Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.06.2016, Az. AK 28/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 10625

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:020616BAK28.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

AK 28/16
vom
2. Juni 2016
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen [X.]
u.a.

-
2
-
[X.]er 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers am 2. Juni 2016 gemäß §§
121, 122 [X.] beschlossen:
[X.]ie Untersuchungshaft hat [X.].
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allge-meinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:
I.
[X.]er Beschuldigte wurde am 5. November 2015 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 6.
November 2015 -
zunächst aufgrund des Haftbe-fehls des
Amtsgerichts [X.] von diesem Tag ([X.].: 272 Gs 4181/15) -
in [X.]. [X.]iesen Haftbefehl hat der Ermittlungsrichter des [X.] durch Beschluss vom 28. April 2016 -
3 [X.] 152/16 -
aufgehoben und ihn durch Haftbefehl vom selben Tag -
3 [X.] 153/16 -
ersetzt.
Gegenstand des nunmehrigen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschul-digte habe sich von Juli bis November 2015 in fünf Fällen als Rädelsführer an der "[X.]" beteiligt und damit an einer [X.], deren Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§
211 [X.]) oder Totschlag 1
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3
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212 [X.]) bzw. gemeingefährliche Straftaten insbesondere in den Fällen des § 308 Abs. 1 bis 4 [X.] zu begehen (strafbar gemäß §
129a Abs.
1 Nr.
1, Abs.
2 Nr.
2, Abs.
4 [X.]). In vier der fünf Fälle habe er jeweils tateinheitlich
-
am 20.
September 2015 in [X.] eine Sprengstoffexplosion (§ 308 Abs.
1 [X.]) herbeigeführt, eine fremde Sache beschädigt (§ 303 [X.]) und unmittelbar dazu angesetzt, mittels eines gefährlichen Werkzeugs und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung eine andere Person zu verletzen (§
224 Abs.
1 Nr.
2 und 5, Abs.
2, §§
22, 23 [X.]);
-
in der Nacht vom 18.
auf den 19.
Oktober 2015 in [X.] gemein-schaftlich mit anderen Beschuldigten eine Sprengstoffexplosion (§ 308 Abs.
1 [X.]) herbeigeführt, eine fremde Sache beschädigt (§ 303 [X.]) und [X.] dazu angesetzt, mittels eines gefährlichen Werkzeugs und mit anderen Beteiligten gemeinschaftlich eine andere Person zu verletzen (§
224 Abs.
1 Nr.
2 und 4, Abs.
2,
§§
22, 23 [X.]);
-
am 1.
November 2015 in [X.] gemeinschaftlich mit anderen Be-schuldigten eine Sprengstoffexplosion (§ 308 Abs.
1 [X.]) herbeigeführt und unmittelbar dazu angesetzt, vier Menschen aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch zu töten (§§
211, 22, 23 [X.]), wobei er einen Menschen mittels eines gefährlichen Werkzeugs, mit anderen Beteiligten gemeinschaftlich und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung verletzt (§ 224 Abs.
1 Nr.
2, 4 und 5 [X.]) sowie eine fremde Sache beschädigt habe (§ 303 [X.]);
-
im Zeitraum zwischen Juli und November 2015 gemeinschaftlich mit anderen Beschuldigten in [X.] und an anderen Orten [X.] vorbereitet (§
310 Abs.
1 Nr.
2 [X.]).
-
4
-
II.
[X.]ie Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. [X.]er Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vorgeworfenen Taten dringend verdächtig.
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
[X.]) [X.]er Beschuldigte, sieben Mitbeschuldigte und weitere Personen bil-deten spätestens im Juli 2015 die "[X.]". [X.]iese Personenvereinigung war auf längere Zeit angelegt und darauf ausgerichtet, ihre
rechtsextremisti-sche Ideologie durch die Begehung von Anschlägen gewaltsam durchzusetzen. [X.]ie fortlaufenden [X.] sahen insbesondere Sprengstoffan-schläge auf von Asylbewerbern bewohnte Unterkünfte und Wohnungen [X.] vor, die mittels pyrotechnischer Sprengkörper began-gen werden sollten und in mehreren Fällen auch begangen wurden. [X.]abei [X.] die Sprengkörper teilweise von außen an Fensterscheiben platziert, wodurch sie wie (Glas-)Splitterbomben wirkten. Insoweit nahmen die
Mitglieder der [X.] -
jedenfalls in einem der Fälle -
die Tötung von Menschen, die sich in den angegriffenen Räumlichkeiten aufhielten, billigend in Kauf. Mit die-sen Taten sollten politisch Andersdenkende eingeschüchtert und Asylbewerber zur Ausreise aus [X.] veranlasst werden.
Ihre rechtsextreme und fremdenfeindliche Gesinnung dokumentierten die Mitglieder der [X.] bei gemeinsamen persönlichen -
häufig an einer

