Bundessozialgericht, Urteil vom 12.11.2015, Az. B 14 AS 6/15 R

14. Senat | REWIS RS 2015, 2404

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss bei Unterbringung in einer stationären Einrichtung - Aufenthalt in einer Fachklinik für Drogentherapie - voraussichtliche Aufenthaltsdauer von weniger als sechs Monaten - Prognose zum Zeitpunkt der Aufnahme - vorhergehende Unterbringung in einer Übergangseinrichtung und Sozialhilfebezug - keine Anwendung der Rückausnahme nach § 7 Abs 4 S 3 Nr 1 SGB 2)


Leitsatz

Ein Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II besteht auch bei einer absehbar kurzzeitigen Krankenhausunterbringung, wenn der Antragsteller bereits unmittelbar zuvor in einer stationären Einrichtung untergebracht war und Leistungen nach dem SGB XII bezogen hatte.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 21. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist die Zahlung von [X.] ([X.]) nach dem [X.] ([X.]) während einer stationären Drogentherapie.

2

Der 1973 geborene Kläger unterzog sich wegen einer Drogenabhängigkeit vom 29.4. bis 2.6.2009 einer Entgiftungsbehandlung. Anschließend war er zunächst bis [X.] in einer stationären Übergangseinrichtung der [X.]. (Übergangseinrichtung) und sodann ab 5.1. bis [X.] zur stationären Langzeittherapie in der Fachklinik zur Rehabilitation von Abhängigkeitserkrankungen und angrenzenden psychosomatischen Störungen [X.]. (Fachklinik) untergebracht, wofür ihm die [X.] ([X.]) eine Bewilligung über eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von 26 Wochen erteilt hatte. Zwischenzeitlich ist er ua wegen [X.] zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden; diese ist mit der Auflage, eine Langzeittherapie durchzuführen, zur Bewährung ausgesetzt worden. Der Kläger bezog während des Aufenthalts in der Übergangseinrichtung existenzsichernde Leistungen nach dem [X.] ([X.]). Im [X.] an seine Entlassung aus der Fachklinik bezog er ab 6.7.2010 [X.].

3

Den vom Kläger zu Beginn seiner Langzeittherapie in der Fachklinik gestellten Antrag auf [X.] lehnte das beklagte Jobcenter ab, weil er sich schon zuvor in einer stationären Übergangseinrichtung befunden habe und auch weiterhin in stationärer Behandlung und deshalb von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen sei (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Vor dem Sozialgericht ([X.]) und dem [X.] (L[X.]) blieb der Kläger mit seinem Leistungsbegehren erfolglos (Gerichtsbescheid vom [X.]; Urteil vom 21.1.2015). Zur Begründung hat das L[X.] ausgeführt, dass der Kläger nach § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] wegen seines Aufenthalts in einer stationären Einrichtung vom Bezug von [X.] ausgeschlossen sei. Die Rückausnahme des § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 [X.] - ein Krankenhausaufenthalt für voraussichtlich weniger als sechs Monate - greife nicht zu seinen Gunsten ein, weil die Aufenthalte in der Übergangseinrichtung und der Fachklinik zusammenzurechnen seien.

4

Mit seiner vom L[X.] zugelassenen Revision macht der Kläger eine Verletzung von § 7 Abs 4 [X.] geltend. Er sei während seines Aufenthalts in der Fachklinik nicht aufgrund von § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] vom [X.] ausgeschlossen, denn für ihn greife die Rückausnahme des § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 [X.] ein. Sein vorangegangener Aufenthalt in der Übergangseinrichtung sei nicht in die danach zu treffende Prognoseentscheidung einzubeziehen. Vielmehr sei allein auf den [X.]punkt der Aufnahme in die Fachklinik abzustellen; zu diesem sei er nach dem in einer Therapiebescheinigung vom [X.] ausgewiesenen absehbaren Aufenthalt vom [X.] bis [X.] für voraussichtlich weniger als sechs Monate dort aufgenommen worden.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen [X.]s vom 21. Januar 2015 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 9. Mai 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm für die [X.] vom 8. Januar 2010 bis zum 5. Juli 2010 [X.] unter Anrechnung der erhaltenen Sozialhilfe zu zahlen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>). Der [X.]läger hat im streitigen [X.]raum keinen Anspruch auf [X.], weil er während seines Aufenthalts in der Fachklinik von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen war.

