Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.10.2017, Az. VI R 47/15

6. Senat | REWIS RS 2017, 4393

STEUERRECHT LEBENSPARTNERSCHAFT (EINGETRAGENE) STEUERN HOMOSEXUALITÄT KINDER BUNDESFINANZHOF (BFH) KÜNSTLICHE BEFRUCHTUNG

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Gegenstand

Aufwendungen für IVF einer in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebenden unfruchtbaren Frau als außergewöhnliche Belastung


Leitsatz

1. Aufwendungen einer empfängnisunfähigen (unfruchtbaren) Frau für eine heterologe künstliche Befruchtung durch In-vitro-Fertilisation (IVF) sind als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) auch dann zu berücksichtigen, wenn die Frau in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt.

2. Da die Aufwendungen dazu dienen, die Fertilitätsstörung der Steuerpflichtigen auszugleichen, sind sie als insgesamt --einschließlich der auf die Bereitstellung und Aufbereitung des Spendersamens entfallenden Kosten-- auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung darauf gerichtet, die Störung zu überwinden. Eine Aufteilung der Krankheitskosten kommt insoweit nicht in Betracht.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 23. Juli 2015  6 K 93/13 E aufgehoben.

Die Einkommensteuer für das [X.] wird unter Änderung des [X.] vom 30. Mai 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 2012 des Beklagten auf den Betrag festgesetzt, der sich bei der Berücksichtigung von zusätzlichen Krankheitskosten in Höhe von 8.498,85 € als außergewöhnliche Belastung ergibt.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) lebte im Streitjahr (2011) in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Eine eingetragene Partnerschaft bestand zu dieser [X.] noch nicht. Aufgrund einer primären Sterilität (Unfruchtbarkeit) konnte die Klägerin ohne medizinischen Eingriff nicht schwanger werden. Aus diesem Grund ließ sie sich ab dem [X.] durch verschiedene medizinische Maßnahmen behandeln, um eine Schwangerschaft herbeizuführen.

2

Im Streitjahr ließ die Klägerin in der Y-klinik in [X.] eine In-vitro-Fertilisation ([X.]) unter Verwendung von Samenzellen eines Spenders durchführen. Die [X.] Klinik unterlag der Kontrolle der [X.]n Gesundheitsbehörden. Vor und nach der Behandlung nahm die Klägerin Medikamente ein. Durch die Behandlung entstanden ihr Kosten in Höhe von insgesamt 8.498,85 €, die die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als außergewöhnliche Belastung geltend machte. Die Aufwendungen setzen sich zusammen aus Kosten für von den behandelnden Ärzten rezeptierte Medikamente (1.583,56 €), die Durchführung der [X.] in der Klinik (5.800 €) sowie für Fahrt- und Übernachtungskosten in [X.] (954 € [X.] 161,29 €).

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erkannte die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung an. Der gegen den Einkommensteuerbescheid eingelegte Einspruch blieb ebenfalls erfolglos. Das [X.] war der Ansicht, die Berücksichtigung der Aufwendungen für die künstliche Befruchtung als Krankheitskosten komme nicht in Betracht, weil die Maßnahme nicht in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen worden sei.

4

Die im [X.] erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) mit den in Entscheidungen der [X.]e (E[X.]) 2015, 2071 veröffentlichten Gründen ab. Es war im Wesentlichen der Ansicht, aufgrund der Unfruchtbarkeit der Klägerin stelle die [X.] zwar eine medizinisch indizierte Heilbehandlung dar. Es fehle jedoch an der erforderlichen Zwangsläufigkeit zwischen der Krankheit der Klägerin und den geltend gemachten Kosten. Denn die Kinderlosigkeit der Klägerin sei nicht unmittelbare und ausschließliche Folge ihrer krankheitsbedingten Unfruchtbarkeit gewesen, sondern sei zugleich maßgeblich darin begründet, dass sie in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebe, in der die Zeugung eines Kindes auf natürlichem Wege ausgeschlossen sei. Die [X.] habe damit in erster Linie der Realisierung des Kinderwunsches gedient.