Tankstelle in [X.] abgehaltenen -
Treffen, in [X.] Netzwerken, 3
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aber auch in [X.]. Letzterer bediente sich die [X.] auch zu [X.]/-verabredungen, wobei sie einen Instant-Messaging-[X.]ienst verwendete, der die Einrichtung geheimer, verschlüsselter [X.] ermöglichte; von dieser Möglichkeit machten sie mit dem soge-nannten schwarzen Chat, in dem "ausschließlich heftige Aktionen besprochen" wurden und dessen Teilnehmer "ausschließlich die Terroristen" waren, auch Gebrauch.
Innerhalb der Organisation waren der Beschuldigte und der [X.] S.

maßgeblich für die Planung und Organisation der Anschläge ver-antwortlich, wobei der Beschuldigte auch anderen Mitgliedern die ihnen bei der Ausführung von Anschlägen zukommenden Rollen zuwies und mit [X.] experimentierte, etwa um eine verzögerte Explosionszeit oder allgemein die Wirkung pyrotechnischer Sprengkörper zu testen. [X.]er innerhalb der [X.] ebenfalls als [X.] agierende Mitbeschuldigte S.

war zudem in der Lage, gleichgesinnte Personen zu mobilisieren, sofern sie zu Zwecken der [X.] benötigt wurden. [X.]er Mitbeschuldigte [X.]

hatte hingegen als "Internet-Spezialist" die Aufgabe übernommen, Informationen über die linke Szene zu sammeln.
[X.]ie Mitglieder der [X.] agierten konspirativ, indem sie nicht nur die Verschlüsselungs-
und Löschungsfunktionen des verwendeten [X.] bewusst einsetzten, sondern sich darüber hinaus auch einer codierten Sprache bedienten, etwa indem sie Sprengkörper als "Obst" bezeichneten oder Kurzbezeichnungen (z.B. "BS" für Buttersäure) benutzten. [X.]ie Gruppentreffen an öffentlichen Orten, etwa an der genannten Tankstelle, dienten der Besprechung der gemeinsamen Ziele im persönlichen Rahmen.

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Innerhalb der Gruppierung wurde deren Vorgehen von allen Mitgliedern diskutiert; Entscheidungen wurden gemeinsam -
gegebenenfalls durch [X.] -
getroffen, wobei den Auffassungen des Beschuldigten und des Mitbeschuldigten S.

entsprechend ihrer Funktion als Initiatoren und Orga-nisatoren von Anschlägen ein großes Gewicht zukam. Im Verlauf der [X.] entwickelte sich eine gruppenspezifische Eigendynamik, die zur wechsel-seitigen Bestärkung der Gruppenmitglieder in ihren Auffassungen und ihrer [X.] beitrug, sich auch an den Anschlägen der [X.] zu beteiligen. Folglich sahen sie sich als gegenseitig verpflichtet an, sich an den gemeinsa-men Aktionen der Gruppierung zu beteiligen und erwarteten auch von anderen Mitgliedern, dass diese sich beteiligten; einer der Mitbeschuldigten erklärte sei-ne Mitwirkung an einem der Anschläge gar mit "Gruppenzwang", dem er sich ausgesetzt gesehen habe.
[X.]ie Anschläge wurden durch koordiniertes, arbeitsteiliges Zusammen-wirken der jeweils beteiligten Gruppenmitglieder vorbereitet, etwa indem über den "schwarzen Chat" Treffpunkt, Uhrzeit, Teilnehmerkreis und mitzubringende Tatmittel vereinbart wurden. [X.]ie Mitbeschuldigte [X.]

