Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.06.2005, Az. IX ZR 221/03

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3318

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]
Verkündet am: 2. Juni 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] §§ 38, 108 Abs. 1; GmbHG § 64; BGB § 242 Bf

Ein Arbeitnehmer, dessen Beschäftigungsverhältnis bei der Schuldnerin bereits vor Stellung des Insolvenzantrags beendet worden ist, kann von dem Insolvenzverwalter zur Klärung eines gegen den Geschäftsführer oder sonstige Dritte gerichteten [X.] grundsätzlich keine Auskunft über den [X.]punkt der Insolvenzreife der Schuldnerin verlangen.

[X.], [X.]eil vom 2. Juni 2005 - [X.] - LG [X.]

AG [X.]

- 2 - - 3 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juni 2005 durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.]

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das [X.]eil der 12. Zivilkammer des Landge-richts [X.] vom 12. September 2003 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermö-gen der [X.] (fortan: Schuldnerin). Das Verfahren war auf Antrag der Schuldnerin vom 12. März 2001 am 28. Mai 2001 eröffnet worden. Wenige Tage vor Antragstellung schlossen der Kläger und die Schuld-nerin einen "Aufhebungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 30.08.2000". Dieser sah die Aufhebung des Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Schuldnerin zum 9. März 2001 gegen Zahlung einer Abfindung, eines an-teiligen Bruttogehalts für die Tätigkeit vom 1. März 2001 bis zum 9. März 2001 sowie Ersatz von [X.] vor. Insgesamt ergab sich zugunsten des [X.] ein Ausgleichsbetrag von 12.521,07 DM, der zum 30. März 2001 fällig sein sollte.
- 4 - Zu dem Anlaß der Vertragsaufhebung haben die Parteien keinen Vortrag gehalten.

Der Kläger meint, ihm stände gegen die Schuldnerin aus dem [X.] eine Forderung einschließlich Zinsen in Höhe von 6.481,49 • zu, die er nach Eintritt der Insolvenzreife erworben habe. Es sei zu vermuten, daß die Verantwortlichen der Schuldnerin die Insolvenzantragstellung verschleppt hätten. Sie hafteten ihm deshalb aus § 64 Abs. 1 GmbHG, § 823 Abs. 2 BGB auf Schadensersatz. Zur Vorbereitung einer entsprechenden Klage gegen die Geschäftsführerin der Schuldnerin verlangt er von dem Beklagten Auskunft über den genauen [X.]punkt des Eintritts der Insolvenzreife, hilfsweise, ob bei Abschluß des [X.] bereits Insolvenzreife vorgelegen habe, und äußerst hilfsweise die Eintragung eines Vermerks über den [X.]punkt der Insolvenzreife in der Insolvenzakte.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner - zugelasse-nen - Revision verfolgt der Kläger sein Auskunftsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

[X.] - 5 - Nach Ansicht des Berufungsgerichts fehlt es an einer Anspruchsgrund-lage für die begehrte Auskunft. Daß der Kläger für sein weiteres Vorgehen auf eine Auskunft angewiesen sei, reiche für eine entsprechende Pflicht des [X.] Insolvenzverwalters nicht aus. Aus § 92 [X.] ergebe sich ein solcher Anspruch ebenfalls nicht; deshalb könne dahinstehen, ob diese Vorschrift den Insolvenzverwalter zur Festlegung des genauen [X.]punkts der Insolvenzreife verpflichte. Soweit der Kläger seine Ansprüche auf die Verschleppung des [X.] stütze, richte sich der Anspruch allein gegen die Geschäftsfüh-rerin der Schuldnerin. Zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits bestehe weder ein Auskunftsvertrag noch eine sonstige Sonderverbindung. Schließlich ergebe sich aus [X.] (§ 242 BGB) keine Auskunfts-verpflichtung, zumal der Beklagte den genauen [X.]punkt der Insolvenzreife im Rahmen seiner Tätigkeit nicht festgestellt habe. Auch für den zweiten Hilfsan-trag sei keine Anspruchsgrundlage ersichtlich.

I[X.]
Dies hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.

1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem in dem Be-rufungsurteil zulässigerweise in Bezug genommenen klägerischen Vortrag will der Kläger seine offen gebliebenen Forderungen aus dem Aufhebungsvertrag vom 7. März 2001 als Schadensersatzanspruch gegen die zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtete Geschäftsführerin der Schuldnerin und gegebe-nenfalls andere hierfür verantwortliche Personen weiterverfolgen. Der gegen den Beklagten erhobene Auskunftsanspruch dient sonach allein der [X.] - tung einer auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG ge-stützten Schadensersatzklage wegen der in dem Aufhebungsvertrag von der Schuldnerin eingegangenen Zahlungsverpflichtungen über insgesamt 6.481,49 • (einschließlich Zinsen).