8

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind der klagabweisende Gerichtsbescheid des [X.] und das die Berufung zurückweisende Urteil des L[X.] sowie der Bescheid des Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.], durch den dieser den Antrag des [X.] auf [X.] abgelehnt hat. [X.]lich umfasst der Streitgegenstand gemäß dem Antrag des [X.] das Leistungsbegehren für den [X.]raum vom 8.1. bis 5.7.2010.

9

2. Zutreffende [X.]lageart ist hier die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 [X.]G), gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 Satz 1 [X.]G), denn der [X.]läger begehrt die Aufhebung des seinen Antrag ablehnenden Bescheides des Beklagten und dessen Verurteilung zur Zahlung von [X.].

Die hierauf gerichtete Revision ist zulässig auch bei bereits erbrachten Leistungen nach dem [X.]B XII im streitigen [X.]raum unabhängig von deren Höhe und trotz der [X.] des § 107 Abs 1 [X.] ([X.]B X) schon aufgrund der formellen Beschwer des [X.], weil ihm vom L[X.] versagt worden ist, was er beantragt hat. Auch besteht nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis, weil der [X.]läger um die für ihn rechtlich zutreffenden Leistungen streitet und sich an einen [X.]-Anspruch Fernwirkungen knüpfen können (vgl [X.] Urteil vom [X.] - [X.]/7b [X.] - B[X.]E 99, 88 = [X.]-4200 § 7 [X.], Rd[X.]2). Zudem hat er ein schützenswertes Interesse an der [X.]lärung, welche Leistungen ihm zugestanden haben, weil die Höhe existenzsichernder Leistungen nach dem [X.] und [X.]B XII bei Unterbringung in einer stationären Einrichtung unterschiedlich sein kann und Leistungen nach dem [X.] während der Unterbringung in aller Regel höher sind.

Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Es bedurfte insbesondere keiner echten notwendigen Beiladung des Sozialhilfeträgers nach § 75 [X.] Alt 1 [X.]G, weil in dessen Rechtssphäre durch die Entscheidung über den [X.]-Anspruch des [X.] nicht gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig eingegriffen wird. Denn soweit er bereits Leistungen erbracht hat, würde nicht erst eine dem [X.]läger [X.] zusprechende Entscheidung einen Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers begründen, sondern dieser Anspruch wäre bereits mit der Erbringung der Vorleistung entstanden (vgl dazu [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, [X.] § 107 Rd[X.]a, Stand April 2012). Soweit er keine oder ggf zu geringe Leistungen erbracht hat, würde eine [X.] ablehnende Entscheidung nicht zugleich eine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers begründen.

3. Einer Begründetheit der Revision steht nicht bereits eine Unzulässigkeit der Berufung entgegen, denn der [X.]läger begehrte mit seiner Berufung ein Grundurteil über seinen Anspruch auf [X.]. Den Wert des Beschwerdegegenstandes von 750 Euro nach § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]G überstieg schon die im streitigen [X.]raum maßgebliche Regelleistung nach § 20 [X.] in Höhe von monatlich 359 Euro. Hieran ändert es nichts, wenn für die Höhe eines [X.]-Zahlungsanspruchs des [X.] vom Sozialhilfeträger bereits erbrachte Leistungen nach dem [X.]B XII wegen der [X.] des § 107 Abs 1 [X.]B X zu berücksichtigen wären.

