat das [X.] ([X.]) auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.8.2013). Das [X.] hat die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des [X.] im streitgegenständlichen Zeitraum offen gelassen, weil jedenfalls der Anspruch nach § 142 Abs 1 [X.], [X.] ([X.]) in der bis 31.3.2012 geltenden Fassung (aF) geruht habe. Bei dem Anspruch des [X.] auf die [X.] Rente handle es sich um einen von einem ausländischen Träger zuerkannten vergleichbaren Anspruch iS des § 142 Abs 3 [X.] aF. Maßgebend seien verschiedene, im [X.] abrufbare Bestimmungen des [X.]. Die [X.] Rente der Kategorie 2 weise die gleichen gemeinsamen und typischen Merkmale auf wie die [X.] Rente wegen voller Erwerbsminderung.

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

4

Er rügt zunächst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass das [X.] sich auf einen aus dem [X.] besorgten, in [X.]r Sprache gehaltenen Gesetzestext habe stützen wollen. Hiervon habe er erst aus den Gründen des Berufungsurteils erfahren. Durch den Verweis auf die im Urteil genannten Bestimmungen des [X.], die das [X.] nicht in das Verfahren eingeführt habe und bei denen es sich nicht um allgemeinkundige Tatsachen handle, sei er überrascht worden. Er habe auch keine Möglichkeit gehabt, sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Durch die Vorgehensweise des [X.] sei er daran gehindert worden, zu den Bestimmungen des [X.] Stellung zu nehmen. Er hätte vorgetragen, dass das [X.] keine Gewähr für einen korrekten und vollständigen Abruf von Rechtsvorschriften biete und Übersetzungen [X.]r Rechtstexte nicht rechtsverbindlich seien; er hätte auch auf die Notwendigkeit einer Übersetzung und die Zugänglichmachung der Texte in [X.]r und [X.]r Sprache sowie auf Einholung eines rechtsvergleichenden Gutachtens bestanden.

5

Ferner rügt der Kläger den Verfahrensmangel der ermessensfehlerhaften Ermittlung des ausländischen Rechts. Soweit nach § 160 Abs 2 [X.] Sozialgerichtsgesetz ([X.]) die Rüge der Verletzung des § 103 [X.] nur möglich sei, wenn sie sich auf einen Beweisantrag beziehe, sei zu beachten, dass die über § 202 [X.] anwendbare Verfahrensvorschrift des § 293 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht unter die Ausnahmevorschrift des § 160 Abs 2 [X.] [X.] falle. Dass es sich bei der Verletzung der prozessrechtlichen Ermittlungsverpflichtung aus § 293 ZPO um einen rügbaren Verfahrensmangel handle, sei für die ZPO anerkannt. Auch sei zu beachten, dass ausländische Rechtsnormen für [X.] Rechtssätze und nicht Tatsachen seien.

6

II. Die Beschwerde ist nicht zulässig. Die geltend gemachten Verfahrensfehler - Verletzung des rechtlichen Gehörs und Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das [X.] - sind nicht in der nach § 160a Abs 2 [X.] [X.] gebotenen Weise bezeichnet.

7

Zur Bezeichnung eines [X.], auf dem das Urteil des [X.] beruhen kann (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]), sind in der Begründung der Beschwerde die den Mangel (angeblich) begründenden Tatsachen substanziiert und schlüssig darzutun ([X.] [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.] 3-1500 § 73 [X.]; stRspr). Das [X.] ([X.]) muss allein anhand des [X.] darüber entscheiden können, ob ein die Revisionsinstanz eröffnender Verfahrensmangel in Betracht kommt ([X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]). Diese Anforderungen verfehlt die vorgelegte Beschwerdebegründung vom 3.1.2014.

8

Soweit der Kläger und Beschwerdeführer unter Hinweis auf die §§ 62 und 128 Abs 2 [X.] beanstandet, dass das [X.] erstmals im Berufungsurteil auf einzelne Bestimmungen des [X.] verwiesen hat, zu denen er sich nicht habe äußern können, legt er eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das [X.] nicht schlüssig dar. Dem Vorbringen der Beschwerdebegründung ist insbesondere nicht zu entnehmen, das Urteil des [X.] einschließlich der gegebenen Begründung sei für den Kläger eine Überraschungsentscheidung gewesen, weil das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine [X.] gegeben habe, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen [X.] nicht zu rechnen brauchte (vgl [X.] 86, 133; Beschluss des [X.]s vom 23.12.2002 - [X.] AL 233/02 B -; [X.] [X.] 4-2500 § 103 [X.] 6).

