Bundessozialgericht, Beschluss vom 30.12.2015, Az. B 13 R 345/15 B

13. Senat | REWIS RS 2015, 21

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Gegenstand

(Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - Geltendmachung der vermeintlichen Verfassungswidrigkeit hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 34 Abs 4 Nr 3 SGB 6 für Bestandsrentner, die einen Wechsel in die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte begehren)


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 12. August 2015 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin B. aus W. beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Das [X.] hat mit Urteil vom 12.8.2015 einen für die [X.] ab 1.7.2014 geltend gemachten Anspruch des [X.] auf Umwandlung der ihm seit Januar 2013 bestandskräftig wegen vorzeitiger Inanspruchnahme mit Abschlägen bewilligten Altersrente nach Altersteilzeitarbeit in eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach der durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom [X.] ([X.] 787) am 1.7.2014 in [X.] getretenen Regelung des § 236b [X.] verneint.

2

Der Kläger macht mit seiner beim [X.] erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten [X.] die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensmangel geltend. Zugleich hat er Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwältin [X.] beantragt.

3

II. 1. Der PKH-Antrag des [X.] ist abzulehnen.

4

Nach § 73a [X.] S[X.] iVm § 114 [X.] ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem [X.] bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Vorliegend sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt.

5

Nach § 73a [X.] S[X.] iVm § 117 Abs 2 bis 4 ZPO sind dem Antrag auf PKH eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Eine solche Erklärung hat der Kläger im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde beim [X.] nicht eingereicht. Der beabsichtigten Rechtsverfolgung fehlt es aber auch an hinreichender Aussicht auf Erfolg. Deshalb kommt die Beiordnung von Rechtsanwältin [X.] nicht in Betracht (§ 73a [X.] S[X.] iVm § 121 Abs 1 ZPO).

6

2. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung vom 14.10.2015 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, denn der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und des [X.] nicht ordnungsgemäß dargetan (vgl § 160 Abs 2 [X.] und [X.] 160a Abs 2 S 3 S[X.]).

7

a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 [X.] S[X.] nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl [X.] SozR 1500 § 160 [X.]7 und § 160a [X.], 11, 13, 31, 39, 59, 65).

8

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl [X.] SozR 3-1500 § 160a [X.] mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

9

Der Kläger trägt vor,
die "Rechtsfragen, die sich anhand dieses Falles stellen, sind,

- ob dem Beschwerdeführer die abschlagsfreie Rente gemäß § 236b [X.] zu gewähren ist,

zur Beantwortung dieser Frage,

insbesondere auf der Grundlage der Art. 20 III und [X.], zu § 34 IV [X.],

-       

inwieweit § 34 IV [X.] auf den Fall anwendbar ist, insbesondere, ob es sich um einen 'Wechsel' im Sinne des § 34 IV [X.] handelt,

-       

welchen Regelungsinhalt der erste Rentenbescheid vor Antragstellung hatte, konkret, ob der Bewilligungsbescheid zugleich regeln konnte, dass eine nicht existierende Rentenart nicht gewährt wird,

-       

damit zusammenhängend, wie weit die Sperrwirkung eines Rentenbescheides reichen und ob sie sich auch auf Rechtsvorschriften stützen und beziehen kann, die es zum [X.]punkt der Verwaltungsentscheidung nicht gegeben hat und deren Schaffung auch niemand vorhersehen konnte,

-       

im Hinblick auf die zum [X.]punkt der Verwaltungsentscheidung noch nicht existierende und nicht vorhersehbare Vorschrift des § 236b [X.],

        

auf dem Hintergrund des Art. 20 III [X.],

        

-       

welche Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes zu stellen sind,

        

-       

welche Anforderungen an die Bestimmtheit von Gesetzen zu stellen sind, die dem Erlass eines Verwaltungsaktes zu Grunde liegen müssten.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den dem Verfahren zu Grunde liegenden, ergangenen Ablehnungsbescheid und die gesetzlichen Vorschriften bestehen insbesondere hinsichtlich der Art. 20 III und [X.]."

Der Senat kann offenlassen, ob der Kläger damit hinreichend konkrete und auf Grundlage der für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] (vgl § 163 S[X.]) überhaupt klärungsfähige Rechtsfragen iS des § 160 Abs 2 [X.] S[X.] bezeichnet hat. Insbesondere gehört es nicht zu den Aufgaben des [X.], vom Beschwerdeführer formulierte Fragestellungen beschwerdekonform umzuformulieren oder den Vortrag darauf zu untersuchen, ob sich aus ihm eventuell eine oder mehrere hinreichend konkrete Rechtsfragen mit übergreifender Relevanz "herausfiltern" lassen (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom [X.] R 477/06 B - Juris Rd[X.] 8).