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist weiter davon auszu-gehen, daß das Beschäftigungsverhältnis zum 9. März 2001 und mithin vor der Stellung des Insolvenzantrags am 12. März 2001 wirksam beendet worden ist.

2. Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob dem Gläubiger ein [X.] über die Insolvenzreife der Schuldnerin dem Grunde nach zu-steht und in welchem Ausmaß Auskunft geschuldet ist. Der [X.] braucht auch nicht zu entscheiden, ob es sich bei der geforderten Auskunft über den [X.]-punkt der Insolvenzreife der Schuldnerin noch um die Mitteilung von [X.] Angaben oder schon um die Erstattung eines Gutachtens (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 [X.]) handelt, welches nicht Gegenstand eines Auskunftsanspruchs sein kann oder dessen Erstattung - im Rahmen eines Auskunftsersuchens - für den Insolvenzverwalter jedenfalls unzumutbar ist (zur Zumutbarkeit der Auskunft vgl. [X.] 126, 109, 113; [X.], [X.]. v. 11. Mai 2000 - [X.] ZR 262/98, [X.], 1209, 1212).

3. Die Klage scheitert schon an der fehlenden Passivlegitimation des beklagten Insolvenzverwalters für die Erfüllung der geltend gemachten [X.].

a) Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens war ein etwaiger [X.] gegen die Schuldnerin als (ehemalige) Arbeitgeberin des [X.] zu - 7 - richten. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] kann die Parteien des Arbeitsvertrages im bestehenden Arbeitsverhältnis eine ar-beitsvertragliche Nebenpflicht zu Auskünften aus § 242 BGB auch dann treffen, wenn dies gesetzlich oder vertraglich nicht besonders geregelt ist. [X.] wird, daß der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseiti-gung der Ungewißheit erforderlichen tatsächlichen Angaben unschwer machen kann (vgl. [X.], 274, 278; [X.] 1996, 634; 1996, 2182; siehe ferner [X.]/[X.], 4. Aufl. [Bd. 2a] § 260 Rn. 22).

b) Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter ist der Anspruch auf Auskunftserteilung nicht gegen den Beklagten, sondern weiterhin gegen die Schuldnerin zu rich-ten.

aa) Die Passivlegitimation des beklagten Insolvenzverwalters folgt [X.] nicht aus seiner Rechtsstellung als Arbeitgeber.

(1) Nach § 80 Abs. 1 [X.] geht durch die Eröffnung des Insolvenzver-fahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende [X.] zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Dies gilt jedoch nicht für die Arbeitgeberstellung eines zum [X.]punkt der Insol-venzeröffnung bereits beendeten Arbeitsverhältnisses ([X.] ZIP 2004, 1974, 1975). § 108 Abs. 1 [X.] stellt insoweit klar, daß die dort genannten Dauer-schuldverhältnisse, zu denen ausdrücklich auch Dienstverhältnisse gezählt werden, mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehen. Durch die [X.] "Fortbestehen" wird deutlich, daß hiervon nicht Arbeitsverhältnisse betrof-- 8 - fen sind, die vor dem Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts be-reits beendet waren. Dementsprechend regelt § 108 Abs. 2 [X.], daß [X.] aus Dienstverhältnissen für die [X.] vor der Eröffnung des Insolvenzverfah-rens vom Arbeitnehmer nur als Insolvenzgläubiger gegen den Insolvenzverwal-ter geltend zu machen sind ([X.] aaO S. 1975 f).

(2) Im vorliegenden Fall ist die Aufhebung des [X.] schon vor Einreichung des Insolvenzantrags erfolgt. Deshalb kommt es nicht darauf an, wie die Fälle zu beurteilen sind, in denen zum [X.]punkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt war (vgl. hierzu [X.] aaO S. 1976 f).

[X.]) Bei dem geltend gemachten Auskunftsanspruch handelt es sich auch nicht um eine Insolvenzforderung, die der Kläger als Insolvenzgläubiger (§ 38 [X.]) gegen den beklagten Insolvenzverwalter richten kann.