leistete zudem Aufklä-rungsarbeit, ihr und anderen Mitgliedern kamen auch logistische Aufgaben zu, etwa der Transport von Mittätern zum Tatort oder das Steuern des [X.]. An den vereinbarten Treffpunkten, die regelmäßig in der Nähe der [X.] lagen und als Sammelpunkte dienten, fanden zudem weitere Besprechun-gen zu [X.]etails der jeweiligen Tatausführung statt, die der Beschuldigte maß-geblich prägte.
bb) Aus dieser Gruppierung heraus wurden jedenfalls die nachfolgend beschriebenen Anschläge bzw. weitere Straftaten begangen (nachfolgend (1) 10
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bis (4)). Ob der [X.] noch mehr Anschläge/Straftaten zuzurechnen
sind, bedarf derzeit noch weiterer Ermittlungen.
(1) In der Nacht vom 19. auf den 20. September 2015 gegen Mitternacht brachte der Beschuldigte einen pyrotechnischen Sprengsatz vom Typ [X.] zur [X.]etonation, den er zuvor von außen am Küchenfenster einer von Asylbe-werbern bewohnten Unterkunft, B.

straße

in [X.], angebracht hatte. [X.]urch die von der Explosion ausgelöste [X.]ruckwelle zerbarst die Fensterschei-be, der Fensterrahmen wurde deformiert. Glas-
und Kunststoffsplitter flogen durch die Küche und schlugen in der vier Meter vom Fenster entfernten gegen-überliegenden Wand ein; teilweise flogen die Splitter auch durch die geöffnete Küchentür in den angrenzenden Flur. [X.]ie sich zur Tatzeit in der Wohnung [X.] acht Personen blieben nur deshalb unverletzt, weil sie sich nicht in der Küche oder im Flur befanden, sondern in den anderen Räumen schliefen.
[X.]em Beschuldigten war die Wirkung des verwendeten Sprengsatzes [X.]. Er wusste auch, dass die Wohnung von Asylbewerbern genutzt wurde; darauf kam es ihm gerade an. [X.]ie naheliegende Möglichkeit, dass der [X.] einer Wohnung auch zur Nachtzeit von Bewohnern der Wohnung betre-ten werden kann, die alsdann von herumfliegenden Splittern zumindest gravie-rend verletzt werden könnten, war ihm ebenfalls bewusst.
Es besteht aus den vom Ermittlungsrichter des [X.] im Haftbefehl im Einzelnen dargelegten Gründen der dringende Tatverdacht, dass es sich bei dieser Tat des Beschuldigten um eine Tat der [X.] "[X.]" handelte. Ob sich bestehende Anhaltspunkte, dass auch andere [X.] der [X.] an ihrer Ausführung beteiligt waren, im Sinne eines dringenden Tatverdachts erhärten lassen, bedarf noch weiterer Ermittlungen.
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(2) In der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober 2015 verübten der Be-schuldigte und andere Mitglieder der "[X.]" gemeinsam mit weiteren Personen einen Sprengstoffanschlag auf Bewohner des von dem linksgerichte-ten alternativen Wohnprojekt "Mangelwirtschaft" genutzten Wohnhauses O.

straße

in [X.].