5

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

6

Sie beantragt,
das [X.]-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 30. Mai 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 2012 dahingehend zu ändern, dass zusätzliche Krankheitskosten in Höhe von 8.498,85 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

7

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision ist [X.]egründet. Sie führt zur Aufhe[X.]ung des angefochtenen Urteils und zur Stattga[X.]e der Klage (§ 126 A[X.]s. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat die von der Klägerin in Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung getragenen Aufwendungen zu Unrecht nicht als zwangsläufig i.S. von § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) [X.]eurteilt. Aufgrund der vom [X.] getroffenen Feststellungen kann der Senat in der Sache sel[X.]st entscheiden.

9

1. Nach § 33 A[X.]s. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der ü[X.]erwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen [X.] erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht ü[X.]ersteigen (§ 33 A[X.]s. 2 Satz 1 EStG).

a) In ständiger Rechtsprechung geht der [X.] ([X.]) davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der [X.] dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten [X.]erücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel er[X.]racht werden, die Krankheit erträglich zu machen ([X.]-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, [X.]E 133, 545, [X.] 1981, 711; vom 13. Fe[X.]ruar 1987 III R 208/81, [X.]E 149, 222, [X.] 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, [X.]E 149, 539, [X.] 1987, 596; vom 2. Septem[X.]er 2010 VI R 11/09, [X.]E 231, 69, [X.] 2011, 119).

[X.]) Im Hin[X.]lick auf die für den A[X.]zug nach § 33 EStG erforderliche Zwangsläufigkeit wird nicht danach unterschieden, o[X.] ärztliche Behandlungsmaßnahmen oder medizinisch indizierte Hilfsmittel der Heilung dienen oder lediglich einen körperlichen Mangel ausgleichen sollen. Deshal[X.] werden regelmäßig auch Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung [X.]erücksichtigt, o[X.]wohl der körperliche Mangel durch die [X.]etreffende Maßnahme nicht [X.]eho[X.]en, sondern nur "umgangen" oder kompensiert wird (Senatsurteil vom 16. Dezem[X.]er 2010 VI R 43/10, [X.]E 232, 179, [X.] 2011, 414, Rz 13). An der einzigen Ausnahme im [X.]-Urteil vom 28. Juli 2005 III R 30/03 ([X.]E 210, 355, [X.] 2006, 495) --kein A[X.]zug von Aufwendungen für künstliche Befruchtungen einer unverheirateten empfängnisunfähigen [X.] hat der [X.] nicht festgehalten ([X.]-Urteil vom 10. Mai 2007 III R 47/05, [X.]E 218, 141, [X.] 2007, 871). Denn die Empfängnisunfähigkeit einer Frau ist --una[X.]hängig von ihrem Familienstand-- eine Krankheit ([X.]-Urteil in [X.]E 210, 355, [X.] 2006, 495, unter [X.]). Dementsprechend erkennt der [X.] in ständiger Rechtsprechung Aufwendungen für die künstliche Befruchtung als Behandlung [X.]ei Sterilität an, wenn diese in Ü[X.]ereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen wird ([X.]-Urteile in [X.]E 210, 355, [X.] 2006, 495; in [X.]E 218, 141, [X.] 2007, 871; vom 21. Fe[X.]ruar 2008 III R 30/07, [X.]/NV 2008, 1309; Senatsurteile in [X.]E 232, 179, [X.] 2011, 414, und vom 17. Mai 2017 VI R 34/15, [X.]E 258, 358).

