Bundessozialgericht, Urteil vom 21.09.2017, Az. B 8 SO 4/16 R

8. Senat | REWIS RS 2017, 4930

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Gegenstand

Sozialhilfe - Hilfe zur Pflege - häusliche Pflege - Tod des Pflegebedürftigen - Anspruch des ambulanten Pflegedienstes auf Übernahme noch offener Kosten für erbrachte Pflegeleistungen - Abtretung des Freistellungsanspruchs gegen den Sozialhilfeträger - Abtretungsverbot


Leitsatz

1. Die Abtretung eines an die Stelle eines Sachleistungsanspruchs getretenen Freistellungsanspruchs gegen den Sozialhilfeträger ist nicht wegen des im Sozialhilferecht geltenden Abtretungsverbots ausgeschlossen, wenn der Anspruch bereits festgestellt ist.

2. Ein ambulanter Pflegedienst kann grundsätzlich Zessionar einer Forderung gegen den Sozialhilfeträger sein.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 30. September 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2881,65 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

[X.] ist ein Anspruch eines vom Kläger getragenen ambulanten [X.] auf Zahlung von 2881,65 Euro für die [X.]) vor seinem Tod (am 12.7.2010) erbrachte ambulante [X.]flege.

2

Der [X.] bewilligte [X.] erstmals für die [X.] vom [X.] bis [X.] Hilfe zur [X.]flege in Form der Hauspflege als Sachleistung, die der ambulante [X.]flegedienst auf Grundlage eines zwischen ihm und [X.] mit Wirkung ab [X.] abgeschlossenen [X.]flegevertrags (vom [X.]) erbrachte. Nachdem sich [X.] vom 23.11.2009 bis [X.] in einer stationären Einrichtung befunden hatte, teilte dessen Betreuer dem [X.]n mit (Schreiben vom 18.1.2010), [X.] lebe wieder in seiner Wohnung. Es werde die Kostenübernahme für häusliche [X.]flege ab 11.1.2010 beantragt, die wieder durch den ambulanten [X.]flegedienst des Klägers erbracht werde. Der [X.] forderte diverse Unterlagen an, entschied aber, nachdem [X.] verstorben war, nicht mehr über den Antrag.

3

Nach dem Tod des [X.] beantragte der Kläger zunächst erfolglos, an ihn offene [X.]flegekosten von 4373,67 Euro für die in der [X.] vom 1.5. bis [X.] erbrachten [X.]flegeleistungen zu zahlen (bestandskräftiger Bescheid vom 17.3.2011). Daraufhin machte er die Zahlung offener Hauspflegekosten aus abgetretenem Recht in Höhe von 2881,65 Euro geltend (Antrag vom 19.7.2011). Er habe mit der für den Nachlass des Verstorbenen bestellten Nachlasspflegerin, die für dessen unbekannte Rechtsnachfolger handele, eine Abtretungsvereinbarung geschlossen. Diesen Antrag lehnte der [X.] ebenfalls ab (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 22.8.2012).

4

Das dagegen gerichtete Klageverfahren ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19.1.2015; Urteil des Landessozialgerichts <[X.]> Berlin-Brandenburg vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, es sei im Wege der geltend gemachten gewillkürten Rechtsnachfolge mittels Abtretung kein Recht auf den Kläger übergegangen. Ansprüche des [X.] seien auf Sachleistungsverschaffung ausgerichtet gewesen und wegen ihres höchstpersönlichen Charakters nicht auf die noch unbekannten Erben übergangsfähig. Ein mittels der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machender Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten aus den §§ 75 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ([X.]), wonach der Sozialhilfeträger zur zügigen Bescheidung verpflichtet sei, bestehe gleichermaßen nicht. Ein derartiger Anspruch könne allenfalls dem Hilfeempfänger selbst, nicht aber dem Leistungserbringer zustehen. Vor der Bewilligung der Leistung gegenüber dem Hilfeempfänger erlange der Leistungserbringer im Verhältnis zum Leistungsträger keine rechtlich verfestigte Stellung. Es sei seiner betriebswirtschaftlichen Einschätzung überlassen, ob er zuvor ein Kostenrisiko eingehe.

