Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2017, Az. IX ZR 71/16

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 5677

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:070917U[X.]71.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IX [X.]
Verkündet am:

7. September 2017

Kluckow

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 280 Abs. 1, § 675; [X.] §§ 88, 129 ff
Der mit der Durchsetzung einer Forderung beauftragte Rechtsanwalt kann verpflichtet sein, den Mandanten auf die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit freiwilliger Zahlungen des [X.] und das hiermit verbundene Ausfallrisiko hinzuweisen.

[X.], Urteil vom 7. September 2017 -
IX [X.] -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2017
durch [X.] [X.], die Richterin [X.], den Richter Prof. Dr. Pape, die Richterinnen [X.] und Dr. Krüger

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 16. März 2016 aufge-hoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die beklagte Anwaltssozietät wegen Verletzung ver-traglicher Pflichten aus einem Anwaltsvertrag auf Schadensersatz in Anspruch. Die [X.], die auf die Beratung geschädigter Anleger spezialisiert ist, vertrat den Kläger gegenüber der S.

AG
(fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin
wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts
Stuttgart vom 30. August 2005 zur Am 23./27. De-zember 2005
schloss die [X.]
namens des [X.] und
namens
weiterer Anleger
mit der Schuldnerin
eine Verpfändungsvereinbarung, welche
Aktien
der 1
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-
Schuldnerin an
der G.

AG betraf. Die Aktien wurden am 30. Oktober 2006 verkauft. Der Erlös wurde auf ein [X.] ge-zahlt. Aufgrund eines [X.] vom 30. Oktober 2006 war der Notar verpflichtet, gegen eine Pfandfreigabeerklärung dan die [X.] für die von ihr vertretenen Anleger zu zahlen. Am 31. Oktober 2006 überwies der Notar diesen Betrag
an die [X.].
Danach überwies die

Am 7. April 2007 beantragte ein Gläubiger die Eröffnung des Insolvenz-verfahrens
über das Vermögen der Schuldnerin. Das Verfahren wurde am 14.
Juni 2007 eröffnet. Am 29. März 2010 focht der Insolvenzverwalter
die Zah-lung an den Kläger an. Der
mittlerweile anderweitig anwaltlich vertretene
Kläger zahlte
nach Abschluss eines Vergleichs mit dem Verwalter insgesamt

zur Masse zurück.

Der Kläger wirft der [X.]n vor, seine Forderung nicht u[X.]erzüglich
und anfechtungsfest
im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben zu haben. Er verlangt Schadensersatz in Höhe
des an die Masse gezahlten Betrages so-wie
der von ihm aufgewandten Anwaltskosten und der Kosten der Gegenseite, die er zu erstatten hatte, in Höhe
von
insgesamt

.
Das [X.] hat die [X.] unter Abweisung der weitergehenden Klage zur nsen verurteilt, Zug um Zug gegen Abtretung der
auf seinen Anspruch gegen die Schuldnerin entfallenden
Quote im Insol-venzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, und hat den [X.] der [X.]n hinsichtlich der Abtretung festgestellt. Auf die Berufung der [X.]n hat das Berufungsgericht
die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit seiner
vom [X.] zugelassenen
Revision 2
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-
4
-
verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz gestellten Klageantrag vollumfäng-lich weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger habe nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass eine Vollstreckung aus
dem Titel nicht zu einem sofortigen Insolvenzantrag der Schuldnerin geführt hätte. Nach dem eigenen Vortrag des [X.] sei die Schuldnerin bereits im Jahre 2005 [X.]. Der Kläger habe sich insoweit auf ein Schreiben der
[X.]n
an einen anderen Anleger
vom 1. August 2005
bezogen, nach welchem
sie, die [X.],
eine Kontenpfändung wegen der drohenden Insolvenz
der Schuldnerin
zu-rückgenommen habe. Viele Gläubiger hätten im August 2005 die [X.] gegen die Schuldnerin betrieben. Ein Insolvenzantrag sei
deshalb
nur wegen des [X.] von der Zwangsvollstreckung aufgeschoben worden. Die Schuldnerin
wäre
gegebenenfalls
ihrer strafbewehrten Antragspflicht innerhalb der Frist von drei Wochen nachgekommen.
Gegenteiliges habe der Kläger nicht behauptet und nicht unter Beweis gestellt.
Vollstreckungsmaßnahmen aus dem vorangegangenen Monat wären dann gemäß § 88 [X.] unwirksam geworden, so dass der Schaden des [X.] auch in diesem Fall entstanden wäre.