. [X.]ieser Anschlag war ein "Racheakt" der [X.] an den Bewohnern, die sie für einen vermeintlichen Angriff linksge-richteter Personen auf einen Teilnehmer an der Blockade einer Turnhalle ver-antwortlich machten, in der eine Flüchtlingsunterkunft eingerichtet werden [X.]. Im "schwarzen Chat" verabredeten sich der Beschuldigte, der zuvor noch sollte, und die Mitbeschuldigten im Verlauf des 18.
Oktober 2015 zum nächtli-chen Angriff auf das Gebäude, wobei bereits besprochen wurde, wer welche Tatmittel -
etwa Sprengkörper oder Buttersäure -
mitbringen könne. [X.]er Be-schuldigte übernahm es, die pyrotechnischen [X.] zusammen zu [X.]. Gegen 19 Uhr trafen sich die teilnehmenden Mitglieder der "[X.]" zunächst an der Tankstelle in [X.] und begaben sich später nach [X.].

, wo sie ab 20 Uhr mit einer [X.]resdner Gruppe von Gleichge-sinnten an einer Turnhalle zusammentrafen. [X.]er Beschuldigte und ein Teil-nehmer aus der [X.]resdner Gruppe hatten das Grundstück vorher [X.]. Unter einer Brücke in der Nähe des [X.] kam die aus 20-30 Personen bestehende Gruppe der Angreifer zusammen. Es wurden mehrere [X.] -
auch mit Buttersäure versehene -
hergestellt. [X.]er Beschuldigte und der Mitbeschuldigte S.

verteilten weitere nicht in [X.] zugelas-sene Sprengmittel und Steine an die Anwesenden und teilten die Tatbeteiligten in Gruppen ein. [X.]ie [X.]resdner Teilnehmer griffen entsprechend dem von dem Beschuldigten entwickelten und allen Tatbeteiligten detailliert erläuterten [X.] ab 23.50 Uhr zusammen mit dem Mitbeschuldigten [X.]

das Haus von vorne an, wobei dieses Manöver nur der Ablenkung dienen sollte; den ei-16
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gentlichen Angriff führten der Beschuldigte und der Mitbeschuldigte S.

als Anführer sowie die Mitbeschuldigten Se.

und [X.].

zusammen mit ande-ren Personen von der Hinterseite des Grundstücks: Sie warfen zahlreiche [X.] und Steine auf Fensteröffnungen des Hauses, mit denen sie indes nur Sachschaden anrichteten. [X.]urch die mit Buttersäure versehenen Spreng-körper, die sie im Inneren des Hauses zur [X.]etonation bringen wollten, beab-sichtigten sie, das Haus unbewohnbar zu machen. [X.]ies
misslang, weil die [X.] die anvisierten Fensteröffnungen nicht trafen.
[X.]er Beschuldigte und die weiteren tatausführenden Mitglieder der Verei-nigung, denen die erhebliche Sprengkraft der von ihnen verwendeten, in [X.] nicht zugelassenen pyrotechnischen Sprengkörper bekannt war, nahmen auch die gravierende Verletzung der anwesenden Bewohner des [X.] billigend in Kauf; sie hatten von der Raumaufteilung keine Kenntnis und konnten deshalb nicht ausschließen, dass sich in den Räumen hinter den von ihnen anvisierten Fenstern Personen aufhalten würden. Aufgrund der [X.] Gefährlichkeit der verwendeten [X.] war den Beschuldigten auch die mögliche Todesgefahr, in die sie die Bewohner des angegriffenen Hauses brachten, bewusst.
Nach der Tat flüchteten der Beschuldigte und die weiteren tatausführen-den Mitglieder der [X.] mit mehreren Pkws vom Tatort.
(3) Im Laufe des 31.
Oktobers 2015 planten der Beschuldigte und weite-re Mitglieder der [X.] einen Anschlag auf die als [X.] dienende Wohnung Wi.

Straße

in [X.]. [X.]azu trafen sie sich gegen 16.30 Uhr an der genannten Tankstelle in [X.] und fuhren zunächst gemeinsam nach [X.], wo sie mehrere in [X.] nicht [X.] pyrotechnische Sprengkörper erwarben. [X.]on vorher hatten die Mitbe-17
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schuldigten [X.]

und S.

telefonisch erörtert, dass sich die Gruppe am Abend treffen wolle, um ein "bisschen zu eskalieren". Gegen 21.30 Uhr kam der Beschuldigte erneut mit den Mitbeschuldigten S.