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 58, 59 Sozialgesetzbuch [X.] - ([X.]). Es sei nicht vom Erlöschen der Ansprüche mit dem Tod des [X.] nach § 59 [X.] auszugehen, weil dieser zu Lebzeiten seinen Bedarf durch einen Dritten gedeckt habe, der im Vertrauen auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe vorgeleistet habe. Der Anspruch der Erben sei nicht auf Sachleistung ([X.]rimäranspruch), sondern auf Geldleistung ([X.]) gerichtet. Dieser sei nach § 58 [X.] vererbbar und deshalb auch abtretbar. Da [X.] verstorben sei, bestehe kein Anlass, die [X.] auf bereits bewilligte Leistungen zu beschränken, um die persönliche Dispositionsfreiheit des Hilfebedürftigen über seine Sozialleistungsansprüche zu schützen. Der Klage sei auch ohne Erbenermittlung stattzugeben, weil der [X.] nicht nur gegenüber [X.], sondern auch gegenüber ihm, dem Kläger, vertragliche Nebenpflichten aus den Verträgen nach den §§ 75 ff [X.] verletzt habe. Deshalb sei der [X.] nach § 61 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ([X.]) iVm §§ 280, 278, 249 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Schadensersatz verpflichtet. Der [X.] habe ihn, den Kläger, in die keinen Aufschub duldende Versorgung von Bedürftigen mit Hilfe zur [X.]flege eingebunden. Es gehöre daher zu den vertraglichen Nebenpflichten, die Anträge der Hilfebedürftigen zügig zu bearbeiten und, sobald dies möglich sei, den Schuldbeitritt zu erklären.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 30. September 2015 und des [X.] vom 19. Januar 2015 sowie den Bescheid vom 5. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2012 aufzuheben und den [X.]n zu verurteilen, ihm 2881,65 Euro zu zahlen.

7

Der [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ).

Gegenstand des Verfahrens ist zunächst der Bescheid vom [X.] vom 22.8.2012 (§ 95 SGG), mit dem es der [X.] abgelehnt hat, die Forderung des [X.] zu bezahlen. Dagegen wendet sich der [X.]läger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4, § 56 SGG), mit der er Zahlung an sich selbst aus abgetretenem Recht geltend macht. Daneben sind Gegenstand des Verfahrens Schadensersatzansprüche wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, die der [X.]läger zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG verfolgt. Die [X.]lage auf Schadensersatz wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten ist ein Beteiligtenstreit im [X.], in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat, kein Vorverfahren durchzuführen und keine [X.]lagefrist zu beachten ist. Der [X.]läger hat den behaupteten Anspruch auch konkret beziffert (vgl zur Notwendigkeit auch [X.], 254, 263 = [X.]-2500 § 37 [X.]; [X.], 300 = [X.]-2500 § 39 [X.] 2).

Soweit der [X.]läger einen Sozialhilfeanspruch des [X.] aus abgetretenem Recht geltend macht, hat der [X.] zu Recht durch Verwaltungsakt (§ 31 [X.]) entschieden (vgl aber zur fehlenden Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes bei einem im [X.] geltend gemachten Zahlungsanspruch nach bereits erfolgtem Schuldbeitritt BSG [X.]-3500 § 75 [X.] 6 Rd[X.] 12 mwN). Denn der aus abgetretenem Recht geltend gemachte Anspruch ist öffentlich-rechtlicher Natur und hat seine Grundlage nicht im zivilrechtlichen Vertragsverhältnis zwischen [X.] und dem [X.]läger. Der Anspruch leitet sich ausschließlich aus der bis zum Tod des [X.] bestandenen Sozialrechtsbeziehung mit dem [X.]n ab, die nach § 75 Abs 1 Satz 2 [X.] auch im Bereich ambulanter Dienste (vgl BSG [X.]-3500 § 75 [X.] 6) durch ein sozialhilferechtliches Dreiecksverhältnis geprägt ist. Dieses geht davon aus, dass der Sozialhilfeträger die ihm obliegende Leistung nicht als Geldleistung an den jeweiligen Hilfeempfänger erbringt, um diesem die Zahlung des vertraglichen Entgelts aus dem Vertrag über die Erbringung von ambulanten [X.]flegeleistungen zu ermöglichen, sondern dass die Zahlung direkt an den Dienst erfolgt, der die [X.]flege leistet.

Ein Anspruch des [X.] aus abgetretenem Recht besteht jedoch nicht. Eine Abtretung scheitert allerdings nicht schon daran, dass der Anspruch des [X.] auf Leistungen nach dem [X.] nicht vererbt und schon deshalb nicht abgetreten werden könnte. Grundsätzlich erlöschen Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten (§ 59 Satz 1 [X.] idF des [X.], [X.] 3015). Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen dagegen nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist (§ 59 Satz 2 [X.]). Nur soweit fällige Ansprüche auf Geldleistungen nicht nach den §§ 56 und 57 [X.] einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, werden sie nach den Vorschriften des [X.] vererbt (§ 58 Satz 1 [X.]).