c) Voraussetzung ist allerdings weiter, dass die den Aufwendungen zugrunde liegende Behandlung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang steht. Denn eine nach nationalem Recht ver[X.]otene Behandlung kann keinen zwangsläufigen Aufwand i.S. des § 33 A[X.]s. 1 EStG [X.]egründen (Senatsurteil in [X.]E 258, 358). Vielmehr ist von den Steuerpflichtigen zu erwarten, dass sie gesetzliche Ver[X.]ote [X.]eachten. Aufwendungen für nach o[X.]jektiv-rechtlichen Maßstä[X.]en ver[X.]otene Behandlungsmaßnahmen sind sel[X.]st dann nicht zwangsläufig, wenn sie nicht straf- oder [X.]ußgeld[X.]ewehrt sind (Urteil des [X.] vom 18. Novem[X.]er 2014 B 1 [X.] 19/13 R, [X.], 212, Rz 11, zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung) oder wegen eines Strafausschließungsgrundes nicht geahndet werden ([X.] Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 2003  18 K 7931/00 E, E[X.] 2003, 1548; [X.] München, Beschluss vom 21. Fe[X.]ruar 2000  16 V 5568/99, E[X.] 2000, 496). Als außergewöhnliche Belastungen sind daher Kosten für eine künstliche Befruchtung nur zu [X.]erücksichtigen, wenn die aufwands[X.]egründende Behandlung ins[X.]esondere nicht gegen das [X.] Em[X.]ryonenschutzgesetz ([X.]) verstößt und --wie [X.]ereits unter [X.]) ausgeführt-- mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte im Einklang steht (zuletzt Senatsurteil in [X.]E 258, 358).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Aufwendungen der Klägerin für die medizinisch angezeigte künstliche Befruchtung als Krankheitskosten zu [X.]eurteilen und damit steuermindernd als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG zu [X.]erücksichtigen (unter a). Der Umstand, dass die Klägerin in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft le[X.]t, steht einer Berücksichtigung nicht entgegen (unter [X.]).

a) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat deshal[X.] [X.]indenden Feststellungen des [X.] (§ 118 A[X.]s. 2 [X.]O) konnte die Klägerin aufgrund einer primären Sterilität (Unfrucht[X.]arkeit) ohne medizinischen Eingriff nicht schwanger werden. Demzufolge hat das [X.] die gege[X.]ene Empfängnisunfähigkeit der Klägerin zutreffend als Krankheit und die vorgenommene [X.] als aus medizinischer Sicht erforderliche Heil[X.]ehandlung [X.]eurteilt.

aa) Die [X.] ist eine zur Behandlung dieser Krankheit --[X.]ei [X.] wie [X.] spezifisch erforderliche medizinische Leistung. Unerhe[X.]lich ist, dass mit den ärztlichen Maßnahmen nicht [X.]ezweckt ist, die Ursachen der Fertilitätsstörung zu [X.]eseitigen oder Schmerzen und Beschwerden zu lindern. Denn dem Begriff der Linderung einer Krankheit wohnt gerade nicht inne, dass damit auch eine Behe[X.]ung ihrer Ursachen ver[X.]unden ist. Von der Linderung einer Krankheit kann vielmehr schon dann gesprochen werden, wenn die ärztliche Tätigkeit auf die A[X.]schwächung oder eine partielle oder völlige Unter[X.]indung oder Beseitigung von Krankheitsfolgen gerichtet ist oder --wie vorliegend-- eine Ersatzfunktion für ein ausgefallenes Organ [X.]ezweckt wird (Senatsurteil in [X.]E 232, 179, [X.] 2011, 414, Rz 18).

[X.][X.]) [X.] ist, dass die [X.] im Streitfall mit heterologem Samen durchgeführt wurde (vgl. Senatsurteil in [X.]E 232, 179, [X.] 2011, 414, Rz 19, für den Fall einer heterologen künstlichen Befruchtung [X.]ei einem verheirateten Paar). Im Fall einer gleichgeschlechtlichen ([X.] ist [X.]ereits vom Grund her eine künstliche Befruchtung unter Verwendung homologen Samens, d.h. des Samen des Ehemannes oder des Partners in sta[X.]iler Partnerschaft (vgl. die Begriffs[X.]estimmung unter 1.5. der (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion des [X.] (Novelle 2006) --[X.]--, Deutsches Ärzte[X.]latt 2006, 1392/94), ausgeschlossen, das [X.]etroffene Paar vielmehr auf die Verwendung von heterologem Samen, d.h. Spendersamen, angewiesen. Die künstliche Befruchtung einer unter Sterilität leidenden Frau in fester Partnerschaft zielt --wie auch eine homologe oder heterologe künstliche Befruchtung wegen Sterilität eines heterosexuellen Partners-- auf die Beseitigung der Kinderlosigkeit des Paares unter Ersetzung der durch Krankheit [X.]ehinderten Körperfunktion der sterilen Frau durch eine medizinische Maßnahme.