4
5
-
5
-
II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die Annahme des Berufungsgerichts, eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 30. August 2005 hätte innerhalb von drei Wochen zu einem Eigenantrag der Schuldnerin geführt, widerspricht dem unstreitigen Sachverhalt
sowie dem beweisbewehrten Vortrag des [X.]
dazu, dass in den Jahren 2005 und 2006 andere Gläubiger
die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin betrieben
haben, ohne dass die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beantragt hat.

1. Die [X.] hat am 9. November 2006 für den Gläubiger W.

Erlass eines Pfän-dungs-
und Überweisungsbeschlusses
hinsichtlich der Forderung der Schuldne-rin gegen den Drittschuldner Notar R.

beantragt.
Der Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss wurde antragsgemäß erlassen. Ebenfalls am 9. [X.] hat die [X.] für die Gläubigerin Eva D.

wegen einer For-Pfändungs-
und Überweisungsbe-schlusses
hinsichtlich der Forderung der Schuldnerin
gegen den Drittschuldner Notar R.

beantragt. Auch dieser Pfändungs-
und Überweisungsbe-schluss wurde antragsgemäß erlassen. Beide Beschlüsse wurden der Schuld-nerin
im Dezember 2006 zugestellt. Die Pfändungen
hatten
Erfolg und führten

Der Kläger hat sich den entsprechenden Vortrag der [X.]n ausdrücklich zu ei-gen gemacht und darauf verwiesen, dass diese Maßnahmen
-
unstreitig
-
kei-nen
Eigenantrag der Schuldnerin zur Folge hatten.

2. Der Kläger hat überdies
weitere Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Schuldnerin seit 2005 behauptet, die weder zu einem Eigenantrag der Schuld-6
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-
nerin noch zu einer Kündigung der Bankverbindungen der Schuldnerin geführt hätten, und sich zum Beweis auf das Zeugnis des Verwalters im Insolvenzver-fahren über das Vermögen der Schuldnerin, auf das Zeugnis seines vorinstanz-lichen Prozessbevollmächtigten sowie auf das Zeugnis eines weiteren Rechts-anwalts berufen. Zwangsvollstreckungen einer Vielzahl von Gläubigern gegen die Schuldnerin im August 2005 hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Unstreitig stellte die Schuldnerin gleichwohl keinen Insol-venzantrag. Warum dies anders gewesen wäre, wenn der Kläger seine verhält-nismäßig niedrige Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt hätte, ist nicht nachzuvollziehen.

3. Im nachgelassenen Schriftsatz vom 22. Februar 2016 hat der Kläger schließlich
zum Beweise dessen, dass die zwangsweise Beitreibung seiner [X.] hätte, die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Mit diesem Beweisangebot hat sich das Berufungsgericht ebenso wenig befasst wie mit den
erfolgreichen
Pfändungen im Jahre 2006 sowie mit den Beweisan-tritten hinsichtlich der
Vollstreckungsmaßnahmen weiterer Gläubiger
(Art. 103 Abs. 1 GG).

III.

Das Urteil erweist sich
nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung fehlt es nicht bereits an einer Pflichtverletzung der [X.]n. Das Berufungsgericht hat die Frage einer Pflichtverletzung offen gelassen. [X.] ist damit
insoweit
vom [X.]
des [X.] auszugehen. Der Kläger
hat die [X.] mit der Durch-9
10
-
7
-
setzung einer Forderung gegen die Schuldnerin beauftragt. Er wirft ihr
vor, die-se
Forderung trotz der absehbaren Insolvenz der Schuldnerin
und des daraus folgenden Anfechtungsrisikos
nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchge-setzt zu haben. Damit ist
eine anwaltliche Pflichtverletzung schlüssig dargelegt.