, [X.].

, [X.]

, [X.]

, [X.]

und We.

sowie dessen Lebensgefährtin an der Tankstelle zusammen; bei diesem Treffen beschlossen die Anwesenden, den Anschlag auf die Asylbewerberunterkunft auszuführen und besprachen die [X.], das vorherige Auskundschaften der Tatörtlichkeit sowie die Aufgabenver-teilung ausführlich. Nach Abschluss der Planung verließen die Beteiligten [X.] den Bereich der Tankstelle und trafen sich, nachdem der Beschuldigte im Beisein des Mitbeschuldigten [X.]

in seiner Wohnung die [X.] präpariert hatte, gegen 0.30 Uhr an einer Grundschule, von der aus sie mit mehreren Fahrzeugen zu einem Feld in der Nähe der Asylbewerberunterkunft fuhren.
In der Nacht auf den 1. November 2015 gegen 0.50 Uhr stellten der Be-schuldigte sowie die Mitbeschuldigten [X.].

und [X.]

sodann an drei Fenstern der genannten Wohnung jeweils einen in [X.] nicht zugelas-senen pyrotechnischen Sprengkörper vom Typ [X.] auf dem Fensterbrett ab und
brachten diese annähernd zeitgleich zur Zündung. Ihnen war bekannt, dass sich hinter zwei der Fenster [X.]lafzimmer und hinter dem dritten die [X.] der Wohnung befanden. [X.]ie Innenscheiben der doppelverglasten Fenster zerbarsten in teilweise handtellergroße Splitter, die durch die hinter den [X.] liegenden Innenräume geschleudert wurden. Einer der Bewohner, der zur Tatzeit in seinem Bett lag, wurde durch die herumfliegenden Splitter im Gesicht verletzt; er erlitt mehrere [X.]nittverletzungen an der Stirn. [X.]ie drei anderen Bewohner konnten sich, nachdem einer von ihnen die abbrennende Lunte be-merkt hatte, auf seinen Warnruf hin in den Flur retten, wodurch weitere mögli-che gravierende Verletzungen verhindert werden konnten.
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[X.]ie Mitbeschuldigten [X.]

, S.

, [X.]

und We.

warteten [X.] in der Nähe des [X.], von wo aus sie das weitere Geschehen beobachteten. Nach Ausführung des Anschlags flohen der Beschuldigte und die beiden tatausführenden Mitbeschuldigten in dem von dem Mitbeschuldigten We.

gesteuerten Fluchtwagen. Auch die anderen Mitbeschuldigten verließen ihren Beobachtungsposten.
[X.]em Beschuldigten sowie den weiteren beteiligten Mitgliedern der Verei-nigung waren die Sprengwirkung der eingesetzten Sprengkörper und die Ge-fährlichkeit insbesondere der konkreten Begehungsweise durch die Splitterwir-kung der Fensterscheiben bekannt. Sie nahmen den Tod der in der Wohnung befindlichen Asylbewerber, um deren Anwesenheit sie wussten, gleichwohl in Kauf, als sie die Tat trotz im Vorfeld aufgekommener Bedenken, dass dabei Menschen zu [X.]aden kommen könnten, ausführten; solche Bedenken wurden von dem Beschuldigten vielmehr ausdrücklich zurückgestellt, indem er auf [X.] angesprochen ausführte: "Ob wir das nicht wollen?" und an-schließend lachte.
(4) [X.]er Beschuldigte plante mit den anderen Mitgliedern der [X.] die Herbeiführung weiterer Sprengstoffexplosionen, bei denen Leib oder Leben anderer Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden sollten. Um diese ausführen zu können, fuhren die Mitglieder der [X.] -
wie bereits oben dargelegt -
nach [X.], um sich dort mit in [X.] nicht zugelassenen pyrotechnischen Sprengkörpern zu versorgen. Bei der [X.]urchsuchung der Wohnung des Beschuldigten wurden 131 solcher Sprengkörper, mehrere Behältnisse mit [X.]warzpulver sowie Zündlunten und 70 m Zündschnur sichergestellt.