4. Der [X.]läger hat im streitigen [X.]raum keinen Anspruch auf [X.]. Er war während seines Aufenthalts in der Fachklinik nach § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen. Die Voraussetzungen der Rückausnahme hiervon nach § 7 Abs 4 Satz 3 [X.] [X.] liegen nicht vor (§ 7 Abs 4 [X.] idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom [X.], [X.] 1706, der seit dem Inkrafttreten am 1.8.2006 bis zum Ende des hier streitigen [X.]raumes nicht geändert worden ist und § 7 Abs 4 [X.] idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011, [X.] 850, entspricht).

a) Nach § 7 Abs 4 [X.] erhält Leistungen nach dem [X.] ua nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist (Satz 1). In Ausnahme von diesem grundsätzlichen Leistungsausschluss erhält Leistungen nach dem [X.] gleichwohl, wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem [X.]rankenhaus (§ 107 [X.] <[X.]B V>) untergebracht ist (Satz 3 [X.]). Eine Rückausnahme greift auch für den ein, der in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist (Satz 3 [X.]); für diese Rückausnahme spricht indes vorliegend nichts.

b) Im Sinne dessen ist der Aufenthalt des [X.] in der Fachklinik vom 5.1. bis 5.7.2010 ungeachtet der vom B[X.] aufgestellten Anforderungen an den Begriff der Unterbringung in einer stationären Einrichtung in § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] (vgl B[X.] Urteil vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R - B[X.]E 116, 112 = [X.]-4200 § 7 [X.], Rd[X.]4 ff; B[X.] Urteil vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - juris Rd[X.]0 ff) nach der Regelungssystematik des § 7 Abs 4 [X.] als Unterbringung schon deshalb anzusehen, weil die Fachklinik ein [X.]rankenhaus iS von § 7 Abs 4 Satz 3 [X.] [X.] ist und ein [X.]rankenhaus die Anforderungen an den Begriff der stationären Einrichtung notwendig erfüllt, weil sonst die Rückausnahme zu § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] ins Leere liefe. Zu diesen [X.]rankenhäusern, auf die § 7 Abs 4 Satz 3 [X.] [X.] Bezug nimmt, zählen nicht nur die [X.]rankenhäuser iS des § 107 Abs 1 [X.]B V, sondern wegen des unbeschränkten [X.]lammerzusatzes "§ 107 des [X.]" auch die dort in [X.] aufgeführten Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen (vgl B[X.] Urteil vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.]-4200 § 7 [X.] Rd[X.]4). Dem steht nicht entgegen, dass mit der [X.] ein Rentenversicherungsträger und nicht eine [X.]rankenkasse als Leistungsträger nach dem [X.]B V die [X.]osten der Drogentherapie des [X.] getragen hat. Denn die Bezugnahme in § 7 Abs 4 Satz 3 [X.] [X.] auf § 107 [X.]B V dient allein der Übernahme der dort konstituierten Anforderungen an [X.]rankenhäuser und Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen für den Einrichtungsbegriff des § 7 Abs 4 Satz 1 [X.], nicht aber begrenzt sie den Anwendungsbereich des § 7 Abs 4 Satz 3 [X.] [X.] auf Leistungen, für die eine [X.]rankenkasse [X.]ostenträger ist (vgl B[X.] aaO Rd[X.]5).

c) Ob ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] wegen [X.]rankenhausunterbringung besteht oder dieser aufgrund der Rückausnahme nach § 7 Abs 4 Satz 3 [X.] [X.] deshalb nicht eingreift, weil die Unterbringung eine [X.]rankenhausversorgung von voraussichtlich weniger als sechs Monaten Dauer betrifft, beurteilt sich allein nach den Umständen bei der Aufnahme in das [X.]rankenhaus (vgl zum Folgenden im Einzelnen bereits B[X.] Urteil vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.]-4200 § 7 [X.] Rd[X.]6 ff): Maßgebend für den Leistungsausschluss kann grundsätzlich nur die Lage bei Beginn der Unterbringung sein, ohne dass es auf ihre Dauer zunächst ankommt. Diese hat Bedeutung nur für die Rückausnahme, die ihrerseits für die gesamte Dauer der Unterbringung nur einheitlich zu beurteilen sein kann. Demgemäß ist die zu treffende Prognoseentscheidung über die Dauer der voraussichtlichen [X.]rankenhausunterbringung allein am [X.]punkt der Aufnahme in das [X.]rankenhaus auszurichten und nur aus der Perspektive bei der Aufnahme in das [X.]rankenhaus anzustellen. Nur bei einer Unterbringung von voraussichtlich mindestens sechs Monaten Dauer soll der Ausschluss von Leistungen nach dem [X.] von Beginn an eingreifen und damit verbunden ggf ein Wechsel in das Leistungssystem des [X.]B XII stattfinden.