Soweit der Kläger es im Hinblick auf Art 20 Abs 3 und Art 3 Abs 1 [X.] für verfassungswidrig erachten sollte, dass Bezieher einer bereits bestandskräftig (bindend) mit Abschlägen bewilligten Altersrente wegen Altersteilzeitarbeit ("[X.]") aufgrund der Regelung des § 34 Abs 4 [X.] 3 [X.] nicht mehr in den Genuss einer (abschlagsfreien) Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach der am 1.7.2014 in [X.] getretenen Regelung des § 236b [X.] kommen können, und (sinngemäß) meint, dass deren zeitlicher und sachlicher Anwendungsbereich vom Gesetzgeber nicht sachgerecht bestimmt worden sei, hat er die Klärungsbedürftigkeit der - insoweit in wohlwollender Auslegung des [X.] - aufgeworfenen Problematik nicht hinreichend aufgezeigt.

Insbesondere versäumt er es schon, sich mit der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] zu [X.] auseinanderzusetzen. Hiernach ist es dem Gesetzgeber zur Regelung bestimmter Sachverhalte nicht verwehrt, Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeid-lich gewisse Härten mit sich bringt (vgl [X.]E 87, 1, 43; 117, 272, 301). Dass der Gesetzgeber des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes den ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraum mit der Begrenzung der Privilegierung des § 236b [X.] auf die zur [X.] seines Inkrafttretens am 1.7.2014 noch nicht im [X.] befindlichen Versicherten sachwidrig überschritten habe, die für die zeitliche Anknüpfung und sachliche Beschränkung auf "Zugangsrentner" und dem damit einhergehenden Verzicht, die bereits abgeschlossenen Rentenvorgänge der "[X.]" aufzugreifen, in Betracht kommende Faktoren (zB Finanzierbarkeit des Systems) nicht hinreichend gewürdigt habe und die gefundene Regelung im Hinblick auf den Sachverhalt und das System der Gesamtregelung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung (hier: zB hinsichtlich der dauerhaften Beibehandlung des reduzierten Zugangsfaktors ) sachlich nicht vertretbar erscheine (vgl zu diesen verfassungsrechtlichen Prüfungskriterien bei [X.] zB [X.]E 75, 78, 106; 101, 239, 270; 117, 227, 301), hat der Kläger - anders als vorliegend erforderlich - nicht untersucht. Dass die dauerhaften "[X.]" durch Minderung des Zugangsfaktors bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente nach Altersteilzeitarbeit nicht gegen das [X.] verstoßen, hat das [X.] bereits entschieden ([X.]E 122, 151 = [X.]-2600 § 237 [X.]6).

Im Übrigen lässt die Beschwerdebegründung unbeachtet, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zugelassen werden kann, wenn das Berufungsgericht eine Tatsache, die für die Entscheidung mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochenen Rechtsfrage erheblich sein würde, noch nicht festgestellt hat und damit derzeit nur die Möglichkeit besteht, dass sie nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht und nach weiterer Sachverhaltsaufklärung entscheidungserheblich werden kann ([X.] Beschluss vom [X.] KR 72/12 B - Juris Rd[X.]4 mwN). Die aufgeworfene Frage würde sich indessen nur tragend stellen, wenn das Berufungsgericht neben der Vollendung des 63. Lebensjahrs am 1.7.2014 auch festgestellt hätte, dass der Kläger die Wartezeit von 45 Jahren (§ 236b Abs 1 [X.] 2 iVm § 51 Abs 3a [X.]) erfüllt. Auch hierzu enthält die Beschwerdebegründung kein substantiiertes Vorbringen. Allein die schlichte Behauptung des [X.], dass die Voraussetzungen für die "abschlagsfreie Rente ab 63" "unstreitig" seien, reicht nicht.

Soweit der Kläger weiter meint, Klärungsbedarf bestehe vorliegend im Hinblick auf den "Regelungsgehalt" von [X.] sowie den "Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes" und "die Bestimmtheit von Gesetzen", unterzieht er sich schon nicht der notwendigen Mühe zu untersuchen, ob sich mit Hilfe bereits vorhandener einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die gestellten Fragen beantworten lassen. Er behauptet noch nicht einmal, dass es hierzu Rechtsprechung des [X.] und des [X.] nicht gebe. Dass der Kläger die [X.]-Entscheidung aus sozialpolitischen Gründen für falsch hält, ist für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unerheblich.

b) Schließlich hat der Kläger einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 [X.] 3 S[X.] nicht bezeichnet. Allein die Rüge, ein solcher liege seitens des [X.] vor, weil "keine Vorlage an das [X.]" erfolgt sei, reicht nicht. Denn nach Art 100 [X.] [X.] besteht eine Vorlagepflicht nur, wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, überzeugt ist. [X.] dies war hier aber nach dem eigenen Vortrag des [X.] nicht der Fall.

c) Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 S[X.]).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 S[X.] durch Beschluss ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 S[X.].

Meta

B 13 R 345/15 B

30.12.2015

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Speyer, 4. März 2015, Az: S 18 R 889/14, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 34 Abs 4 Nr 3 SGB 6, § 38 SGB 6, § 77 SGB 6, § 236b SGB 6, § 237 SGB 6, Art 1 Nr 8 RVLVG, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 100 Abs 1 S 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 30.12.2015, Az. B 13 R 345/15 B (REWIS RS 2015, 21)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 21

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