Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2001, Az. VI ZR 29/00

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 2312

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:12. Juni 2001Holmes,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:[X.]: nein[X.] 1989 § 11 Abs. 1, § 12 Abs. 6a) An dem geschlossenen Haftungssystem der Post nach dem [X.] hat sich [X.] 1989 neu geschaffene unbeschränkte Posthaftung in Fällen vorsätzlicherDienstpflichtverletzungen nichts geändert.b) Die unbeschränkte Haftung der Post nach § 12 Abs. 6 [X.] setzt nicht voraus,daß der Bedienstete die Dienstpflichtverletzung in Ausführung seiner postalischenVerrichtungen begangen hat.[X.], Urteil vom 12. Juni 2001 - [X.] - [X.] I- 2 -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch die Vorsitzende Richterin Dr. [X.] und die [X.]. v. [X.], [X.], [X.] und Paugefür Recht erkannt:Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 17. Zivilse-nats des [X.] vom 9. August 1999 auf-gehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Die [X.] machen als Valorenversicherer gegen die beklagte [X.] wegen des Verlustes von [X.] geltend.Mehrere Kunden hatten der [X.] am 21. März 1995 Wertsendun-gen zum Zwecke der Beförderung übergeben, die in der [X.] in M. gelagert wurden. Dort war der diensthabende PostschaffnerL., der seit längerer Zeit Alkoholprobleme hatte, auf den Postsäcken der Wert-kammer eingeschlafen. Als gegen 21.30 Uhr ein Unbekannter mit einem post-gelben VW-Bus in die [X.] einfuhr und den [X.] -verlangte, händigte ihm der [X.] die Wertsendungen ohne weitereKontrolle aus. Der Unbekannte verschwand damit und teilte die Beute noch inderselben Nacht mit zwei Komplizen. Der damals bei der [X.] beschäf-tigte [X.], der aufgrund früherer Tätigkeit die Zustände in der Wertkammerkannte, wurde später als Mittäter des Diebstahls zu Freiheitsstrafe verurteilt.Die [X.] leisteten den geschädigten Kunden aufgrund der abge-schlossenen [X.] Entschädigung in Höhe von154.393,50 DM, die sie von der [X.] ersetzt verlangen. Diese hat [X.] den für die Wertbriefe angegebenen Wert erstattet.Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] dieBerufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Klä-gerinnen ihr Klagebegehren weiter.Entscheidungsgründe:I.Nach Auffassung des Berufungsgerichts haftet die Beklagte nur in [X.] § 12 Abs. 4 [X.] bestimmten Umfang. Insoweit seien die [X.] bereits erfüllt. Die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftungnach § 12 Abs. 6 [X.] lägen nicht vor. Die Postbediensteten L. und B. hättendie durch den Diebstahl verursachten Schäden nicht durch vorsätzliche Pflicht-verletzungen herbeigeführt, da beiden das Bewußtsein gefehlt habe, einer be-stimmten Rechts- und Amtspflicht zuwider zu [X.] 4 -Auch das Verhalten des ehemaligen Postbediensteten [X.] könne keineunbeschränkte Haftung der [X.] begründen. [X.] habe die entwendetenWertsachen nicht zu transportieren und diese auch sonst nicht in seinen Hän-den gehabt. Als Mittäter des Diebstahls habe er den Schaden nicht "in [X.] seiner Verrichtungen" im Sinne des § 831 BGB herbeigeführt. [X.], wie sie [X.] durch die Weitergabe seiner Kenntnisse in [X.] vorzuwerfen seien, könne kein Unternehmer und Arbeitgeber sei-ne Kunden schützen. Dies gelte auch für den Fall, daß [X.] die Vorschriften des [X.] Anwendung fänden. Eine Pflichtverletzung i.S.von § 12 Abs. 6 [X.] liege in derartigen Fällen nicht vor.[X.] Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung [X.].Die Revision rügt mit Recht, daß die Abweisung der Klage auf einerrechtsfehlerhaften Anwendung des § 831 BGB und des § 12 Abs. 6 [X.] be-ruht. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat die [X.] Post vielmehr für den durch eine vorsätzliche Pflichtverletzung ihresehemaligen Bediensteten [X.] verursachten Schaden nach Maßgabe der Haf-tungsbestimmungen des Gesetzes über das Postwesen ([X.]) einzustehen.1. Zutreffend hat das Berufungsgericht der rechtlichen Beurteilung aller-dings das [X.] in der Neufassung der Bekanntmachung vom 3. Juli 1989(BGBl I S. 1449) und den hierzu ergangenen Änderungen gem. Art. 6 [X.] vom 14. September 1994 ([X.], 2368 ff.)zugrundegelegt.