Ein grundsätzlich vererbbarer Geldleistungsanspruch ist hier im Streit. Ein Sozialhilfeanspruch ist nach der Rechtsprechung des Senats nach Maßgabe der §§ 58, 59 [X.] grundsätzlich dann vererblich, wenn der Hilfebedürftige zu Lebzeiten seinen Bedarf mit Hilfe eines im Vertrauen auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe vorleistenden Dritten gedeckt hat, weil der Sozialhilfeträger nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat ([X.], 210 ff = [X.]-3500 § 28 [X.] 9, Rd[X.] 12; [X.], 18 ff). Dabei steht der Fall, dass im Zeitpunkt des Todes wegen einer bereits vor dem Tod durch den Leistungserbringer gedeckten Bedarfslage - wie hier - noch Schulden gegenüber diesem bestehen, die aus dem Nachlass zu begleichen sind, dem vom Senat bereits entschiedenen Fall der Vorleistung in Geld durch einen Dritten gleich (dazu BSG vom 12.5.2017 - B 8 [X.] 14/16 R). Denn die (noch zu ermittelnden unbekannten) Erben haben die hierdurch entstandenen Verbindlichkeiten zu begleichen. Diese Fallgestaltung unterscheidet sich substanziell nicht von der Fallgestaltung, in der der spätere Erbe schon vor dem Tod des Hilfebedürftigen die Verbindlichkeiten (im Vorgriff auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe) erfüllt oder der Leistungserbringer die Forderung im Vertrauen auf den Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers stundet (dazu [X.], 18 ff juris Rd[X.] 9). Der ursprüngliche Anspruch auf Sachleistungsverschaffung wandelt sich in einen Geldleistungsanspruch (Erstattungsanspruch), soweit die Erben bereits selbst vorgeleistet haben, oder in einen Anspruch auf Freistellung von der Schuld, wenn - wie hier - die Verbindlichkeit gegenüber dem vorleistenden Dritten (dem [X.]läger) noch besteht. Die Nähe des [X.] der §§ 75 ff [X.] zur gesetzlichen [X.]rankenversicherung - (vgl [X.], 1 ff = [X.]-1500 § 75 [X.] 9, Rd[X.] 17) rechtfertigt dieses Ergebnis (vgl zum sachleistungsersetzenden [X.]ostenerstattungs- oder -freistellungsanspruch wegen Systemversagens, § 13 Abs 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche [X.]rankenversicherung , [X.], 10 = [X.]-2500 § 13 [X.] 32, Rd[X.] 8; [X.], 170 = [X.]-2500 § 34 [X.] 18 Rd[X.] 9), zumal der Gesetzgeber selbst im Fall des § 19 Abs 6 [X.] (dazu später) von einer solcher Umwandlung ausgegangen sein muss (vgl zu § 19 Abs 6 [X.]: BT-Drucks 13/3904 [X.]; [X.] in juris[X.][X.]-[X.], 2. Aufl 2014, § 19 [X.], Rd[X.] 50.1). Nachdem der [X.]läger die Hilfe zur [X.]flege in dem hier streitigen Zeitraum erbracht hat und nur noch die Verbindlichkeit ihm gegenüber als vorleistendem Dritten zu erfüllen ist, reduziert sich das Interesse des Berechtigten - hier der unbekannten Erben - auf [X.]ostenfreistellung und [X.]ostenerstattung, ist mithin auf eine Geldleistung gerichtet (vgl zum persönlichen Budget nach dem Tod des Berechtigten [X.], 32 = [X.]-3250 § 17 [X.] 4, Rd[X.] 22; zu den [X.]osten eines [X.] BSG [X.]-2500 § 60 [X.] 7 Rd[X.] 9); dieser Anspruch ist, weil im Zeitpunkt des Todes ein Verwaltungsverfahren anhängig war (dazu später) auch nicht erloschen.

Die Abtretung eines auf die noch unbekannten Erben übergegangenen [X.] scheitert jedoch an § 17 Abs 1 Satz 2 [X.]. Danach kann der Anspruch auf Sozialhilfe nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. Die Regelung trägt der höchstpersönlichen Natur (vgl auch § 399 [X.]) von [X.] Rechnung und sieht grundsätzlich keine Ausnahmen vor (zur Unzulässigkeit der Abtretung von Ansprüchen, die höchstpersönlicher Natur sind, vgl auch [X.] vom [X.] - 2 C 7/96; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 53 Rd[X.] 21, Stand Dezember 2005; [X.]flüger in juris[X.][X.]-[X.], 2. Aufl 2011, § 53 [X.] Rd[X.] 19). Unter das Abtretungsverbot fallen nicht nur die Sachleistungen selbst, sondern grundsätzlich auch ihre Surrogate, insbesondere Geldleistungen, wenn sie zweckgebunden für eine konkrete Dienst- oder Sachleistung gezahlt werden (vgl nur: [X.] in [X.]/[X.], aaO, Rd[X.] 22, Stand Dezember 2005; [X.]flüger, aaO, Rd[X.] 20).