(1) Ansprüche auf eine nicht vertretbare Handlung des Schuldners, also eine Leistung, die nur durch ihn persönlich bewirkt und deshalb nicht aus sei-nem Vermögen beigetrieben werden kann, begründen keine Insolvenzforde-rungen. Sie sind überhaupt nur erzwingbar, soweit die Handlung ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Insoweit richtet sich der Zwang gegen die Person, nicht gegen das Vermögen des Schuldners (§ 888 ZPO). Der [X.] auf eine Handlung, die nur durch persönliche Tätigkeit vollzogen wer-den kann, bildet wegen dieses Inhalts auch dann keine Insolvenzforderung, wenn der Anspruch einen berechenbaren Vermögenswert hat (vgl. [X.]/[X.], [X.] § 38 Rn. 69). Zu diesen Ansprüchen zählt auch der (unselb-ständige) Auskunftsanspruch, der nicht gemäß § 887 Abs. 2 ZPO in eine [X.] 9 - schuld umgewandelt wird, sondern nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist (vgl. [X.] 49, 11, 17; [X.]/[X.], aaO § 38 Rn. 69; MünchKomm-[X.]/Ehricke, § 38 Rn. 46).

(2) Damit ist indes noch nicht entschieden, daß sich der [X.] notwendig und ausschließlich gegen den Insolvenzschuldner und nicht gegen den Insolvenzverwalter richtet (vgl. [X.] 49, 11, 16). Ist die unvertret-bare Handlung aufgrund einer Nebenpflicht geschuldet, die auf Vertrag oder gesetzlichem Schuldverhältnis beruht, so kommt es darauf an, wie das Rechts-verhältnis, dem die Nebenpflicht entspringt, haftungsrechtlich einzuordnen ist. Dies gilt auch für den Anspruch auf Auskunft (vgl. [X.]/[X.], aaO § 38 Rn. 73). Der [X.] hat schon mehrfach entschieden, daß [X.] über den Umfang des noch vorhande-nen Sicherungsgutes oder dessen Verbleib gegen die Masse geltend gemacht werden und daher vom Insolvenzverwalter zu erfüllen sind ([X.] 49, 11, 16; [X.], [X.]. v. 11. Mai 2000 - [X.] ZR 262/98, [X.], 1209, 1212; für die [X.] über das Vermieterpfandrecht: [X.], [X.]. v. 4. Dezember 2003 - [X.] ZR 222/02, [X.], 295, 296; siehe ferner [X.]/[X.], aaO § 38 Rn. 73; MünchKomm-[X.]/Ehricke, § 38 Rn. 46; [X.] ZZP 80 (1967), 263, 276 f, 285).

Im vorliegenden Fall wird der Auskunftsanspruch nicht als Nebenpflicht aus einer Insolvenzforderung des [X.] hergeleitet. Als solche kommt nur der Zahlungsanspruch des [X.] gegen die Insolvenzschuldnerin aus dem Aufhebungsvertrag vom 7. März 2001 in Betracht. Auf diese Forderung bezieht sich - wie dargelegt - der [X.] jedoch nicht. Der angebliche Scha-densersatzanspruch gegen die Geschäftsführerin der Schuldnerin, der durch - 10 - den Auskunftsanspruch geklärt werden soll, ist nicht auf eine Befriedigung aus der Insolvenzmasse (§ 38 [X.]) gerichtet. Deshalb besteht der hierauf bezo-gene Auskunftsanspruch nur gegen die Schuldnerin persönlich (vgl. [X.]/[X.], aaO § 38 Rn. 73; MünchKomm-[X.]/Ehricke, § 38 Rn. 46; [X.] aaO S. 286).

[X.]) Die Revision kann schließlich nicht mit dem Argument durchdringen, dem Kläger dürfe der Kenntnisstand des Insolvenzverwalters, der Zugriff auf sämtliche relevanten Daten und Informationen habe, die für die Feststellung der Insolvenzreife von Bedeutung seien, nicht vorenthalten werden. Diese [X.] läuft darauf hinaus, Gläubigern mit Ansprüchen gegen dritte Personen Auskunftsansprüche gegen den Insolvenzverwalter zuzubilligen, ohne daß hierfür die außerhalb des Insolvenzverfahrens allgemein anerkannten Voraus-setzungen (vgl. hierzu [X.]/[X.], aaO § 260 Rn. 12 ff) [X.]. Hierfür gibt es keine Rechtsgrundlage (vgl. auch [X.] ZIP 2004, 1974, 1976 vor b). Der Kläger wird hierdurch nicht unzumutbar benachteiligt. In dem in Aussicht genommenen Schadensersatzprozeß gegen die Geschäftsführerin der Schuldnerin kann er Tatsachen, aus denen auf die frühere Insolvenzreife der Schuldnerin zu schließen ist, in das Wissen des Beklagten stellen und ihn als Zeugen benennen.

[X.] [X.] [X.]

[X.]

[X.]

Meta

IX ZR 221/03

02.06.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.06.2005, Az. IX ZR 221/03 (REWIS RS 2005, 3318)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3318

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