9

Aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, die insoweit auch im Wesentlichen in der Beschwerdebegründung dargestellt werden, ergibt sich vielmehr, dass das [X.] genau die Argumentation aufgegriffen hat, die bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils und insbesondere der Berufungsbegründung der Beklagten (mit Hinweisen ua auf ein Urteil des [X.] vom [X.]) war. Die entscheidende Frage, ob die [X.] Rente der Kategorie 2 der [X.]n Rente wegen voller Erwerbsminderung vergleichbar ist oder nicht, hat das [X.] unter Eingehen auf die während des Verfahrens bereits vorgetragenen bzw aus den Akten ersichtlichen Argumente erörtert. Soweit das angefochtene Urteil (vorwiegend zusätzlich in [X.]) Hinweise auf die eingangs genannten [X.]n Vorschriften enthält, ist nicht ersichtlich, inwiefern der im Berufungsverfahren rechtskundig vertretene Kläger gehindert gewesen sein sollte, zu diesen Vorschriften Stellung zu nehmen und sich insoweit rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl zu dieser Obliegenheit ua [X.], Beschluss vom [X.], 1 BvR 3268/07; [X.]E 68, 205, 210 = [X.] 3-2200 § 667 [X.] 1).

Eine schlüssige Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt im Übrigen auch deshalb nicht vor, weil der Beschwerdeführer im [X.] seines Vorbringens geltend macht, die Ermittlungen des [X.] zum Inhalt des einschlägigen [X.]n Rechts seien unzureichend gewesen (vgl zur Einbeziehung der Ermittlung ausländischen Rechts in den Amtsermittlungsgrundsatz ua [X.]E 21, 151, 154 = [X.] [X.] 2 zu § 1 [X.]; [X.] [X.] 4-4200 § 11 [X.]). Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 [X.]) eröffnet den [X.] gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.] nur, wenn geltend gemacht wird, das [X.] sei einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt. Der Kläger und Beschwerdeführer macht gerade nicht geltend, er habe im Berufungsverfahren einen Beweisantrag gestellt, dem das [X.] nicht gefolgt sei. Die Anforderungen des § 160 Abs 2 [X.] [X.] können aber nicht dadurch umgangen werden, dass der Beschwerdeführer gleichzeitig oder zusätzlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt (vgl [X.] [X.] 1500 § 160 [X.]; [X.] 4-1500 § 160 [X.]; stRspr).

Soweit sich der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der behaupteten Verletzung der Amtsermittlungspflicht auch auf § 293 ZPO beruft und vorträgt, diese Vorschrift falle nicht unter die "Ausnahmevorschrift" des § 160 Abs 2 [X.] [X.], vermag ihm der [X.] nicht zu folgen. Eine entsprechende Anwendung des § 293 ZPO kommt gemäß § 202 S 1 [X.] nur in Betracht, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der Verfahrensarten dies nicht ausschließen. Für das sozialgerichtliche Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§§ 160, 160a [X.]) bedeutet dies, dass die Regelung des § 160 Abs 2 [X.] [X.] zum grundsätzlichen Erfordernis eines Beweisantrags vorrangig zu beachten ist. Für die Entscheidung im vorliegenden [X.] spielt somit die Handhabung der Ermittlung ausländischen Rechts in den der ZPO unterfallenden Verfahren keine Rolle.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Hinweisen der Beschwerdebegründung auf Rechtsprechung bzw Literatur, wonach ausländische Rechtsnormen als "Rechtssätze" anzusehen seien. Denn die Charakterisierung ausländischer Rechtsnormen ändert nichts daran, dass sie nach der Rechtsprechung des [X.] in den Tatsacheninstanzen wie Tatsachen zu ermitteln sind (so beispielsweise ausdrücklich die in der Beschwerdebegründung zitierte Entscheidung des [X.] vom 11.5.2011 - B 5 R 22/10 R - Juris Rd[X.] 23). § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist deshalb im [X.] unabhängig davon anzuwenden, ob in einem Revisionsverfahren uU ausländische Rechtsnormen durch das Revisionsgericht in rechtlicher Hinsicht überprüft werden können (vgl dazu etwa [X.]E 102, 211, 213 = [X.] 4-4300 § 142 [X.]).

Da der Beschwerdeführer somit die behaupteten Verfahrensfehler nicht schlüssig bezeichnet hat, ist nicht näher darauf einzugehen, dass es auch an hinreichenden Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit eines etwaigen [X.] fehlt (§ 160 Abs 2 [X.] Halbs 1 [X.]). Denn die Beschwerdebegründung äußert sich nicht zu der vom [X.] offen gelassenen Frage, ob im streitgegenständlichen Zeitraum die Voraussetzungen eines Anspruchs auf [X.] überhaupt erfüllt waren.

Von einer weiteren Begründung sieht der [X.] ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]).

Die unzulässige Beschwerde ist zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1, § 169 [X.]).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 11 AL 120/13 B

11.04.2014

Bundessozialgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Speyer, 25. Juni 2012, Az: S 4 AL 252/10, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 62 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.04.2014, Az. B 11 AL 120/13 B (REWIS RS 2014, 6327)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6327

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