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b) [X.]er Beschuldigte ist der ihm zur Last gelegten Taten dringend ver-dächtig. [X.]er dringende Tatverdacht ergibt sich insbesondere aus der [X.] der auf dem Mobiltelefon der Mitbeschuldigten [X.]

sichergestellten Protokolle namentlich des "schwarzen Chats", aus den Ergebnissen von Tele-kommunikationsüberwachungsmaßnahmen und aus den Vernehmungen zahl-reicher [X.], die sich teilweise selbst, aber auch andere [X.]smitglieder, unter ihnen den Beschuldigten, erheblich belastet haben. [X.] der Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die ausführliche, mit den [X.] belegte Sachverhaltsdarstellung in dem Haftbefehl des Ermitt-lungsrichters des [X.].
c) In rechtlicher Hinsicht ist aufgrund dieses Ermittlungsergebnisses [X.] der dringende Verdacht belegt, dass sich in [X.] eine [X.] gegründet hatte, die auf die Begehung von Tötungsdelikten sowie Sprengstoff-verbrechen gerichtet war, an der sich der Beschuldigte als Rädelsführer betei-ligte, strafbar gemäß § 129a Abs.
1 Nr.
1, Abs.
2 Nr. 2, Abs.
4 [X.].
Eine [X.] im Sinne der §§ 129 ff. [X.] ist ein auf gewisse [X.]auer angelegter, freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Wil-len der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Be-ziehung stehen, dass sie sich als einheitlicher Verband fühlen (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa [X.], Beschluss vom 9. Juli 2015 -
3 StR 537/14, [X.], 473, 474). Eine solche [X.] wird zur terroristischen, wenn ihre Zwecke oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gemäß den Katalogen nach § 129a Abs. 1 und 2 [X.] gerichtet sind. [X.]iese Zielsetzung muss durch den internen Willensbildungsprozess der Mitglieder gedeckt sein; der Gruppenwille erleich-tert dem Einzelnen die Begehung von Straftaten und drängt das Gefühl persön-24
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licher Verantwortung zurück, woraus sich die vereinigungsbezogene Gefähr-lichkeit im Sinne der in größeren Personenzusammenschlüssen liegenden typi-schen Eigendynamik ergibt (vgl. [X.], Urteil vom 3. [X.]ezember 2009 -
3 [X.], [X.]St 54, 216, 229).
[X.]ie "[X.]" erfüllte -
entgegen dem Vorbringen des Verteidigers des Beschuldigten -
nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis mit hoher Wahr-scheinlichkeit diese Voraussetzungen. Ihre Zusammensetzung und ihre [X.] ergeben das Vorliegen des personellen, des zeitlichen und des organi-satorischen Elements. Auch das Willenselement ist durch das beschriebene Verhalten bei der Willensbildung (gemeinsame [X.]iskussion und Abstimmung) belegt.
[X.]ie von der [X.] begangenen Taten erweisen sich unter Zugrun-delegung des bisherigen Ermittlungsergebnisses als Straftaten im Sinne von §
129a Abs.
1 Nr.
1, Abs.
2 Nr.
2 [X.]. [X.]ie Sprengstoffanschläge hatten -
un-abhängig von der Frage eines ohnehin zur Anwendung von § 129a Abs.
1 Nr.
1 [X.] führenden Tötungsvorsatzes -
das Ziel, politisch Andersdenkende einzu-schüchtern und Asylbewerber so zu verängstigen, dass sie die Bundesrepublik [X.] wieder verlassen würden. Ein solches Vorgehen gegen politisch Andersdenkende und Asylbewerber, die sich infolgedessen nicht mehr
sicher und geschützt fühlen könnten, und das so zu einer tiefgreifenden Beeinträchti-gung der inneren Sicherheit und des Vertrauens der Bevölkerung in ihre Ge-währleistung führt, erfüllt die Voraussetzungen von §
129a Abs.
2 [X.], zumal, wenn sich die Anschläge in eine Vielzahl ausländerfeindlicher Straftaten im ge-samten [X.] einreihen (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
Januar 2006
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3 [X.], [X.], 1603, 1604 mwN).