a) Ein Rechtsanwalt hat seinen Auftrag so zu erledigen, dass Nachteile für den Mandanten möglichst vermieden werden
(vgl. etwa [X.], Urteil vom 17.
März 2016 -
IX [X.], [X.], 2091
Rn. 9). Ein Rechtsanwalt, der mit der zwangsweisen Durchsetzung einer Forderung beauftragt worden ist und einen Titel gegen einen Schuldner
des Mandanten
erwirkt hat, hat zügig die Zwangsvollstreckung zu betreiben ([X.] in G. Fischer/[X.]/D.Fischer/[X.]/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rn.
258; vgl. auch [X.], Ur-teil vom 3.
März 2016 -
IX
ZR 119/15, [X.], 617 Rn.
23). Gibt es [X.] dafür, dass die Insolvenz des Schuldners des Mandanten bevorsteht, muss der Anwalt den Mandanten über das Risiko der fehlenden Insolvenzfes-tigkeit der im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfah-rens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung erlangten Sicherheit gem. § 88 [X.] ([X.], aaO) ebenso hinweisen wie
auf die Anfechtbarkeit erhal-tener Sicherheiten und Zahlungen gemäß §§ 130, 131 [X.]
([X.], aaO Rn. 265; vgl. auch [X.], Urteil vom 8. Januar 2004 -
IX ZR 30/03, [X.], 481, 482).
Die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen des Schuldners einerseits (§§ 130, 131, 133 [X.]),
und von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung andererseits (§
133 Abs. 1 [X.]; vgl. dazu [X.], Urteil vom 10. Februar 2005 -
IX ZR 211/02, [X.]Z 162, 143, 147 ff; zur Abgrenzung von Rechtshandlungen und Maßnah-men der Zwangsvollstreckung vgl. [X.], Urteil vom 1.
Juni 2017 -
IX ZR 48/15, [X.], 1315 Rn. 14 ff; vom 1. Juni 2017 -
IX ZR 114/16, [X.], 1348 Rn. 6 ff)
hat der Anwalt zu kennen. Er muss seine Beratung hieran ausrichten.
Der [X.] hat bereits entschieden, dass ein drohendes oder sogar bereits [X.]
-
8
-
antragtes Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners Anlass sein kann, jegliche Kosten verursachende Maßnahmen zu unterlassen und den Mandanten darauf zu verweisen, dass er seine Forderung im Insolvenzverfah-ren zur Tabelle anmelden könne ([X.], Urteil vom 8. Januar 2004 -
IX ZR 30/03, [X.], 481, 482 f; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.]/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl. Rn. 2101).
Zwar kann der Anwalt
seinem Mandanten das mit der Insolvenz des Schuldners [X.] Risiko der Uneinbringlichkeit der Forderung nicht abnehmen. Für
Entwick-lungen, die nicht vorhersehbar waren, haftet er auch nicht. Jedoch muss er den
Mandanten so weit belehren, dass dieser -
wie auch in anderen Fällen (vgl. et-wa [X.], Urteil vom 1. März 2007 -
IX ZR 261/03, [X.]Z 171, 261 Rn.
9
ff; vom 15. Januar 2009 -
IX ZR 166/07, [X.], 571 Rn. 10; vom 9.
Juli 2009 -
IX ZR 88/08, [X.], 1722
Rn. 9)
-
in Kenntnis der absehbaren Chancen und Risiken eine eige[X.]erantwortliche Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen kann.

b) Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vortrag des [X.] hielt die [X.]
bereits im Jahre 2005 für möglich, dass das Insolvenz-verfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet werden würde. Der Klä-ger hat dazu ein Schreiben der [X.]n vom 1. August 2005 an einen ande-ren Gläubiger der Schuldnerin vorgelegt, in welchem es heißt, eine Kontopfän-dung sei wegen der drohenden Insolvenz der Schuldnerin zurückgenommen worden.
Sie hat außerdem entsprechenden Prozessvortrag
der [X.]n aus einem Parallelverfahren ([X.] O 1213/13)
zitiert.
Unter diesen Umständen hätte die [X.] den Kläger darauf hinweisen müssen, dass eine [X.] gegen die Schuldnerin außerhalb des kritischen Zeitraumes von drei Monaten
vor dem Antrag auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 130, 131 [X.]) insolvenzrechtlich Bestand hat, während Rechtshandlungen des
Schuld-12
-
9
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ners gegebenenfalls bis zu zehn Jahren
vor dem Eröffnungsantrag angefochten werden konnten (§ 133 Abs. 1 [X.] aF). Ob und wann die Eröffnung des [X.] über das Vermögen der Schuldnerin beantragt werden und ob der Antrag zur Eröffnung führen würde, konnte die [X.] zwar nicht wissen, weil es sich bei dem Insolvenzantrag und dem Eröffnungsbeschluss um ein
in der Zukunft liegendes und damit ungewisses Ereignis handelte. Zur vollständi-gen Aufklärung des Mandanten gehörte jedoch die Unterrichtung über die
mit einem Vergleichsschluss und einer freiwilligen Zahlung verbundenen
zusätzli-chen insolvenzrechtlichen Risiken. Nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Vortrag des [X.] hat keine entsprechende Beratung und Aufklärung stattge-funden. Die [X.] hat vielmehr eigenmächtig mit der Schuldnerin verhandelt und keine Weisungen des [X.]
hinsichtlich des weiteren Vorgehens
einge-holt.