Ausgehend hiervon kommt entgegen der Auffassung des L[X.] eine Zusammenrechnung der voraussichtlichen Dauer seiner [X.]rankenhausunterbringung mit der vom [X.]läger vor seiner Aufnahme in die Fachklinik verbrachten [X.] seiner stationären Unterbringung in der Übergangseinrichtung nicht in Betracht. Einer Rückausnahme vom Leistungsausschluss steht nicht bereits entgegen, dass die zusammengerechneten [X.]en länger als sechs Monate sind. Eine "rückschauende" Prognose, in die [X.]en einer vorangegangenen Unterbringung einbezogen werden, ist im [X.]punkt der Aufnahme zur [X.]rankenhausunterbringung in der Fachklinik nicht anzustellen.

Dagegen spricht nicht, dass in den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs 4 Satz 3 [X.] [X.] im Zusammenhang mit der Gleichstellung von [X.]rankenhäusern und Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation ausgeführt ist: "Dabei ist zu beachten, dass die Aufenthalte in beiden Einrichtungen zu addieren sind. Das heißt, eine Person, die sich zunächst im [X.]rankenhaus und im [X.] daran in einer medizinischen Rehabilitationseinrichtung aufhält, ist vom Leistungsbezug ausgeschlossen, wenn der prognostizierte [X.] insgesamt sechs Monate übersteigt" (BT-Drucks 16/1410 [X.]). Dies sind Fallgestaltungen, in denen schon bei Aufnahme in das [X.]rankenhaus ein an den [X.]rankenhausaufenthalt unmittelbar anschließender Aufenthalt in einer Rehabilitationseinrichtung zu prognostizieren ist und die so verbundenen Aufenthalte im [X.]punkt der Aufnahme in das [X.]rankenhaus voraussichtlich nicht weniger als sechs Monate dauern werden (vgl dazu [X.] in jurisP[X.]-[X.], 4. Aufl 2015, § 7 Rd[X.]44; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 7 Rd[X.]50, Stand Oktober 2015).

So liegt es hier indes schon tatsächlich nicht, weil zu Beginn des Aufenthalts des [X.] in der Übergangseinrichtung nicht gewiss war, ob und ggf wann er künftig eine stationäre Drogentherapie beginnen werde. Insbesondere lag zu diesem [X.]punkt nach den Feststellungen des L[X.] weder eine strafgerichtliche Verurteilung mit Bewährungsauflage noch eine Bewilligungsentscheidung der [X.] vor.

d) Gleichwohl greift vorliegend der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] ein, denn die Voraussetzungen der Rückausnahme liegen in keinem denkbaren Fall vor: Ist der [X.]läger nach den Umständen im [X.]punkt seiner Aufnahme in die Fachklinik für einen absehbar längeren [X.]raum (voraussichtlich sechs Monate oder länger) aufgenommen worden, wäre er schon deshalb von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen. Ist er für voraussichtlich weniger als sechs Monate aufgenommen worden, lägen die Voraussetzungen der Rückausnahme nach § 7 Abs 4 Satz 3 [X.] [X.] mit Rücksicht auf ihren Regelungszweck nicht vor (dazu 5.).

5. a) Die Rückausnahme des § 7 Abs 4 Satz 3 [X.] [X.] zum Grundsatz des § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] will nach ihrem Regelungszweck zur klaren Abgrenzung der Existenzsicherungssysteme des [X.] und des [X.]B XII einen Wechsel aus dem Leistungssystem des [X.] in das des [X.]B XII bei einer nur absehbar kurzzeitigen [X.]rankenhausunterbringung vermeiden (vgl BT-Drucks 16/1410 [X.]; vgl auch bereits B[X.] Urteil vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.]-4200 § 7 [X.] Rd[X.]8). In den Blick zu nehmen ist deshalb bei der am [X.]punkt der Aufnahme einer [X.]-Leistungen begehrenden Person in das [X.]rankenhaus auszurichtenden Prognoseentscheidung auch, ob die betreffende Person sich schon vor dieser Aufnahme im Leistungssystem des [X.]B XII befand, ob sich also die Frage der Vermeidung eines Wechsels zwischen den existenzsichernden Leistungssystemen überhaupt stellt.