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[X.]er Beschuldigte gehörte als derjenige, der die Anschläge im [X.] plante und vorbereitete, der darüber hinaus den Mittätern an den An-schlägen ihre jeweilige Aufgabe zuwies und Zweifel an der [X.]urchführung [X.] zu zerstreuen vermochte (siehe oben: "Ob wir das nicht wol-len"), zu den Rädelsführern dieser [X.], denn er übte als Mitglied der [X.] maßgeblichen Einfluss auf ihre Tätigkeiten aus. Er nahm an der [X.]urchführung aller Anschläge teil und beteiligte sich ausweislich der [X.] auch im Übrigen rege am [X.].
Im Fall a) bb) (4) begründen bereits die aufgefundenen Sprengkörper im Zusammenhang mit der übrigen Ausrichtung der [X.], dass der Be-schuldigte dringend verdächtig ist -
tateinheitlich zu der [X.] in der terroristischen [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juli 2015 -
3 StR 537/14, [X.], 473, 475) -, ein [X.] nach § 308 Abs. 1 [X.] vorbereitet zu haben, strafbar gemäß § 310 Abs.
1 Nr. 2 [X.].
In den übrigen Fällen ist der Beschuldigte jeweils dringend verdächtig, sich als Allein-
oder Mittäter an den Anschlägen beteiligt zu haben, wodurch er -
wiederum jeweils tateinheitlich zu der [X.] in der terroristischen [X.] -
in allen Fällen eine Sprengstoffexplosion herbeiführte (§ 308 Abs.
1 [X.]) und weiter idealkonkurrierend zusätzlich
-
im Fall a) bb) (3) versuchte, vier Menschen aus niedrigen Beweggrün-den und heimtückisch zu töten (§§
211, 22, 23 [X.]), und dabei einen Men-schen mittels eines gefährlichen Werkzeugs, mit anderen Beteiligten gemein-schaftlich und mittels
einer das Leben gefährdenden Behandlung verletzte (§
224 Abs.
1 Nr.
2, 4 und 5 [X.]) sowie eine fremde Sache beschädigte (§
303 [X.]). [X.]er dringende Verdacht, dass bei dem Beschuldigten [X.] vorlag, ergibt sich maßgeblich aus der ihm bekannten besonderen Ge-29
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fährlichkeit der an den Fensterscheiben angebrachten Sprengladungen. Zudem war er es, der die Bedenken anderer Mitglieder im Vorfeld des konkreten [X.] zurückstellte, dabei zum Ausdruck brachte, dass er die Gefährlichkeit der Tathandlung erkannte und dadurch im Ergebnis dafür sorgte, dass sich auch die anderen [X.]smitglieder gleichwohl an der weiteren [X.]vorbereitung beteiligten. [X.]ass die Generalst[X.]tsanwaltschaft [X.] den Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht anders bewertet
hat, führt zu keiner ab-weichenden Beurteilung;
-
in den Fällen a) bb) (1) und (2) jeweils versuchte, einen anderen Men-schen mittels eines gefährlichen Werkzeugs sowie mittels einer das Leben ge-fährdenden Behandlung (Fall a) bb) (1)) bzw. mit anderen Beteiligten gemein-schaftlich (Fall a) bb) (2)) zu verletzen und jeweils eine fremde Sache beschä-digte.
2. Es besteht -
worauf auch der Ermittlungsrichter des [X.] zutreffend abgestellt hat -
der Haftgrund der Fluchtgefahr, § 112 Abs.
2 Nr.
2 [X.]: [X.]er Beschuldigte hat im Fall einer Verurteilung eine empfindliche Freiheitsstrafe zu erwarten, die einen erheblichen Fluchtanreiz begründet. [X.]em stehen hinreichende persönliche und [X.] Bindungen des ledigen Beschul-digten nicht entgegen. [X.]aneben liegt sowohl mit Blick auf § 129a Abs.
1 und 2 [X.] als auch mit Blick auf das jedenfalls in einem Fall versuchte Tötungsdelikt der Haftgrund der [X.]werkriminalität, §
112 Abs. 3 [X.] vor. [X.]ie genannten Umstände begründen die Gefahr, dass die Ahndung der Tat
ohne die weitere Inhaftierung des Beschuldigten vereitelt werden könnte, so dass die Vorschrift auch bei ihrer gebotenen restriktiven Auslegung (vgl. [X.]/[X.], [X.], 59. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) angewendet werden kann.