c) Eine unterlassene Zwangsvollstreckung ist nur dann pflichtwidrig, wenn pfändbares Vermögen vorhanden war und
entweder bekannt war oder mit den Möglichkeiten, welche die Zivilprozessordnung bietet, ermittelt werden konnte.
Anders als in den bereits entschiedenen Fällen des [X.] durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist (vgl. [X.], Urteil vom 18.
März 2004 -
IX ZR 255/00, [X.], 2217, 2219; vom 1. März 2007

IX
ZR 261/03, [X.]Z 171, 261 Rn. 35; Beschluss vom 8. November 2007

IX
ZR 221/06, [X.], Rn. 2; vom 24. Oktober 2013 -
IX ZR 164/11, NJW-RR 2014, 172 Rn. 8) geht es hier nicht um einen durch die Pflichtverletzung [X.] verursachten Schaden; die Erleichterung der Darlegungs-
und Beweislast des
§ 287 ZPO gilt nicht.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung hat der Kläger jedoch ausreichend zu verwertbarem Vermögen der Schuldnerin vorgetragen. Er hat auf die Forderung der Schuldnerin gegen die Käuferin der G.

-Aktien sowie darauf verwiesen, dass eine Pfändung von Konten der 13
-
10
-
Schuldnerin möglich gewesen wäre. Eine tatrichterliche Würdigung dieses [X.] ist bislang unterblieben. Entgegen der Ansicht der Revisionserwide-rung brauchte der Kläger keine das Gericht bindende Reihenfolge der mögli-chen Gegenstände der Zwangsvollstreckung zu bilden. Sein Vortrag ging dahin, dass sowohl die Zwangsvollstreckung in die Kaufpreisforderung als auch eine Kontenpfändung Erfolg gehabt hätten. Das reicht im Rahmen der Schlüssig-keitsprüfung aus (zum Umfang der
Beweislast
bei alternativer Klagebegründung
vgl. [X.], Urteil vom 16. Juli 2015 -
IX ZR 197/14, [X.], 1622 Rn. 27).

IV.

Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es wird [X.] (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Insolvenzverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Für die erneute Verhandlung und Entscheidung weist der [X.] auf folgende rechtliche Ge-sichtspunkte hin:

1. Das Berufungsgericht wird zunächst den Inhalt des zwischen den [X.] geschlossenen Anwaltsvertrages
zu klären haben.

a) Die [X.] hat sich gegenüber dem Vorwurf des pflichtwidrigen Un-terlassens von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen damit verteidigt, dass sie
gegebenenfalls
nicht nur für den Kläger, sondern auch für die anderen mehr als
zweihundert von ihm vertretenen Gläubiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Schuldnerin hätte einleiten müssen. [X.] in dieser Größenordnung hätten die sofortige Insolvenz der Schuldnerin zur Folge gehabt. Der Weg über die Verpfändung der Aktien und die Treuhand-14
15
16
-
11
-
vereinbarung hinsichtlich des auf ein [X.] zu zahlenden [X.] sei daher der bessere und sicherere Weg gewesen.
Ihrer Ansicht nach war sie
allen Mandanten in gleicher Weise verpflichtet. Maßnahmen, die -
wie die Zwangsvollstreckung in die Kaufpreisforderung oder in Konten der Schuldne-rin

dem Kläger nützen, anderen Mandanten der [X.]n aber schaden konnten, kamen daher nicht in Betracht. Der Kläger hat demgegenüber die [X.] vertreten, die [X.] sei vertraglich verpflichtet gewesen, ausschließlich seine, des [X.], Interessen zu vertreten.
Er hat behauptet, von den Titeln anderer Mandanten des [X.] nichts gewusst zu haben.

b) Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs. 1 [X.]). Die Wahrnehmung anwalt-licher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interes-sen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus ([X.], Urteil vom 8. November 2007 -
IX ZR 5/06, [X.]Z 174, 186 Rn. 12; [X.], NJW 2003, 2520, 2521). Wie der [X.] bereits entschieden hat, darf der Mandant, welcher dem Anwalt die Schließung eines Anwaltsvertrages anträgt, von [X.] eines Rechtsanwalts ausgehen ([X.], Urteil vom 8. November 2007, aaO). Nimmt der Anwalt das Mandat an, erklärt er damit seine Bereit-schaft, fortan die Interessen des Mandanten ohne Rücksicht auf die Interessen Dritter umfassend zu vertreten. Für konkurrierende Interessen Dritter gilt inso-weit nichts anderes als für die gegenläufigen Interessen des Gegners des [X.] (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 8. November 2007, aaO; vom 19. [X.] 2013 -
IX ZR 322/12, [X.], 87 Rn. 11).
Will der Anwalt nur einge-schränkt für den Mandanten tätig werden, hat er dies vor Abschluss des [X.] klarzustellen.
Der Mandant kann dann
selbst entscheiden, ob er dies -
etwa in der Erwartung besonderer
Kompetenz des Anwalts oder einer besseren [X.] gegenüber dem Gegner
-
hinnehmen oder ob er einen [X.]
-
12
-
ren, ausschließlich seinen -
des Mandanten
-
eigenen Interessen verpflichteten Anwalt beauftragen will.
Gleiches gilt, wenn sich nachträglich [X.] abzeichnen, die nur ein eingeschränktes Tätigwerden des Anwalts erlauben. Weder der Kläger noch die [X.] haben bisher Tatsachen vorgetragen, aus welchen sich ein vom Regelfall abweichender Inhalt des [X.] könnte. Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, ihr diesbezügliches [X.] zu ergänzen.

2. Je nach dem Ergebnis, zu welchem das Berufungsgericht kommen wird, könnte sich die Frage der Wirksamkeit dieses Vertrages stellen. Gemäß §
43a Abs. 4 [X.] ist es einem Rechtsanwalt verboten, widerstreitende [X.] zu vertreten. Ein Verstoß gegen das Verbot des § 43a Abs. 4 [X.] führt zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrages ([X.], Urteil vom 12. Mai 2016

IX
ZR 241/14, [X.], 537 Rn. 7).
Widerstreitende Interessen liegen [X.] nicht schon dann vor, wenn der Rechtsanwalt sich gegenüber mehreren Mandanten verpflichtet, Forderungen
gegen ein und denselben Schuldner durchzusetzen und insbesondere die Zwangsvollstreckung gegen diesen
zu betreiben. In einem solchen Fall kann zwar der Erfolg des einen Mandanten den Misserfolg des anderen Mandanten, der nicht mehr zum Zuge gekommen ist, bedeuten. Das wäre aber nicht anders, wenn die Mandanten von unter-schiedlichen Rechtsanwälten vertreten würden. Die [X.] verpflich-ten den Anwalt nur, für jeden einzelnen Mandanten das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Bevorzugt der Anwalt den einen vor dem anderen Mandanten, in-dem er Anträge bevorzugt oder nachrangig
stellt, liegen Pflichtverletzungen im

18
-
13
-

Rahmen des jeweiligen Mandatsverhältnisses vor. An den grundsätzlich mitei-nander zu vereinbarenden Pflichten aus den einzelnen Verträgen ändert sich durch eine solche Pflichtverletzung hingegen nichts.

Kayser
[X.]
Pape

[X.]
Krüger

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.04.2015 -
4 O 1139/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 16.03.2016 -
7 [X.] -

Meta

IX ZR 71/16

07.09.2017

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2017, Az. IX ZR 71/16 (REWIS RS 2017, 5677)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5677

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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