Anders liegt es zum einen, wenn der Berechtigte die Leistung selbst vorfinanziert hat. Der dann ggf bestehende Erstattungsanspruch ist ein Geldleistungsanspruch, über den der Berechtigte verfügen kann. Gleiches gilt zum anderen, wenn der Hilfebedürftige bzw seine Erben - wie hier - die selbst beschaffte Leistung zwar nicht vorfinanziert haben, nach dem Tod des Berechtigten aber gegenüber dem zuständigen Leistungsträger zur Vermeidung eines Rückgriffs einen Anspruch auf Freistellung von den [X.]osten des [X.]flegedienstes haben (vgl dazu im Recht der Gesetzlichen [X.]rankenversicherung: [X.], 134, 135 = [X.] 2200 § 182 [X.] 76 S 143; BSG [X.]-2500 § 13 [X.] 29 mwN), den sie an den Gläubiger abtreten und der sich dadurch in der [X.]erson des Gläubigers der zur tilgenden Leistung in einen Zahlungsanspruch umwandelt ([X.], 45 ff; vgl auch [X.], 6 ff = [X.]-2500 § 13 [X.] 9). Wegen des höchstpersönlichen Charakters des zugrundliegenden ([X.]rimär-)Anspruchs setzt eine Abtretung dann aber voraus, dass der Anspruch bereits festgestellt ist. Das Abtretungsverbot, resultierend aus der höchstpersönlichen Natur des [X.], schützt den Anspruchsinhaber nicht nur davor, durch Abtretung, Verpfändung oder [X.]fändung seine Rechte auf die existenzsichernden Leistungen zu verlieren, sondern darüber hinaus davor, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht aus der Hand zu geben (vgl in anderem Zusammenhang: [X.], 6 ff = [X.]-2500 § 13 [X.] 9; vgl generell dazu: [X.] 65, 1, 41 ff; [X.] [X.]-2500 § 295 [X.] 2 S 12 mwN; zur Abtretung von Ansprüchen nach dem [X.] [X.], 292 = [X.]-3500 § 25 [X.] 3, Rd[X.] 28). Hieran ändert auch der Tod des [X.] nichts. Denn die in Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) aller staatlichen Gewalt auferlegte Verpflichtung, dem Einzelnen Schutz gegen Angriffe auf seine Menschenwürde zu gewähren, und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung enden nicht mit dem Tod ([X.], Beschluss vom [X.]; [X.] vom 26.2.2013 - VI ZR 359/11). Die Abtretung eines möglichen [X.] führt mithin nicht zu einer umfassenden Neubestimmung der Gläubigerstellung oder dem vollständigen Eintritt des neuen Gläubigers in das gesamte [X.] einschließlich seines [X.]flichtengefüges (zur Abtretung von Ansprüchen nach dem [X.] [X.], 292 = [X.]-3500 § 25 [X.] 3, Rd[X.] 28) mit der [X.]onsequenz, dass der Zessionar die Feststellung des Anspruchs selbst betreiben könnte. Vielmehr ist das abtretbare Recht von vornherein auf den festgestellten Anspruch begrenzt.

An einem solchen fehlt es hier. Im Zeitpunkt des Todes des [X.] war das Verwaltungsverfahren über seinen Antrag auf "Übernahme" von [X.]osten der ambulanten [X.]flege noch nicht abgeschlossen. Darüber, ob und in welchem Umfang ihm tatsächlich ein Anspruch auf diese Leistungen zustand, hatte und hat der [X.] noch nicht entschieden.