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[X.]er Zweck der Untersuchungshaft kann nicht durch weniger einschnei-dende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§
116 [X.]).
3. [X.]ie besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersu-chungshaft über sechs Monate hinaus (§
121 Abs.
1 [X.]) liegen vor.
[X.]er Umfang des Verfahrens -
die [X.] umfassen bereits jetzt 40 Stehordner, die Ermittlungen sind indes noch nicht abgeschlossen; das Verfah-ren richtet sich mittlerweile gegen acht Beschuldigte -
und seine besondere [X.]wierigkeit haben ein Urteil innerhalb von
sechs Monaten, nachdem der Be-schuldigte in Untersuchungshaft genommen worden ist, noch nicht zugelassen. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Umstände, die zur An-nahme des dringenden Tatverdachts geführt haben, die "[X.]" stelle eine terroristische [X.] dar, schon mangels ihrer Zuständigkeit nicht Gegenstand der Ermittlungen durch die Generalst[X.]tsanwaltschaft [X.] waren. [X.]ass sie ohne Berücksichtigung dieser Strukturen die Ermittlungen für abgeschlossen gehalten und Anklage zum Jugendschöffengericht [X.] er-hoben hatte, steht der Fortdauer der Untersuchungshaft mithin nicht entgegen und vermag auch nicht den Vorwurf einer verzögerten Sachbehandlung etwa deshalb zu begründen, weil der [X.] seinerseits noch keine neue Anklage erhoben hat; dies gilt jedenfalls derzeit mit Blick auf die [X.] erst am 11.
April 2016.
[X.]as Verfahren ist auch mit der gebotenen besonderen Beschleunigung geführt worden. Seit der Inhaftierung des Beschuldigten sind zahlreiche Ermitt-lungsmaßnahmen durchgeführt worden, die der [X.] im [X.] in seiner Zuschrift vom 4.
Mai 2016 aufgeführt hat. Insbesondere die Auswertung der anlässlich der Festnahme von mehreren Mitbeschuldigten bei [X.]urchsuchungen von insgesamt 21 Objekten am 19.
April 2016 sichergestellten 33
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[X.]atenträger (Mobiltelefone, Computer und andere Speichermedien) dauert noch an. Gleiches gilt für die bereits anlässlich der Festnahmen vom 5.
November 2015 sichergestellten 62 elektronischen Asservate; hier haben
sowohl die Anzahl der Asservate als auch bestehende [X.] die [X.]auer der Auswertungsmaßnahmen bedingt. Ebenso bedarf die Auswertung der [X.], der geschalteten Telefonüberwachungsmaßnahmen, der Ob-servationsmaßnahmen und der Videoaufzeichnungen vom Treffpunkt der Gruppe (

Tankstelle) noch weiterer Ermittlungen.
4. [X.]er weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach alledem nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe.
[X.] Ri[X.] [X.] befindet sich Gericke

im Urlaub und ist daher

gehindert zu unterschreiben.

[X.]

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Meta

AK 28/16

02.06.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.06.2016, Az. AK 28/16 (REWIS RS 2016, 10625)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10625

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 537/14

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