[X.]) Entgegen der Auffassung des [X.] steht der Umstand, dass die Klägerin in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft le[X.]t, der Anerkennung der Krankheitskosten nicht entgegen.

So können Aufwendungen einer empfängnisunfähigen, in einer festen [X.]zw. festgefügten Partnerschaft le[X.]enden Frau --und damit ohne Rücksicht auf ihren Familienstand-- für Maßnahmen zur Sterilitäts[X.]ehandlung durch [X.] nach der Rechtsprechung des [X.] als außergewöhnliche Belastung a[X.]zieh[X.]ar sein ([X.]-Urteile in [X.]E 218, 141, [X.] 2007, 871; in [X.]/NV 2008, 1309).

aa) Zwar stellt die Rechtsprechung des [X.] --wie o[X.]en ausgeführt-- darauf a[X.], dass die Maßnahme zur Sterilitäts[X.]ehandlung in Ü[X.]ereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen wird ([X.]-Urteile in [X.]E 210, 355, [X.] 2006, 495; in [X.]E 218, 141, [X.] 2007, 871; in [X.]/NV 2008, 1309; Senatsurteile in [X.]E 232, 179, [X.] 2011, 414, und in [X.]E 258, 358; zustimmend [X.] in [X.], EStG, 16. Aufl., § 33 Rz 54 "Befruchtung"). Für die Prüfung dieser Frage ist da[X.]ei in der Regel die Richtlinie heranzuziehen, die von der Ärztekammer des die Behandlung durchführenden Arztes erlassen wurde. Wird die Behandlung --wie im [X.] im Ausland durchgeführt, ist es ausreichend, wenn der Steuerpflichtige diese zumindest in einem Bundesland hätte durchführen können.

Die von den [X.] erlassenen Berufsordnungen legen fest, dass [X.]ei speziellen medizinischen Maßnahmen oder Verfahren, die ethische Pro[X.]leme aufwerfen und zu denen die [X.] und zur Ausführung als Bestandteil der Berufsordnung festgelegt hat, die Ärztinnen und Ärzte diese zu [X.]eachten ha[X.]en. Dies gilt auch für die [X.]. Die [X.] ha[X.]en [X.]is auf den [X.] sowie die Länder [X.] und Branden[X.]urg auf der Grundlage der [X.] eigene Richtlinien zur assistierten Reproduktion erlassen. Zusätzlich enthält die [X.] einen Kommentar, der nicht ver[X.]indlich ist und den lediglich einige [X.] ü[X.]ernommen ha[X.]en.

Darin heißt es im Hin[X.]lick auf die [X.] regelmäßig unter 3.1.1 zu den statusrechtlichen Voraussetzungen: "Methoden der assistierten Reproduktion sollen unter Beachtung des Kindeswohls grundsätzlich nur [X.]ei Ehepaaren angewandt werden. ... Methoden der assistierten Reproduktion können auch [X.]ei einer nicht verheirateten Frau angewandt werden. Dies gilt nur, wenn die [X.]ehandelnde Ärztin/der [X.]ehandelnde Arzt zu der Einschätzung gelangt ist, dass die Frau mit einem nicht verheirateten [X.] in einer festgefügten Partnerschaft zusammenle[X.]t und dieser [X.] die Vaterschaft an dem so gezeugten Kind anerkennen wird." In den Kommentierungen ist interpretierend in der Regel ausgeführt, [X.]ei nicht miteinander verheirateten Paaren sei einer heterologen Insemination im Hin[X.]lick auf das Ziel, dem so gezeugten Kind eine sta[X.]ile Beziehung zu [X.]eiden Elternteilen zu sichern, mit [X.]esonderer Zurückhaltung zu [X.]egegnen. Aus diesem Grund sei eine heterologe Insemination zurzeit [X.]ei Frauen ausgeschlossen, die in keiner Partnerschaft oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft le[X.]ten. Anders als zur [X.] vor Erlass der [X.] ist eine heterologe Insemination [X.]ei Frauen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft le[X.]en, a[X.]er nicht mehr explizit ver[X.]oten.