Vor diesem teleologischen Hintergrund liegen die Voraussetzungen der Rückausnahme dann nicht vor, wenn im Prognosezeitpunkt zu Beginn einer [X.]rankenhausunterbringung zwar absehbar ist, dass diese weniger als sechs Monate dauert, die untergebrachte, [X.]-Leistungen begehrende Person aber bereits unmittelbar zuvor in einer anderen stationären Einrichtung untergebracht war und während dieser Unterbringung keine existenzsichernden Leistungen nach dem [X.], sondern nach dem [X.]B XII bezogen hatte. In diesem Fall greift der Ausschluss von Leistungen nach dem [X.], weil sich die Frage der Vermeidung eines Wechsels zwischen dem [X.] und dem [X.]B XII nicht stellt (Rückausnahme zur Rückausnahme). Nur so wird, wie vom Gesetz beabsichtigt, ein ggf nur kurzzeitiger Wechsel zwischen den Leistungssystemen vermieden.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die [X.]rankenhausunterbringung zu Beginn der vorangegangenen Unterbringung in einer anderen stationären Einrichtung schon absehbar war. Eine "rückschauende" Prognose ist auch insoweit nicht anzustellen. Es genügt vielmehr, dass beide Unterbringungen zeitlich nahtlos aneinander anschließen. Mit Blick auf die vorangegangene Unterbringung kommt es zudem nicht darauf an, ob auch diese eine [X.]rankenhausunterbringung war und ob sie in einem nicht nur zeitlichen, sondern auch sachlichen Zusammenhang mit der [X.]rankenhausunterbringung stand. Denn zur Vermeidung eines Systemwechsels bei aneinander anschließenden Unterbringungen sind beide Unterbringungen in den Blick zu nehmen schon dann, wenn vor der [X.]rankenhausunterbringung überhaupt eine Unterbringung in einer stationären Einrichtung iS des § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] bestand. Entscheidend ist allein, ob während der vorangegangenen Unterbringung existenzsichernde Leistungen nach dem [X.]B XII bezogen wurden. Ob dieser Leistungsbezug mit Blick auf die Abgrenzung der Existenzsicherungssysteme des [X.] und des [X.]B XII rechtmäßig war, ist für die Entscheidung über das [X.]-Leistungsbegehren während der [X.]rankenhausunterbringung ohne Belang. Da es um die Vermeidung eines Wechsels zwischen den Leistungssystemen geht, genügt es, dass solche Leistungen nach dem [X.]B XII bezogen wurden.

b) So liegt der Fall hier. Aus den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des L[X.] (§ 163 [X.]G) ergibt sich, dass der [X.]läger vor Aufnahme in die Fachklinik am 5.1.2010 während seines an die Entgiftungsbehandlung vom 29.4. bis [X.] anschließenden Aufenthalts in der Übergangseinrichtung vom [X.] bis 5.1.2010 dort in einer stationären Einrichtung iS des § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] untergebracht war und während dieser [X.] existenzsichernde Leistungen nach dem [X.]B XII und nicht nach dem [X.] bezogen hatte. Die Rückausnahme nach § 7 Abs 4 Satz 3 [X.] [X.] käme deshalb nach ihrem Regelungszweck auch bei einer nur absehbar kurzzeitigen [X.]rankenhausunterbringung nicht zur Anwendung, weil sich die Frage der Vermeidung eines Wechsels aus dem Leistungssystem des [X.] nicht stellt, denn der [X.]läger bezog schon zuvor während seiner Unterbringung in der Übergangseinrichtung Leistungen nach dem [X.]B XII.

6. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 14 AS 6/15 R

12.11.2015

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Kassel, 9. Mai 2012, Az: S 1 AS 239/10, Gerichtsbescheid

§ 7 Abs 4 S 1 Alt 1 SGB 2, § 7 Abs 4 S 3 Nr 1 SGB 2, § 107 Abs 1 SGB 5, § 107 Abs 2 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.11.2015, Az. B 14 AS 6/15 R (REWIS RS 2015, 2404)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2404

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