Eine Entscheidung hatte und hat der [X.] trotz des Todes des [X.] noch zu treffen. Das Verwaltungsverfahren, das - wie ausgeführt - nach dem Tod des [X.] nicht mehr auf die Bescheidung eines höchstpersönlichen Anspruchs (Schuldbeitritt), sondern auf Freistellung von den [X.]osten gerichtet ist, erledigte sich durch dessen Tod nicht (sog Akzessorietät des Verfahrensrechts zum materiellen Recht, dazu [X.] in [X.]/[X.], Verwaltungsverfahrensgesetz, 18. Aufl 2017, § 13 Rd[X.] 58 ff). Die noch unbekannten Rechtsnachfolger, vertreten durch die Nachlasspflegerin, sind in die Beteiligtenstellung des [X.] im laufenden Verwaltungsverfahren eingetreten (Roller in von [X.]/Schütze, [X.], 8. Aufl 2014, § 12 Rd[X.] 14 mwN) und deshalb berechtigt, den auf sie übergegangenen Anspruch gegenüber dem [X.]n geltend zu machen. Eine Unterbrechung des Verwaltungsverfahrens bis zur Aufnahme durch die Rechtsnachfolger bzw die Nachlasspflegerin, vergleichbar der Situation im [X.]rozessrecht (§ 202 SGG iVm § 239 Zivilprozessordnung ) sieht das [X.] für das nicht förmliche Verwaltungsverfahren (§ 9 [X.]) grundsätzlich nicht vor. Deshalb ist der [X.] auch nicht berechtigt, eine Entscheidung über den Anspruch davon abhängig zu machen, ob Erben des [X.] tatsächlich ermittelt werden können oder der Fiskus als Erbe ggf bestehende Ansprüche (nicht) geltend machen kann (§ 58 Satz 2 [X.]).

Die Vererbbarkeit des [X.]ostenfreistellungsanspruchs sowie die Abtretung festgestellter Ansprüche der Erben steht systematisch nicht in Widerspruch zur privilegierten Stellung der Einrichtungen beim Tod des Hilfebedürftigen, wie sie in § 19 Abs 6 [X.] als Reaktion auf die Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zur prinzipiellen Unvererblichkeit von [X.] ihren Ausdruck gefunden hat (zum Ganzen ausführlich zuletzt BSG [X.]-5910 § 28 [X.] 1). Danach steht der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf [X.]flegegeld, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die [X.]flege geleistet hat. Die Vorschrift regelt einen besonderen Fall der Sonderrechtsnachfolge im Sinne einer cessio legis; die in § 19 Abs 6 [X.] genannten [X.]ersonen treten bei Vorliegen der in der Vorschrift geregelten Voraussetzungen in die Rechtsstellung des verstorbenen Hilfeempfängers ein. Diese, vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollte Sonderstellung von Einrichtungen im Verhältnis zu ambulanten Diensten (dazu [X.], 264 ff = [X.]-3500 § 19 [X.] 2) bleibt unberührt. Denn anders als im Fall des § 19 Abs 6 [X.] geht auf den [X.]läger gerade kein Anspruch kraft Gesetzes über. Zugleich kann § 19 Abs 6 [X.] aber auch nicht so verstanden werden, dass er jede Form der Anspruchsrealisierung durch einen ambulanten Dienst nach dem Tod des Hilfebedürftigen ausschließen will. Es liegt aber allein in der Hand der Nachlasspflegerin (also der unbekannten Erben) die Feststellung des Anspruchs weiter zu betreiben. Besteht ein solcher und stehen auch die Rechtsnachfolger fest, hat der Sozialhilfeträger ihn durch Zahlung an den ambulanten Dienst zu befriedigen; denn auch der Hilfebedürftige selbst hätte im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis nur Zahlung an den Dienst und nicht an sich selbst verlangen können.

Infolgedessen scheidet der vom [X.]läger geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz aus Verletzung von Nebenpflichten aus den Verträgen nach den §§ 75 ff [X.] bereits mangels eines möglichen Schadens aus. Denn besteht ein Anspruch der Rechtsnachfolger auf [X.]ostenfreistellung, hat der [X.] die ungedeckten [X.]osten unmittelbar an den [X.]läger zu zahlen. Im Übrigen schützt, wie es das [X.] zutreffend ausgeführt hat, die vom [X.]läger zur Begründung seiner Forderung herangezogene Vertragsklausel allenfalls den [X.]flegebedürftigen selbst, nicht aber den ambulanten Dienst. Insoweit hat auch die Leistungsklage keinen Erfolg.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz.

Meta

B 8 SO 4/16 R

21.09.2017

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Berlin, 19. Januar 2015, Az: S 184 SO 2424/12, Urteil

§ 61 SGB 12, §§ 61ff SGB 12, § 75 SGB 12, §§ 75ff SGB 12, § 58 S 1 SGB 1, § 59 S 1 SGB 1, § 59 S 2 SGB 1, § 17 Abs 1 S 2 SGB 12, § 19 Abs 6 SGB 12, Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 21.09.2017, Az. B 8 SO 4/16 R (REWIS RS 2017, 4930)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4930

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