Danach stehen die Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen des [X.] sowie der Länder [X.] und Branden[X.]urg der [X.]ei der Klägerin vorgenommenen Kinderwunsch[X.]ehandlung nicht entgegen. A[X.]er auch in [X.] hätte sie die Behandlung vornehmen können (vgl. Senatsurteil vom 5. Okto[X.]er 2017 VI R 2/17).

Dass die Klägerin sich gleichwohl gezwungen sah, die Behandlung in [X.] vornehmen zu lassen, ist deshal[X.] im Streitfall unschädlich. Anhaltspunkte dafür, dass die Behandlung gegen das [X.] verstoßen ha[X.]en könnte, liegen nicht vor.

[X.][X.]) E[X.]enso wie [X.]ei Ehepaaren und heterosexuellen Le[X.]enspartnerschaften kann in entsprechenden Fällen einer künstlichen Befruchtung zur Umgehung einer vorhandenen Sterilität eines Partners auch [X.]ei gleichgeschlechtlichen Paaren eine tatsächliche Zwangslage damit nicht verneint werden (e[X.]enso [X.]/ [X.], EStG, 36. Aufl., § 33 Rz 35 "Künstliche Befruchtung"; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 33 Anh 1 ABC der [X.]" Rz 6; wohl auch [X.], Der Ertragsteuer[X.]erater 2007, 402; a.A. [X.] in [X.], a.a.[X.], § 33 Rz 54 "Befruchtung"). Entsprechend sind die von der Klägerin getragenen Kosten für die künstliche Befruchtung in Höhe von 8.498,85 € als außergewöhnliche Belastung zu [X.]erücksichtigen.

cc) Infolgedessen kommt auch eine Aufteilung der [X.] nicht in Betracht. Die Aufwendungen dienten dazu, die Fertilitätsstörung der Klägerin auszugleichen, und waren als insgesamt --einschließlich der auf die Bereitstellung und Auf[X.]ereitung des Spendersamens entfallenden [X.] auf dieses Krankheits[X.]ild a[X.]gestimmte Heil[X.]ehandlung darauf gerichtet, die Störung zu ü[X.]erwinden. Die Behandlung ist insoweit e[X.]enso wie eine heterologe Insemination (Senatsurteil in [X.]E 232, 179, [X.] 2011, 414; zur Kom[X.]ination mit einer intrazytoplasmatischen Spermieninjektion Senatsurteil in [X.]E 258, 358; s. zur einheitlichen Gesamtmaßnahme auch Urteil des [X.] vom 3. März 2004 IV ZR 25/03, [X.], 166) als untrenn[X.]are Einheit zu sehen (e[X.]enso [X.], E[X.] 2017, 476; a.[X.]/[X.]/[X.], [X.] 2017, 270, 275). Die Behandlung zielte auf die Beseitigung der Kinderlosigkeit der Klägerin und ihrer Le[X.]ensgefährtin. Auch wenn der Kinderlosigkeit sel[X.]st kein Krankheitswert zukommt (Senatsurteil in [X.]E 232, 179, [X.] 2011, 414), wird die krankheits[X.]edingte Empfängnisunfähigkeit der Klägerin durch eine medizinische Maßnahme ([X.] unter Verwendung von Spendersamen) ü[X.]erwunden.

3. Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem [X.] ü[X.]ertragen (§ 100 A[X.]s. 2 Satz 2 [X.]O).

4. [X.] [X.]eruht auf § 135 A[X.]s. 1 [X.]O.

Meta

VI R 47/15

05.10.2017

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 23. Juli 2015, Az: 6 K 93/13 E, Urteil

§ 33 Abs 1 EStG 2009, EStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.10.2017, Az. VI R 47/15 (REWIS RS 2017, 4393)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4393

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L 20 KR 412/19

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