- 5 -a) Danach ist die Haftung der Nachfolgeunternehmen der [X.] für Schäden, die durch die nicht ordnungsgemäße Ausführung ih-rer Dienstleistungen entstehen, gesetzlich auf den Umfang beschränkt, dersich aus den Vorschriften des [X.] ergibt (§ 11 Abs. 1 [X.]). Diese Rege-lung ist erschöpfend, so daß daneben für die Anwendung anderer [X.], insbesondere derjenigen des bürgerlichen Rechts kein Raum ist. [X.] haftungsrechtliche Sonderstellung der Post bestand schon nach demReichspostG 1871 ([X.], 41; [X.]Z 12, 96) und wurde vom [X.] 1969übernommen (§ 11 Abs. 1; [X.], Urteil vom 4. Dezember 1975 - [X.]/73 -VersR 1976, 437 zu III. 3) a); Beschluß vom 7. Mai 1992 - [X.]/91 - NJW1993, 2235). An ihr hat sich durch die Neustrukturierung der Post im Zuge [X.] bis zur Tatzeit im Jahre 1995, wie die Aufrechterhaltung [X.] 11 ff. [X.] zeigt, nichts geändert (vgl. [X.], Gesetz über [X.], Einleitung I 1 [X.]. 22; [X.]. zu § 11 [X.] a.F. (1989) II; [X.] 1994, 2785, 2791). Die durch das [X.] 1994 insoweitvorgenommenen Änderungen haben lediglich redaktionelle Bedeutung ([X.], [X.]. 12/6718 [X.]) Gemäß § 12 Abs. 4 und 5 [X.] ist die Haftung der Post bei [X.] unabhängig von einem Verschulden von Postbedienstetenauf den angegebenen Wert beschränkt. [X.] haftet die Post [X.]. 6 dieser Vorschrift lediglich dann, wenn der Schaden durch eine vorsätzli-che Pflichtverletzung verursacht worden ist. Diese Regelung ist 1989 neu indas [X.] eingefügt worden, weil die bis dahin bestehende eingeschränkteHaftung der Post in Fällen vorsätzlicher Dienstverfehlung nicht mehr als sach-gerecht angesehen wurde. Damit ist aber nur der Umfang der Haftung für Fälle- 6 -dieser Art erweitert worden. An dem geschlossenen Haftungssystem der Postinsgesamt hat sich hierdurch nichts geändert.2. Auf dieser rechtlichen Grundlage hat das Berufungsgericht jedoch ei-ne Haftung der [X.] für den aus dem Diebstahl der Wertsendungen [X.] erwachsenen Schaden nach § 12 Abs. 6 [X.] zu Unrecht ver-neint.Es kann dahinstehen, ob die Begründung, mit der das Berufungsgerichteine vorsätzliche Dienstpflichtverletzung der Postbediensteten L. und B. intatrichterlicher Würdigung nicht für gegeben hält, einer rechtlichen [X.] anhand der Revisionsbegründung stand hält. Als rechtsfehlerhaft [X.] sich jedenfalls die Ausführungen, mit denen es eine Haftung der [X.]für den des gemeinschaftlichen Diebstahls der Wertsendungen für schuldigbefundenen ehemaligen Postbediensteten [X.] abgelehnt hat.a) Das Berufungsgericht ist - insoweit dem [X.] folgend - [X.], [X.] habe den Schaden nicht "in Ausführung seiner Verrichtungen"im Sinne des § 831 BGB herbeigeführt, weil er die entwendeten [X.] zu transportieren und diese auch sonst nicht in seinen Händen gehabthabe. Diese Erwägung ist bereits im Ansatz verfehlt. Eine Haftung der Beklag-ten als Geschäftsherrin nach § 831 BGB kommt von vornherein nicht in [X.]. Die postrechtliche Haftungsregelung in §§ 11 ff. [X.] ist, wie bemerkt,erschöpfend, so daß andere Haftungsnormen daneben ausgeschlossen sind.Eine Haftung der Post kann daher auch nicht über den Umweg über die [X.] bei pflichtwidriger Verrichtung des Gehilfen gemäß § 831 BGB er-reicht werden. Das ergibt sich aus folgendem:- 7 -Nach bürgerlichem Recht bildet § 831 BGB die Grundlage für die delikti-sche Haftung des Geschäftsherrn bei einer widerrechtlichen Rechtsgutverlet-zung durch den Verrichtungsgehilfen, für den dieser, sofern er schuldhaft ge-handelt hat, auch persönlich nach § 823 BGB in Anspruch genommen [X.]. Auch nach der Haftungsregelung des [X.] kann der Beschäftigte per-sönlich haftbar gemacht werden, freilich nur dann, wenn er seine Dienstpflich-ten vorsätzlich verletzt hat (§ 11 Abs. 2 [X.]). War letzteres der Fall, so bil-dete vor der Privatisierung der Post § 839 BGB die Haftungsgrundlage für dieInanspruchnahme des Postbediensteten selbst ([X.] aaO § 11[X.] II [X.]. 62 (1988)). Eine Eintrittspflicht des Staates für die Amtspflicht-verletzung des Postbediensteten nach den Grundsätzen der Staatshaftunggemäß Art. 34 [X.] fand in diesen Fällen indessen nicht statt, weil sie durch diein §§ 12 ff. [X.] normierte unmittelbare Haftung der Post ausgeschlossen war([X.], Urteil vom 21. Mai 1987 - [X.] - [X.], 1112, 1113; [X.] aaO Vorbemerkung zu §§ 11 bis 21 [X.] II [X.]. 6; vgl. auch§ 11 Abs. 2 [X.] 1969).Seitdem die Rechtsbeziehungen, die bei Inanspruchnahme der [X.] entstehen, infolge der Neustrukturierung der Post pri-vatrechtlicher Natur sind (§ 7 [X.] i.d.F. von 1989), kann die persönlicheHaftung des Beschäftigten allerdings nicht mehr auf § 839 BGB gestützt wer-den. Grundlage der deliktischen Verantwortlichkeit des Bediensteten bei vor-sätzlicher Pflichtverletzung ist nunmehr die privatrechtliche Haftungsnorm des§ 823 BGB ([X.] aaO Einleitung I 1 [X.]. 22). Das bedeutet [X.], daß nunmehr die Post selbst gem. § 831 oder § 278 BGB für das Fehl-verhalten ihrer Bediensteten haftbar gemacht werden kann. Ebenso wie früherdie Anwendung des Art. 34 [X.] ausgeschlossen war, so verdrängt auch [X.] hier maßgeblichen Fassung des [X.] von 1989 die darin vorgenommene- 8 -spezielle und abschließende Haftungsregelung die Prinzipalhaftung der [X.] § 831 BGB. Auf die Frage, ob [X.] den Schaden in Ausübung seiner Ver-richtungen im Sinne des § 831 BGB herbeigeführt hat, kommt es danach- entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht [X.]) Aber auch die für den Fall einer ausschließlichen Geltung der Haf-tungsvorschriften des [X.] geäußerte Auffassung des Berufungsgerichts, daßeine Pflichtverletzung des [X.] im Sinne des § 12 Abs. 6 [X.] nicht vorliege,begegnet durchgreifenden Bedenken. Die Herbeiführung des Schadens inAusübung einer Verrichtung des Postbediensteten ist, worauf die Revision [X.] hinweist, kein Tatbestandsmerkmal des § 12 Abs. 6 [X.]. Nach die-ser Vorschrift reicht es für die Haftung der Post vielmehr aus, wenn der Scha-den von dem Bediensteten "durch eine vorsätzliche Pflichtverletzung [X.] worden ist".Ob der Bedienstete die Pflichtverletzung nur bei Gelegenheit seinerdienstlichen Verrichtungen begeht, ist unerheblich. Voraussetzung für die be-schränkte Haftung der Post gemäß §§ 11 ff. [X.] ist lediglich, daß es sich umeinen Schaden handelt, der mit einer typisch postalischen Tätigkeit und dendamit verbundenen besonderen Gefahren in Zusammenhang steht (ständigeRechtsprechung, vgl. [X.]Z 12, 96, 97 f. m.w.N.; [X.], Urteil vom [X.] 1967 - [X.]/67 - [X.], 282; vom 4. Dezember 1975 und [X.] vom 7. Mai 1992 jeweils aaO). Diese Voraussetzung ist nach [X.] des [X.] auch dann gegeben, wenn Postbe-dienstete vorsätzlich oder gar in strafbarer Weise gegen ihre [X.] ([X.], Urteil vom 14. Dezember 1967 aaO; vom 4. Dezember 1975zu III. 2) b) aaO; [X.] ArchPF 1973, 289).- 9 -Hieran hat sich, wie eingangs bereits erwähnt, durch die Erweiterung [X.] bei vorsätzlicher Pflichtverletzung eines Beschäftigten in § 12Abs. 6 [X.] nichts geändert. Diese Vorschrift beruht auf der Erwägung, daßsich die Post nicht, wie bisher, auf die eingeschränkte Posthaftung berufenkönnen soll, wenn der Schaden durch eine besonders schwere Pflichtverlet-zung verursacht worden ist (Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für das Post- und Fernmeldewesen, [X.]. 11/4316 [X.], 87). Nicht abersollten die vorgenannten Grundsätze berührt werden, die die Rechtsprechungsonst zur Haftung der Post im Falle vorsätzlicher Pflichtverletzung entwickelthatte. Die Einschränkung der Posthaftung für das Fehlverhalten von [X.], wie sie das Berufungsgericht angenommen hat, besteht daher auchnicht im Falle des § 12 Abs. 6 [X.]. Diese Vorschrift setzt nicht voraus, daßder Bedienstete die Dienstpflichtverletzung in Ausführung seiner postalischenVerrichtungen begangen hat.[X.] angefochtene Urteil ist danach aufzuheben und die Sache an [X.] zurückzuverweisen. Bei der Neuverhandlung wird das Berufungsge-richt dem weiteren Vorbringen der Parteien zum Umfang der Haftung und [X.], zu dem es bisher an tatsächlichen Feststellungen fehlt, nachgehenmüssen.Dr. [X.] Dr. v. [X.] [X.] [X.] Pauge

Meta

VI ZR 29/00

12.06.2001

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2001, Az. VI ZR 29/00 (REWIS RS 2001, 2312)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 2312

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.